Sonntag, 27. Mai 2018
70 Jahre Israel - ein Nachschlag
Nachdem Bersarin den Kommentarthread zugemacht hat, ich zu dem Thema aber noch etwas zu sagen habe mache ich hier noch ein bißchen weiter.

https://bersarin.wordpress.com/2018/05/14/70-jahre-israel/#comment-14123

Völkerrechtliche Grundlage des Staates Israel ist nicht der Grenzverlauf von 1967, sondern die Resolution 181 - 2, die eine Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah. Es gab nicht nur einen Überfall der arabischen Nachbarstaaten auf Israel mit der Absicht dieses zu vernichten, sondern bereits im Vorfeld auch einen mit äußerster Brutalität von beiden Seiten geführten Bürgerkrieg in dem laut UN-Beschluss für einen Araberstaat vorgesehenen Teil Palästinas, bei dem keine Gefangene gemacht, sondern alle Kombattanten die sich ergaben erschossen wurden. Insbesondere die Terroristen der Irgun Zwai Leumi- die ich deutlich von der Keimzelle der israelischen Armee, der Hagannah unterscheide - betrieben hierbei die planmäßige Vertreibung der PalästinenserInnen. Beim Massaker von Deir Yassin wurden unbewaffnete DorfbewohnerInnen ermordet, neben tatsächlichen Kämpfern, und zwar so weit noch rekonstruierbar im Zahlenverhältnis 9 : 1.

https://www.righteousjews.org/article23.html

Dass die Staatsgründung Israels bei Palis bis heute "An Naqba", "Die Katastrophe" genannt wird verwundert vor diesem Hintergrund nicht. Ich bin zwar bei Bersarins Schlussfolgerung, dass ein Israel in den Grenzen voin 1967 und ein unabhängiges Palästina mit zusammenhängender territorialer Integrität die einzig sinnvolle Lösung darstellt.

Aber die historische Herleitung des Ganzen oder die Frage welche Seite da mehr oder weniger Unrecht begangen oder Schuld auf sich geladen hat sehe ich doch gänzlich anders als Bersarin. Die Tatsache, dass die Shoah die Existenz Israels historisch notwendig machte und bis heute das Existenzrecht Israels unverbrüchlich besteht ist nicht verhandelbar. Das rechtfertigt aber israelische Kriegsverbrechen, die es seit dem Tag der Staatsgründung und schon davor gegeben hat und die nicht etwa nur kleine vereinzelte Übergriffe der Irgun und der Hagannah gewesen sind in keiner Weise. Die Tatsache dass die arabischen Staaten nicht im Traum daran dachten den in der Resolution 181 -2 vorgesehenen demokratischen Palästinenserstaat Realität werden zun lassen - Jahrzehntelang waren die Palis in den arabischen Ländern selber eine marginalisierte und aufmüpfige Minderheit, die Entstehung der Hamas ist auf Aktivitäten des saudischen (durchaus in Zusammenarbeit mit dem israelischen) Geheimdienstes zurückzuführen, durch Etablierung einer autoritär-religiösen nationalistischen Kraft bei den Palis die palästinensische Linke zu schwächen, die damals auf den Ölfeldern durchaus ein revolutionäres Potenzial darstellte (siehe Autonomie Neue Folge Sonderheft "Revolution am Golf?" von 1980) lässt diese in dem Konflikt noch weit übler aussehen. Freunde der PalästinenserInnen sind sie mit Sicherheit nicht.

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Dazu die Balfour-Deklaration vom November 1917, die also noch vor dem Völkerbundmandat erging.

"His Majesty's government view with favour the establishment in Palestine of a national home for the Jewish people, and will use their best endeavours to facilitate the achievement of this object, it being clearly understood that nothing shall be done which may prejudice the civil and religious rights of existing non-Jewish communities in Palestine, or the rights and political status enjoyed by Jews in any other country."

Die Balfour-Deklaration warf das Sykes-Picot-Abkommen vom Mai 1916 praktisch über den Haufen. Das Sykes-Picot-Abkommen wiederum konterkarierte die Hussein-McMahon-Korrespondenz, in der den Arabern ein unabhängiger Staat nach Kriegsende zugesagt worden war als Lohn dafür, dass sie sich auf seiten der Briten gegen das Osmanische Reich engagierten. Diese Korrespondenz erstreckte sich über mehrere Monate von Juli 1915 bis März 1916. Man kann also sagen dass die Araber von den Briten heftigst beschissen wurden (auf die Hussein-McMahon-Korrespondenz wird noch zurückzukommen sein).

70 Jahre Israel also - aktuell mit einer durch die Amerikaner bestätigten und mit dem Botschaftsumzug geweihten Hauptstadt Jerusalem. Dass die im August 1980 ohne Gegenstimme verabschiedete Resolution 478 des UN-Sicherheitsrates aufgehoben wurde, ist an mir vorübergegangen. Mit dieser Resolution wurde das kurz zuvor beschlossene israelische Jerusalemgesetz für nichtig erklärt und die UN-Mitglieder aufgefordert, ihre Botschaften aus Jerusalem abzuziehen. Dem wurde lückenlos nachgekommen. Palästinensischen Arabern wird man den Stellenwert der Resolution 478 nicht erklären müssen (Ostjerusalem). Völkerrechtlich hat Jerusalem bis heute den Status eines "Corpus separatum" unter UN-Verwaltung (die EU beabsichtigte zwar, die von Trump geplante Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt zu verurteilen, zog aber schließlich jämmerlich den Schwanz ein). Wenn man anlässlich des Jubiläums über die Haltung der Araber, insbesondere jener in Palästina und erst recht jener im Gaza-Streifen, zu Israel nachdenkt, darf dieser Tatbestand nicht ausgelassen werden.

Doch die Entwicklungsgeschichte hin zur Unabhängigkeitserklärung Israels ist auch nicht gerade uninteressant. Geht man nämlich von der Unabhängigkeitserklärung nochmals 70 Jahre zurück, landet man in einem Palästina, das bereits seit 362 Jahren Teil des osmanischen Reichs ist. Dessen erste Verfassungsperiode endet gerade (autokratischer Herrscher Abdülhamid II.) und man befindet sich im Jahr -4 der ersten Alija. Zu diesem Zeitpunkt lebten rd. 457.000 Menschen in der Region Palästina, wovon 400.000 Muslime waren. Von 13.000 - 20.000 Juden und 42.000 - meist griechisch-orthodoxe Christen - wird weiters berichtet. Zum Vergleich: heute leben in dieser Region an die 14 Mio. Menschen. Mit der ersten Alija (1882-1903) kamen in zwei Wellen 20.000 - 30.000 Einwanderer in die Region, allerdings zog rd. die Hälfte davon nach einigen Jahren wieder weg. Die Einwanderer nahmen nicht einfach ein ihnen genehmes Stück Land in Beschlag, sondern bezogen Grundstücke, die zuvor arabischen Großgrundbesitzern von wohlhabenden Juden (z.B. Edmond de Rothschild) abgekauft worden waren.

Einheimische Pächter mussten weichen, weil ihnen die Erneuerung der Pachtverträge durch die neuen Eigentümer verweigert wurde. Land lag deshalb zeitweilig brach. Wegen des geltenden osmanischen Rechts ergaben sich dabei durchaus Reibungsflächen. So war mit dem Grunderwerb die Auflage verbunden, binnen Dreijahresfrist mit der Nutzung zu beginnen, ansonsten der Grund der Allgemeinheit anheim fiel. Weiters kannte osmanisches Recht eine unaufwändige Grundersitzung, welche dem faktischen Nutzer eines Grundstücks nach kurzer Zeit bereits das Eigentumsrecht daran verschaffte. Eine andere Eigenheit war, dass der vom Pächter hergestellte Vegetationsbestand und Bebauung dessen Eigentum blieb, ungeachtet der Grundeigentumsverhältnisse. Die jüdischen Grunderwerber aber brachten ihre europäischen Rechtsgewohnheiten in die Rechtsgeschäfte ein (... samt verbundenem Zugehör). Dem Nutzungsgebot entsprachen die neuen Grundeigentümer unter anderem dadurch, dass sie auf dem Land in der Nachbarschaft Huldas einen Olivenhain anlegten. Gleichzeitig wehrten sie damit wirksam die drohende Grundersitzung durch bisherige Pächter, nun aber vertragslos, ab.

Festzuhalten ist, dass für die Periode der ersten Alija keine handfesten Auseinandersetzungen/Übergriffe überliefert sind. Auch für die zweite Alija (1904-1914) wird über keine gewalttätige Konflikte zwischen jüdischen Einwanderern und ansässigen Arabern berichtet. In dieser Periode kamen 35.000 bis 40.000 Einwanderer ins Land. Der Beginn des ersten Weltkriegs beendet die jüdische Einwanderung nach Palästina vorerst. Aber auch während der Kriegsdauer berichten Historiker nicht über sich gewalttätig entladende Spannungen zwischen den erwähnten Bevölkerungsgruppen. Das ändert sich erst mit dem Jahr 1920.

(Einschub: Bei der lustigen Geschichte mit den sich über einen üppigen Wald beklagenden Arabern geht es mitnichten um tüchtige Juden und blöde Araber, sondern um handfeste Rechtsfragen. Diese Geschichte kann allenfalls als Beleg dafür dienen, wie sich die Briten ganz konkret als chauvinistische Arschlöcher gebärdeten. Arthur Ruppin warnte seine Leute ausdrücklich davor, in eine chauvinistische Haltung zu verfallen.)

--- tbc ---

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Gründungsmythos zu Israel
Hinsichtlich der Ausrufung des Staats Israel ist die in Deutschland vorherrschende Sichtweise, und Bersarin macht da keine Ausnahme, stets daran orientiert dass sich übereinstimmend mit dem UNO-Teilungsplan in der Situation äußerster Bedrängnis dieser Staat unter Zeitnot konstituiert habe. Den Arabern kommt da eindeutig die Rolle der Schurken zu. Die Tatsache dass der Großmufti von Jerusalem mit den Nazis koopereriert hatte wird da oft betont.

So eindeutig aber war das alles nicht. Die arabischen Staaten hatten nicht unisono deswegen gegen den Teilungsplan gestimmt weil sie grundsätzlich keinen Judenstaat wollten oder weil sie von Antisemitismus geprägt worden wären. Vielmehr passte ihnen die Teilung nicht, weil ihrer Auffassung nach Israel zu sehr begünstigt wurde. Insbesondere weil die arabischen Gebiete zu wenig Küste hatten, fruchtbarere Landstücke an die Juden fielen und die reine Araberstadt Jaffa Israel zugeschlagen wurde. Die arabischen Staaten waren also mit dieser Teilung nicht einverstanden und wollten nachverhandeln. Solchen Nachverhandlungen kamen die Israelis mit der Ausrufung ihres Staates und dem dann erfolgenden Landraub, noch vor dem Angriff ihrer Nachbarstaaten zuvor. Die Gründung des Staates Israel war ein völkerrechtswidriger Gewaltakt. Die Reaktion der Nachbarländer mit dem Ziel "die Juden ins Meer zu jagen" war das in noch höherem Maße. Das eine Unrecht wird aber nicht durch ein anderes Unrecht aufgewogen.


BtW: Und auch nur in diesem Kontext sind die unterschiedlichen Positionen verschiedener Fraktionen des palästinensischen Widerstands zu verstehen. So hat etwa die DFLP von Anfang an die Zwei Nationen - Zwei Staaten - Lösung vertreten, ursprünglich aber mal in den Grenzen des Teilungsplans, nicht in denen von 1967.

etc: Bis heute gilt Resolution 478. Ostjerusalem ist völkerrrechtlich kein Teil Israels.

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Fünf arabische Staaten haben Israel unmittelbar nach Staatsgründung den Krieg erklärt. Soviel dazu, und das hatte dann auch für die Araber erhebliche Folgen. In der Tat sollte man die Rolle des Großmuftis von Jerusalem auch im Blick behalten. Und später dann die Rolle Hafiz al-Assads, der gerne deutsche Kriegsverbrecher in Syrien beherbergte, Alois Brunner z.B. einen Mitarbeiter im Stabe Eichmanns. Ein illustrer Gast.

Was die Reaktion Israels betrifft und wie es in der Geschichte ist: Sie geht nicht gerecht zu. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg nicht, wo sich ein neues Land schuf, und schon gar nicht die Französische Revolution. Geschichtlich notwendig, was sicherlich kaum einer bestreiten wird (wie auch die Gründung Israels), aber eben auch hochblutig. Und auch hier könnte man dann sagen: das eine Unrecht (Feudalismus) wird doch nicht durch ein anderes Unrecht (bürgerliche Gesellschaft) aufgewogen. Wohl wahr. Aber ich glaube mittlerweile nicht mehr daran, daß der Immanenzzusammenhang der Gewalt je aufhören wird. Allenfalls kann man ihn mildern. In diesem Sinne halte ich Institutionen für wichtig, die Gewalt einhegen.

Zwei Staaten in den Grenzen von 1967 ist wohl das einzige Projekt in Israel, was vielleicht irgendwann noch eine halbwegs brauchbare Chance auf Verwirklichung hat, wenn man ohne einen Krieg auskommen will.

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Gut, und unmittelbar vor Staatsgründung haben jüdische Milizen arabische Bauern von ihrem Land vertrieben und hat es ohne Rücksichtnahme auf die Teilungsgrenzen Massaker und Massenvertreibungen gegeben die zum großen Teil von der Irgun ausgingen. Dass die israelische Staatsgründung aus palästinensischer Sicht eine Katastrophe war ist ebenso nachvollziehbar wie die Tatsache dass es nach Shoah und Exodus keine Alternative gab. Das ganze hat die Dimension einer griechischen Tragödie.

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An der Debatte würde ich mich ja gerne intensiv beteiligen wollen, möchte aber erst noch die Ergebnisse meiner Nachforschungen sortieren und in verständliche, nachvollziehbare Form bringen. Soviel vorweg: Che hat in allem, was er bisher zur Staatsgründung Israels hier wie dort eingebracht hat, belegbar recht.

Was er bisher allerdings noch nicht erwähnt hat, ist die Tatsache, dass israelische paramilitärische Gruppierungen (Hagana & Palmach, Irgun, Lechi) sich nach Kriegsende (WWII) konzentriert gegen die Briten gewandt hatten. So wird auch der Anschlag einiger dieser Gruppierungen auf das King David Hotel (22.06.1946) bis heute unter Historikern als Anlass für den britischen Rückzug aus dem Mandatsgebiet [kontrovers] diskutiert. Den paramilitärischen Unmut der jüdischen Einwanderer hatten die Briten sich zugezogen, nachdem sie infolge der arabischen Aufstände ab 1921 (und 1939 von den Briten blutig niedergeschlagen) die jüdische Einwanderung und den zionistischen Bodenerwerb nach und nach eingeschränkt (kontingentiert) hatten. Die britische Peel-Kommission sprach die sich verschärft habende Grundknappheit ausdrücklich an und erstattete deshalb 1937 einen später fallen gelassenen ersten Teilungsplan. Mit dem Biltmore-Programm (8.5.1942) kündigte der Zionistische Kongress das Kriegsbündnis mit den Briten schließlich auf und erhob unverblümt den Anspruch auf einen jüdischen Staat in Palästina mit moralischer Deckung durch die USA (Wilson).

Die Briten haben grässlich vergeigt, was im Faisal-Weizmann-Abkommen (3.1.1919) an jüdisch-arabischem Konsens betreffend die politische Neuordnung Palästinas (jüdischer Staat neben arabischem Königreich) bereits erzielt worden war. Abbas hat die Geschichte auf seiner Seite, wenn er nun laut darüber nachdenkt, die Briten klagen zu wollen. Das hätte nach meinem aktuellen Verständnis schon vor langer Zeit erfolgen sollen.

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Übrigens war das revolutionäre Ägypten nach dem Sturz König Faruks tendenziell eher proisraelisch und es hätte damals bereits einen Sonderfrieden wie wir ihn heute haben geben können wenn Israel sich nicht während der Suezkrise an den britisch-französischen Angriffen auf die Kanalzone beteiligt und somit Partei in einem Kolonialkrieg ergriffen hätte (gegen Waffenlieferungen aus F und GB). Damit hatte Israel es sich nicht nur mit Ägypten verdorben, sondern die gesamte sich formierende Bewegung der Blockfreien und der antikolonialen Befreiungsbewegungen gegen sich, ein Umstand der durch die Besatzungspolitik nach 1967 nochmal verschärft wurde. In den 70er und 80er Jahren zählte Israel deshalb in der Wahrnehmung der internationalen radikalen Linken und der Kommunisten, aber auch der OAU, Black Power usw. neben den lateinamerikanischen Militärdiktaturen und Apartheid-Südafrika zu den "imperialistischen Frontstaaten", ein Feindbild das bezogen auf Israel in Schwarzafrika immer noch existiert.

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che, die Suezkrise kam aber deutlich nach dem Angriff Ägyptens, nach der Gründung Israels am 15. Mai 48. Richtig ist allerdings, daß es sich um eine Tragödie handelt. Und eine Spirale der Gewalt.

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@Bersarin: Der Vergleich mit dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hinkt insofern, als damit die Vertreibung/Vernichtung der ansässigen indigenen Völker Amerikas durch die jeweils neu ankommenden Siedler nicht angesprochen wird.

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Ja eben, Bersarin, die Suezkrise war 1956. Der Operettenkönig Faruk, Lieblingskind der Yellow Press, war gestürzt worden und unter Nagib und Nasser begann die Ära des Arabischen Sozialismus, eine Politik des Dritten Weges, Verbindung aus staatlich kontrolliertem Außenhandel und verstaatlichtem Finanzsystem, staatlich gelenkter Industrialisierung und privatwirtschaftlicher Konsumsphäre und Landwirtschaft. Ägypten war damals ein Modellstaat für die sich emanzipierenden ehemaligen Kolonien und neben Jugoslawien und wenig später Kuba, noch etwas später Algerien eine der Führungsmächte der Blockfreien. Das damalige Israel mit seinem Kibbuz-Sozialismus hatte in diesem Umfeld Sympathien - die es sich durch sein Verhalten in der Suezkrise, das Eintreten in einen Kolonialkrieg auf der Seite von Kolonialmächten komplett und dauerhaft zunichte machte. Aus der Perspektive der damals so genannten Dritten Welt war Israel von nun an ein Siedlerregime wie Südafrika. Passt dann wieder zum letzten Kommentar von h.z.

BTW Der Antiisraelismus der OAU und von afrikanischen und südamerikanischen Befreiungsbewegungen hat von daher auch nichts mit Antisemitismus zu tun, ebensowenig ist die Israel-wegen-der-Shoah-gutfinde-Haltung links.

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Che, Nasser war ein kruder Nationalist, der den Panarabismus predigte, in seinen Auftritten übrigens nicht minder operettenhaft. Quasi arabische NPD. Und auch hinsichtlich deren Antisemitismus gibt es gute Überschneidungen mit Nasser. Mithin das Gegenteil sozialistischer Befreiung. Und ein Mensch, der für sein Land die Protokolle der Weisen von Zion verbreiten läßt, dürfte für die Juden und damit für israeliche Politik wenig vertrauenserweckend sein. Ich wüßte also keinen Grund, weshalb Israel sich auf einen Diktator wie Nasser einlassen sollte. Unter diesen Perspektiven wäre das Überleben von Israel im Nullkommanichts zunichte. Insofern ist es eine nette Illusion, daß da der "Sozialismus" das einende Band hätte sein können. Nasser war ein national-sozialistischer Ideologie. Syrien, Jordanien, Libanon, Jordanien, Ägypten: Lauter Staaten mit wenig guten Absichten, die sie bereits am 15. Mai 1948 offen zeigten. Nämlich mit einem Angriffskrieg gegen Israel. Insofern tat Israel gut, auf Stärke und auf die Kraft von Waffen zu setzen, und es war der Weg, den Israel wählte, aus pragmatischen Gründen der richtige. Was auch der Sechstage- und der Jom-Kippur-Krieg zeigten. Und der antikolonialistische Befreiungskampf – na ja, ein netter linker Mythos, der Mensch braucht Mythen. Wie es heute in vielen ehemaligen Kolonien aussieht, darüber kann man lange streiten. Was herausgekommen ist, sind Diktaturen. Von Kuba über Vietnam bis Venezuela. Wenn ich mir ansonsten die Länder in dieser Region Naher und Mittlerer Osten anschaue, so ist Israel dort seit Jahrzehnten die einzige Demokratie. Nicht perfekt. Aber was hier auf der Welt im Zuge sozialistischer Regime sich zeigt, da ist mir und ist vielen Menschen das Nicht-ganz-Perfekte lieber als diese Lebensform des Neuen Menschen unter dem Zeichen des Totalitarismus und der staatlichen Lenkung.

Die Gründung Israels hatte viele Aspekte, die Shoah ist einer von vielen und ich denke die Israelis sind auf deutsches Mitleid nicht angewiesen. Das einzige, was ihnen hilft, sind deutsche U-Boote, deutsche Panzer und deutsche Luftabwehrraketen. Die changierende und teils verhängnisvolle Politik der Briten ist bekannt. Israel hat sich mit Stärke das geholt, was zu holen war und was gut für Israel ist. Und mit dem „Hätte“ und „Was wäre wenn?“ macht man eben keine Geschichte.

Natürlich gibt es in bezug auf die Staatsgründung der USA Unterschiede ums ganze im Vergleich zu Israel und zu anderen Staatsgründungen. Bei diesem Beispiel ging es mir um eine Analogiebildung, daß es bei solchen Prozessen selten friedlich zugeht. Im Falle der USA sogar bis hin zu einer Ausrottungspolitik. Macht, Recht und Moral kooperieren in den seltensten Fällen in Harmonie. Und die Sittlichkeit (im hegelschen Sinne) der Menschen, die die USA schufen, ist eine krudere, losgelassene, wie man sie im alten Europa in Zeiten von Erschütterungen allerdings auch kennt, man denke an den 30jährigen Krieg. Hegel schrieb in seinen Vorlesungen zur Philosophie der Geschichte: „Amerika ist somit das Land der Zukunft, in welchem sich in vor uns liegenden Zeiten, etwa im Streite von Nord- und Südamerika, die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll; es ist ein Land der Sehnsucht für alle die, welche die historische Rüstkammer des alten Europa langweilt. Napoleon soll gesagt haben: Cette vieille Europe m’ennuie.“

Diese Hoffnung aufs Land der Freien und seine Gründung hatten einen hohen Preis. Erst langsam begreift dieses Land, unter welchen Opfern es geboren wurde. Das ist die fatale Dialektik der Geschichte. Und sie gilt nicht minder für Israel, wenn auch nicht in dieser Heftigkeit. In hundert Jahren mag man weiter sein. Aber die „Totschlägerreihe“, um eine Metapher Kafkas aus seinem Tagebuch zu verfremden, wird nicht so einfach verlassen. Oder man kann es auch in Benjamins Bild vom Engel der Geschichte sagen. Oder mit einem Buchtitel des Philosophen Tamás Miklos: „Der kalte Dämon“. Araber und Israelis haben viele Gelegenheiten verstreichen lassen, sich auf zwei Staaten zu kaprizieren. Und in diesem Sinne hat dieser Konflikt in der Tat das Ausmaß einer griechischen Tragödie. Von Menschen Gemachtes wächst über die Menschen hinaus.

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@:"Che, Nasser war ein kruder Nationalist, der den Panarabismus predigte, in seinen Auftritten übrigens nicht minder operettenhaft. Quasi arabische NPD. Und auch hinsichtlich deren Antisemitismus gibt es gute Überschneidungen mit Nasser. Mithin das Gegenteil sozialistischer Befreiung. Und ein Mensch, der für sein Land die Protokolle der Weisen von Zion verbreiten läßt, dürfte für die Juden und damit für israeliche Politik wenig vertrauenserweckend sein. Ich wüßte also keinen Grund, weshalb Israel sich auf einen Diktator wie Nasser einlassen sollte." ---- Was am Panarabismus grundsätzlich falsch ist die Tatsache, dass er nicht wirklich die Klassenfrage stellte. Die Grundidee allerdings, einen arabischen Gesamtstaat zu schaffen der von Marokko bis zum Golf reichen sollte und in dem die Armut der arabischen Massen durch eine Ölrente für Alle aufgehoben werden sollte finde ich grundsätzlich gut, unabhängig davon, wie schlecht diese Idee dann von Nasser, den zwei Tariks, den beiden Baath-Parteien (schändlich, wie die mit ihrem eigenen Gründer, Michel Aflaq, umgegangen sind) umgesetzt wurde. Ich möchte mich hier gar nicht auf Nasser versteifen, den ich allerdings nicht als arabische NPD, sondern als arabischen Tito bezeichnen würde. Als bestangezogener Mann der arabischen Welt mit 7 Telefonen auf dem Schreibtisch sicher ein narzisstischer Dandy und ein Diktator der die Menschenrechte nicht achtete. Nur: Du liest mir nicht richtig zu oder reagierst unkomplex oder meine eigenen Ausführungen sind nicht konzise genug. Also: Ich hatte nicht geschrieben dass Nasser für Israel ein Verbündeter hätte sein können sondern dass in der Frühphase der ägyptischen Revolution unter Nagib, die sich AUCH gegen die reaktionären Regime der Saudis und der öligen Emire richtete eine Kooperation mit Israel möglich gewesen wäre, ein Tatbestand an den später Sadat anknüpfte und dass die antikolonialen Bewegungen, aus denen später die Bewegung der Blockfreien entstand damals in Israel positive Aspekte sahen, was durch die Rolle Israels als mit Kolonialmächten verbündeter Kombattant in der Suez-Krise zunichte gemacht wurde. Dass Nasser die Protolle der Weisen von Zion verbreiten ließ lese ich hier zum ersten Mal. Hast Du da eine Quelle? Ich lerne ja gerne hinzu. Meine Wahrnehmung des ganzen Themenkomplexes ist geprägt durch die Schriftenreihe Autonomie - Neue Folge, die Reader zu den Internationalismustagen 1978 - 1982, meine Gespräche mit Einheimischen in Ägypten und Tunesien sowie Kurden aus der PUK und der Komalah und die Vorlesungen von Bassam Tibi, bei dem ich studiert habe. Vielleicht also speziell, ich beanspruche allerdings schon, mich als Nahostexperten bezeichnen zu dürfen.

BTW: Israel hat sich ja auf andere Diktatoren eingelassen, in der Regierungszeit von Jitzhak Schamir waren dessen engste Verbündete Augusto Pinochet Ugarte, Ian Smith und Pieter Willem Botha. Eine Verbündetenwahl nach demokratischen Prämissen ist da nicht feststellbar.

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@Bersarin
"Araber und Israelis haben viele Gelegenheiten verstreichen lassen, sich auf zwei Staaten zu kaprizieren." --- Dieser Satz bedarf einer klärenden Erläuterung, da er in sich widersprüchlich ist.

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"Quasi arabische NPD. Und auch hinsichtlich deren Antisemitismus gibt es gute Überschneidungen mit Nasser."

Grober Unfug.
Ich hatte mehr als zehn Jahre beruflich (Immobilien) mit einem ehem. NPD-Funktionär zu tun und glaube, einen recht guten Einblick in die "Denke" der meisten ihrer - in Westdeutschland meist steinalten - Mitglieder zu haben.

Ich habe habe mal zynisch formuliert, daß wohl die meisten NPD-Wähler, -Mitglieder, -Sympathisanten "kein Problem mit Juden haben ... solange die in Israel sind".
Konkret: Wahrscheinlich gab es in der NPD mehr Freunde Israels als bei den Grünen. Der anti-israelische Kontext hat vielleicht bei ein paar "intellektuelleren" NPD-Funktionären eine Rolle gespielt aber nicht beim gemeinen Parteivolk. Jemand wie der arabo- und türkophile Karl-Heinz-Hoffmann war politisch bedeutungslos und ist wohl auch nirgendwo diskutiert worden.

Die Begeisterung für die arabischen "Befreiungs- oder Sammlungsbewegungen" war von Anfang ein linksradikales Thema. Heftige antiisraelische Reflexe kenne ich eigentlich nur von ehem. SED-Mitgliedern und NVA-Offizieren, die ich in Ostdeutschland kennengelernt habe.

Ich könnte mir allerdings vorstellen - mangels Kontakt zu meiner o.g. "Quelle" müßte ich mußtmaßen - daß HEUTE die NPD "nach allen Seiten offen" ist ... allein, um Bedeutung und Resonanz zu erzeugen.

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Besonders Horst Mahler und Udo Voigt sind ausgewiesene Juden- und Israelfreunde, so sehr, daß man schon vorschlug, sie als Stellvertreter der Gerechten unter den Völkern auszurufen.

Der linke Antisemitismus, neben dem obligatorischen der Rechten, ist noch ein weiteres Thema, man denke am Kunzelmann und die Anschläge auf jüdische Gemeindehäuser in Berlin und München. An die RAF-Solidarität mit den Arabern und deren Ausbildung in Jordanien. Aber das gilt eben nur für einen Teil der Linken. Es gibt eben auch Gremliza und Pohrt und teils auch vernünftige Strömungen aus dem eher antideutschen Lager und auch an den schönen Ça ira Verlag und dessen Umfeld.

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Herold, wie immer zeigst Du dass Du sehr westlich denkst, manchmal denke ich "nie über den Ruhrpott hinausgekommen" (siehe einstmals die Behauptung aneinander grenzende oder ineinander übergehende Uni- und Arbeiterviertel gäbe es nicht), so auch bezüglich der NPD: In Fünfneuland ist die NPD eine überwiegend sehr junge Partei deren Rassismus im Allgemeinen für Juden, Araber und Türken wie Schwarze gleich wenig übrig hat, nur dass es für die unterschiedliche Bezeichnungen gibt wie Kanaken, Kuffnucken, Itzigs, Bifteckis oder Bimbos. That´s all.

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Es ist dies nicht nur die NPD in den neuen Bundesländern, sondern ebenso in den alten. Zur NPD in den neuen Bundesländern muß man dazu sagen, daß in den Osten ganz wesentlich die Kader aus dem Westen einreisten und Strukturen schufen. In Ostberlin etwa im damals rechtsradikalen Weitlingkiez und bei den rechtsextremistischen Hausbesetzern war es unter anderem Michael Kühnen.

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Köstlich, nachdem ich zehn Jahre in Ostdeutschland (Gera, Leipzig, Halle) gelebt habe, werde ich über "Fünfneuland" belehrt.

Ich kann mich wiederholen: "Juden" haben dort als Personen oder als "Diskussionsgegenstand" keine Rolle gespielt. Bei jungen Ostdeutschen, die mgl.weise NPD gewählt haben, habe ich nie das Thema "Juden" oder "Israel" vernommen.

Es scheint aber eine völlig Unkenntnis über die DDR vorzuliegen. Die "Israel-Kritik", mit der sich im Westen so viele als "Antiimperialisten" oder "Befreiungsbewegte" wohlfühlten, war in der DDR STAATSDOKTRIN ... und wurde entsprechend an Hochschulen, in den Medien, in den Schulen, in Parteidiskussionen oder -beschlüssen umgesetzt.

Eine "Aufarbeitung" dieses Antizionismus hat nirgendwo und niemals gegeben. Dafür war UND IST die PDS/Linkspartei wohl zu nützlich.

... so wie im Westen auch PLO-Joschka, der Bewunderer iranischer Mullahs zum großen Freund Israels umgerubelt.

Horst Mahler dürfte bis zur Jahrtausendwende für die NPD keine Rolle gespielt haben. Zu Voigt: Daß die NPD jetzt nach allem grabscht, um Bedeutung oder auch nur Gehör zu finden, habe ich o.g.

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Was sollen das für tolle "Kader" gewesen sein ?
Selbstverständlich sind westdt. NPD-Mitglieder nach Ostdeutschland gegangen, weil sie hier (junge) Wähler und mit Parlamentseinzügen auch Versorgungsmöglichkeiten fanden.

Abgesehen von Adoleszenz dürfte Kühnen nichts mit der NPD zu tun gehabt haben. Sein "laßt-schwule-Männer-um-mich-sein"-Club dürfte auch in der NPD nicht gerne gesehen worden sein. Er war eher ein rechtsextremer "Aktionskünstler", in dieser Hinsicht beinahe der "Vater" von Leuten wie Worch oder irgendwelchen Kameradschafts-Anführern..

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Die FAP hat mit der ursprünglichen NPD etwa so viel zu tun wie die KPD/ML mit der DKP. Und auch da war die Rolle Kühnens umstritten, die Mosler-Fraktion (das waren die Stiefelnazis mit denen wir uns prügelten, Torsten Heise, heute NPD-Ageordneter gehörte dazu) akzpetierte ihn wegen seiner Schwulität nicht als "Führer der Bewegung", Parallelen zu Röhm sind nicht zufällig. Ein FAPler meinte mal, die NPD und DVU seien nationalkonservativ und nur die FAP nationalsozialistisch, Kühnen wiederum distanzierte sich von KZ-Morden und betonte dass die FAP in der SA-Tradition stehe und nichts mit der Shoah zu tun habe. Originell seine Sentenz, die Autonomen sollten doch gemeinsam mit den Nazis das Schweinesystem bekämpfen, hinterher könne man es immer noch ausschießen.

BTW heute ist die NPD ein Sammelbecken für all diese Strömungen, die Übergänge zu den Kameradschaften sind fließend.

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Wenn man von 70 Jahren Israel spricht, muss man auch von 140 Jahren Einwanderung sprechen. Ansonsten der Sache man nicht annähernd gerecht werden kann.

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Freilich muß man auch von den Einwanderungen sprechen. Das Interessante hierbei ist, das sich da spannende Parallelen zur BRD und zur gegenwärtigen Einwanderungsgesellschaft schlagen lassen, inwiefern nämlich Einwanderung zu einer veränderten gesellschaftlichen Situation führt – eine zusätzliche ironische Volte. Und aus diesem Grunde und wegen der teils hohen Geburtenraten sträubt sich Israel andererseits wiederum den Palästinensern ein vollständiges Rückkehrrecht zuzubilligen. Was in meinen Augen pragmatisch verständlich und richtig ist, wenn man den Staat Israel in der bisherigen Form erhalten will. (Was nichts darüber aussagt, daß es im Westjordanland genauso eine intakten Staat Palästina geben könnte.) Hinzu kommt: Territorien verändern sich, sowohl demographisch als auch durch Menschen, die neu hinzukommen. Und mit jedem Jahrhundert, daß man weiter in die Geschichte zurückblickt, sieht man andere Menschen bzw. Gemeinschaften dort leben. Irgendwann einmal kommt man dann zum Königreich Davids und dem jüdischen Tempel, zu den Heiligen Stätten der Juden, die viele tausend Jahre weit zurückreichen. Und dieser Tempel wurde zerstört und es setzten irgendwann später wiederum Muslime ihre Sakralbauten, und nun wieder sind Juden dort. Einige beanspruchen sämtliche historische jüdische Stätten, andere Juden sehen darin einen Widersinn und wollen zwei Staaten. Geschichte ist ein komplexer Prozeß.

Hier noch ein schönes Video zu Israel und den Konflikten auf diesem Landstrich Erde von Nina Paley. Etwas simpel zwar, aber in der Reduzierung wird das Problem gut auf den Punkt gebracht.
https://www.youtube.com/watch?v=-evIyrrjTTY&feature=youtu.be

Wenn man allerdings über die Einwanderungen in Palästina spricht, muß man zudem nach den Gründen der Juden für den Wunsch nach einem Staat sprechen, auch vom Zionismus. Und dazu sollte man dann auch von den europäischen Progromen gegen Juden in ganz Europa sprechen. Progrome seit über tausend Jahren, samt einem fest verankerten Antisemitismus in den meisten Ländern und Gesellschaften Europas. Dieser Antisemitismus reichte weit bis ins 20. Jhd, bis endlich Juden einen Staat fanden, in dem sie geschützt leben konnten. Ein paar Progrom-Stichwort für die Moderne seit 1800: Hep-Hep-Unruhen, das Juden-Progrom von Odessa, die Pogrome von Kischinew. Noch in Prag im Habsburger-Reich durfte der Vater Kafkas solche Ausschreitungen gegen Juden miterleben, nachzulesen, wie dieser Antisemitismus auch das Familienleben der Kafkas mitbestimmte in Stachs grandioser Kafka-Biographie, erster Band. Und noch zu Kafkas Lebenszeiten die Ausschreitungen des Prager Dezembersturms von 1897. Das Gesprächsthema übrigens zwischen Kafka und seiner späteren Verlobten Felice Bauer am 13. August 1912 im Hause von Max Brod, wo beide sich kennenlernten, war Palästina und obwohl sich beide noch keinen Tag lang kannten, planten beide zusammen eine gemeinsame Reise nach Palästina. In der Tat war aufgrund der Umstände in Europa die jüdische Frage mehr als virulent.

"Araber und Israelis haben viele Gelegenheiten verstreichen lassen, sich auf zwei Staaten zu kaprizieren."

Die Widersprüchlichkeit des Satzes sehe ich nicht oder verstehe nicht ganz, was Sie damit meinen, h.z. Schon mit der Staatsgründung Israels hätte es Möglichkeiten zu Gesprächen gegeben. Die UN machte einen Teilungsvorschlag, fünf arabische Staaten überfielen Israel. Nach solchem Angriff gestalten sich in der Regel Verhandlungen schwierig. Zumal, wenn man einen Krieg verliert, bleibt wenig Verhandlungsspielraum übrig. Insofern wäre der umgekehrte Weg besser gewesen, erst einmal zu verhandeln.

Weiterhin: 1978 in Camp David hätten auch andere arabische Staaten die Möglichkeit gehabt, hier einzusteigen und einen dauerhaften Frieden zu schaffen. Jordanien immerhin schloß sich an. Eine Annäherung brachte zudem 1995 das Oslo-Abkommen, an das man hätte anknüpfen können. Um 2000 herum gab es Verhandlungen zwischen Arafat und den Israelis unter Ehud Barak, zusammen mit Bill Clinton. Camp David II allerdings blieb erfolglos. Dieser FAZ-Artikel etwa zeigt die ganze Bandbreite des Scheiterns. Von beiden Seiten. Dazu ein auf dem politischen Parkett völlig unerfahrener Arafat, der die Chance der Palästinenser verspielte.
http://www.faz.net/aktuell/politik/naher-osten-was-geschah-wirklich-in-camp-david-138243.html

Um es hier noch einmal festzuhalten. Die Staatsgründung Israels war und ist unerläßlich. Darüber werde ich hier mit niemandem debattieren und es kommt hier der Normativität des Faktischen eine hohe Evidenz zu. Manche mögen das beklagen, aber es existieren geschichtliche Daten, hinter die gibt es kein Zurück. Dazu gehört 1789 und die Gründung Israels. Zumal nach 70 Jahren Israel es kaum vorstellbar ist, daß es eine Auflösung gäbe, außer es käme zu einer Hamas- oder Iran-Lösung, was die Auslöschung dieser Region bedeutete, wovon am Ende dann niemand mehr etwas hat. Insofern kann man als Historiker halt nur noch zurückblicken und in Gedankenspielen nachzeichnen, was man hätte anders machen können. Aber mit „Hätte“ gewinnt man keine Gegenwart. Allenfalls kann man hoffen, daß beide Seiten aus ihren Fehlern lernen. Israel sitzt am längeren Hebel und insofern wären die Araber gut beraten, sich nicht wie trotzige Kinder zu verhalten. Auf Terrororganisationen wie PLO und Hamas zu setzen, war keine gute Lösung.

Zum Schluß will ich noch einen schönen Tweet von dem geschätzten Ahmad Mansour bringen:

"Ich habe in #Israel Rechte gehabt – wie Hunderttausende andere Araber auch. Wir haben studiert, gearbeitet und besser verdient, als in den meisten arabischen Ländern.
https://twitter.com/AhmadMansour__/status/992070355731845120

Vieles ist also auch eine Frage der Erfahrungen, die einer macht, der Einstellung und der Perspektive.

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@" Die UN machte einen Teilungsvorschlag, fünf arabische Staaten überfielen Israel." ---- sorry, der Ablauf war: Die UN machte einen Teilungsvorschlag dem kein arabischer Staat zustimmte während jüdische Extremisten, von Hannah Arendt Sprengstoff-Spießer genannt einen Partisanenkampf gegen die Briten und nach deren beschlossenen Abzug gegen die im Mandatsgebiet lebenden Araber führten in der erklärten Absicht diese auch aus dem ihnen laut Teilungsplan zustehenden Gebiet zu vertreiben worauf der Staat Israel ausgerufen wurde WORAUFHIN 5 arabische Staaten Israel überfielen.

Und es kann dieser Überfall auf Israel sowohl als Versuch Israel zu vernichten als auch als solidarische Hilfe für die von israelischen Milizen blutig drangsalierten Palis als auch als Präventivschlag um weiteren israelischen Landraub zu verhindern angesehen werden, er war sogar all dieses gleichzeitig.

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Ca ira und Antideutsche sind für mich Feinde die nicht satisfaktionsfähig sind, eine Fraktion der Elemente der Gegenaufklärung die so talibanesk sind wie die Taliban selber.

https://che2001.blogger.de/stories/415434/


https://che2001.blogger.de/stories/2672904/


Gremliza ist vor allem eine guter Geschäftsmann: Er vergibt die Beiträge mit antideutscher und mit antiimperialistischer Ausrichtung in der konkret paritätisch, bedient er doch beide Kundenkreise. Kenne da Interna aus der Redaktion.

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"WORAUFHIN 5 arabische Staaten Israel überfielen." Genau: Überfielen bringt es auf den Punkt. Und dann muß man halt auch mit den Folgen leben. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Normative Kraft des Faktischen eben.

Die Zwistigkeiten in der linken Sektenlandschaft zwischen der Volksfront von Judäa und der jüdäischen Volksfront interessieren mich wenig, zumal sich der Ça ira Verlag und Umfeld und auch solche Richtungen wie Kunst, Spektakel Revolution alle als links verstehen. Und lustigerweise ebenso die Antiimps für Taliban und Gegenaufklärung halten. Aber das sind halt Streitigkeiten, die außerhalb der Szene wenige interessieren. Schon gar nicht die Israelis, die andere Sorgen haben.

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Wasch mir den Pelz, aber macht mich nicht nass oder auch das Brett vorm Kopf zur Waffe machen
@"Die Zwistigkeiten in der linken Sektenlandschaft zwischen der Volksfront von Judäa und der jüdäischen Volksfront interessieren mich wenig," sagt jemand der sich expressis verbis auf einen Teil dieser Leute bezog. Auch ein Weg, Infragestellungen des eigenen Standpunkts zu vermeiden.

BTW: Wie oben geschrieben: Und es kann dieser Überfall auf Israel sowohl als Versuch Israel zu vernichten als auch als solidarische Hilfe für die von israelischen Milizen blutig drangsalierten Palis als auch als Präventivschlag um weiteren israelischen Landraub zu verhindern angesehen werden, er war sogar all dieses gleichzeitig.

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@Bersarin

"Araber und Israelis haben viele Gelegenheiten verstreichen lassen, sich auf zwei Staaten zu kaprizieren."

Die Widersprüchlichkeit mag dem hiesigen Sprachgebrauch geschuldet sein. "Kaprizieren" wird hier als eigensinniges, unflexibles Verhalten verstanden, das eine sinnvolle und kompromissfähige Haltung geradezu ausschließt und daher im allgemeinen Missbilligung erfährt. Eine Gelegenheit verstreichen zu lassen, wird andererseits als unerzwungener Verzicht auf einen möglichen Vorteil/Nutzen empfunden. Gelegenheiten verstreichen zu lassen, sich auf etwas zu kaprizieren, bedeutet hierzulande also, den Nutzen von Halsstarrigkeit nicht wahrgenommen zu haben. Ein mit Missbilligung belegtes Verhalten kann im allgemeinen aber kein vorteilshaftes Verhalten sein. Durch Ihre Erläuterung ist mir jedoch klar geworden, worauf es Ihnen ankam. Lassen Sie uns also den Punkt als gelöst beiseite legen.

Was Sie mit spannenden Parallelen zur BRD (Einwanderungsgesellschaft) ansprechen, ist in der Tat der Stoff, aus dem sich die Widersprüchlichkeit der Parteinahme für die israelische Staatsgründung herleitet.

(1) Die Araber der Nachkriegszeit (WWI) wehrten sich zunehmend handgreiflich gegen die beschleunigte jüdische Einwanderung, mit der eine sich verbreiternde Konfrontation unterschiedlicher [Rechts]Kulturen einherging. Heutzutage ist allerorts - nicht nur in Deutschland - zunehmender Widerstand gegen "muslimische" Einwanderung festzustellen. Der Unterschied im Widerstand der damaligen Araber und der heutigen Europäer müsste erst einmal schlüssig argumentiert dargelegt werden. Möglicherweise übersehe ich dabei bisher etwas Wesentliches.

(2) Die Briten als übermächtige Besatzer ordneten an und setzten schließlich gewaltsam durch, dass die Araber still zu halten hätten. Gleichzeitig verordneten sie als Zugeständnis an die Araber zunächst [bloß] geringfügige Beschränkungen der jüdischen Einwanderung. Als heutiges Äquivalent für die damalige Besatzungsmacht kann mit triefendem Zynismus die Europäische Kommission ins Blickfeld gezerrt werden (Dublin-Übereinkommen, Frontex, etc.pp.). Die militärische Durchsetzung von spärlich regelmentierter Immigration innerhalb Europas erscheint wohl undenkbar. Sie muss dennoch experimentell imaginiert werden, um die konkrete Situation der in die Enge getriebenen Araber überhaupt nachvollziehen zu können.

(3) Als die Briten wirklich Ernst machten mit ihren Einwanderungsbeschränkungen, sie wiesen am Ende ankommende Migrantenschiffe ab und internierten die Leute z.B. auf Zypern, gründeten die schon ansässigen jüdischen Einwanderer die bereits genannten Untergrundorganisationen. Deren Ziel war es zunächst, die illegale Einwanderung der abgewiesenen Neuankömmlinge zu organisieren. Diese Rolle wird heute von Schlepper-Organisationen aus profanem Gewinnstreben wahrgenommen, welche in der ansässigen Bevölkerung verständlicherweise keinen Rückhalt genießen. Wo wir eines Menschenschleppers habhaft werden, wird er nach geltendem Recht, nach "unserem" Recht abgeurteilt. Die damaligen Araber allerdings waren britischem Recht unterworfen und hatten keine Handhabe gegen die illegale Einwanderung. (Notiz an mich: recherchieren, welche konkreten Maßnahmen aktuell direkt gegen die hinter den Schleppern stehenden Organisationen gerichtet sind).

(4) Mit fortschreitendem Kontrollverlust konfrontiert, schlugen die Briten erfolglos einen Teilungsplan (1937, Peel-Kommission) vor, um schließlich gänzlich hinzuschmeißen (14.5.1948, Ende des britischen Mandats). Mit dem Ende des Mandats wurden indes alle Gebietseinwohner staatenlos. Dem wurde durch Ausrufung des Staates Israel durch die jüdischen Einwanderer am selben Tag abgeholfen. (in diesem Zusammenhang ein Detail zu den Bodenbesitzverhältnissen mit Stand 1943: Von insgesamt 26.184 km² Mandatsgebiet standen rd. 6% in Besitz jüdischer Einwanderer)

(5) Dass die UN-Resolution 181 (II) vom 29.11.1947 (Teilungsplan) eine weise Entscheidung nach reiflicher Überlegung war, ist eine Schimäre. Der Abstimmung ging eine Phase heftigster politischer Druckausübung bis hin zur wirtschaftlichen Erpressung auf "unsichere" Mitgliedsstaaten voran. Ebenso gab es im Vorfeld der Resolution ausgesprochen radikale Drohungen der opponierenden arabischen Staaten. Der sechs Monate später auf die Ausrufung des Staates Israel folgende Angriff arabischer Staaten auf Israel war unmissverständlich angekündigt.

(6) Und nun das Gedankenexperiment: Wir wenden uns aktuell gegen unkontrollierte und insbesondere gegen illegale Einwanderung nach Deutschland, Österreich, Frankreich, wohin auch immer. Dabei werden wir auch handgreiflich und bekommen prompt einen Hieb mit dem Rohrstock auf die Finger. Wir müssen unter Züchtigungsdrohung zusehen, wie per UN-Beschluss den (auch illegalen) Migranten das Saarland als Siedlungsgebiet zugewiesen wird. Der Widerstand der ansässigen Bevölkerung gegen die Absiedlung wird von den Migranten gewaltsam gebrochen, zudem rufen sie den unabhängigen Staat Migrantistan aus. Ist es a) als verwerflich zu bezeichnen, wenn Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern Truppen nach Migrantistan entsenden, oder erwarten wir b) deren Einsatz als Selbstverständlichkeit? Und was, wenn Migrantistan siegreich bleibt? Wenn wir uns für b) entscheiden, müssen wir vor uns selbst unsere Ablehnung des arabischen Widerstands gegen den Staat Israel rechtfertigen. Dies halte ich für eine unlösbare Aufgabenstellung.


Werter Bersarin, Sie haben zurecht und zutreffend auf die Pogrome gegen Juden in Osteuropa hingewiesen. Sie werden, wenn Sie akribisch danach suchen, in der Geschichte auch einige wenige arabische Pogrome gegen Juden finden. Damit ist die Staatsgründung Israels allerdings nicht als unausweichliche Notwendigkeit zu argumentieren. Nach meinem bescheidenen historischen Überblick hatten sich die in Palästina ansässigen Juden mit den Arabern so gut vertragen, dass ein auskömmliches Miteinander über wenigstens 350 Jahre (osmanische Herrschaft bei weitgehender Autonomie) möglich war. Dies blieb so bis zum Ende des ersten Weltkriegs. Den Arabern war die Unabhängigkeit eines vereinigten arabischen Königreichs nach Kriegsende zugesagt worden, darin die nationale Heimstätte der Juden (Balfour-Deklaration) nicht von vornherein ausgeschlossen erschien. Dass in der Balfour-Deklaration von einem jüdischen Staat nicht die Rede ist, weist darauf hin. Wie ich schon an anderer Stelle erwähnt hatte, wurden die Araber beschissen, und zwar laufend. Am Ende wurden sie, soweit mein aktueller Wissensstand reicht: entschädigungslos, hinausgeworfen in die Staatenlosigkeit bei verwehrter Rückkehr, wie Sie ebenfalls zutreffend angemerkt haben. Für die palästinensischen Araber ist das geschichtsbildend.

Wenn wir nun die Staatsgründung in Ansehung der jüngsten (150 Jahre) jüdischen [Leidens]Geschichte gutheißen, müssen wir gleichzeitig zumindest einen einzigen triftigen Grund dafür nennen können, das palästinensisch-arabische Geschichtsverständnis mit den daraus geradezu zwingend resultierenden Konsequenzen gerechtfertigt ablehnen zu dürfen (zu diesen Konsequenzen zähle ich auch die Entwicklung eines internationalen palästinensischen Terrorismus). Unterlassen wir diese Begründung, begeben wir uns unausweichlich der tragfähigen Grundlage für ein maßgebliches Urteil.

An dieser Stelle will ich innehalten, um Ihnen, geschätzter Bersarin, Raum zu lassen für Ihre Gegenrede. Wie Sie sehen, geht es mir ergänzend um die Entwicklungen, die letztlich zur Ausrufung des Staates Israel führten.

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@ h.z.
Hinzufügen muß man in bezug auf die Palästina-Politik der Briten, daß in der beginnenden schlimmen Phase der Verfolgung der Juden durch NS-Deutschland, die Einwanderung der verfolgen Juden nach Palästina auf massiven Druck der Araber von den Briten gestoppt wurde. Hochgerechnet hätten vermutlich Millionen Juden die Shoah überlebt. Auch dies müssen sich die Araber zum Teil zurechnen lassen, wenngleich sie natürlich keine Schuld an der Shoah tragen, weil die Täter die Deutsche waren, wenngleich eliminatorische Antisemiten wie der Großmufti von Jerusalem klare Pläne für die Juden dort hatte, die sich nicht groß von denen Hitlers unterschieden. Weiter erwähnen muß man den Großmufti von Jerusalem und sein Treffen mit Hitler erwähnen.

In der Tat sind die arabischen Übergriffe auf Juden im damaligen britischen Mandatsgebiet gut belegt. Und irgendwann wehrten sich die Juden. Und wie bei Schulhofkeilerein vermag irgendwann keiner mehr zu sagen, wer wann, wie und wo angefangen hat. Beide Parteien erheben Anspruch auf das Land. Die Araber bauten auf den Heiligen Stätten der Juden die ihren. Das ist der Gang der Geschichte. Der "kalte Dämon". Und nun bauen heute wieder andere.

Der Widerstand vieler Europäer gegenüber der Einwanderung aus dem arabischen Großraum gründet sich in der Furcht davor, daß sie ihre Länder nicht mehr wiedererkennen. Wer sich das Paris und das Brüssel der späten 40er und 50er Jahre anschaut und es mit dem Heute vergleicht, mit Saint-Denis und mit Molenbeek, (und in der BRD Duisburg-Marxloh), der wird anschaulich sehen, was ungefähr gemeint sein könnte. Ähnliches beim Kopftuch als religösem Symbol, das in der BRD der 50er Jahre eine Ausnahme war. Heute ist es gängiges Kleidungsstück. Diese Veränderungen sind nicht vom Himmel gefallen. Insofern zeigt sich hier, daß Einwanderung zu Veränderungen führt, die nicht jedem genehm sind. (Wie das genau austariert wird, müssen demokratische Gesellschaften für sich entscheiden. Gezeigt zumindest hat sich, daß die Gleichgültigkeit von Politik und Gesellschaft zu unerwünschten Folgen für beide Seiten geführt hat.) Viele fürchten, daß es mit der Burka ebenso gehen wird, zumal wir es gegenwärtig mit einem Islam zu tun haben, der konservativ und restriktiv ist. Leute wie Seyran Ateş sind leider selten. Hier liegen also zentrale Probleme der Einwanderung.

Ähnlich mögen auch viele Araber im heutigen Israel gedacht haben. Nur mit dem Unterschied, daß einen Syrer mit Deutschland kulturell nicht viel verbindet, Juden hingegen mit Israel eine ganze Menge. Denn diese Stätten dort sind das Heilige Land der Juden und damit der einzige Ort, der für sie zum Siedeln infrage kommt. So wie für die Kurden ein Staat Kurdistan eben nicht in Kanada oder Madagaskar möglich und sinnvoll ist. Bei ungesteuerter Einwanderung sind aber in der Tat ebenso Szenarien denkbar, daß hier eine Community sich etabliert, die aus ihrem jahrelangen Hierleben Rechte ableiten wird auch für andere, noch im Ausland lebende Verwandte.

Zu Ihrem Planspiel unter Punkt sechs: Ausrufen kann jeder den Staat, den er möchte. Das tun übrigens die Reichsbürger auch. Nur: Ob man ihn faktisch durchsetzen kann, ist eben eine zweite Frage. Davon ab, daß jene Migranten mit dem Saarland gar nichts verbindet, es sei denn es bestünden ggf. irgendwelche religiösen oder habituellen Traditionen. Wovon nicht auszugehen ist. Der Syrer verbindet mit der BRD in etwa soviel wie der Deutsche mit Syrien. Gut, manche Kriegsverbrecher, die vor den Nazis flohen, verbindet mit Syrien sehr viel, nahmen die arabischen Antisemiten diese Leute doch dankbar auf und boten ihnen Unterschlupf, statt sie den Gerichten zu überstellen. (Auch das sagt einiges aus.) Wenn dem allerdings so ist, wie Sie es in Ihrem Gedankenspiel beschreiben, dann ist dem so. Da prägt dann das Faktische. Und insofern täte also die BRD sehr gut daran, wieder nationales Recht vor EU-Recht zu setzen und den Anfängen zu wehren, was den Zuzug von Migranten betrifft. Eine solche Einschränkung und Beschränkung der Souveränität Deutschlands hat es übrigens mit dem Versailler Vertrag gegeben und ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg. Wofür es im zweiten Fall sehr gute Gründe gab. Und das Alliierte Vorbehaltsrecht galt bis zur Wiedervereinigung. Und ich weiß nicht einmal, ob es da vertragliche Regelungen im Zwei-plus-Vier-Vertrag gibt, die dieses Recht aussetzen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alliiertes_Vorbehaltsrecht

Im Fiktionsmodus sind natürlich in bezug auf Israels Staatsgründung viele Möglichkeiten denkbar. Die Wahrscheinlichkeit freilich, daß Araber und Juden gemeinsam einen Staat gründeten, geht gegen null. Auch denkbar: Gäbe es in Europa nicht diese Form des Antisemitismus, seit über tausendJahren, in der Shoah kulminierend, so wären die jüdische Auswanderungsbewegung lange nicht so erstarkt. Hätte der Versailler „Friedens“-Vertrag nicht derart rigide Klausen für Deutschland besessen, wäre Hitler den Juden, der Welt, den Deutschen möglicherweise erspart geblieben. Hätten die Briten und Franzosen schon bei der Rheinlandbesetzung „Nein“ gesagt, wäre vieles anders gelaufen. Im Konjunktiv, im Möglichkeitssinn, um Fiktionsmodus, im Gedankenexperiment sind viele Möglichkeiten denkbar. Heuristisch interessant, solange man dabei nicht den Blick für die Gegenwart verliert.

„Die Araber wurden beschissen.“ Ja. Pech gehabt, ärgerlich oder mit Funny van Dannen: „Schade, scheiße“. Wer sich allerdings, wie viele Araber, 100 Jahre nach dem Balfour-Abkommen und nach über 70 Jahren in Daueropferpose immer noch auf seinem Schicksal ausruht, anstatt, aktiv die Prozesse der Politik zu nutzen, der wird nicht gut weiterkommen. Mein Mitleid mit den Arabern hält sich in Grenzen. Und wer auf PLO und Hamas setzte, müßte langsam begreifen, daß dieser Krieg der kleinen Nadelstiche nicht zu gewinnen ist. Einen Frieden wird es nur MIT und nicht GEGEN die Israelis geben. Es wäre klug, wenn sich dies die Araber klarmachten. Jordanien scheint dies ganz gut begriffen zu haben. Ägypten ebenso und im Zuge der Iran-Konfrontation ebenso die saudi-arabischen Diktatoren.

„(5) Dass die UN-Resolution 181 (II) vom 29.11.1947 (Teilungsplan) eine …“

Ja, das ist das Wesen von Politik, daß jeder seine Vorteile umzusetzen versucht. Den Arabern ist es nicht geglückt, und nun zählt die normative Kraft der Fakten und zum Glück auch der Zahal. Manche mögen das bedauern. Ich und viele Israelis tun das nicht. Sie haben eine Heimat gefunden, ein Land, in dem sie nach der Shoah leben können und nebenbei: die einzige Demokratie im Nahen Osten, wo frei gewählt wird, wo Schwule und Lesben in Tel Aviv Hand in Hand und einander knutschend spazierengehen können, wo es eine Vielzahl von Lebensformen gibt. Insofern haben all die von Ihnen aufgezählten Verwerfungen, werter h.z., am Ende doch zum einem halbwegs guten Ende geführt. Und ich denke, wenn sich wieder eine Chance wie Camp David II für die Araber bietet, sollten sie diese annehmen.

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Und um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: 70 Jahre nach Staatsgründung Israels ist es auf der Ebene des Politischen müssig und relativ sinnlos, auf den Stand von 1947 zurückzukehren. Lösungen für diesen Konflikt zwischen Israelis und Arabern kann es nur im Hier-und-Jetzt geben und es wäre im Interesse beider Seiten ratsam, nach so vielen gescheiterten Verhandlungen und Möglichkeiten, etwas zu bewegen. Land gegen Frieden ist eine solche Option. Leider sind die gegenwärtigen politischen Lager derart dogmatisch, daß unter Trump und Netanjahu kaum eine Möglichkeit besteht. (Andererseits hat der Treffen mit dem Nordkoreanischen Diktator eben auch gezeigt, daß unkonventionelle Wege möglich scheinen. Ob sie denn bei diesem unberechenbaren Präsidenten halten, steht auf einem anderen Blatt.)

WIe dem auch sei: Die Chance liegt nur im Hier-und-Jetzt, nicht in der Vergangenheit. (Die Ostpolitik Willy Brandts ahnte etwas davon, indem sie sich vom Revisionismus verabschiedete und den Status quo anerkannte.)

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Bersarin, Ihre prozionistische Haltung achte ich im Grundsatz. Sie machen Ihren Beweggrund dafür deutlich, nämlich die pragmatische Erfordernis. Das respektiere ich, zumal niemand über den Zauberspruch verfügt, der den Geist zurück in die Flasche beförderte. Insofern ist es müßig, darin sind wir uns einig, über die "Rückabwicklung" der Staatsgründung Israels auch nur zu spekulieren, geschweige denn, ernsthaft nachzudenken. Gleichwohl gab es damals gute Gründe, den Zionismus, der übrigens erst in der zweiten Hälfte des 19. Jht. richtig in Fahrt kam, abzulehnen. Das gewichtigste Argument wurde von jenem britisch-jüdischen Parlamentarier formuliert, der damit gegen die Balfour-Deklaration auftrat: Mit der Erschaffung eines jüdischen Staates würde Nicht-Juden erleichtert werden, Juden die Assimilation in deren Gesellschaften zu verweigern. Dieses Argument wird heute noch sogar von orthodoxen Juden vertreten. Dennoch ist es mE heute obsolet.

Sie lassen indes eine überzeugende Argumentation dafür vermissen, dass die palästinensischen Araber mit dem Status Quo leben sollten. Die haben nämlich seit 15.11.1988 ihren eigenen Staat, der international mehrheitlich anerkannt ist. Über das völkerrechtswidrige und mit internationaler Verurteilung bedachte Verhalten Israels gegenüber dem Staat Palästina ist keine sinnvolle Debatte zu führen, was von mir von Beginn an auch gar nicht beabsichtigt war. Die normative Kraft des Faktischen vermag sich nicht ins Recht zu setzen gegenüber völkerrechtlichen Bestimmungen. Danach ist es beispielsweise Besatzern verboten, in besetzten Gebieten dauerhafte Siedlungen anzulegen.

Sie sehen, werter Bersarin, es gibt Gründe, weshalb ich mich an der Debatte zur akuten Situation in Palästina nicht beteiligen möchte. Ich konzentriere mich, wie ich schon mehrfach deutlich gemacht hatte, lieber auf die historische Entwicklung des Konflikts. Da hat sich bei mir in den letzten Wochen des intensiven Studiums (naja, jedenfalls soweit es die spärliche Freizeit erlaubte) einiges bewegt und zurecht gerückt. Noch vor zwei Monaten durfte ich anlassbezogen als unkritischer Befürworter israelischen Selbstverteidigungsrechts voll von Irrtümern, Fehleinschätzungen und mit blanker Unkenntnis geschlagen bezeichnet werden.

Lassen Sie mich dies beispielhaft anhand einiger Ihrer Aussagen vorführen:

Im ersten Absatz meinen Sie, die Araber müssten sich zum Teil den Tod von Millionen von Juden in der Shoah zurechnen lassen. Diese Aussage ist angreifbar mit dem Argument, dass eine, noch dazu deklarierte, Vermutung unzulässig als Faktum verwendet wird. Mit dem weiteren Argument, dass, wenn schon, die Briten eine Unterlassung sich vorwerfen lassen müssten, kommt die angegriffene Aussage endgültig zu Fall. Die fiktive Rechtfertigung der Briten nämlich, "ja, aber das haben wir doch nur gemacht, weil uns die Araber so dermaßen unter Druck gesetzt haben", wäre angesichts der tatsächlichen blutigen Niederschlagung arabischer Aufstände (1936-1939) gegen die Briten schlicht lächerlich. Was Mohammed Amin al-Husseini angeht, stimme ich Ihnen insofern zu, dass sein Wandel vom legitimen Antizionisten zum glühenden Antisemiten ohne weitere Diskussion verwerflich war. Einen legitimen Antizionismus - zu einer Zeit, da von einer Shoah noch lange keine Rede war - in Verbindung mit ebenso legitimen Widerstand gegen die britische Verwaltung kann man dagegen weder ihm, noch den Arabern anlasten.

Zu den, wie Sie zunächst korrekt bemerken, gut belegten arabischen Übergriffen auf Juden jener Zeit stellen Sie sodann irrig fest, dass sich die Juden irgendwann wehrten und analog zu einer Schulhofkeilerei irgendwann keiner zu sagen vermag, wer wann, wie und wo angefangen habe. Indessen sind auch die Zusammenhänge gut belegt. Der Ursprung geht auf die Abtretung Obergaliläas an die französische Verwaltung durch die Briten zurück (1.3.1920, https://en.wikipedia.org/wiki/Tel_Hai ).

Als Grund für den Widerstand gegenüber der Einwanderung aus dem arabischen Großraum etabliert ein anderes Argument die Furcht vieler Europäer davor, das eigene Land nicht wiederzuerkennen. Um das Argument zu illustrieren, wird auf Saint-Denis, Molenbeek und Duisburg-Marxloh verwiesen. Dieses Argument verkennt die Tatsache, dass vor 1882, dem Beginn der ersten Alija, ein alter Jischuw (neben Sephardim und Aschkenasim) in Palästina ansässig war, mit dem die Araber gedeihlich zusammenlebten. Der neue Jischuw hingegen wurde von den zionistisch motivierten jüdischen Einwanderern gebildet, der sich als politische Bewegung (grob vergleichbar mit dem politischen Islam der Gegenwart) verstand. Der neue Jischuw wurde von den Arabern ab dem Zeitpunkt offen bekämpft, als klar wurde, dass ihnen - den Arabern - die geforderte Unabhängigkeit zugunsten der Einwanderer vorenthalten werden sollte. "Bei ungesteuerter Einwanderung sind aber in der Tat ebenso Szenarien denkbar, daß hier eine Community sich etabliert, die aus ihrem jahrelangen Hierleben Rechte ableiten wird auch für andere, noch im Ausland lebende Verwandte." - so ungefähr ist die Lage damals in Palästina aus Sicht der Araber zu beschreiben. Das Furchtargument für einen legitimen Widerstand der Europäer vermag also keinen bedeutsamen Unterschied zum Widerstand der damaligen Araber aufzuzeigen. Zu den das Furchtargument illustrierenden geografischen Brennpunkten muss zudem ein schwerwiegender Kategoriefehler festgestellt werden. Die beliebige Auswechselung von religiös-kulturellen mit wirtschaftlichen Bedingungen ist unverhandelbar unzulässig. Das Kopftuchargument wiederum verfängt deshalb nicht, weil das Kopftuch im Christentum bis heute in ländlichen Gebieten als religiöses Symbol sich gehalten hat.

Nach 70 Jahren Daueropferpose, wie Sie zulässigerweise polemisieren, muss man selbstverständlich auch nach dem in die ungerechtfertigte Dauertäterrolle gedrängten Gegenpart suchen (Sie gönnen mir freilich die Gelegenheit zur Gegenpolemik). Man findet alsbald eine Staatengemeinschaft, die nicht davon ablässt, Resolutionen gegen Israel zu verabschieden, zuletzt vor einen halben Jahr die Resolution ES‑10/L.22 (betreffend die Hauptstadt Israel). Die Liste solcher Resolutionen wegen Rechtsverletzungen Israels ist sehr lang. Wir haben also, entgegen der mit der "Daueropferpose" aufgestellten Vermutung, einen ausreichend dokumentierten und bezeichneten Gewohnheitstäter. Damit wird die "Pose" zum augenscheinlichen Fehlgriff im Ausdruck. Das Argument stützt sich außerdem auf 100 Jahre Balfour-Abkommen, ohne zu zeigen (was zur Fundierung des Arguments unverzichtbar ist), dass dieses auch eingehalten wurde. Solch unvollständiges Argumentieren muss im Netz des kritischen Denkens sich aussichtslos verheddern und damit unwirksam werden.

Land gegen Frieden, wie Sie als eine mögliche Lösungsoption anführten, ist ja die tatsächlich gegebene Ausgangssituation. Israel an Palästina: "Ihr gebt uns euer Land, dann hören wir auf, euch an der Grenze auf eurem Boden zu erschießen". Polemik beiseite, verstehen Sie mich bitte recht, werter Bersarin. Der Staat Israel möge im Rahmen des Selbstbestimmungsrecht der Völker tun und lassen, wie ihm beliebt - solange er internationales Recht achtet. Gegen die Missachtung internationalen Rechts kann es aber keine vernünftig rechtfertigende Argumentation geben. Auch das Selbstverteidigungsrecht als völkerrechtliches Gewohnheitsrecht gehört dazu und ist anerkannt beschränkt. Sie finden dies unter dem Stichwort "Caroline test" (liest sich im Original so: "[...]that a self-defense claimant would have to show that the: necessity of self-defense was instant, overwhelming, leaving no choice of means, and no moment of deliberation[...]"). Die Beweislast liegt also beim Staat Israel. Da ihm das regelmäßig misslingt, wird der Staat Israel ebenso regelmäßig verurteilt, sofern die USA nicht ihr Veto, und das nicht zu knapp, dagegen einlegen. Im Gegensatz zu Israel aber dürfen die USA über jedes internationale Recht sich hinwegsetzen. Das ist bei denen Staatsgrundverständnis und wird international akzeptiert. Wohlgemerkt: Allein die USA, und niemand sonst, stehen über internationalem Recht. Ein Umstand, den gerade im gegebenen Kontext man konzentriert sich ansehen muss.

Eine andere Option wäre, Netanjahu international ein Ultimatum zur Räumung des Westjordanlands zu stellen, ihn - wie auch seine Nachfolger - widrigenfalls in Den Haag anzuklagen, zu verurteilen und einzubuchten, so man seiner/ihrer habhaft werden kann. Weitere Option könnte sein, dass die Briten Palästina mit unbewaffnetem Pionieren in Batallionsstärke samt Gerät dauerhaft besuchen und bei Beschuss durch Israel den Nato-Bündnisfall ausrufen, was meiner groben Spekulation nach gleichzeitig das Ende der Nato bedeuten könnte - ein nicht zu verachtender Nebenaspekt. Und schließlich gäbe es die Möglichkeit straffer Wirtschaftssanktionen, mit denen man bei anderen Gelegenheiten, Russland/Krim beispielsweise, rasch bei der Hand ist. Die Handlungsalternativen wären vielfältig. Allein, das internationale Maulheldentum weiß sie zu unterdrücken. Es liegt also einzig und allein am Widerstandsvermögen der Palästinenser, die Forderung nach Herstellung rechtmäßiger Zustände in Palästina nicht verstummen zu lassen.

Nach gewissenhafter Untersuchung Ihrer Gegenrede und Ihrer Haltungsbegründung gegenüber den Palästinensern komme ich im Ergebnis daher zum Urteil: non liquet.

Abschließend möchte ich mich noch den vielleicht wenigen Mitlesern zuwenden und entschieden festhalten, dass mir nicht an persönlichen Verletzungen Bersarins gelegen ist. Ad personam zu argumentieren, bietet er aus meiner Sicht keinen Anlass und solange ich zur Sache zu argumentieren vermag, beschränke ich mich darauf. Erst wenn das nicht mehr möglich ist, ziehe ich mich, mein Scheitern akzeptierend, zurück.

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Werter h.z., ich werde Ihnen, da ich eigentlich mit anderen Dingen als mit Israel beschäftigt bin, demnächst antworten, sofern es die Zeit zuläßt. Leider überzeugt mich auch Ihre Argumentation bzw. Antwort nicht und ich werde Ihnen das dann im Detail darzulegen versuchen, weshalb ich das non liquet bzw. die Unstimmigkeiten zurückgeben muß.

Einig sind wir immerhin darin, daß es hinter einen Staat Israel kein Zurück gibt, uneinig in der Bewertung und Interpretation der Geschichte und möglicherweise einig darin, daß auch die Palästinenser ihren Anspruch auf einen Staat haben, der intakt ist und kein Schweizer Käse. Hier käme es sicherlich auf die Modalitäten an und das wären dann schon noch Detailfragen, wo es mögliche Differenzen gibt. Etwa in der Form der Politik und wie das zu bewerkstelligen ist.

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Sie haben selbstverständlich mein volles Verständnis für Ihre zeitlichen Notwendigkeiten, werter Bersarin, gerade weil es auf meiner Seite im wesentlichen nicht anders aussieht.

Lassen Sie mich zu meinem oben stehend letzten Absatz erläuternd noch hinzufügen, dass ich mit persönlich derart verletzender Kritik, wie Sie Ihnen unter Ihrem Israel-Beitrag auf Aisthesis präsentiert wurde, nicht sympathisiere. Ich setze auf Härte des Sacharguments. Insofern ist es für mich von Interesse, welche Weichstellen Sie daran identifizieren. Aber nochmals: Fühlen Sie sich zeitlich bitte nicht gedrängt.

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Ich weiß Ihren Umgang zu schätzen, lieber h.z., und ich denke, da sind wir beide einig, daß es um eine sachliche, das heißt an der Sache orientierten Darlegung gehen muß. Im Unsachlichen gründet sich zudem jenes Problem, daß oft nicht mehr auf die Ebene der Sache und der Inhalte zurückgefunden wird. Da ich selber aber im Austeilen auch geübt bin, denke ich, sind die Leute, die es unsachlich versuchen, bei mir an der richtigen Stelle, um sich Keile abzuholen. Wobei Diskussionen eben keine Keile sein sollten, sondern der Austausch von Argumenten, um möglicherweise auch eine Änderung im Denken zu bewerkstelligen. Am besten in der Weise, daß am Ende einer Debatte beide Seiten mit erweitertem Wissen aus der Diskussion treten. Aber dies sind leider doch zu oft idealtypische Annahmen.

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Mit jedem Wort mir aus der Seele gesprochen.
Danke dafür.

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In dem Buch "Perspektiven autonomer Politik" herausgegeben vom AK WANTOK gibt es ein Kapitel zum Konflikt antideutsch/antiimperialisch. Hier kommen bewusst keine Hardliner beider Seiten zu Wort.
Die Aktivisten Rafael Berger und Federico Gomez sprechen sich hier interessanterweise für eine Einststaatenlösung aus. Hier kam diese Möglichkeit noch gar nicht zur Sprache, so dass ich das jetzt Mal ändere.
Gerne unterfüttere ich das demnächst Mal mit ein paar Zitaten.

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Die Einstaatenlösung zugunsten der Araber wurde hier durchaus konsensual ausgeschlossen.

Sie war, ausgehend vom Königreich Hedschas, eine praktische Möglichkeit bis zum Ende von WWI. Nach dem Sykes-Picot-Abkommen und der Balfour-Deklaration noch während des Kriegs reduzierten sich die Chancen dafür allerdings auf eine nur noch theoretische Möglichkeit. Mit dem Faisal-Weizmann-Abkommen gleich nach Kriegsende gingen Araber und Zionisten bereits den abgestimmten Weg eigenständiger und unabhängiger Staaten.

Mit dem Vertrag von Sèvres, der das Königreich Hedschas anerkannte, und schließlich den gleich nachfolgenden Völkerbundmandaten für die Region wurde aber klar, dass die Unabhängigkeit der Araber in der Region Palästina von den Siegermächten nicht erwünscht war. Dies, obwohl weder in der Balfour-Deklaration, noch im Vertrag von Sèvres und schon gar nicht in den Völkerbundmandaten von einem jüdischen Staat ausdrücklich die Rede ist (wohl aber wurde im Vertrag von Sèvres die Autonomie der Kurden festgeschrieben und die Unabhängigkeit Kurdistans binnen Jahrsfrist vorbereitet - die Türken wurden darauf verpflichtet). Das in höchster Eile errichtete Königreich Syrien mit dem Anspruch auf palästinensische Gebiete wurde von den Franzosen sogleich kriegerisch beseitigt, der Anspruch des Königreichs Hedschas auf das Gebiet gemäß der Hussein-McMahon-Korrespondenz durch die Briten verwehrt (die Beseitigung Husseins wurde 1924 von den Saudis mit Billigung der Briten bewerkstelligt).

Die Einstaatenlösung zugunsten Israels würde den Staat Palästina von der Landkarte streichen. Unterschwellig wird das von Israel mit amerikanischer Duldung faktisch zwar versucht - mit dem bekannten Ergebnis, weshalb das keine Lösung sein kann.

Ach, die Amerikaner: Mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt und der Verlegung der Botschaft dorthin hat Trump eine ordentliche Menge Öl ins Feuer gekippt.

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Genau gegen diesen Konsens geht es. Und gegen das Verharren in einer zwar interessanten aber nicht unbedingt zielführenden Geschichtsstunde.
Es geht um einen bei den Menschen und nicht bei den Nationalitäten ansetzenden säkularen Staat.
Mehr dazu bald.

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Das Einzige, das wir realistischerweise unternehmen können, futuretwin: unser Verständnis weiten und die treibende Kraft der Geschichte akzeptieren. Und um zu verstehen, wohin sie uns treibt, müssen wir sie genau kennen.

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Das möchte ich: das Verständnis weiten. Und natürlich ist die Geschichte nicht zu unterschätzen. Wobei bei solchen Themen der reine Bekräftigungbegriff "natürlich" schon in die falsche Richtung geht. Es gibt keine natürliche Notwendigkeit der Geschichte. Ganz oft wäre "kultürlich" der bessere Begriff.

So beginnt der besagte Beitrag in besagtem Buch ebenfalls mit einem kleinen geschichtlichen Exkurs, einem diskursgeschichtlichem um genau zu sein, verharrt jedoch nicht dort.
Es wird nämlich aus einem Text von Emma Goldman von 1938 zitiert. In der sie eine Notwendigkeit einer Kritik des Zionismus aus einer anarchistischen Perspektive bestätigt. Sie sähe keine besondere Errungenschaft in nationaler Unabhängigkeit unter der Herrschaft des Kapitals, aber wenn man dieses für die arabischen Völker einfordert, müsse es auch genauso für jüdische Menschen eingefordert werden.

Rafael Berger findet bei Goldman bereits den trivialen Ausgangspunkt, dass Ziel des Strebens ein Leben in Freiheit, Würde und Selbstbestimmung für alle Menschen gleichermaßen sein muss.
Als ebenso trivial bezeichnet er die erste Antwort, dass dies nicht ohne Dialog machbar sein wird.
"Um aber Dialog zu ermöglichen müssen Angst und Bitterkeit auf beiden Seitenabgebaut werden, es muss um Versöhnung gerungen und auf Machtdemonstrationen und Halsstarrigkeit verzichtet werden.
Das klingt nach Hippiefloskeln - aber jenseits des besserwisserischen Zynismus bleibt es der einzige Weg. Sonst bleibt nur der permanente Kriegszustand. Bedauerlicherweise scheinen viele diesen als anscheinend unausweichlich akzeptirt zu haben. Die verunmöglicht jedoch eine Lösung für beide oben formulierte Fragen: solange Krieg herrscht, ist Israel kein sicheres Rückzugsgebiet für jüdische Menschen und PalerstinenserInnen wird kein würdiges Leben in Unabhängigkeit möglich sein."

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"Ich glaube stark an Projekte, die sich um die Zusammenführung der Menschen bemühen. Es müssen Zusammenkünfte zwischen Israelis und PalestinenserInnen außerhalb des so schwer belasteten politischen Feldes ermöglicht werden: Menschen müssen sich treffen, um gemeinsam Sport zu machen, Kunst, um spazieren zu gehen oder Kaffee zu trinken. Ein Bekannter von mir organisierte solche Treffen zwei Jahre lang in Jerusalem: er nahm irsaelische Bekannte mit nach Ramallah und palestinensische Bekannte mit nach West-Jerusalem und in der Altstadt arrangierte er gemeinsame Abendveranstaltungen.
Für viele AktivistInnen in Deutschland sind das Kleinigkeiten, und gerade in der autonomen Szene klingt das schnell nach 'Reformismus'. Zudem ist die Arbeit hart, oft undankbar und alles andere als spektakulär - gerade viele AktivisteInnen des International Solidarity Movement wollen lieber Abenteuer: Bulldozer und Armeeeinsatz und Gummigeschosse. Aber das ist nicht unbedingt das effektivste Mittel. Es ist nicht unbedeutend, sich diesen Sitautionen auszusetzen, aber du bekämpfst wesentlich Symptome des Konflikts. Ich denkedass in einer Situation, die so stark von gegenseitigen Vorurteilen und auch gegenseitigem Hass geprägt ist, die Bedeutung zäher Alltagsarbeit nie unterschätzt werden darf, wenn es darum geht Menschen zusammenzuführen. Persönliche Kontakte können eine unglaubliche Macht entwickeln.
Natürlich kann es Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis diese Arbeit Früchte trägt. Aber ich halte sie keineswegs für aussichtslos. Auch wenn sich viele Menschen in der Region mit dem Kriegszustand abgefunden haben mögen, toll findet ihn niemand. Die Menschen sind unglücklich - auf beiden Seiten. Und es besteht eine reelle Aussicht, dass alle irgendwann sagen: 'Jetzt reicht es, so kann es nicht weitergehen!' Das wäre die Chance für einen tatsächlichen Friedensprozess, schlicht, weil alle den Frieden wirklich wollen. Natürlich würde es Rückschläge geben, aber zumindest könnte eine positive Richtung eingeschlagen werden. Auch in Nordirland war das möglich. Nun ist Nordirland natürlich nicht Israel/Palästina, aber auch dort galt es Bitterkeiten zu überwinden, die unüberwindbar schienen. Und es war weder die Britische Regierung noch die IRA, der das gelungen ist: es waren Menschenauf beiden Seiten des Konflikts, die irgendwann sagten: 'wir wollen das nicht mehr'. Aber dieser stillschweigende Konsens fiel nicht vom Himmel. Er war vorbereitet worden über Jahre zäher, mühevoller alltäglicher Annäherung zwischen KatholikInnen und ProtestantInnen; durch eine politische Arbeit, die allzu oft übersehen wird, weil sich unser Augenmerk auf Verhandlungen, Abkommen und Bomben richtet."

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Die Zweistaatenlösung hat sich in den 90er Jahrenals bevorzugte linke Antwort auf den Konflikt augetanzumal das Oslo-Abkommen von 94 das Versprechen zu einer so erstrebtenpalästinensischen Unabhängigkeit einzulösen schien. Doch zentrale Probleme lassen sich im Rahmen einerZweistaatenlösung nicht beantworten. Das gilt nicht nur für die Siedlungen, sondern auch für das Flüchtlingsproblem oder den Status von Jerusalem. Es wird nicht zu einer Räumung der Siedlungen im Westjordanland kommen, auch wenn es in Gaza dazu kam. Die Situation in Gaza war und ist eine völlig andere. Auch zu einer Rückkehr palästinensicher Flüchtlinge in Dörfer und Städte auf israelischem Staatsgebiet kann es im Rahmen einer ZSL nicht kommen und in Bezug auf Jerusalem würden viele Fragen offen bleiben. Befriegende Lösungen sind hier also nicht in Sicht. Es wird überall Menschen geben, die mit der endgültigen Grenzziehung unzufrieden sein werden und der Konflikt wird fortbestehen.
In diesem Sinne bin ich der Meinung - auch wenn das im Moment für viele völlig utopisch scheinen mag - , dass in Israel/Palästina ein säkularer binationaler Staat angepeilt werden sollte, vor allem auch aus libertärer Perspektive, nachdem eine 'Keinstaatenlösung' hier wohl selbst für AnarchistInnen zu hoch gegriffen ist. Natürlich würden auch in diesem Fall viele Konflikte bestehen bleiben, aber sie könnten im Rahmen einer gemeinsamen Verfassung und auf der Basis gemeinsamer Grundrechte ausgetragen werden. Das heißt nicht, dass ich an die versöhnlichen Wunder des liberalen Rechtsstaats glaube, und natürlich würde es strukturelle Diskriminierung geben. Aber ein liberaler Rechtsstaat schafft andere Möglichkeiten, Kämpfe zu führen, das lässt sich m.E. nicht leugnen."

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"Das Hauptargument gegen einen gemeinsamen säkularen Staat von israelischer Seite ist, dass damit Israel als Schutzhafen für Juden und Jüdinnen aufgegeben würde.

Das halte ich für eine verfassungspolitische Frage. Es scheint durchaus möglich, einem gemeinsamen säkularen Staat in Israel/Palästina eine Verfassung zu geben, welche die Rechte von Juden und Jüdinnen in einem Maße schützt, die unabhängig von Bevölerungszahlen sind. Außerdem ist der israelische Staat heute wirklich in der Lage, seinen Anspruch als Schutzhafen für jüdische Menschen zu erfüllen? Vor allem auf Dauer? Ich denke, es ist hier vieles möglich, das mehr Sicherheit gewährt, als von Feinden umringt zu sein."

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Der israelische Aktivist Federico Gomez schlängt in eine ähnliche Kerbe:
"Mein Hauptproblem ist, dass sich der Großteil der radikalen europäischen Linken dazu verführen lässt, den Konflikt hauptsächlich auf einersymbolischen Ebene auszutragen. Es gibt eine seltsame Faszination für den nahen Osten, als wäre er die einzige Region auf der Welt, wo sich wirklich relevante Konflikte abspielen."

"Israel als zionistisches Projekt muss abgeschlossen und etwas Neues geschaffen werden. Ob das in meinem Leben passieren wird, weiß ich nicht, aber ich werde nicht aufhören, den Kampf dafür zu unterstützen.
Die Zweistaatenlösung ist ein Schwindel: Um ehrlich zu sein, auch ich konnte Mitte der 90er der Euphorie nicht ganz widerstehen. Es sah wirklich so aus, als würde die israelische Regierung nach langer Repressionspolitik begreifen, dass die Besatzung zu keiner Lösung führen würde und das Dialog unausweichlich ist. Aber es zeigte sich schon bald, dass Israel mithilfe einergeläuterten PLO ihre Vorherrschaft in der Region nur noch stärker zu zementieren.
Mein Vorschlag für europäische AktivistInnen: Basiskämpfe unterstützen anstatt autoritäre Kräfte zu romantisieren - welche auch immer diese sein mögen."

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@futuretwin

Aber es zeigte sich schon bald, dass Israel mithilfe einer geläuterten PLO ihre Vorherrschaft in der Region nur noch stärker zu zementieren.

Dieser Satz bedarf einer Korrektur.

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versuchte

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zwischen Israel und mithilfe
;-)

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Danke schön.

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@futuretwin, genau ein solches auf Verständigung, friedliches miteinander Zusammenleben und gleichzeitig Sozialprotest in Klassenkampfperspektive zu formulieren zielt die Initiative Ta Ayush ab, ins Leben gerufen von meinem früheren Komilitonen Gadi Algazi.


Leider reagiert auf meine Links und Berichte zu diesem Thema nie jemand.

https://www.taayush.org/

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Interessant fand ich, dass Aktivisten die derartig am Start sind, eher zur Lösung "ein säkularer Staat" tendieren.

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"full civil equality for all" steht im Mittelpunkt bei Ta Ayush, sekundär die Frage ob in einem oder zwei Staaten. Sozialreformerisch bis sozialrevolutionär, zivilgesellschaftlich (im Gegensatz zum krassen Militarismus sowohl des israelischen Mainstreams als auch der palästinensischen Milizen) und antietatistisch. Das ist dann übrigens auch meine Gegenposition gegen die Standpunkte Bersarins.

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Asabiyah
Bei der Beurteilung des Verhältnisses arabischer Staaten oder arabischer politischer Bewegungen zu Israel, den USa oder dem Westen ist übrigens ein Faktor sehr zentral, der hierzulande meist völlig unbekannt ist aber sehr viel mehr erklärt als ein antisemitischer Israelhass: Asabiyah, Zusammenhalt, eine panarabische Solidarität, die jedesmal abgerufen wird, wenn sich ein Feind von außerhalb der arabischen Welt gegen Araber oder auch nichtarabische Muslime wendet und die dann auch selbst todfeindschaftsmäßige innerarabische Konflikte überlagert. So erklärt sich etwa die plötzliche arabische Massensolidarisierung ausgerechnet mit Saddam Hussein im Golfkrieg von 1991. Asabiyah ist für das politische Denken in der arabischen Welt absolut bestimmend und geht schon auf Ibn Khaldun zurück, wurde dann von Afghani im 19. Jahrhundert auf modernes politisches Denken übertragen und steht seitdem im Kontext der Dekolonialisierung.. Man sollte sich damit auseinandergesetzt haben wenn man sich mit Konflikten in dieser Region beschäftigt (immerhin hat fast jede arabische Stadt von Marokko bis zum Irak ihre Asabiyah-Street), da erklärt der Blick durch eine westliche Brille sehr wenig.

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Schon seltsam das die panarabische Solidarität nicht die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen verlangt, zumindest nicht bei den reichen arabischen Ländern.

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Bei den armen arabischen Ländern schon; im Libanon sind so viele Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen worden dass das zeitweise einem Viertel der dortigen Bevölkerung entsprach, auch Jordanien hat sich nicht lumpen lassen. Übrigens besteht in Oberägypten ein Drittel der Bevölkerung aus Flüchtlingen aus dem Sudan und Südsudan und deren Nachkommem. Während die Flüchtlinge aus Kuweit während der irakischen Besatzung 1990/91 dann wenn sie reich waren und ihren Reichtum zur Schau stellten damals in Ägypten oft aufs Maul bekamen. Niemand ist in der ärmeren arabischen Welt beim normalen Volk so verhasst wie die öligen Emire.


BTW möchte mal sehen was los wäre wenn Deutschland 20 Millionen Flüchtlinge auf einmal aufnehmen würde.

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Libanon hatte ich auch vor Augen, deshalb schrieb ich von den reichen Ländern.

Douglas Murray schreibt:

"One Kuwaiti official, Fahad al-Shalami, explained in an interview on France 24 why Gulf countries like his were refusing asylum even to Syrian refugees: ‘Kuwait and the Gulf countries are expensive, and are not suitable for refugees,’ he explained. ‘They are suitable for workers. The transportation is expensive. The cost of living in Kuwait is high, whereas the cost of living in Lebanon or Turkey is perhaps cheaper. Therefore it is much easier to pay the refugees [to stay there]. At the end of the day, you cannot accept other people, who come from a different atmosphere, from a different place. These are people who suffer from psychological problems, from trauma.’ You cannot just place them in the Gulf societies, he explained."

Alos die Lebenshaltungskosten in Kuwait sind zu hoch für Flüchtlinge. Nur gut, dass das in Deutschland nicht derFall ist.

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Dabei werden in Saudi Arabien komplette Wohnstädte für Mekkapilger freigehalten die außerhalb der Hadj das ganze Jahr leerstehen, Unterbringung der Pilger komplett auf Staatskosten.

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