Mittwoch, 30. Mai 2018
Migranten und Flüchtlinge im höchsten Maße armutsgefährdet
Die niedersächsische Landesregierung hat sich zu einer Anfrage der
Grünen zum Thema Armut bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in
Niedersachsen geäußert. Im Prinzip lässt sich als eine der Kernaussagen
herauslesen, dass die Armutsgefährdungsquote dieser Personengruppe sehr
weit über der Gefährdungsquote der Gesamtbevölkerung liegt. In Zahlen
ausgedrückt bedeutet das: 2015 waren in Niedersachsen 43 % der
Migrant_innen von Armut bedroht. Die Gefährdungsquote der
Gesamtbevölkerung lag bei 16 %. Im bundesweiten Vergleich verhält es
sich ähnlich.

Die Landesregierung geht davon aus, dass die Armutsgefährdungsquote
generell bei Erwerbslosen, Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau,
sowie bei Alleinerziehenden überdurchschnittlich hoch ist. Um speziell
Menschen ohne deutschen Pass zu unterstützen, möchte sie sich für
gleichberechtigte Teilhabe einsetzen, insbesondere am Arbeitsmarkt.
Helfen sollen so etwa diverse Sprachlernangebote, sowie ein breites
Sozialberatungsangebot.

Zu differenzieren ist dabei zwischen Arbeit suchenden EU-Bürger_innen
und Menschen die Asyl beantragen. Unionsbürger haben seit 2016 die
Konsequenzen einer Gesetzesverschärfung zu tragen. Die Anfrage inwiefern
die Landesregierung eine "Lenkungswirkung" durch zahlreiche
Leistungsstreichungen feststellen kann, bleibt mangels statistischer
Erfassung unbeantwortet. Es wird aber von einer "Wirkung auf die Anzahl
der SGB II-Anspruchsberechtigten ausgegangen". Mit "Lenkungswirkung" ist
in diesem Zusammenhang gemeint, ob Menschen durch die Schlechterstellung
zur Ausreise bewegt wurden oder von einer Einreise abgehalten wurden.

Für Menschen im Asylverfahren gibt es ein "Sondersozialsystem", das
Asylbewerberleistungsgesetz. Statt "einen Topf" für alle
Hilfsbedürftigen zu schaffen, werden Menschen mit Fluchthintergrund bis
zu ihrer Anerkennung aus den Regelsystemen ferngehalten. Die
Landesregierung rechtfertigt Unterschiede der Existenzabsicherungen mit
notwendigen "Differenzierungen" der jeweiligen Bedarfslage. So seien
etwa Menschen in vorübergehenden Einrichtungen bereits durch
Sachleistungen versorgt, so dass der Bedarf entsprechend sinke.

Die Landesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen der Existenz von
Einrichtungen wie der Tafel und den Rechtsansprüchen auf
Grundsicherungsleistungen. Vielmehr sei das Vorhandensein der Tafeln als
zusätzliches Angebot zu verstehen, welches finanziellen Spielraum und
Raum für Begegnungen eröffne. Gleichzeitig stellt sie fest, dass die
Integration jener Menschen die 2015 und 2016 eingereist sind, eine
gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellt, die nur durch ein
gemeinsames Handeln staatlicher Stellen und zivilgesellschaftlicher
Initiativen erfolgreich gemeistert werden kann.

Es darf festgestellt werden, dass hier Fragen offen bleiben.

Die Bekämpfung von Armut sei historische Grundlage und Wesenskern
staatlicher Sozialpolitik, die einem ständigen Wandel unterliege und
notwendigerweise von immer neuen Initiativen begleitet werden müsse. Die
Landesregierung wird sich an dieser Aussage, sowie der nächsten
statistischen Erfassung einer Armutsgefährdungsquote messen lassen
müssen. Möglicherweise setzt sie diese Ankündigung durch die Abschaffung
des längst überholten und vollkommen überflüssigen
Asylbewerberleistungsgesetzes um und wandelt das Gesetz im Lichte
staatlicher Sozialpolitik gleich so, dass allen Hilfsbedürftigen die
gleiche Unterstützung zukommt. Hinter den Zahlen und Quoten, Anfragen
und Antworten stehen Taten und Menschen. Dass Integration Zeit und
Bemühungen braucht, ist keine Frage. Hinter verschiedenen "Fördertöpfen"
darf aber keine Bewertung in "förderungswürdig" und "unwürdig" stehen.
Artikel 1 des Grundgesetzes differenziert nicht nach frei erschaffenen
Kategorien. Vielmehr verpflichtet es den Staat, die Würde eines jedes
Menschen zu schützen und nicht durch stets zunehmende Verschärfungen in
verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise anzutasten.

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Europäische Werte for Sale?
Ein Workshop für Lehrkräfte und Multiplikator*innen

Freitag, 6. Juli 2018, 10-14 Uhr, Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung (AEWB) Hannover, Seminarzentrum, Bödekerstraße 11, 30161 Hannover

Sehr geehrte Damen und Herren,

„Werte“ haben in der politischen Diskussion Konjunktur. Ob von der europäischen Wertegemeinschaft, der christlich- jüdischen Tradition, den demokratischen Grundwerten oder dem Vorschlag eines Werteunterrichts für zugewanderte Kinder die Rede ist: Werte sind in aller Munde. Dabei bleibt oft vage, was genau gemeint ist. Was sind diese Werte? Kann und soll man/frau sie vermitteln, und falls ja, auf welche Weise? Worauf zielt die Diskussion um Werte ab? Welches Verständnis von Werten wird hier vorausgesetzt und wie kann ich mich dazu positionieren?

Um diese und weitere Fragen zu diskutieren, laden wir Sie herzlich zu einem Vormittagsworkshop ein. Ziel ist es, die eigene Position in Wertediskussionen zu finden und Handwerkszeug für den beruflichen Alltag zu bekommen. Im Workshop werden u.a. methodische Ansätze präsentiert, die in der von der Europäischen Union geförderten Projektpartnerschaft „EVEQ: European Values through European Intelligence“ entwickelt und mit unterschiedlichen Zielgruppen erprobt wurden.

Referent*innen:
Florian Wenzel, freier Mitarbeiter der Akademie Führung & Kompetenz am Centrum für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München
Anke Egblomassé, Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. (VNB)

Die Veranstaltung wird im Rahmen der europäischen Projektpartnerschaft „EVEQ – European Values through European Intelligence“ in Kooperation mit der Stiftung Leben und Umwelt / Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen durchgeführt. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist erforderlich (per E-Mail bei anke.egblomasse@vnb.de). Das Projekt EVEQ wird aus Mitteln der Europäischen Union (Erasmus+ Strategische Partnerschaften in der Erwachsenenbildung) kofinanziert.

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Trotz aller Zusagen von Herrn Pretorius: Abschiebehaft nimmt zu
Abschiebungshaft in Niedersachsen: Drastischer Anstieg der Inhaftierungszahlen
Die Anzahl der Inhaftierten im Abschiebungshaftgefängnis Langenhagen ist drastisch gestiegen. Dies geht aus der Antwort der Landesregierung auf die mündliche Anfrage der FDP hervor - Anhang.

Während im Jahr 2016 insgesamt 214 Personen inhaftiert waren, stieg die Zahl der Inhaftierungen im Jahr 2017 auf 435 und damit um ca. 103 %. Zudem hat sich die Zeit, die die Inhaftierten durchschnittlich in der niedersächsischen Abschiebungshaftanstalt verbringen, von 15 auf 19 Tage erhöht.
Auch für das Jahr 2018 scheint ein weiterer Anstieg der Inhaftierungszahlen wahrscheinlich. Denn in der Zeit von Januar bis April wurden bereits 151 Personen inhaftiert, wodurch sich für das gesamte Jahr 2018 ca. 453 Inhaftierungen prognostizieren lassen.
Positiv ist, dass die Landesregierung nunmehr plant, der langjährigen Forderung des Flüchtlingsrats Niedersachsen nachzukommen und ein Abschiebungshaftvollzugsgesetz zu erlassen, das die Rechte und Pflichten der Gefangenen verbindlich regelt. Da die Landesregierung diesbezüglich noch keinen Zeitplan vorgelegt hat, bleibt zu hoffen, dass sie die erforderlichen Schritte alsbald ergreift

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