Freitag, 3. Januar 2020
Später Link zum Thema Sarrazin
Gregor Keuschnig hatte seinerzeit sehr Lesenwertes zum antislamischen Diskurs in Deutschland geschrieben dass ich dem Publikum nicht vorenthalten möchte:

https://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/s/sarrazin.htm

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Sarrazin schafft Deutschland ab.
Immerhin verdanken wir der Monopolpresse zu der Zeit, als Sarrazins Meisterwerk erschienen ist, die Erfolge von AfD und PEGIDA. Kurz zuvor hatte Sarrazin die von ihm beklagte Desintegration großer Teile des deutschen Volkes selbst in Gang gesetzt. In Form eines Programmes, das systematisch große Teile des Volkes aus der Gesellschaft desintegriert. Seine Politik sorgte dafür, daß der Mittelstand schrumpft und der immer größere Lasten tragen muß, weil ebendieser Mittelstand die einzige Gruppe darstellt, die effektiv Steuern und Sozialbeiträge bezahlt, weil die Superreichen entlastet wurden, und die Sozialbeiträge von immer mehr arbeitetenden Menschen ausfallen, weil sie zu wenig verdienen, so daß die Rente für alle gekürzt werden muß. Und jetzt kommen zu den vielen armen Menschen, die es schon gibt, noch ein Haufen arme Menschen aus Krisengebieten hinzu, deren Existenz derselbe Mittelstand bestreiten muß. Der Mittelstand weiß ganz genau, daß die Neubürger niemals den Aufwand werden erarbeiten können, den deren Versorgung kostet. Und hat damit recht. Auch das ist ein Resultat Sarrazinscher Politik. Aber immerhin kann man ja den Mittelstand gegen arme Schweine hetzen. So gerät der Totalversager aus der Schußlinie, und der Mittelstand hat jemanden, den er hassen kann, und dem man den "Untergang des Abendlandes" anlasten kann. Und die Monopolpresse, stets der Lakai der Politik, stand diesem Totalversager treu zur Seite.

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Und sie tut es immer noch.
Agenda 2010 habe im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends zur Hochkonjunktur beigetragen. Behauptet die Monopolpresse. Nun ja, die Wahrheit ist: Ein chinesisches Konjunkturprogramm ist die Ursache hierfür zusammen mit einer langwährenden Extremniedrigzinsphase. Die Arbeit der Regierungen Schröder/Fischer bzw. Merkel hatten daran keinen Anteil. Die Regierung Schröder/Fischer hatte insofern Anteil daran, daß die Wirtschaft Deutschlands durch sie extrem exportabhängig wurde, was in Zukunft zu ernsten Schwierigkeiten führen kann.

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Welche "Politik" soll Sarrazin (!) gemacht haben, für die o.g. "Mißstände ?

Konkrete Beispiele !

2. Frage: Wie(!) haben Schröder/Fischer die Wirtschaft exportabhängig "gemacht" ?

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Agenda 2010; Einführung des Niedriglohnsektors, Einführung von EUR, ... Natürlich ist er nicht allein an allem schuld. Nicht einmal an seinem Bucherfolg ist er schuld. Den verdankt er der Presse, die zu diesem Zeitpunkt genau diesen Zyniker brauchte für ihre Propaganda.

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"nicht allein".

Ehrlich gesagt: gar nicht.
Weder bei der Aenda 2010 oder dem Niedriglohnsektor war er irgendwie federführend beteiligt.

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Schröder und Fischer voll und ganz, was den Niedriglohnsektor und die Hartz-Gesetze angeht, die Euro-Einführung war schon unter Kohl eingeleitet worden. Sarrazin war damals ein Berliner Lokalpolitiker.

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Das ganze Thema lässt sich nicht mal so eben in ein paar Sätzen abhandeln. Ein Zusammenhang zwischen Niedriglohnsektor und Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft besteht, aber es sollte schon etwas genauer hingeschaut werden wie dieser aussieht. Die klassische, besser neoklassische Angebotsökonomie nach Milton Friedman geht ja davon aus dass niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und ähnliche Intensivierungen der unmittelbaren Ausbeutung zu günstigen Exportpreisen und einer hohen Abnahme führen. Um mit Marx zu sprechen soll hiermit dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegengesteuert werden.

So ist das aber in Deutschland nicht der Fall. Der Niedriglohnsektor betrifft ja nur teilweise die Produktion von Exportgütern. Wenn bei BASF oder VW die Putzkolonnen und die Lageristen zu Niedriglöhnen bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt werden bringt das eine Betriebskostenersparnis, die sich aber nicht innerhalb der eigentlichen Produktionskosten abspielt.

Was Anderes sind Unternehmen wie die WOB AG, wo VW bis dahin langzeitarbeitslos gewesene Billiglohnkräfte in der eigentlichen Produktion als Konkurrenz zur eigenen tarifbezahlten Kernbelegschaft einsetzt. Hier werden tatsächlich unmittelbar Lohnkosten gespart.

Global gesehen ergibt sich die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft nicht nur aus der dadurch erreichten Verschlankung der für den Weltmarkt bestimmten Produktion, sondern auch daraus dass sich aus der Verbreiterung des Niedriglohnsektors ein Rückgang der Binnennachfrage ergibt der dann zwangsläufig die Exportabhängigkeit erhöht.

BTW Was für ein existenziell fauler Zauber hier abläuft zeigt sich auch aus der Diskursgeschichte um den Niedriglohnsektor: Ursprünglich war dieser mal vorgeschlagen worden, um bei krisengeschüttelten Branchen wie Bergbau und Werften von der pauschalen Subventionierung weg und zu einer direkten Beschäftigungsförderung hinzukommen durch eine sogenannte negative Eigentumssteuer. Dies hätte bedeutet, die Unternehmen hätten den Beschäftigten einen Niedriglohn bezahlt, diese hätten dafür nur Sozial- und Rentenversicherungsbeiträge aber keine Einkommenssteuer zu zahlen gehabt, im Gegenteil wäre ihnen die Differenz zwischen dem Niedriglohn und dem Tariflohn vom Staat zugeschossen worden.

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von der pauschalen Subventionierung weg und zu einer direkten Beschäftigungsförderung hinzukommen durch eine sogenannte negative Eigentumssteuer. Dies hätte bedeutet, die Unternehmen hätten den Beschäftigten einen Niedriglohn bezahlt, diese hätten dafür nur Sozial- und Rentenversicherungsbeiträge aber keine Einkommenssteuer zu zahlen gehabt, im Gegenteil wäre ihnen die Differenz zwischen dem Niedriglohn und dem Tariflohn vom Staat zugeschossen worden.
Negative Einkommenssteuer ist sowieso das Steckenpferd der Neoliberalen. Friedmann hat das auch vorgeschlagen. Negative Einkommenssteuer ist aber nichts anderes als gewöhnliche Einkommenssteuer plus bedingungsloses Grundeinkommen.

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In dem hier geschilderten Modell ist das etwas ganz anderes wie dort deutlich geschrieben steht. Es waren auch keine Friedmanianischen Neoliberalen die das vorgeschlagen hatten.

Dieser Vorschlag kam u.a. von der nie zum Zuge gekommenen Kommission für eine gesamtdeutsche Verfassung.

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Dann denkt diese Kommission für eine gesamtdeutsche Verfassung eben Friedmanianisch, ohne es zu ahnen. Diese Logik, niedrige Löhne zuzulassen und durch bedingungsloses Grundeinkommen / negative Lohnsteuer aufzustocken, nur um Betriebe am Leben halten zu können (wie Kohle, Stahl und Werften in ches Beispiel), die sich höhere Löhne nicht leisten könnten, ist doch Friedmanianisch.

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Eigentlich war das eher ein Reformvorschlag innerhalb eines zutiefst keynesianischen Modells.

Wobei mir Etikettenzuschiebungen wie keynesianisch und friedmanisch nicht unbedingt besonders hilfreich erscheinen.

"Nur um Betriebe am Leben zu halten"... Bis dahin wurden die Betriebe als solche mit Steuermitteln und z.T. auch EU-Geldern am Leben erhalten. Es gab eigene Steuern dafür, z.B. den Kohlepfennig. Demgegenüber hätte eine negative Einkommenssteuer für die Beschäftigten gezielt Arbeitsplätze subventioniert und nicht die Unternehmen an sich. Klassisch wirtschaftsliberal wäre übrigens gewesen da nichts und niemanden zu subventionieren sondern die Unternehmen den Bach runtergehen zu lassen.

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Sozi, ich habe den Eindruck Du hast den Begriff "negative Einkommenssteuer" gegoogelt, bist dann auf den Wikipedia-Artikel gestoßen wo sehr stark die Rolle betont wird die die negative Einkommenssteuer bei Friedman spielt und damit ist für Dich die Laube fertig. Der Kontext in dem ich dieses Thema hier bringe ist aber ein anderer. Die Art negativer Einkommenssteuer um die es hier geht läuft darauf hinaus dass die Arbeitnehmer netto ebenso viel bekommen wie bei Zahlung des Tariflohns, der Arbeitgeber aber entlastet wird. Bei dem dann tatsächlich eingeführten Niedriglohn, zu dessen Legitimierung das Modell negative Einkommenssteuer propagandistisch missbraucht wurde bekommt der Arbeitnehmer brutto und netto weniger als ein zum Tariflohn Beschäftigter.


Zu den Befürwortern der negativen Einkommenssteuer in der von mir beschriebenen Form gehörten in den 90ern so ausgewiesene "Neoliberale" wie Gregor Gisy, der das allerdings mit einer anderen Form der Unternehmensbesteuerung koppeln wollte: Statt Umsatzsteuer und branchenspezifischen Sondersteuern wie der Gewerbesteuer eine für alle Unternehmen gleiche vierteljährliche Werschöpfungsabgabe, aus der Strukturmaßnahmen finanziert werden sollten.

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@"Dann denkt diese Kommission für eine gesamtdeutsche Verfassung eben Friedmanianisch, ohne es zu ahnen" ---- Die denkt nicht, die dachte. Honecker spricht auch nicht mehr.

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Es bleibt einmal festzuhalten dass die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen im Ursprung von der undogmatischen Linken kommt und auch weiterhin ein linkes Essential darstellt.

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Stimmt, Friedman hat das auch befürwortet, aber die Idee kommt von links.

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