Montag, 15. Mai 2023
Sex, Linke, Wokeness und Moral - eine tour d´horizon
Es hatte mal eine Zeit gegeben, da galt sexuelle Libertinage nicht nur als mit linken Gesellschaftsvorstellungen vereinbar, sondern geradezu als einer ihrer Inhalte. Offene Zweierbeziehungen mit erlaubten Seitensprüngen waren positives Ideal, Eifersucht erschien, da Besitzverhalten gegenüber dem Partnermenschen, als linken Idealen zuwiderlaufend, und in dem regelmäßig erscheinenden Organ meiner früheren politischen Bezugsgruppe stand: „Neue Linke – Quervögeln und Pfaffenhass – isses das?“.

Ich habe diese schönen, sexuell hedonistischen Zeiten noch miterlebt, ebenso, wie das Ganze frappierend schnell ins repressiv-moralische und regressive umkippte. Das geschah Ende der 1980er.
Eine erste Reaktion auf dieses Umkippen war Maria Wiedens Text „Wider den linken Moralismus von Sexualität“, der 1991 in „Ästhetik und Kommunikation“ erschien. Wieden konstatierte, dass, anders als früher, in linken Diskussionen und Publikationen Sexualität nur noch vorkomme, wenn es um sexualisierte Gewalt oder Mißbrauch ginge. Feministische Sexualmoral scheine zu meinen, „Schwänze tun Frauen was Böses“, und das Leitbild dieser Moral sei nicht die selbstbewusste sexpositive linke Frau, sondern die Maria Immaculata. Mein Versuch, diesen Text in meiner damaligen Politgruppe zu diskutieren scheiterte ´kläglich, Maria Wieden wurde als „neue Esther Vilar“ verunglimpft.

Ich bin mit Sicherheit kein Freund von Hanna Lakomy aka Salomé Balthus, deren Versuch, Don Alphonso 4 Jahre posthum Me Too Mäßig einen reinzugrätschen ich höchst zweifelhaft finde, zumal es dabei über Bande eigentlich um Benjamin von Stuckrad-Barre geht (der mir als Schüler mal über den Weg gelaufen war, sein großer Bruder Kocku von Stuckrad war mein Kollege im Zivildienst), aber deren Texte über sexuelle Bedürfnisse und das Quentchen Pornografie im Alltag hätte es damals geben sollen, die hätten manchen der PC-MoralistInnen heimgeleuchtet.

https://hetaera.de/mein-kleines-kopfpornokino/

Insbesondere dieser Text hier, dem ich sehr zustimme. Die Aussage, dass wir in Form von Kopfkino alle unsere Pornos laufen haben finde ich höchst erfrischend; in den 1990ern galt in der Linken Porno ganz generell als eine Kolonisierung des menschlichen Körpers, gegen die ein Befreiungskampf zu führen sei, Pornouser standen in der moralischen Wertungsskala kurz vor Zuhältern und Vergewaltigern. Es konnte einem heterosexuellen linken Mann durchaus passieren, für das Erwischtwerden mit dem Besitz einer Ausgabe des „Playboy“ aus seiner Politgruppe ausgeschlossen zu werden, oder, inklusive Tribunal und Steckbrief aus der ganzen linken Szene der eigenen Stadt. Ich kann mich sogar an einen Fall erinnern, in dem im internen Kreis skandalisiert wurde, dass das bei einem Mann nicht gemacht wurde, weil der eine Szenegröße war – was bis heute charakteristisch ist: Angegangen werden nicht die Leute von Einfluss, sondern die, die leicht zu treffen sind. So wurden und werden bei Sexismusdebatten von studentischen Linken/Feministinnen meist die eigenen Genossen massiv kritisiert, aber nicht die eigenen Profs. Dieses Prinzip galt damals, es gilt heute genauso.

Als ich Katrin Rönicke gegenüber einmal sagte, der Rigorismus bestimmter Moralinfeministinnen erinnere an Savonarola hielt sie diesen Vergleich für gewagt - ich denke, an obigem Beispiel lässt sich verdeutlichen, dass der durchaus angemessen ist. Und gebrauchte Maria Wieden das Bild der Maria Immaculata, gilt für die Pornodebatte das Alte Testament: "Du sollst Dir kein Bild machen".

Ich erinnere mich an ein Tischgespräch, bei dem ein guter Freund und Genosse davon berichtete, dass ein Teilnehmer eines Seminars, das von ihm unterrichtet wurde den Seminaraufenthalt dazu nutzte, sich mit einer Prostituierten zu treffen. Es handelte sich um einen Bildungsurlaub, der tariflich Beschäftigten bestimmter Unternehmen zusteht, also eine freiwillige Veranstaltung, für die die SeminarteilnehmerInnen bezahlen, mit Unterbringung in einem Tagungshotel. Mein Freund hatte ein Problem mit dem Verhalten seines Seminarteilnehmers, sah aber keine Sanktionsmöglichkeit, da der Hurenbesuch nicht in der Unterrichtszeit selber stattgefunden hatte.

Obwohl Vertraulichkeit Grundlage des Tischgesprächs gewesen war verbreitete sich die Story szeneweit, und nicht der Freier, sondern mein Freund war Gegenstand der allgemeinen Ablästerei, da er nicht sanktionierend eingegriffen hatte, wozu er allerdings keinerlei rechtliche Handhabe gehabt hatte. Ich argumentierte in dem Tischgespräch, dass es hier viel zu wenig Faktenkenntnis gäbe, um überhaupt moralisch urteilen zu können.

Was war das für eine Hure? Machte die ihren Job ganz selbstbestimmt, weil sie keinen Bock auf Fabrik hatte oder war das eine zwangsverschleppte Osteuropäerin, die von einem Zuhälter wie eine Sklavin gehalten wurde?

Was war das für ein Freier? Betrachtete der den "Konsum" einer Hure als sein selbstverständliches Recht oder hatte den gerade seine Frau verlassen und er befand sich in einer Krise?

Ohne solche Informationen gecheckt zu haben könne man den Fall gar nicht beurteilen. Und ich maße mir auch nicht an, mich zum moralischen Richter aufzuschwingen.

Die Reaktionen hierauf waren zwiespältig. Manche fanden mein Statement geradezu weise, Andere behaupteten, ich betreibe Täter-Opfer-Umkehr.

Sprung in die Jetztzeit. Im Bildungszentrum meines jetzigen Auftraggebers hatte es einen Vorfall gegeben: Ein Dozent hatte mit einer 20 Jahre jüngeren Azubine in gekokstem Zustand Sex gehabt und war deshalb geflogen, beide hatten das Seminar abbrechen müssen und waren nach Hause geschickt worden. Eine junge Kollegin, Trainee (mit Migrationshintergrund) meinte dazu, was das denn solle, das seien doch beides erwachsene Menschen, die dürften doch koksen und ficken wo und wann sie wollten.

Es ist kein Zeitabstand, der den qualitativen Unterschied ausmacht. Die Moralspacken der Neunziger sind heute noch genauso drauf, nur sind sie heute keine Mittzwanziger mehr sondern Mittfünfziger, haben Macht und Einfluss und bestimmen die moralischen Diskurse in bestimmten Umfeldern und Einrichtungen. Sie entstammen fast alle akademischen und mittelschichtigen Familien, mit einem hohen Anteil der moralproduzierenden Haushalte - LehrerInnen, JuristInnen, PastorInnen.

Die junge Kollegin kommt aus einer Arbeiterfamilie und streetcredilber Subkultur.

... comment

 
Guter Text, der jene rigide Moral und am Ende auch die heutige Woko Haram und wie sie entstanden ist, treffend beschreibt.

"Als ich Katrin Rönicke gegenüber einmal sagte, der Rigorismus bestimmter Moralinfeministinnen erinnere an Savonarola ..."

Ich würde sogar sagen, was den heutigen Furor anbelangt, auch im Blick darauf andere Menschen von ihrem Ruf her mit Unwahrheiten zu überziehen und damit zu vernichten und ins Diskursabseits zu befördern, erinnern mich diese Methoden an Stalin bzw. die DDR. Ich denke hier nur pars pro toto an die Biologin Marie-Louise Vollbrecht und wie mit ihr umgegangen wurde. Und ebenso die Journalistin Barbara Eggert, deren Job vernichtet wurde, weil sie einem Leserbriefschreiber, der Angst davor hatte, seine beiden Kinder auf der Hochzeit seines schwulen Bruders als Brautkinder dort zu sehen, keine herunterputzende, sondern eine angemessene Anwort gab. Eggerts Antwort fiel vermittelnd-verständnisvoll aus - was richtig war, denn die Sorge des Mannes war eben nicht homophob, sondern beruhte auf einem sehr konservativen Weltbild. Statt aber nun dieses Szenario zum Anlaß für eine kluge Debatte zu nehmen, traten die Hetzer und Hater auf, unter anderem in Gestalt von Volker Beck von den Grünen und seiner Bürofrau, irgendwas mit Charlotte glaube ich, die maßgeblich einen Scheißesturm orchestrierten. Ausgerechnet solche wie Volker Beck (Stichwort Grüne und Pädophilie in den 1970er Jahren) sollten solche Themen besser flach halten, bevor sie mit dem moralwedelnden Zeigefinger da aufschlagen.

Das schlimme ist vor allem, daß ein Teil dieser Woko Haram heute in zentralen Stellen in den Zeitung, Fernsehen, öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Fernsehen, in Theater und Literatur sitzen und erheblichen Diskurs-Einfluß haben ausüben. Eine "links"-liberale Hegemonie im Kulturellen ist schon seit langer Zeit zu beobachten. Gab es früher noch Sender wie den konservativen BR und auch einige konservative Moderatoren bei den ÖRR, so muß man diese heute mit der Lupe suchen. Heute muß man als Linker sich für konservative Positionen in Medien stark machen. Ich hätte solches in den 1980er Jahren niemals und je gedacht.

In nuce und pars pro toto zeigt sich dies Absurdität dieser neuen "Linken" an einer Aufführung der Performance-Künstlerin Florentine Holzinger hier in Berlin an der Volksbühne, und zwar ihr Stück "Ophelia’s Got Talent". Dort geht es recht heftig zu Sache, es sind nackte Körper in Extremsituationen zu sehen, Frauen scheidet auf der Bühne das aus, was zuvor als Festform im Körper war usw. usf. Aber um nun niemanden zu verstören sind zugleich im Theater die üblichen Triggerwarnungen angebracht, die auf Nacktheit und körperliche Exzesse hinweisen und wohl auch auf Lärm und Licht. (Stroboskopwarnungen kann ich noch irgendwie verstehen, wegen Gesundheit. Der Rest aber ist nur noch Mumpitz.)

Kunst will provokant sein, aber zugleich bringt man Triggerwarnungen vor der Aufführung an. Es ist nur noch zum Lachen und ich kann solche Kunst nicht ernst nehmen. Diese Leute sind nicht Avantgarde, sondern zeigen nur einen völlig überflüssigen Kunstbetrieb, darin die Provokation bereits eingepreist ist. Immer wieder gerne zitiere ich auch Hans Magnus Enzensberger - aus dem Jahr 1962:

"Jede heutige Avantgarde ist Wiederholung, Betrug oder Selbstbetrug. Die Bewegung als doktrinär verstandenes Kollektiv, vor fünfzig oder dreißig Jahren erfunden, um den Widerstand einer kompakten Gesellschaft gegen die moderne Kunst zu sprengen, hat die historischen Bedingungen, die sie hervorgerufen haben, nicht überlebt. Konspiration im Namen der Künste ist nur möglich, wo sie unterdrückt werden. Eine Avantgarde, die sich staatlich fördern läßt, hat ihre Rechte verwirkt."

Was nun die Prostitution betrifft, würde ich auch sagen, daß es hier sehr auf den Fall ankommt. Jene rumänischen, bulgarischen, asiatischen Puffs, mithin illegale Prostition gehört verboten und hier sollten vor allem auch die Freuer belangt werden. Aber um, wie im Falle des Seminarkollegens, angemessen zu urteilen, sind hier eben genaue Kenntnisse erforderlich, und ich denke auch, daß es eine Überforderung von Individuen ist, hier Entscheidungen zu treffen, die auf der Ebene von Gesetzen und Kontrollen erfolgen müssen.

... link  


... comment
 
In meinem Kopf liegt ja im Gegensatz zu dem dieser Bällebad-Impftrulla Lakomy leider nur Stroh rum, aber zu Stucki habe ich natürlich passende Links.
https://pinkstinks.de/literarisches-maennleinwunder/
"2017 habe ich mir für „Das Licht ist hier viel heller“ den fiktiven Schriftsteller Maximilian Wenger ausgedacht, der die Erfahrungen einer Frau für einen metoo-Roman verwendet, damit ein literarisches Comeback feiert und so richtig abcasht."
https://populaerkollektiv.com/2019/12/12/rezension-das-licht-ist-hier-viel-heller/
https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/tv-medien/nach-podcast-buechern-und-whatsapp-leaks-sind-die-springer-festspiele-vorbei-li.347851

... link  

 
Nur ist das alles nicht Thema, im Thread geht es um die Sexualmoral der Linken.

... link  

 
@Ich kann mich sogar an einen Fall erinnern, in dem im internen Kreis skandalisiert wurde, dass das bei einem Mann nicht gemacht wurde, weil der eine Szenegröße war – Es wurde weniger kritisiert, dass der verschont wurde, weil er eine Szenegröße war, sondern, dass er nicht ausgestoßen wurde. Und an Solcherlei knüpften Lantzsch und Co später nahtlos an. Der Stalinvergleich passt schon.

... link  

 
"Wokies gegen Boomer"
@che, ein paar "Berührungspunkte" gibt es wohl. Auch die Sexualmoral der Linken entkommt dem Zeitgeist nicht.
https://taz.de/MeToo-bei-der-Linkspartei/!5846760/

Das ist von 2012
https://www.telepolis.de/features/Die-Linke-und-der-Sex-3392699.html

Kommentar: " FAST genau so auch 1975
oder 1985, hätte dieses interview auch aussehen können.

bietet ein titel wie "die linke und der sex" heute eigentlich noch --
rein buchhändlerisch betrachtet -- genug kaufanreiz? ist an dem thema
interesse vorhanden?

wenn ich die namen der zitierten autorInnen höre, von shulamith
firestone bis marcuse und reich, kommt es mir so vor, als hätte frau
eder einen karton alter bücher aus einer linken buchhandlung
mitgenommen und zuhause noch mal durchgeackert.

falls sie die bücher jetzt wieder abgeben möchte, schreie ich
"hier!", denn ich habe schon lange die alten raubdrucke von reich und
all dieser anderen autorInnen nicht mehr, und auch nicht mehr
gesehen.

vielleicht sollte frau eder beim nächsten mal doch auch noch eine
kiste mit etwas neueren büchern abschleppen, damit zb. klaus
theweleits "männerphantasien" -- studien zum faschistischen
körperbegriff, die hier ja wohl unbedingt mit hinein gehören -- auch
berücksichtigt werden.

aber persönlich würde es mich noch mehr interessieren, eine linke
sicht auf das heutige sexual-geschehen zu lesen, statt einer
rekapitulation ehedemiger thesen und konzepte. wer, wenn nicht die
linke, hätte zu dem thema relevantes beizutragen?"

Du solltest vielleicht ein zweites Buch schreiben..

... link  

 
Ich habe mehr als zwei Bücher geschrieben.

... link  

 
Wokies gegen Boomer ist auch insofern Unfug, als dass die Wokeness, damals noch PC (political Correctness) von der Boomer-Generation erdacht wurde. Das ist etwa 35 Jahre her, mit einer nochmal etwa 15 jährigen Vorlaufphase.

... link  

 
Wie wär´s denn mit Wookies gegen Borgs?
;-)

... link  

 
"Man kann die Fälle aus Nürnberg und Wiesbaden als Generationenkonflikt lesen, so wie die SMS das nahelegt: Wokies gegen Boomer. Nur täte sich die Partei keinen Gefallen damit. In den vergangenen zehn Jahren sind 30.000 neue Mitglieder eingetreten, 20.000 davon unter 30. Wenn die Partei eine Zukunft haben will, dann sind es diese Mitglieder, die sie gestalten."
Manchmal dauert es eben, bis einem Selbsterdachtes auf den Kopf fällt.
https://www.grin.com/document/170622
für bersarin "Wenn in einem Song jemand zum Fluss runtergeht, muss immer jemand sterben."
https://www.profil.at/meinung/zur-woke-bewegung-vorsicht-kraenkung/401874245
"Den die Zukunft dieser Gesellschaft besteht darin, nichts anderes hervorbringen zu können als Gegner oder aber Stumme." Muray 1991

... link  

 
Zunächst einmal sollte man solche Zuspitzungen "Woke gegen Boomer" grundsätzlich hinterfragen, da sie nicht die gesellschaftliche Realität abbilden. Davon abgesehen, daß inzwischen auch die Generation X zu den Alten gehört und gerade dort findet sich im Bereich Kultur und Kunst ein erhebliches Woke-Potential.

Che hat treffend und mehrfach schon die Herkunft solcher Moralaufladungen politischer Diskurse beschrieben. Und das ist auch nichts Neues: unterschiedliche Teile der undogmatischen Linken, von che, dem Nörgler bis Wolfgang Pohrt haben diesen Unfug in ihrer Genese immer wieder beschrieben und deutlich kritisiert.

Es sind all diese im Augenblick diskutierten Phänomene einer identiätspolitischen Linken keine neuen Probleme und wie der Soziologe Steffen Mau es richtig formulierte: die Gesellschaft hat sich nicht mehr und mehr polarisiert. Wer einmal an die 1980er Jahre denkt oder auch gerne an die 1960er und 1970er in der BRD wird dort erhebliche Polarisierungen ausmachen. Von Willy Brandts Ostpolitik angefangen bis hin zu sexuellen Präferenzen und Lebensweisen und weitergehend hin zu Fragen von Atomkraft und Nato-Doppelbeschluß. Alles Themen und Fragen, die hoch kontrovers debattiert wurden. Was sich allerdings verändert hat, ist der mediale Umgang und eine grundsätzliche Präponderanz einer bestimmten kulturalistisch-identitätspolitischen Linken in Medien und Kultur.

Was die Medien betrifft: Früher mußten die Hornochsen nur zuhören und sie hielten ansonsten ihre Klappe oder verbreiteten sich an den verschiedenen Stammtischen - von links bis rechts. Dann kam in den 1980er Jahren das, was sich eine bestimmte Linke immer gerne wünschte, nämlich die mediale Partizipation als kommunikativer Strukturwandel der Öffentlichkeit. Das Resultat war teils erschreckend, wenn man in die vielen Offenen Kanäle hineinhört, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Dagegen erwies sich "Tutti Frutti" im Privatfernsehen als ästhetischer und informativer Hochgenuß mit intellektuellem Anspruch.

Richtig ist allerdings, daß durch solchen medialen Wandel, den wir Internet nennen, der Lunatic Fring lauter und vor allem sichtbarer geworden ist - was vor allem an jenen sozialen Medien wie Twitter und Facebook (für die Boomer und Generation X eher) liegt, wo jeder Knalldepp irgendwelche Meinungsbekundungen, Zitate oder Verlinkungen einstellen kann. Action without reflection.

"Den die Zukunft dieser Gesellschaft besteht darin, nichts anderes hervorbringen zu können als Gegner oder aber Stumme."

Aus der Rubrik "Dumm gefaselt und pauschalisiert". Meine Hoffnung: daß die Zukunft dieser Gesellschaft darin besteht, Leute, die Phrasen verbreiten, umgehend von einer Klippe zu stürzen, sofern sie das Verbreiten von Phrasen nicht gewillt sind einzustellen. Zur Anmietung und im Rahmen eines Borgeabkommens, wären die White Cliffs of Dover ein guter Ort, sofern Rügen und Alpen nicht ausreichen sollten.

... link  

 
Dafür gab es mal den Tarpeiischen Felsen. Für Diejenigen, die in der Arena keine gute Figur gemacht hätten.

... link  

 
@"Davon abgesehen, daß inzwischen auch die Generation X zu den Alten gehört" - Das ist eine Frage der Perspektive. Mein 94 jähriger Vater betrachtet die 68er Generation als junge Leute.

Im Zusammenhang mit der Mädchenmannschaft, auch schon wieder 10 Jahre her, war festzustellen, dass die ihre ultrawoken Standpunkte für jung hielten, weil sie selber jung waren und gar nicht merkten, dass sie da jahrzehntealtes repetierten. Unkenntnis der eigenen Bewegungsgeschichte.

Ansonsten, Manhartsberg, danke ich ausnahmsweise mal für die Verlinkung, da die verlinkten Beiträge wirklich interessant sind, konstatiere aber mal wieder, dass Dir Eigenes zu schreiben wohl nicht einfällt.

... link  

 
@Netbitch: Dieser Felsen scheint mir eine gute Sache zu sein.

@che: Ist sicherlich eine Frage der Perspektive. Manche sagen: ab 50 fängt das Alter an. Kant wurde, als er Ende 50 war, mit "ehrwürdiger Greis" angeredet.

... link  


... comment
 
Moral ist out
Von Moral redet die woke Szene nicht, das wäre sehr oldfashioned. Es geht beim Thema Prostitution nicht mehr darum, ob sich so etwas "schickt" und ob die Frau dann eine "Schl***" ist oder Schlimmeres.

Das Thema wird heute als "Gewalttäter-Opfer" aufgezogen. Die Frau ist immer Opfer männlicher Gewalt (oder zumindest eines Herrschaftsgefälles), der Mann, der Sex kauft, ist Gewalttäter. Es geht laut Schwarzer nicht um Lust, sondern - beim Mann - nur um Beherrschung und Unterdrückung der Frau.

Das ist natürlich absurd pauschal, aber eben auch ein Aspekt der Prostitution. Und Frau Lakomy beschränkt sich eben darauf, zu verkünden: "Ich sehe das Problem."

Nur das reicht halt nicht: Die normale Prostituierte geht ihrer Arbeit nicht nach, um ihr eigenes Kopfkino zu befriedigen. Frau Lakomy glamourisiert das "Hetärentum" schon heftig.

Ich bin trotzdem oder gerade deshalb für eine völlige Liberalisierung und v.a. auch Entstigmatisierung der Prostitution. Gleichzeitig sollte man alle Kräfte darauf konzentrieren, jedweden Zwang und jede Ausbeutung in diesem Gewerbe zu bekämpfen.

Das "nordische Modell" bewirkt gerade das Gegenteil. Es drängt die Frau zurück in die Illegalität und in das Risiko der Misshandlung.

Vielmehr sollte dafür gesorgt werden, dass Sexarbeiterinnen selbstbestimmt, akzeptiert und ohne Risiko ihrer Tätigkeit nachgehen können. Den Menschenhandel und den Zwang gilt es dagegen umso entschiedener zu bekämpfen.

Das sollte übrigens auch für andere Arbeiten gelten. Ich denke da nur an Arbeiterstrich und Schlachthausgewerbe usw. Übelste Ausbeutung.

Und das Thema Porno? Männer halten sich da lieber raus, denn wer zugibt, Pornos zu gucken, ist ein Schwein, und wer sagt, er tut es nicht, gilt als Heuchler.

Aber was heute Mainstream ist und in Sekunden abgerufen werden kann, hat wenig mit Kopfkino zu tun, sondern tatsächlich oft mit Gewalt und Erniedrigung. Die Konsumenten wollen immer härtere, absurdere Szenen, und gesund sind die oft nicht. Verbieten lässt sich aber auch nichts, das Internet kennt sie Wege um jedes Verbot herum.

Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass es Gegenbewegungen gibt. Halt nicht mehr unter dem Begriff Moral und Schicklichkeit.

Frau Lakomy kritisiert zu Recht, dass einige ihr das Recht absprechen wollen, für sich selbst zu entscheiden.

Sie kann das. Aber längst nicht jede Frau.

... link  

 
Das kommt auf den Moralbegriff an. Ich würde das Woke-Weltverständnis als Ultramoral bezeichnen, in Fantasyrollenspielbegriffen wären die Woken Fighter Cleric, lawfull neutral.

In alten Göttinger Zeiten hatten wir ein Lied dazu:
"Die Moral, die Moral,
die hat immer Recht.
Aus stalinschem Geist
wächst von (Namen von Szenegrößen oder Schwarzer einzusetzen) verschweißt
die Moral
die Moral."

... link  

 
@nordisches Modell: Es ist seltsam, dass der repressivste Ansatz in dem Bereich ausgerechnet aus Skandinavien kommt. In den 1970er und 80er Jahren waren die nordischen Länder in sexueller Hinsicht am Freizügigsten, damals entstanden da die Sexclubs, so ne Mischung aus Swingerclub und zuhälterfreiem Bordell. Und so locker habe ich im Urlaub auch Schwedinnen und Däninnen kennengelernt, meist mit einer so direkten Angrabe, wie ich sie bei deutschen Frauen höchst selten erlebt habe. "I need a lover, what about you?" z.B. Und das war nicht nur in alten Zeiten, sondern zuletzt 2016.

... link  

 
Dürfte auf den Einfluss des Feminismus zurückzuführen sein, der in Skandinavien ja noch stärker ist als bei uns.

In Norwegen gilt das schwedische Modell ja auch, mit den beschriebenen Folgen. Als ich vor einigen Jahren dort war und meinem dortigen Bekannten gegenüber bemerkte, dass es da viele tolle Frauen gäbe, sagte er: Ja, aber es ist sehr schwer mit ihnen zusammen zu sein (er ist auch mit einer Kolumbianerin zusammen, Freundin meiner Frau).

Wie avantgarde ja schon erwähnte, gibt es eine Tendenz im aktuellen Feminismus, Heterosexualität generell als Form von Gewalt gegen Frauen zu verstehen.

... link  

 
Es gibt nicht DEN Feminismus, allenfalls eine mediale Haupttendenz, die überrepräsentativ vertreten ist. Und die sexuelle Libertinage, die früher als das schwedische Modell galt kam auch mit feministischem Anspruch daher, selbst die Kiffer-Nackedeis von Kristiania.

... link  

 
ich weiß, es gibt auch nicht DEN Islam.

... link  

 
Und auch nicht DEN käuflichen Sex.

(che, es tut mir leid, manhartsberg ist nun mal in erster Linie Linkshändlerin. Du kannst mich aber gerne in Wien besuchen, um meinen "eigenen Worten" zu lauschen. Keine Angst, das inkludiert keinerlei sexuelle Avancen.:) Dein Glück in dieser Richtung kannst Du ja dann bei den Teilnehmerinnen einer Stadtführung versuchen, die u.a. über Fensterhennen informiert und hintnach eine Porzellanfuhre buchen.

https://www.zeit.de/kultur/2018-05/feminismus-prostitution-sexarbeit-unterscheidung-streit/komplettansicht
https://www.deutschlandfunkkultur.de/armutsprostituierte-aus-osteuropa-eine-frau-fuer-fuenf-euro-100.html
https://www.zeit.de/arbeit/2017-11/prostitution-arbeit-sexarbeit-gesellschaft/seite-2
https://orf.at/viennale22/stories/3290558

... link  


... comment