Montag, 26. Februar 2024
Ambivalenzen aushalten
che2001, 18:46h
Jegliche grundsätzliche Israelkritik, die über Kritik an konkreten einzelnen Regierungshandlungen hinausgeht gilt in Deutschland per se als antisemitisch. Auf der anderen Seite ist das Zeigen oder rufen der "from the rover to the sea" Parole auf gar keinen Fall hinnehmbar, denn sie läuft auf Genozid hinaus. Nicht nur die Hamas, sondern ein Großteil der Palis und der arabischen Massen wünscht sich einen Genozid an den Israelis und ist nur zu schwach, ihn auszuführen. Andererseits erreichen die militärischen Maßnahmen der IDF auf dem jetzt erreichten Eskalationslevel durchaus allmählich Genozidcharakter.
Ich bin ja vielmehr der Auffassung, dass der Staat Israel tatsächlich notwendige Zuflucht für Juden aus aller Welt und die einzige stabile Demokratie im Nahen Osten ist und gleichzeitig die Gründung dieses Staates für die Palästinenser objektiv Al Naqba, die Katastrophe war, beides gleichzeitig nebeneinander. Das ist eine Dychotomie die man aushalten muss. Die Israelwegendershoahgutfindeschlechtgewissler sind ein Teil des Problems, kein Teil der Lösung.
Und die kann nur in der Zweistaatlichkeit bestehen.
Ich bin ja vielmehr der Auffassung, dass der Staat Israel tatsächlich notwendige Zuflucht für Juden aus aller Welt und die einzige stabile Demokratie im Nahen Osten ist und gleichzeitig die Gründung dieses Staates für die Palästinenser objektiv Al Naqba, die Katastrophe war, beides gleichzeitig nebeneinander. Das ist eine Dychotomie die man aushalten muss. Die Israelwegendershoahgutfindeschlechtgewissler sind ein Teil des Problems, kein Teil der Lösung.
Und die kann nur in der Zweistaatlichkeit bestehen.
... comment
bersarin,
Montag, 26. Februar 2024, 21:09
Ja zu recht gilt jegliche grundsätzliche Israelkritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung hinausgeht, als antisemitisch, zumal wenn sie von Leuten kommt, die bei Diktaturen wie China oder Rußland und anderen Staaten geflissentlich sich in Schweigen hüllen. Auf der Berlinale etwa konnte man gut sehen, wie Kritik nicht geht.
Im Augenblick brauchen wir nicht über eine Zweistaatlichkeit zu reden, sondern die Politik muß zunächst, auch mit militärischen Mitteln der Gewalt, schauen, wie überhaupt eine solche Situation hergestellt werden kann, in der über Zweistaatlichkeit gesprochen wird.
Zu den entsetzlichen antisemitischen Vorfällen auf der Berlinale siehe hier:
https://bersarin.wordpress.com/2024/02/26/berlinale-2024-der-neue-antisemitismus-kommt-aus-dem-kulturmilieu-er-ist-woke-und-migrantisch/
Im Augenblick brauchen wir nicht über eine Zweistaatlichkeit zu reden, sondern die Politik muß zunächst, auch mit militärischen Mitteln der Gewalt, schauen, wie überhaupt eine solche Situation hergestellt werden kann, in der über Zweistaatlichkeit gesprochen wird.
Zu den entsetzlichen antisemitischen Vorfällen auf der Berlinale siehe hier:
https://bersarin.wordpress.com/2024/02/26/berlinale-2024-der-neue-antisemitismus-kommt-aus-dem-kulturmilieu-er-ist-woke-und-migrantisch/
... link
... comment
bersarin,
Montag, 26. Februar 2024, 21:23
Und nein: Man muß nicht jeden Move der israelischen Rechten mitmachen und man kann sehr wohl Teile der Siedlungspolitik kritisieren. Aber dies ist immer eine partiale Kritik an einzelnen Phänomen und keine grundsätzliche Kritik an Israel.
... link
... comment
avantgarde,
Montag, 26. Februar 2024, 22:57
Man kann den Slogan "From the river..." zwar auch in einem weniger negativen Kontext verwenden, im Allgemeinen ist es aber schon so, dass damit genau das gemeint wird, weswegen der Spruch zunehmend verboten wird.
Fragen darf man sich aber schon, warum in der Gründungscharta der Likud steht: "Between the sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty.” Ah ja.
Die Anhänger Netanjahus bezeichnen das Westjordanland, auf das Israel völkerrechtlich keinen Anspruch hat, nur als Judäa und Samaria, verweisen darauf, dass bereits eine halbe Million jüdischer Staatsbürger Israels (also etwa jeder zwanzigste) im besetztem Gebiet lebt, und niemand werde sie je von dort vertreiben. Im Gegenteil: Weitere Siedlungen sollen folgen.
Eine Zweistaatenlösung darf es laut israelischer Regierung auch nicht mehr geben. Da fragt man sich dann schon: Ja was dann? Ein Eretz Israel mitsamt allen Palästinensern ja wohl sicher nicht. Schon eher ohne. Und jetzt fragen wir uns mal, wie das gehen soll. Oder wird.
Fragen darf man sich aber schon, warum in der Gründungscharta der Likud steht: "Between the sea and the Jordan there will only be Israeli sovereignty.” Ah ja.
Die Anhänger Netanjahus bezeichnen das Westjordanland, auf das Israel völkerrechtlich keinen Anspruch hat, nur als Judäa und Samaria, verweisen darauf, dass bereits eine halbe Million jüdischer Staatsbürger Israels (also etwa jeder zwanzigste) im besetztem Gebiet lebt, und niemand werde sie je von dort vertreiben. Im Gegenteil: Weitere Siedlungen sollen folgen.
Eine Zweistaatenlösung darf es laut israelischer Regierung auch nicht mehr geben. Da fragt man sich dann schon: Ja was dann? Ein Eretz Israel mitsamt allen Palästinensern ja wohl sicher nicht. Schon eher ohne. Und jetzt fragen wir uns mal, wie das gehen soll. Oder wird.
... link
... comment
bersarin,
Montag, 26. Februar 2024, 23:34
Nebenbei: Wer ruft "From the River to the Sea, Palestine will be free" kann auch gleich rufen: "Juden ins Gas, sonst setzt es was!" Da kommen sich manche Linke und Rechte dann doch sehr nahe. Das geht dann bis hin zu linken Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Berlin und mutmaßlich auch 1970 in München.
Und gerne auch hier aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft:
Jeffrey Herf: Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke 1967-1989. Wallstein-Verlag, Göttingen 2019
Und auch Wolfgang Kraushaar: "'Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?' München 1970: Über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus".
Eben der Anschlag auf ein jüdisches Altenheim, darin auch Holocaustüberlebende ihren Lebensabend verbrachten. All das wirkt auf die eine oder die andere Weise bis heute nach, und da gibt es gerade auf der Linken, die ja gerne und viel vom Aufarbeiten hält, manches zu klären und eben aufzuarbeiten.
Und gerne auch hier aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft:
Jeffrey Herf: Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke 1967-1989. Wallstein-Verlag, Göttingen 2019
Und auch Wolfgang Kraushaar: "'Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?' München 1970: Über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus".
Eben der Anschlag auf ein jüdisches Altenheim, darin auch Holocaustüberlebende ihren Lebensabend verbrachten. All das wirkt auf die eine oder die andere Weise bis heute nach, und da gibt es gerade auf der Linken, die ja gerne und viel vom Aufarbeiten hält, manches zu klären und eben aufzuarbeiten.
... link
... comment
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 11:58
In Bezug auf das jüdische Altersheim in München
gäbe es tatsächlich einiges aufzuklären. Zum Beispiel, welche Rolle der Verfassungsschutz dabei spielte. Was nun ausgerechnet die - damals noch existierende - Bundestagsfraktion der Linken wissen wollte. Die Ermittler des Verbrechens hatten darauf nämlich keinen Wert gelegt, auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe nicht.
Nach "sorgfältiger Abwägung" war die Bundesregierung in ihrer Antwort zu der Auffassung gelangt, dass die Frage nicht beantwortet werden könne. Arbeitsüberlastung, man kennt das ja. Eine inhaltliche Auswertung der Akten des Verfassungsschutzes würde einen enormen personellen Aufwand nach sich ziehen, und es müsste dann in jedem Einzelfall geprüft werden, "ob das Geheimschutzinteresse des Staates das parlamentarische Informationsrecht" überwiege. Man kann sich denken, wie bei ein paar toten Juden die Prüfung ausfallen musste.
Die Linke selbst hat dazu wohl eher weniger aufzuarbeiten. Denn ob es antiisraelische Organisationen aus Nahost, arabische Gruppierungen vor Ort, sympathisierende deutsche Linksradikale oder aber Neonazis waren, ist nach wie vor ungeklärt.
Immerhin erschien damals in München die "National- und Soldatenzeitung", die schon mal titelte: "Verbrecherstaat Israel will uns Moral lehren". Ein eifriger Leser dieses Blatts war der "Einzeltäter" Joseph Bachmann, der 1968 auf Rudi Dutschke schoss...
BILD eröffnete aber lieber die Jagd auf Linksradikale. Zwar hielt - durchaus erstaunlich - Peter Boenisch, Chef der BAMS, arabischen Partisanen eher für unverdächtig, Greise verbrennen zu wollen. Für Linke galt das natürlich nicht.
Tatsächlich erklärte die militante "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP): "Wir verachten diese Anschuldigungen, die uns mit einer Tat wie einem Angriff auf ein Gotteshaus in Verbindung bringen wollen."
Auch die Linksradikalen und die arabischen Studierenden distanzierten sich sofort. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), die Frankfurter Trikont-Gruppe, das Israelische Revolutionäre Aktionskomitee im Ausland (ISRACA), die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS), die Vereinigung arabischer Studenten und die Iranische Studentenvereinigung verurteilten die Tat gemeinsam.
Man rief sogar gemeinsam zu einer Demo, die "alle Formen des Terrors wie Anschläge auf jüdische Mitbürger, Hakenkreuzschmierereien, Attentate und Brandstiftungen" ausdrücklich aufs Schärfste verurteilte.
Doch obwohl BILD am Ende 100 000 Mark Belohnung auslobte und sich dementsprechend viele Leute meldeten, die etwas zu wissen meinten, verliefen die Ermittlungen im Sande. Spuren gab es in alle Richtungen. Auch der von Bersarin angeführte Sozialwissenschaftler Wolfgang Kraushaar, der den Verdacht in die linksterroristische Szene (auf einen damals 18-Jährigen aus einer Gruppe im Umfeld der Münchner Tupamaros) lenken wollte (2013), lieferte nichts als unbewiesene Spekulationen. Die daraufhin wieder aufgenommenen Ermittlungen endeten 2017 ergebnislos. Viele Asservate wurden vernichtet (darunter der Benzinkanister) oder bleiben verschwunden. Wie das seltsamerweise auch zehn Jahre später beim Oktoberfestattentat geschah. Tja, bedauerlich.
Dass Springer sich nach dem Sechstagekrieg geradezu peinlich philosemitisch aufführte (Mosche Dayan der "neue Wüstenfuchs") half manchen Herren vortrefflich dabei, ihre düstere Herkunft hübsch zu übertuschen. Dass man gerade die Linke, die gerade erst den Finger in die Wunde der deutschen Vergessenskultur gelegt hatte, zu den neuen Antisemiten machen wollte, ist sicher rein zufällig gewesen.
Nach "sorgfältiger Abwägung" war die Bundesregierung in ihrer Antwort zu der Auffassung gelangt, dass die Frage nicht beantwortet werden könne. Arbeitsüberlastung, man kennt das ja. Eine inhaltliche Auswertung der Akten des Verfassungsschutzes würde einen enormen personellen Aufwand nach sich ziehen, und es müsste dann in jedem Einzelfall geprüft werden, "ob das Geheimschutzinteresse des Staates das parlamentarische Informationsrecht" überwiege. Man kann sich denken, wie bei ein paar toten Juden die Prüfung ausfallen musste.
Die Linke selbst hat dazu wohl eher weniger aufzuarbeiten. Denn ob es antiisraelische Organisationen aus Nahost, arabische Gruppierungen vor Ort, sympathisierende deutsche Linksradikale oder aber Neonazis waren, ist nach wie vor ungeklärt.
Immerhin erschien damals in München die "National- und Soldatenzeitung", die schon mal titelte: "Verbrecherstaat Israel will uns Moral lehren". Ein eifriger Leser dieses Blatts war der "Einzeltäter" Joseph Bachmann, der 1968 auf Rudi Dutschke schoss...
BILD eröffnete aber lieber die Jagd auf Linksradikale. Zwar hielt - durchaus erstaunlich - Peter Boenisch, Chef der BAMS, arabischen Partisanen eher für unverdächtig, Greise verbrennen zu wollen. Für Linke galt das natürlich nicht.
Tatsächlich erklärte die militante "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP): "Wir verachten diese Anschuldigungen, die uns mit einer Tat wie einem Angriff auf ein Gotteshaus in Verbindung bringen wollen."
Auch die Linksradikalen und die arabischen Studierenden distanzierten sich sofort. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), die Frankfurter Trikont-Gruppe, das Israelische Revolutionäre Aktionskomitee im Ausland (ISRACA), die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS), die Vereinigung arabischer Studenten und die Iranische Studentenvereinigung verurteilten die Tat gemeinsam.
Man rief sogar gemeinsam zu einer Demo, die "alle Formen des Terrors wie Anschläge auf jüdische Mitbürger, Hakenkreuzschmierereien, Attentate und Brandstiftungen" ausdrücklich aufs Schärfste verurteilte.
Doch obwohl BILD am Ende 100 000 Mark Belohnung auslobte und sich dementsprechend viele Leute meldeten, die etwas zu wissen meinten, verliefen die Ermittlungen im Sande. Spuren gab es in alle Richtungen. Auch der von Bersarin angeführte Sozialwissenschaftler Wolfgang Kraushaar, der den Verdacht in die linksterroristische Szene (auf einen damals 18-Jährigen aus einer Gruppe im Umfeld der Münchner Tupamaros) lenken wollte (2013), lieferte nichts als unbewiesene Spekulationen. Die daraufhin wieder aufgenommenen Ermittlungen endeten 2017 ergebnislos. Viele Asservate wurden vernichtet (darunter der Benzinkanister) oder bleiben verschwunden. Wie das seltsamerweise auch zehn Jahre später beim Oktoberfestattentat geschah. Tja, bedauerlich.
Dass Springer sich nach dem Sechstagekrieg geradezu peinlich philosemitisch aufführte (Mosche Dayan der "neue Wüstenfuchs") half manchen Herren vortrefflich dabei, ihre düstere Herkunft hübsch zu übertuschen. Dass man gerade die Linke, die gerade erst den Finger in die Wunde der deutschen Vergessenskultur gelegt hatte, zu den neuen Antisemiten machen wollte, ist sicher rein zufällig gewesen.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 14:28
Und genau deshalb, Lesen ist bei Avantgarde noch nie die Stärke gewesn, schrieb ich bei München auch mutmaßlich. Wir wissen bis heute nicht, wer die Täter sind. Es können Linke und es können genausogut rechte sein. Und es kann sein, daß wieder einmal der Verfassungsschutz insofern involviert ist, als er eine der Szenen beobachtete.
In Wikipedia ist es derart zusammengefaßt:
"Zeitgeschichtliche Einordnungen
Sozialwissenschaftler und Historiker stellen den unaufgeklärten Brandanschlag mit anderen damaligen Gewalttaten in eine Reihe:
den Anschlägen auf die israelische Botschaft im September 1969,
dem Anschlagsversuch auf das Jüdische Gemeindehaus West-Berlin am 9. November 1969,[23]
den Anschlägen palästinensischer Terroristen gegen Israelflüge vom 10. bis 21. Februar 1970 (insgesamt 48 Tote),
der Schändung der Synagoge an der Reichenbachstraße München im Juni 1970,[7]
der Geiselnahme von München bei der Sommerolympiade 1972 (17 Todesopfer).[24]
Der Politikwissenschaftler Hans Karl Rupp erinnerte daran, dass der Münchner Brandanschlag nur Monate nach Beginn der sozialliberalen Regierungskoalition stattfand, die die Beziehungen zu Israel normalisieren wollte.[24] Nach dem Antisemitismusforscher Werner Bergmann war das gesellschaftliche Leitthema damals die Auseinandersetzung mit der APO und der Studentenbewegung. Die Neue Linke habe den Staat Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg zunehmend in ihre Imperialismuskritik einbezogen, und palästinensische Terrorgruppen hätten mit ihren Anschlägen gegen jüdische und israelische Ziele Antizionismus und Antisemitismus untrennbar verbunden.[23] Der Historiker Michael Brenner arbeitet heraus, dass sich mit dem Terror für die in München lebenden Juden ein Gefühl der Bedrohung einstellte, verstärkt durch die damaligen Wahlerfolge der NPD.[7]
Dem Historiker Wolfgang Kraushaar gelang es 2005, Albert Fichter als Haupttäter des Anschlagsversuchs vom 9. November 1969 in Westberlin zu enttarnen. Fichter gehörte bis dahin zu den Tupamaros West-Berlin und hatte die Zeitbombe deponiert, die nicht explodierte. Seine Gruppe hatte sich dann zu dem Anschlag bekannt.[25] Dieter Kunzelmann gilt als dessen wahrscheinlicher Initiator. Er hatte sich gebrüstet, er habe im Oktober 1969 bei der Fatah in Jordanien „genau gelernt, wie man Zeitbomben herstellt“.[26] Im April 1970 hatte er in einem fingierten „Brief aus Amman“, der in der Szenezeitschrift Agit 883 erschien, zum „bewaffneten Kampf“ und zur Solidarität mit den Zielen der Fatah aufgerufen, die nur der vom Holocaust verursachte „Judenknax“ verhindere.[27] Er forderte, palästinensische „Todeskommandos“ wie das auf dem Flughafen München-Riem „durch besser organisierte zielgerichtetere“ deutsche Guerilla-Kämpfer zu ersetzen. Zudem bezeichnete er den Münchner Brandanschlag als „zionistisches Massaker“ mit dem Zweck, die in Deutschland lebenden Juden durch Angstterror zur Emigration nach Israel zu drängen. Damit gab er „Zionisten“ (Juden) in typischer Täter-Opfer-Umkehr die Schuld an dem Massenmord.[2]
Kraushaar trug 2012 in einem weiteren Buch alle Indizien zusammen, die aus seiner Sicht für die Beteiligung der Tupamaros München am dortigen Anschlag sprachen.[28] Auch Georg M. Hafners Dokumentarfilm vom Juli 2012, an dem Kraushaar als Berater mitwirkte, erneuerte diesen Verdacht und nannte Kunzelmanns Kontakte zur Fatah, eine Aussage Gerhard Müllers von 1976 und weitere Aussagen ehemaliger RAF-Mitglieder als Hinweise auf die Tupamaros München.[29]
Bommi Baumann, ehemaliges Mitglied der umherschweifenden Haschrebellen und der Bewegung 2. Juni, erklärte dagegen im Mai 2013 in einem Interview: „Das waren keine Linken“. Kunzelmann habe ihm erzählt, er habe im Februar 1970 gleich bei Fritz Teufel angerufen, der jede Beteiligung bestritten habe.[30] Die Berliner Tupamaros hätten damals selbst nicht an die Täterschaft ihrer Münchner Genossen geglaubt, aber dort nachgefragt und sich vergewissert. Kunzelmann sei so eine Tat zuzutrauen gewesen, aber für Fritz Teufel lege er, Baumann, seine „Hand ins Feuer“.[18]
Der Historiker Olaf Kistenmacher vermutete 2018 wegen der verteilten Brandbeschleuniger, dass mehrere Personen das Feuer legten. Er erinnerte daran, dass die in der linksradikalen Szene üblichen Bekennerschreiben hier fehlten, anders als zuvor beim Anschlagsversuch auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin. Das Bekenntnis der Westberliner Tupamaros dazu sei typisch für den damaligen Antisemitismus der Linken gewesen, so dass sogar der SDS auch in München linke Täter vermutet habe. Doch die Bundesanwaltschaft habe von 2013 bis 2017 auch nochmals in Richtung der rechtsextremen Szene ermittelt. Alle sieben Opfer seien Holocaustüberlebende gewesen. Das Anschlagsziel einer jüdischen Einrichtung mit Holocaustüberlebenden selbst spreche auch für Rechtsextreme. Der Anschlag sei weithin vergessen worden, weil die Olympiageiselnahme von 1972 ihn überschattet habe. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass „es niemanden mehr gibt, der einen Täter oder eine Täterin kennt“.
Daß Ulrike Meinhof, die wir wohl getrost der damaligen linken Szene zugehörig ansehen dürfen und die vermutlich nicht für den Verfassungsschutz arbeitete, das Massaker von München bejubelte, bleibt hier ebenfalls festzuhalten.
Und um genau diesen linken Antisemitismus, den Du hier unter einem Reigen an Nebeltöpfen ersticken willst, geht es hier.
In Wikipedia ist es derart zusammengefaßt:
"Zeitgeschichtliche Einordnungen
Sozialwissenschaftler und Historiker stellen den unaufgeklärten Brandanschlag mit anderen damaligen Gewalttaten in eine Reihe:
den Anschlägen auf die israelische Botschaft im September 1969,
dem Anschlagsversuch auf das Jüdische Gemeindehaus West-Berlin am 9. November 1969,[23]
den Anschlägen palästinensischer Terroristen gegen Israelflüge vom 10. bis 21. Februar 1970 (insgesamt 48 Tote),
der Schändung der Synagoge an der Reichenbachstraße München im Juni 1970,[7]
der Geiselnahme von München bei der Sommerolympiade 1972 (17 Todesopfer).[24]
Der Politikwissenschaftler Hans Karl Rupp erinnerte daran, dass der Münchner Brandanschlag nur Monate nach Beginn der sozialliberalen Regierungskoalition stattfand, die die Beziehungen zu Israel normalisieren wollte.[24] Nach dem Antisemitismusforscher Werner Bergmann war das gesellschaftliche Leitthema damals die Auseinandersetzung mit der APO und der Studentenbewegung. Die Neue Linke habe den Staat Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg zunehmend in ihre Imperialismuskritik einbezogen, und palästinensische Terrorgruppen hätten mit ihren Anschlägen gegen jüdische und israelische Ziele Antizionismus und Antisemitismus untrennbar verbunden.[23] Der Historiker Michael Brenner arbeitet heraus, dass sich mit dem Terror für die in München lebenden Juden ein Gefühl der Bedrohung einstellte, verstärkt durch die damaligen Wahlerfolge der NPD.[7]
Dem Historiker Wolfgang Kraushaar gelang es 2005, Albert Fichter als Haupttäter des Anschlagsversuchs vom 9. November 1969 in Westberlin zu enttarnen. Fichter gehörte bis dahin zu den Tupamaros West-Berlin und hatte die Zeitbombe deponiert, die nicht explodierte. Seine Gruppe hatte sich dann zu dem Anschlag bekannt.[25] Dieter Kunzelmann gilt als dessen wahrscheinlicher Initiator. Er hatte sich gebrüstet, er habe im Oktober 1969 bei der Fatah in Jordanien „genau gelernt, wie man Zeitbomben herstellt“.[26] Im April 1970 hatte er in einem fingierten „Brief aus Amman“, der in der Szenezeitschrift Agit 883 erschien, zum „bewaffneten Kampf“ und zur Solidarität mit den Zielen der Fatah aufgerufen, die nur der vom Holocaust verursachte „Judenknax“ verhindere.[27] Er forderte, palästinensische „Todeskommandos“ wie das auf dem Flughafen München-Riem „durch besser organisierte zielgerichtetere“ deutsche Guerilla-Kämpfer zu ersetzen. Zudem bezeichnete er den Münchner Brandanschlag als „zionistisches Massaker“ mit dem Zweck, die in Deutschland lebenden Juden durch Angstterror zur Emigration nach Israel zu drängen. Damit gab er „Zionisten“ (Juden) in typischer Täter-Opfer-Umkehr die Schuld an dem Massenmord.[2]
Kraushaar trug 2012 in einem weiteren Buch alle Indizien zusammen, die aus seiner Sicht für die Beteiligung der Tupamaros München am dortigen Anschlag sprachen.[28] Auch Georg M. Hafners Dokumentarfilm vom Juli 2012, an dem Kraushaar als Berater mitwirkte, erneuerte diesen Verdacht und nannte Kunzelmanns Kontakte zur Fatah, eine Aussage Gerhard Müllers von 1976 und weitere Aussagen ehemaliger RAF-Mitglieder als Hinweise auf die Tupamaros München.[29]
Bommi Baumann, ehemaliges Mitglied der umherschweifenden Haschrebellen und der Bewegung 2. Juni, erklärte dagegen im Mai 2013 in einem Interview: „Das waren keine Linken“. Kunzelmann habe ihm erzählt, er habe im Februar 1970 gleich bei Fritz Teufel angerufen, der jede Beteiligung bestritten habe.[30] Die Berliner Tupamaros hätten damals selbst nicht an die Täterschaft ihrer Münchner Genossen geglaubt, aber dort nachgefragt und sich vergewissert. Kunzelmann sei so eine Tat zuzutrauen gewesen, aber für Fritz Teufel lege er, Baumann, seine „Hand ins Feuer“.[18]
Der Historiker Olaf Kistenmacher vermutete 2018 wegen der verteilten Brandbeschleuniger, dass mehrere Personen das Feuer legten. Er erinnerte daran, dass die in der linksradikalen Szene üblichen Bekennerschreiben hier fehlten, anders als zuvor beim Anschlagsversuch auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin. Das Bekenntnis der Westberliner Tupamaros dazu sei typisch für den damaligen Antisemitismus der Linken gewesen, so dass sogar der SDS auch in München linke Täter vermutet habe. Doch die Bundesanwaltschaft habe von 2013 bis 2017 auch nochmals in Richtung der rechtsextremen Szene ermittelt. Alle sieben Opfer seien Holocaustüberlebende gewesen. Das Anschlagsziel einer jüdischen Einrichtung mit Holocaustüberlebenden selbst spreche auch für Rechtsextreme. Der Anschlag sei weithin vergessen worden, weil die Olympiageiselnahme von 1972 ihn überschattet habe. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass „es niemanden mehr gibt, der einen Täter oder eine Täterin kennt“.
Daß Ulrike Meinhof, die wir wohl getrost der damaligen linken Szene zugehörig ansehen dürfen und die vermutlich nicht für den Verfassungsschutz arbeitete, das Massaker von München bejubelte, bleibt hier ebenfalls festzuhalten.
Und um genau diesen linken Antisemitismus, den Du hier unter einem Reigen an Nebeltöpfen ersticken willst, geht es hier.
... link
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 14:55
Dixit Bersarin:
"Eben der Anschlag auf ein jüdisches Altenheim, darin auch Holocaustüberlebende ihren Lebensabend verbrachten. All das wirkt auf die eine oder die andere Weise bis heute nach, und da gibt es gerade auf der Linken, die ja gerne und viel vom Aufarbeiten hält, manches zu klären und eben aufzuarbeiten."
Wir wissen nicht, wer es war (und Kraushaar spekuliert in Bezug auf München nur rum, wie die Süddeutsche feststellte), aber DIE LINKEN haben laut Bersarin "aufzuarbeiten".
Die Linken, die - gleich welcher Ausrichtung - den Brandanschlag unisono und entschieden VERURTEILT haben und sogar im Anschluss gegen Antisemitismus demonstrierten.
"Eben der Anschlag auf ein jüdisches Altenheim, darin auch Holocaustüberlebende ihren Lebensabend verbrachten. All das wirkt auf die eine oder die andere Weise bis heute nach, und da gibt es gerade auf der Linken, die ja gerne und viel vom Aufarbeiten hält, manches zu klären und eben aufzuarbeiten."
Wir wissen nicht, wer es war (und Kraushaar spekuliert in Bezug auf München nur rum, wie die Süddeutsche feststellte), aber DIE LINKEN haben laut Bersarin "aufzuarbeiten".
Die Linken, die - gleich welcher Ausrichtung - den Brandanschlag unisono und entschieden VERURTEILT haben und sogar im Anschluss gegen Antisemitismus demonstrierten.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 15:03
Es geht hier, wie ich oben schrieb, nicht primär um den bisher unaufgeklärten Anschlag auf das Altenheim in München, sondern um linken Antisemitismus und genau deshalb habe ich auch dieses Buch vor allem genannt:
Jeffrey Herf: Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke 1967-1989
Und da die Linke gerne aufarbeitet, hat sie hier einiges an Stoff, um ihre eigene Geschichte anzugehen, bevor wieder einmal mit dem Zeigefinger herumgefuchtelt wird.
Siehe auch hier, ein Beitrag aus dem Jahr 2021:
Zum 1. Mai: "An der Spitze des Zuges durften Radikale offen antiisraelische und antisemitische Hasschöre anstimmen, als wäre es der Al-Quds-Marsch. Damit hat die linke Demonstration den antifaschistischen Konsens der Bundesrepublik verlassen. Wer im Ringen für bezahlbaren Wohnraum mit derlei Gruppen kooperiert, kann kein Gesprächspartner sein."
https://www.tagesspiegel.de/berlin/1-mai-und-mietenwahnsinn-in-berlin-drei-gruende-fuer-die-eskalation-in-neukoelln/27152298.html
Jeffrey Herf: Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke 1967-1989
Und da die Linke gerne aufarbeitet, hat sie hier einiges an Stoff, um ihre eigene Geschichte anzugehen, bevor wieder einmal mit dem Zeigefinger herumgefuchtelt wird.
Siehe auch hier, ein Beitrag aus dem Jahr 2021:
Zum 1. Mai: "An der Spitze des Zuges durften Radikale offen antiisraelische und antisemitische Hasschöre anstimmen, als wäre es der Al-Quds-Marsch. Damit hat die linke Demonstration den antifaschistischen Konsens der Bundesrepublik verlassen. Wer im Ringen für bezahlbaren Wohnraum mit derlei Gruppen kooperiert, kann kein Gesprächspartner sein."
https://www.tagesspiegel.de/berlin/1-mai-und-mietenwahnsinn-in-berlin-drei-gruende-fuer-die-eskalation-in-neukoelln/27152298.html
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 15:22
Und all das heißt nicht, daß sämtliche Strömungen der Linken antisemitisch sind. Die Antideutschen etwa sind es nicht, ebensowenig Autoren wie Wolfgang Pohrt. Und auch im Lager der Grünen, sofern man diese Partei noch als links ansehen will, finden sich mit Volker Beck Stimmen, die auch linken Antisemitismus klar und deutlich kritisieren.
... link
che2001,
Dienstag, 27. Februar 2024, 15:47
@""Ja zu recht gilt jegliche grundsätzliche Israelkritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung hinausgeht, als antisemitisch" ---- Sehe ich anders. Die Israelkritik des klassischen Antiimperialismus bzw. der Entkolonisierungstheorien/Dependenztheorien ist meines Erachtens kein Antisemitismus, zumindest nicht per se. Antisemitismus bedeutet Hass auf Juden, weil sie Juden sind, über den religiösen Antijudaismus hinausgehend in dem Sinne, dass auch der konvertierte Jude noch Jude ist und bekämpft werden soll.
Die antiimperialistische Israelkritik ist nicht in diesem Sinne antisemitisch, sondern kritisiert Israel als einen "Siedlerstaat", in dem eine eingewanderte Elite die autochthone Bevölkerung unterdrückt. Paradebeispiel für solche Siedlerstaaten ist die frühere südafrikanische Apartheid, auch die Bananerepubliken Mittelamerikas werden dazu gerechnet. Die Siedlerstaatsthese geht auf antikoloniale Befreiungsbewegungen im globalen Süden zurück und ist Doktrin der Organisation afrikanische Einheit (OAU) und des ANC, Staatsdoktrin der heutigen Republik Südafrika, die aus genau diesem Grunde die Palästinenser unterstützt. Ich teile dieses Denken nicht, schon weil für mich Völker und Nationen keine politischen Subjekte sind, mit denen ich mich identifiziere. Aber ich möchte dieses doch deutlich von Antisemitismus unterscheiden. Dass es Schnittstellen zwischen dieser Denke und Antisemitismus, auch einen linken Antisemitismus, der aus diesem Überschneidungsbereich entstanden ist gibt bestreite ich nicht.
Die antiimperialistische Israelkritik ist nicht in diesem Sinne antisemitisch, sondern kritisiert Israel als einen "Siedlerstaat", in dem eine eingewanderte Elite die autochthone Bevölkerung unterdrückt. Paradebeispiel für solche Siedlerstaaten ist die frühere südafrikanische Apartheid, auch die Bananerepubliken Mittelamerikas werden dazu gerechnet. Die Siedlerstaatsthese geht auf antikoloniale Befreiungsbewegungen im globalen Süden zurück und ist Doktrin der Organisation afrikanische Einheit (OAU) und des ANC, Staatsdoktrin der heutigen Republik Südafrika, die aus genau diesem Grunde die Palästinenser unterstützt. Ich teile dieses Denken nicht, schon weil für mich Völker und Nationen keine politischen Subjekte sind, mit denen ich mich identifiziere. Aber ich möchte dieses doch deutlich von Antisemitismus unterscheiden. Dass es Schnittstellen zwischen dieser Denke und Antisemitismus, auch einen linken Antisemitismus, der aus diesem Überschneidungsbereich entstanden ist gibt bestreite ich nicht.
... link
... comment
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 13:38
"Ja zu recht gilt jegliche grundsätzliche Israelkritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung hinausgeht, als antisemitisch"
Soso. Dann dürfen also auch nur "einzelne Maßnahmen" der Regierung Putins kritisiert werden, alles andere wäre...
Soso. Dann dürfen also auch nur "einzelne Maßnahmen" der Regierung Putins kritisiert werden, alles andere wäre...
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 14:17
Daß Du Putin Rußland und den Staat Israel in eins setzt, zeigt leider nur Deine ganze geistige Verkommenheit an.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 14:31
Und ja, einen Staat wie Rußland kann man im ganzen kritisieren, weil er nämlich in dieser Form und in dieser Struktur, wie er besteht, abgeschafft gehört. Das ist, auch darauf kann man mit ein wenig Nachdenken von allein kommen, bei Israel anders. Hier geht es darum, bestimmte Parameter zu ändern, aber nicht den Staat als ganzen abzuschaffen und zu kritisieren. Zumal in Israel regelmäßig gewählt wird und Israel lange Zeit liberale Regierungen hatte, die teils den Versuch unternahmen, sich mit den Arabern auszusöhnen. So etwa Anfang der 2000er Jahre.
... link
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 14:57
Wenn Du Dich nur noch in Beleidigungen flüchten kannst, ist das Deine Sache. Aber nicht mein Niveau.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 14:59
Es ist dies eine Beschreibung. Und warum das so ist, habe ich ebenfalls geschrieben. Mein Tip an Dich: Schalte doch einfach zuerst mal Deinen Kopf ein, bevor Du irgendwas in die Tasten schmierst. Wenn Du den Unterschied etwa zwischen Rußland und Israel nicht siehst und daß es diese Unterschiedlichkeit erfordert, unterschiedlichen Arten der Kritik zu wählen, dann ist Dir leider nicht zu helfen.
... link
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 15:50
Du behauptest, jede Kritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung Netanjahus hinausgeht, sei antisemitisch.
Mit Deiner Dir eigenen infamen Einstellung legst Du mir dann Worte in den Mund, die ich nie gesagt habe, so als würde ich das Existenzrecht des Staats Israels in Frage stellen. Du hast überhaupt keine Ahnung, wer ich bin. Auch nicht, dass ich bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Brandanschlags im Alten Rathaus (Februar 2020) dabei war. Weil ich nämlich als junger Bub ganz in der Nähe wohnte und öfters einigen Bewohnern die Einkaufstasche nach Hause getragen habe.
Hör verdammt noch mal auf mit deinen Unterstellungen, es widert mich an. Es geht um Entwicklungen in Israel, die auch vielen Israelis Sorge bereiten, und die eben nicht nur "einzelne Maßnahmen der Regierung Netanjahus" betreffen. Mit "Unterschiede zwischen Russland und Israel nicht erkennen" hat das rein gar nichts zu tun.
Ob Israel wirklich eine vollwertige Demokratie ist, wird auch in Israel kontrovers diskutiert, wobei es im wesentlichen darauf ankommt, ob man einen erweiterten Demokratiebegriff anwendet, wie das zum Beispiel As’ad Ghanem, Nadim Rouhana und Oren Yiftachel (Questioning ‘Ethnic Democracy’: A Response to Sammy Smooha, in: Israel Studies, 3, 2, 253-267) tun. Sie legen die allgemeine Gleichheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als prägendes Merkmal einer Demokratie fest und sehen daher Defizite, weil die Staatsräson Israels auf seinem jüdischen Charakter fußt. Es gibt daher Gesetze, die z.B. beim Landbesitz arabische Israelis systematisch diskriminieren. Wie gesagt, all das wird diskutiert, und vieles mehr. Da hängt das natürlich auch an der Frage, ob man Israel in den Grenzen von 1949 definiert und begreift, oder den gesamten Herrschaftsbereich Israels untersucht.
Wie ich zu Putin und der russische Regierung stehe, weißt Du ganz genau. Dass ich das barbarische Massaker der Hamas sehr früh und unmissverständlich verurteilt habe und das ohne Abstriche nach wie vor tue, das weißt Du auch.
Vielmehr bist Du hier längst als billiger, geradezu hasserfüllter Polemiker entlarvt, der vielleicht viel Hegel gelesen hat, ansonsten sein Wissen aber aus Wikipedia und der Neuen Fischers Weltgeschichte bezieht.
Mit Deiner Dir eigenen infamen Einstellung legst Du mir dann Worte in den Mund, die ich nie gesagt habe, so als würde ich das Existenzrecht des Staats Israels in Frage stellen. Du hast überhaupt keine Ahnung, wer ich bin. Auch nicht, dass ich bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Brandanschlags im Alten Rathaus (Februar 2020) dabei war. Weil ich nämlich als junger Bub ganz in der Nähe wohnte und öfters einigen Bewohnern die Einkaufstasche nach Hause getragen habe.
Hör verdammt noch mal auf mit deinen Unterstellungen, es widert mich an. Es geht um Entwicklungen in Israel, die auch vielen Israelis Sorge bereiten, und die eben nicht nur "einzelne Maßnahmen der Regierung Netanjahus" betreffen. Mit "Unterschiede zwischen Russland und Israel nicht erkennen" hat das rein gar nichts zu tun.
Ob Israel wirklich eine vollwertige Demokratie ist, wird auch in Israel kontrovers diskutiert, wobei es im wesentlichen darauf ankommt, ob man einen erweiterten Demokratiebegriff anwendet, wie das zum Beispiel As’ad Ghanem, Nadim Rouhana und Oren Yiftachel (Questioning ‘Ethnic Democracy’: A Response to Sammy Smooha, in: Israel Studies, 3, 2, 253-267) tun. Sie legen die allgemeine Gleichheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als prägendes Merkmal einer Demokratie fest und sehen daher Defizite, weil die Staatsräson Israels auf seinem jüdischen Charakter fußt. Es gibt daher Gesetze, die z.B. beim Landbesitz arabische Israelis systematisch diskriminieren. Wie gesagt, all das wird diskutiert, und vieles mehr. Da hängt das natürlich auch an der Frage, ob man Israel in den Grenzen von 1949 definiert und begreift, oder den gesamten Herrschaftsbereich Israels untersucht.
Wie ich zu Putin und der russische Regierung stehe, weißt Du ganz genau. Dass ich das barbarische Massaker der Hamas sehr früh und unmissverständlich verurteilt habe und das ohne Abstriche nach wie vor tue, das weißt Du auch.
Vielmehr bist Du hier längst als billiger, geradezu hasserfüllter Polemiker entlarvt, der vielleicht viel Hegel gelesen hat, ansonsten sein Wissen aber aus Wikipedia und der Neuen Fischers Weltgeschichte bezieht.
... link
che2001,
Dienstag, 27. Februar 2024, 16:08
Nochmal an dieser Stelle, ehe es im Kommentarwust untergeht:
@""Ja zu recht gilt jegliche grundsätzliche Israelkritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung hinausgeht, als antisemitisch" ---- Sehe ich anders. Die Israelkritik des klassischen Antiimperialismus bzw. der Entkolonisierungstheorien/Dependenztheorien ist meines Erachtens kein Antisemitismus, zumindest nicht per se. Antisemitismus bedeutet Hass auf Juden, weil sie Juden sind, über den religiösen Antijudaismus hinausgehend in dem Sinne, dass auch der konvertierte Jude noch Jude ist und bekämpft werden soll.
Die antiimperialistische Israelkritik ist nicht in diesem Sinne antisemitisch, sondern kritisiert Israel als einen "Siedlerstaat", in dem eine eingewanderte Elite die autochthone Bevölkerung unterdrückt. Paradebeispiel für solche Siedlerstaaten ist die frühere südafrikanische Apartheid, auch die Bananerepubliken Mittelamerikas werden dazu gerechnet. Die Siedlerstaatsthese geht auf antikoloniale Befreiungsbewegungen im globalen Süden zurück und ist Doktrin der Organisation afrikanische Einheit (OAU) und des ANC, Staatsdoktrin der heutigen Republik Südafrika, die aus genau diesem Grunde die Palästinenser unterstützt. Ich teile dieses Denken nicht, schon weil für mich Völker und Nationen keine politischen Subjekte sind, mit denen ich mich identifiziere. Aber ich möchte dieses doch deutlich von Antisemitismus unterscheiden. Dass es Schnittstellen zwischen dieser Denke und Antisemitismus, auch einen linken Antisemitismus, der aus diesem Überschneidungsbereich entstanden ist gibt bestreite ich nicht.
Und, ja, die Sicht eines großen Teils des globalen Südens auf Israel geht auf die Siedlerstaats-Doktrin zurück oder hängt damit zusammen.
@""Ja zu recht gilt jegliche grundsätzliche Israelkritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung hinausgeht, als antisemitisch" ---- Sehe ich anders. Die Israelkritik des klassischen Antiimperialismus bzw. der Entkolonisierungstheorien/Dependenztheorien ist meines Erachtens kein Antisemitismus, zumindest nicht per se. Antisemitismus bedeutet Hass auf Juden, weil sie Juden sind, über den religiösen Antijudaismus hinausgehend in dem Sinne, dass auch der konvertierte Jude noch Jude ist und bekämpft werden soll.
Die antiimperialistische Israelkritik ist nicht in diesem Sinne antisemitisch, sondern kritisiert Israel als einen "Siedlerstaat", in dem eine eingewanderte Elite die autochthone Bevölkerung unterdrückt. Paradebeispiel für solche Siedlerstaaten ist die frühere südafrikanische Apartheid, auch die Bananerepubliken Mittelamerikas werden dazu gerechnet. Die Siedlerstaatsthese geht auf antikoloniale Befreiungsbewegungen im globalen Süden zurück und ist Doktrin der Organisation afrikanische Einheit (OAU) und des ANC, Staatsdoktrin der heutigen Republik Südafrika, die aus genau diesem Grunde die Palästinenser unterstützt. Ich teile dieses Denken nicht, schon weil für mich Völker und Nationen keine politischen Subjekte sind, mit denen ich mich identifiziere. Aber ich möchte dieses doch deutlich von Antisemitismus unterscheiden. Dass es Schnittstellen zwischen dieser Denke und Antisemitismus, auch einen linken Antisemitismus, der aus diesem Überschneidungsbereich entstanden ist gibt bestreite ich nicht.
Und, ja, die Sicht eines großen Teils des globalen Südens auf Israel geht auf die Siedlerstaats-Doktrin zurück oder hängt damit zusammen.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 17:06
"Du behauptest, jede Kritik, die über einzelne Maßnahmen der Regierung Netanjahus hinausgeht, sei antisemitisch."
Nein, behaupte ich nicht, sondern ich schrieb: "Man muß nicht jeden Move der israelischen Rechten mitmachen und man kann sehr wohl Teile der Siedlungspolitik kritisieren. Aber dies ist immer eine partiale Kritik an einzelnen Phänomen und keine grundsätzliche Kritik an Israel."
Und das ist ein Unterschied ums ganze. Wer einen Staat grundsätzlich kritisiert, stellt ein politisches System im ganzen in Frage – deshalb das Wort grundsätzlich. Darin steckt das Substantiv "Grund". Und das ist, wenn es um die Beseitigung des Staates Israel und seiner gegenwärtigen Konstitution als Demokratie geht, dann eine in der Tat antisemitische Angelegenheit, wenn ein Staat derart und grundsätzlich delegitimiert wird. So wie das in Deutschland die Rechtsextremisten der AfD und des Dritten Weges etwa betreiben (um es auch für Dich mal anschaulich zu machen) und wie das in bezug auf Deutschland und Israel auch Linke und Rechtsextreme teils tun. Was eine grundsätzliche Delegitimierung Israels für die dort lebenden Juden bedeutet, brauchen wir wohl nicht zu diskutieren. Und deshalb eben habe ich es vorgezogen, von einer partialen Kritik zu sprechen, worauf Du mit einem ziemlich einfältigen oder eben auch nur polemisch-billigen und rhetorisch motivierten Vergleich kamst. Und da kannst Du Dich dann mal selber befragen, was sowas soll.
Ich habe das zudem erläutert: in Israel hat es immer unterschiedliche Regierungen gegeben: eher progressive und auch, wie im Augenblick, stark rechtsnationale Regierungen. Die gegenwärtige wird seit ihrem Bestehen aus Israel heraus massiv kritisiert und immer schon gab es in Israel Proteste gegen eine bestimmte Art von rechter Politik und schon immer gab es in Israel Menschen, die eine Versöhnung mit palästinensischen Arabern anstreben: und all das ist ein Zeichen dafür, daß in diesem Land die Demokratie funktioniert.Was nicht heißt, daß in Israel alles perfekt ist. (Stichwort Nirvana-Fehlschluß.) In keinem anderen arabischen Land geht es derart freizügig zu, was die Demokratie betrifft. Man sollte dann also in den Begriffen schon genau sein.
"ob man einen erweiterten Demokratiebegriff anwendet, […] Sie legen die allgemeine Gleichheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als prägendes Merkmal einer Demokratie fest und sehen daher Defizite, weil die Staatsräson Israels auf seinem jüdischen Charakter fußt."
Soll ich Dir hier etwas über die Konstitution Israels und die besondere Situation Israels erzählen? Natürlich kann man einen erweiterten Begriff von Demokratie irgendwann einmal anlegen. Wenn dafür die Voraussetzungen geschaffen sind. Man kann alles irgendwie "anlegen", man kann auch einen eingeschränkten Demokratiebegriff anlegen, um eine Demokratie vor ihren Feinden von rechts, links und migrantisch zu schützen.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen solches aber für Israel in Anschlag zu bringen, ist entweder naiv oder aber man stellt sich dumm. Und das abstrakte Überstülpen von Begriffen auf eine Situation, für die diese Begriffe überhaupt nicht gemacht sind, ist leider dann ein Fall von Fehlgang in der Theorie bzw. der Anwendung von politischer Theorie. Zudem: arabische Israelis haben in Israel Wahlrecht, es gibt meines Wissens sogar eine Partei in der Knesset. Wenn ein Teil dieser arabischen Israelis sich aber im Laufe der Jahre mehr und mehr mit seinen arabischen Nachbarn solidarisch fühlt, muß es diese Gruppe dann halt auch nicht verwundern, daß ihnen Anfeindungen entgegenschlagen. Stichwort auch: daß sich arabische Israelis für Anschläge mißbrauchen ließen. Das führt dann halt zu einer gewissen Ablehung. Sehr bedauerlich, aber auch sehr nachvollziehbar.
Immer wieder kann man hinsichtlich arabischer Israelis ansonsten auf einen Tweet von Ahmad Mansour, eben einem solchen arabischen Israeli, hinweisen:
@AhmadMansour__
persönliche Sicht: Ich habe in [Flagge von Israel] die ersten 28 J. meines Lebens verbracht, Abitur gemacht, studiert, gearbeitet. Das Leben da war nicht einfach. Dennoch hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, mir wäre es in irgendeinem anderen arabischen Land besser gegangen. Im Gegenteil..."
https://twitter.com/AhmadMansour__/status/1488854361585467394?cxt=HHwWhIC-ierJvKkpAAAA
Ansonsten: wenn Du mit solch einem Mist wie diesem aufschlägst: "Soso. Dann dürfen also auch nur "einzelne Maßnahmen" der Regierung Putins kritisiert werden, alles andere wäre..." und Dich dann bei einer derartigen Gedanken- und Geschmacklosigkeit über eine harsche Reaktion wunderst, dann solltest Du mal Deine Reflexionen zunächst befragen, bevor Du solchen Blödsinn in die Tasten haust. Und inzwischen sollte Dir doch klar geworden sein: Wenn Du mir hier mit Polemik und Quatschkram oder mit Nebelkerzen kommst, dann reagiere ich darauf eben nicht freundlich. Zumal sowas bei Dir nicht das erste Mal ist.
Was Du privat wie gemacht hast, interessiert mich nicht. Ums so schlimmer, wenn Du dann derartiges Zeugs heraushaust. Und gerade wenn das so ist, wie Du schreibst, solltest Du für eben jenen linken und auch migrantischen Antisemitismus besonders empfänglich sein.
Und noch einmal: gerade eine Linke, die im Blick auf andere besonders kritisch ist und gerne mit dem Zeigefinger kommt, sollte dann dieses kritische Verfahren bitte auch bei sich selber anwenden, gerade auch, wenn es um die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit geht. Schnell ist man immer bei anderen damit zu Hand und selten nur kehrt man vor der eigenen Haustür. Gerade auch, was den Umschlag in der sogenannten 68er-Bewegung betrifft, bis hin zu den schrecklichen RAF-Aktionen und den Solidaritätsadressen an die Attentäter von München 1972 bei Teilen der Linken.
Mein Wissen im übrigen beziehe ich aus sehr verschiedenen Quellen. Und einige dieser Bücher habe ich hier immer wieder genannt. Und ja: Die Neue Fischer Weltgeschichte ist das, was man ein Standardwerk für die Geschichtswissenschaften nennt.
https://www.fischerverlage.de/buch/reihe/neue-fischer-weltgeschichte
Und ich zitierte Dir daraus, um Deiner Behauptung zu widersprechen, daß der Begriff des Kulturraums heute in der Wissenschaft nicht mehr verwendet wird. Auch hier wieder eine dumme polemische Umdeutung von Dir und dann wunderst Du Dich, daß man Dir unfreundlich begegnet. Und Wikipedia hat die Funktion eines Lexikons, um Fakten beizubringen. Und auch hier wieder: Du furzt irgendwas in den Raum und wunderst Dich dann über den Tonfall. Versuch es beim nächsten Mal einfach mal mit Nachdenken. Denken erwarte ich von Dir ja nicht einmal.
Nein, behaupte ich nicht, sondern ich schrieb: "Man muß nicht jeden Move der israelischen Rechten mitmachen und man kann sehr wohl Teile der Siedlungspolitik kritisieren. Aber dies ist immer eine partiale Kritik an einzelnen Phänomen und keine grundsätzliche Kritik an Israel."
Und das ist ein Unterschied ums ganze. Wer einen Staat grundsätzlich kritisiert, stellt ein politisches System im ganzen in Frage – deshalb das Wort grundsätzlich. Darin steckt das Substantiv "Grund". Und das ist, wenn es um die Beseitigung des Staates Israel und seiner gegenwärtigen Konstitution als Demokratie geht, dann eine in der Tat antisemitische Angelegenheit, wenn ein Staat derart und grundsätzlich delegitimiert wird. So wie das in Deutschland die Rechtsextremisten der AfD und des Dritten Weges etwa betreiben (um es auch für Dich mal anschaulich zu machen) und wie das in bezug auf Deutschland und Israel auch Linke und Rechtsextreme teils tun. Was eine grundsätzliche Delegitimierung Israels für die dort lebenden Juden bedeutet, brauchen wir wohl nicht zu diskutieren. Und deshalb eben habe ich es vorgezogen, von einer partialen Kritik zu sprechen, worauf Du mit einem ziemlich einfältigen oder eben auch nur polemisch-billigen und rhetorisch motivierten Vergleich kamst. Und da kannst Du Dich dann mal selber befragen, was sowas soll.
Ich habe das zudem erläutert: in Israel hat es immer unterschiedliche Regierungen gegeben: eher progressive und auch, wie im Augenblick, stark rechtsnationale Regierungen. Die gegenwärtige wird seit ihrem Bestehen aus Israel heraus massiv kritisiert und immer schon gab es in Israel Proteste gegen eine bestimmte Art von rechter Politik und schon immer gab es in Israel Menschen, die eine Versöhnung mit palästinensischen Arabern anstreben: und all das ist ein Zeichen dafür, daß in diesem Land die Demokratie funktioniert.Was nicht heißt, daß in Israel alles perfekt ist. (Stichwort Nirvana-Fehlschluß.) In keinem anderen arabischen Land geht es derart freizügig zu, was die Demokratie betrifft. Man sollte dann also in den Begriffen schon genau sein.
"ob man einen erweiterten Demokratiebegriff anwendet, […] Sie legen die allgemeine Gleichheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger als prägendes Merkmal einer Demokratie fest und sehen daher Defizite, weil die Staatsräson Israels auf seinem jüdischen Charakter fußt."
Soll ich Dir hier etwas über die Konstitution Israels und die besondere Situation Israels erzählen? Natürlich kann man einen erweiterten Begriff von Demokratie irgendwann einmal anlegen. Wenn dafür die Voraussetzungen geschaffen sind. Man kann alles irgendwie "anlegen", man kann auch einen eingeschränkten Demokratiebegriff anlegen, um eine Demokratie vor ihren Feinden von rechts, links und migrantisch zu schützen.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen solches aber für Israel in Anschlag zu bringen, ist entweder naiv oder aber man stellt sich dumm. Und das abstrakte Überstülpen von Begriffen auf eine Situation, für die diese Begriffe überhaupt nicht gemacht sind, ist leider dann ein Fall von Fehlgang in der Theorie bzw. der Anwendung von politischer Theorie. Zudem: arabische Israelis haben in Israel Wahlrecht, es gibt meines Wissens sogar eine Partei in der Knesset. Wenn ein Teil dieser arabischen Israelis sich aber im Laufe der Jahre mehr und mehr mit seinen arabischen Nachbarn solidarisch fühlt, muß es diese Gruppe dann halt auch nicht verwundern, daß ihnen Anfeindungen entgegenschlagen. Stichwort auch: daß sich arabische Israelis für Anschläge mißbrauchen ließen. Das führt dann halt zu einer gewissen Ablehung. Sehr bedauerlich, aber auch sehr nachvollziehbar.
Immer wieder kann man hinsichtlich arabischer Israelis ansonsten auf einen Tweet von Ahmad Mansour, eben einem solchen arabischen Israeli, hinweisen:
@AhmadMansour__
persönliche Sicht: Ich habe in [Flagge von Israel] die ersten 28 J. meines Lebens verbracht, Abitur gemacht, studiert, gearbeitet. Das Leben da war nicht einfach. Dennoch hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, mir wäre es in irgendeinem anderen arabischen Land besser gegangen. Im Gegenteil..."
https://twitter.com/AhmadMansour__/status/1488854361585467394?cxt=HHwWhIC-ierJvKkpAAAA
Ansonsten: wenn Du mit solch einem Mist wie diesem aufschlägst: "Soso. Dann dürfen also auch nur "einzelne Maßnahmen" der Regierung Putins kritisiert werden, alles andere wäre..." und Dich dann bei einer derartigen Gedanken- und Geschmacklosigkeit über eine harsche Reaktion wunderst, dann solltest Du mal Deine Reflexionen zunächst befragen, bevor Du solchen Blödsinn in die Tasten haust. Und inzwischen sollte Dir doch klar geworden sein: Wenn Du mir hier mit Polemik und Quatschkram oder mit Nebelkerzen kommst, dann reagiere ich darauf eben nicht freundlich. Zumal sowas bei Dir nicht das erste Mal ist.
Was Du privat wie gemacht hast, interessiert mich nicht. Ums so schlimmer, wenn Du dann derartiges Zeugs heraushaust. Und gerade wenn das so ist, wie Du schreibst, solltest Du für eben jenen linken und auch migrantischen Antisemitismus besonders empfänglich sein.
Und noch einmal: gerade eine Linke, die im Blick auf andere besonders kritisch ist und gerne mit dem Zeigefinger kommt, sollte dann dieses kritische Verfahren bitte auch bei sich selber anwenden, gerade auch, wenn es um die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit geht. Schnell ist man immer bei anderen damit zu Hand und selten nur kehrt man vor der eigenen Haustür. Gerade auch, was den Umschlag in der sogenannten 68er-Bewegung betrifft, bis hin zu den schrecklichen RAF-Aktionen und den Solidaritätsadressen an die Attentäter von München 1972 bei Teilen der Linken.
Mein Wissen im übrigen beziehe ich aus sehr verschiedenen Quellen. Und einige dieser Bücher habe ich hier immer wieder genannt. Und ja: Die Neue Fischer Weltgeschichte ist das, was man ein Standardwerk für die Geschichtswissenschaften nennt.
https://www.fischerverlage.de/buch/reihe/neue-fischer-weltgeschichte
Und ich zitierte Dir daraus, um Deiner Behauptung zu widersprechen, daß der Begriff des Kulturraums heute in der Wissenschaft nicht mehr verwendet wird. Auch hier wieder eine dumme polemische Umdeutung von Dir und dann wunderst Du Dich, daß man Dir unfreundlich begegnet. Und Wikipedia hat die Funktion eines Lexikons, um Fakten beizubringen. Und auch hier wieder: Du furzt irgendwas in den Raum und wunderst Dich dann über den Tonfall. Versuch es beim nächsten Mal einfach mal mit Nachdenken. Denken erwarte ich von Dir ja nicht einmal.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 17:13
@che:
Und diese Antiimp-Theorie ist leider genau das antiquierte Zeugs, welches sich mit der Geschichte Israels nicht wirklich befaßt hat. Schon der Begriff Siedlerstaat ist Unsinn. Zumal er dann auch für die Araber gilt, die vielfach erst in den 1930er Jahren dort aus den arabischen Staaten eingewandert sind.
Was den Antisemitismus betrifft, so lassen sich verschiedene Formen unterschieden: einen rechtsextremen Antisemitismus, der eliminatorischen Charakter dann angenommen hat, einen rechtskonservativen Antijudaismus, den ich ebenfalls, wie auch den linken israelbezogenen, als eine Variante des Antisemitismus bezeichne. Und dann ein arabischer Antisemitismus, der in vielen Fällen eliminatorische Züge besitzt. Die Ereignisse vom 7. Oktober zeigen, was damit gemeint ist.
Was die Gründung von Israel und auch die sehr unterschiedlichen arabischen Positionen zu dieser Gründung betrifft, verweise ich immer wieder auf dieses wirklich gelungene Buch:
Benny Morris: 1948. Der erste arabisch-israelische Krieg, 30,00 € ISBN: 978-3-95565-609-6 Hentrich & Hentrich 10/2023
Das Buch ist erst jetzt erstaunlicherweise ins Deutsche übersetz worden. Morris ist Historiker, teils auch krititsch gegenüber Israel. In dem Buch wird durchaus auch das Leid der palästinensischen Araber erwähnt, aber es wird nicht der inszenierte Mythos der Nakbar nachgebetet. Zumal es eben auch hinreichend viele Vertreibungen von Juden gab - etwa die aus der arabischen Welt: rund eine Million Juden.
Rezensionen finden sich hier:
https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article249712084/Israel-1948-Benny-Morris-Standardwerk-zur-Staatsgruendung-ist-auf-Deutsch-erschienen.html
https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=30238
Und diese Antiimp-Theorie ist leider genau das antiquierte Zeugs, welches sich mit der Geschichte Israels nicht wirklich befaßt hat. Schon der Begriff Siedlerstaat ist Unsinn. Zumal er dann auch für die Araber gilt, die vielfach erst in den 1930er Jahren dort aus den arabischen Staaten eingewandert sind.
Was den Antisemitismus betrifft, so lassen sich verschiedene Formen unterschieden: einen rechtsextremen Antisemitismus, der eliminatorischen Charakter dann angenommen hat, einen rechtskonservativen Antijudaismus, den ich ebenfalls, wie auch den linken israelbezogenen, als eine Variante des Antisemitismus bezeichne. Und dann ein arabischer Antisemitismus, der in vielen Fällen eliminatorische Züge besitzt. Die Ereignisse vom 7. Oktober zeigen, was damit gemeint ist.
Was die Gründung von Israel und auch die sehr unterschiedlichen arabischen Positionen zu dieser Gründung betrifft, verweise ich immer wieder auf dieses wirklich gelungene Buch:
Benny Morris: 1948. Der erste arabisch-israelische Krieg, 30,00 € ISBN: 978-3-95565-609-6 Hentrich & Hentrich 10/2023
Das Buch ist erst jetzt erstaunlicherweise ins Deutsche übersetz worden. Morris ist Historiker, teils auch krititsch gegenüber Israel. In dem Buch wird durchaus auch das Leid der palästinensischen Araber erwähnt, aber es wird nicht der inszenierte Mythos der Nakbar nachgebetet. Zumal es eben auch hinreichend viele Vertreibungen von Juden gab - etwa die aus der arabischen Welt: rund eine Million Juden.
Rezensionen finden sich hier:
https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article249712084/Israel-1948-Benny-Morris-Standardwerk-zur-Staatsgruendung-ist-auf-Deutsch-erschienen.html
https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=30238
... link
che2001,
Dienstag, 27. Februar 2024, 17:22
Ich vertrete die Antiimp-Theorie, zu der noch viel mehr gehört als die Siedlerstaatsdoktrin nicht. Als Vertreter des Neuen Antiimperialismus gehöre ich vielmehr zu denen, die solche Konstrukte für grundfalsch halten und antinationalistisch-sozialrevolutionär ausgerichtet sind.
Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es die Siedlerstaatsdoktrin gibt, wer sie u.a. vertritt und dass sie in den Ländern der früher so genannten Dritten Welt sehr weit verbreitet ist, weiterhin, dass sie allein noch keinen Antisemitismus beinhaltet.
Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es die Siedlerstaatsdoktrin gibt, wer sie u.a. vertritt und dass sie in den Ländern der früher so genannten Dritten Welt sehr weit verbreitet ist, weiterhin, dass sie allein noch keinen Antisemitismus beinhaltet.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 17:40
Vertreten kann man alle möglichen Theorien. Bleibt nur zu Fragen, ob sie sinnvoll sind und ob es in einer bestimmten Konstellation auch geltungstheoretisch sinnvoll ist, solche Theorie zu vertreten - gerade auch im Blick auf Israel.
Wann etwas anfängt, antisemitisch zu werden, muß man immer im Detail nachsehen. Wenn ein Staat, zu dem es für Juden bisher keine Alternative gibt, im ganzen delegitimiert wird, dann ist solcher Ansatz antisemitisch. Dazu zählen etwa all jene Leute, die Parolen wie "From the river to the sea ..." rufen. Dies ist Antisemitismus. Oder frei nach Marx: Sie wissen es nicht, aber sie tun es."
In einem klugen Text in dieser Sache, auch im Blick auf diesen gegenwärtigen Postcolonial-Trend, hat Jörg Lau in der ZEIT geschrieben:
"Decolonize Palestine – Dekolonisiert Palästina" – dieser Slogan ist seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel immer wieder zu hören. Dass Israel eine Kolonialmacht sei, die die Palästinenser unterdrücke, steht auf Demo-Plakaten ebenso wie in den Texten linker Intellektueller wie der Philosophin Judith Butler.
Den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern als "kolonial" zu beschreiben, geht unter anderem zurück auf den 2003 verstorbenen palästinensisch-amerikanischen Wissenschaftler Edward Said, dessen Texte zum Kanon der postcolonial studies gehören. In seinem 1979 erschienenen Essay The Question of Palestine beschreibt Said die Gründung des Staates Israel als koloniale Landnahme und den Zionismus als eine Ideologie, die in der Tradition des rassistischen europäischen Imperialismus stehe.
Heute bezieht sich die Kritik, Israel sei eine "Kolonialmacht", sowohl auf die Gründungsgeschichte des Staates als auch auf die aktuelle Siedlungspolitik. Aber wie groß sind die Ähnlichkeiten zur europäischen Kolonialgeschichte wirklich?
Was die Gründung des Staates Israel betrifft, weckt der Begriff "Kolonisierung" mehr falsche als richtige Assoziationen. In mehreren Einwanderungswellen kamen seit dem späten 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg einige Hunderttausend jüdische Siedler nach Palästina. Während aber Kolonialmächte wie das deutsche Kaiserreich oder Großbritannien Besiedlung oft als Besatzung oder Vorstufe zur Besatzung zum Zweck der Ausbeutung von Land und Menschen betrieben, kamen diese zionistischen Siedler ohne mächtiges "Mutterland" im Rücken. Im Gegenteil. Sie waren zwar oft nationalistisch gesinnt, aber eben auch auf der Suche nach Sicherheit vor Antisemitismus und staatlicher Repression anderswo. Sie knüpften an eine jahrtausendealte jüdische Geschichte in der Region an. Mit der zu dieser Zeit dort lebenden arabischen Bevölkerung und den britischen Verwaltungsbehörden kam es zwar auch vor 1947 schon zu gewaltsamen Konflikten. Die Beherrschung, Ausbeutung oder Unterdrückung der arabischen Bevölkerung war aber nicht das Ziel.
Für die Staatsgründung wiederum machte zwar eine Kolonialmacht – Großbritannien – nach heftigen Kämpfen den Weg frei. Beschlossen allerdings wurde sie von den Vereinten Nationen, die 1947 einen Teilungsplan beschlossen und die Gebietsteile sowohl einem möglichen israelischen als auch einem möglichen arabischen Staat zuwiesen.
Auch die Zuschreibung "postkolonialer" Theoretiker, die israelische Gesellschaft sei "weiß" oder "europäisch", während die Palästinenser People of Color seien, führt in die Irre. Etwa die Hälfte der Juden, die heute in Israel leben, stammt aus Familien, die aus arabischen Ländern zugewandert sind.
Die Siedlungspolitik des modernen Israel im Westjordanland wiederum sieht dem imperialen europäischen Kolonialismus schon ähnlicher. Das Westjordanland ist Teil jener Gebiete, die die UN 1947 für einen Palästinenserstaat vorsahen. Seit dem Sechstagekrieg 1967 steht es unter israelischer Militärverwaltung. Ähnlich ist die israelische Siedlungspolitik dort dem historischen Kolonialismus insofern, als die Ansiedlung von Personen unter anderem dem Zweck dient, das Land zu beherrschen.
Dennoch schafft es mehr Verwirrung als Klarheit, zwei so unterschiedlichen Phänomenen wie der Gründungsgeschichte Israels und der israelischen Besatzungspolitik im Westjordanland das Vokabular des Kolonialismus überzustülpen. Jene, die das tun, stehen deshalb selbst unter Ideologieverdacht, und oft zu Recht. Israel als Staat darzustellen, der aus kolonialem Unrecht entstanden sei und permanent koloniales Unrecht begehe, erlaubt es, Gewalt gegen Israel als "Freiheitskampf" zu rechtfertigen. Eine "Dekolonisierung" des gesamten Staatsgebiets Israels kann in letzter Konsequenz nur das Ende Israels und die Vertreibung seiner jüdischen Bevölkerung bedeuten. Anna Sauerbrey
Israel ist die einzige Demokratie in Nahost
Ein wenig bekanntes Paradox: Nirgendwo im Nahen Osten haben arabische Wähler so viele demokratische Rechte wie in Israel. Die etwa 2 Millionen israelischen Bürger mit arabischen Wurzeln machen 20 Prozent der Bevölkerung aus. 2022 nahmen 53 Prozent der arabischen Wahlberechtigten an den Wahlen zur Knesset teil. Die arabischen Parteien erhielten mehr als eine halbe Million Stimmen.
Zum Vergleich: In Gaza und im Westjordanland sind seit 18 Jahren keine nationalen Wahlen mehr durchgeführt worden.
In seinen eigenen Grenzen ist Israel zweifellos eine Demokratie, auch wenn rechtsextreme Kräfte seit Jahren versuchen, die arabische Minderheit auszugrenzen. Die formelle rechtliche Gleichheit steht im Kontrast zu vielfältiger gesellschaftlicher Benachteiligung. Seit der Staatsgründung hat es immer arabische Abgeordnete gegeben, 2021 war eine arabische Partei sogar kurzzeitig Teil einer Regierungskoalition.
Die israelische Demokratie ist heute durch zwei Tendenzen gefährdet – durch den Rückbau der Gewaltenteilung im Gefolge der sogenannten Justizreformen und durch den Siedlungsbau im Westjordanland. Beides hängt zusammen. Die derzeitige Regierung Netanjahu, in der ultrarechte, nationalreligiöse Siedler prominent vertreten sind, versucht die weitgehenden Kompetenzen des Obersten Gerichts zu beschneiden und es letztlich unter politische Kontrolle zu bringen. Auch, weil die Richter sich immer wieder dem Siedlungsbau und der Vertreibung von Palästinensern entgegenstellen.
Der Versuch, die Justiz der Politik zu unterwerfen, hat wiederum eine demokratische Protestbewegung inspiriert. Bis zum Terrorangriff der Hamas gingen allwöchentlich Abertausende auf die Straße. Ihr Protest war ein Zeichen, wie tief demokratische Normen in der israelischen Zivilgesellschaft verankert sind.
Israel versteht sich als jüdischer und demokratischer Staat zugleich, also Heimstätte für alle Juden (ob sie nun in Israel leben oder nicht) und Staat aller seiner Bürger (welcher Herkunft auch immer). Die größte Herausforderung der israelischen Demokratie ist darum die seit 56 Jahren bestehende Besatzung des Westjordanlands. Die Selbstbestimmung der dortigen Palästinenser wird von den israelischen Autoritäten massiv eingeschränkt, 132 Siedlungen durchschneiden das Territorium, und die Bevölkerung hat, anders als arabische Israelis, keinen Einfluss auf ihr Schicksal.
Im sechsten Jahrzehnt und ohne Aussicht auf einen palästinensischen Staat ist die Besatzung kein Provisorium mehr. Die permanente Herrschaft über eine nichtjüdische Bevölkerung gefährdet sowohl den jüdischen als auch den demokratischen Charakter Israels.“
https://www.zeit.de/2023/46/israel-palaestina-konflikt-geschichte-mythen
Wann etwas anfängt, antisemitisch zu werden, muß man immer im Detail nachsehen. Wenn ein Staat, zu dem es für Juden bisher keine Alternative gibt, im ganzen delegitimiert wird, dann ist solcher Ansatz antisemitisch. Dazu zählen etwa all jene Leute, die Parolen wie "From the river to the sea ..." rufen. Dies ist Antisemitismus. Oder frei nach Marx: Sie wissen es nicht, aber sie tun es."
In einem klugen Text in dieser Sache, auch im Blick auf diesen gegenwärtigen Postcolonial-Trend, hat Jörg Lau in der ZEIT geschrieben:
"Decolonize Palestine – Dekolonisiert Palästina" – dieser Slogan ist seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel immer wieder zu hören. Dass Israel eine Kolonialmacht sei, die die Palästinenser unterdrücke, steht auf Demo-Plakaten ebenso wie in den Texten linker Intellektueller wie der Philosophin Judith Butler.
Den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern als "kolonial" zu beschreiben, geht unter anderem zurück auf den 2003 verstorbenen palästinensisch-amerikanischen Wissenschaftler Edward Said, dessen Texte zum Kanon der postcolonial studies gehören. In seinem 1979 erschienenen Essay The Question of Palestine beschreibt Said die Gründung des Staates Israel als koloniale Landnahme und den Zionismus als eine Ideologie, die in der Tradition des rassistischen europäischen Imperialismus stehe.
Heute bezieht sich die Kritik, Israel sei eine "Kolonialmacht", sowohl auf die Gründungsgeschichte des Staates als auch auf die aktuelle Siedlungspolitik. Aber wie groß sind die Ähnlichkeiten zur europäischen Kolonialgeschichte wirklich?
Was die Gründung des Staates Israel betrifft, weckt der Begriff "Kolonisierung" mehr falsche als richtige Assoziationen. In mehreren Einwanderungswellen kamen seit dem späten 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg einige Hunderttausend jüdische Siedler nach Palästina. Während aber Kolonialmächte wie das deutsche Kaiserreich oder Großbritannien Besiedlung oft als Besatzung oder Vorstufe zur Besatzung zum Zweck der Ausbeutung von Land und Menschen betrieben, kamen diese zionistischen Siedler ohne mächtiges "Mutterland" im Rücken. Im Gegenteil. Sie waren zwar oft nationalistisch gesinnt, aber eben auch auf der Suche nach Sicherheit vor Antisemitismus und staatlicher Repression anderswo. Sie knüpften an eine jahrtausendealte jüdische Geschichte in der Region an. Mit der zu dieser Zeit dort lebenden arabischen Bevölkerung und den britischen Verwaltungsbehörden kam es zwar auch vor 1947 schon zu gewaltsamen Konflikten. Die Beherrschung, Ausbeutung oder Unterdrückung der arabischen Bevölkerung war aber nicht das Ziel.
Für die Staatsgründung wiederum machte zwar eine Kolonialmacht – Großbritannien – nach heftigen Kämpfen den Weg frei. Beschlossen allerdings wurde sie von den Vereinten Nationen, die 1947 einen Teilungsplan beschlossen und die Gebietsteile sowohl einem möglichen israelischen als auch einem möglichen arabischen Staat zuwiesen.
Auch die Zuschreibung "postkolonialer" Theoretiker, die israelische Gesellschaft sei "weiß" oder "europäisch", während die Palästinenser People of Color seien, führt in die Irre. Etwa die Hälfte der Juden, die heute in Israel leben, stammt aus Familien, die aus arabischen Ländern zugewandert sind.
Die Siedlungspolitik des modernen Israel im Westjordanland wiederum sieht dem imperialen europäischen Kolonialismus schon ähnlicher. Das Westjordanland ist Teil jener Gebiete, die die UN 1947 für einen Palästinenserstaat vorsahen. Seit dem Sechstagekrieg 1967 steht es unter israelischer Militärverwaltung. Ähnlich ist die israelische Siedlungspolitik dort dem historischen Kolonialismus insofern, als die Ansiedlung von Personen unter anderem dem Zweck dient, das Land zu beherrschen.
Dennoch schafft es mehr Verwirrung als Klarheit, zwei so unterschiedlichen Phänomenen wie der Gründungsgeschichte Israels und der israelischen Besatzungspolitik im Westjordanland das Vokabular des Kolonialismus überzustülpen. Jene, die das tun, stehen deshalb selbst unter Ideologieverdacht, und oft zu Recht. Israel als Staat darzustellen, der aus kolonialem Unrecht entstanden sei und permanent koloniales Unrecht begehe, erlaubt es, Gewalt gegen Israel als "Freiheitskampf" zu rechtfertigen. Eine "Dekolonisierung" des gesamten Staatsgebiets Israels kann in letzter Konsequenz nur das Ende Israels und die Vertreibung seiner jüdischen Bevölkerung bedeuten. Anna Sauerbrey
Israel ist die einzige Demokratie in Nahost
Ein wenig bekanntes Paradox: Nirgendwo im Nahen Osten haben arabische Wähler so viele demokratische Rechte wie in Israel. Die etwa 2 Millionen israelischen Bürger mit arabischen Wurzeln machen 20 Prozent der Bevölkerung aus. 2022 nahmen 53 Prozent der arabischen Wahlberechtigten an den Wahlen zur Knesset teil. Die arabischen Parteien erhielten mehr als eine halbe Million Stimmen.
Zum Vergleich: In Gaza und im Westjordanland sind seit 18 Jahren keine nationalen Wahlen mehr durchgeführt worden.
In seinen eigenen Grenzen ist Israel zweifellos eine Demokratie, auch wenn rechtsextreme Kräfte seit Jahren versuchen, die arabische Minderheit auszugrenzen. Die formelle rechtliche Gleichheit steht im Kontrast zu vielfältiger gesellschaftlicher Benachteiligung. Seit der Staatsgründung hat es immer arabische Abgeordnete gegeben, 2021 war eine arabische Partei sogar kurzzeitig Teil einer Regierungskoalition.
Die israelische Demokratie ist heute durch zwei Tendenzen gefährdet – durch den Rückbau der Gewaltenteilung im Gefolge der sogenannten Justizreformen und durch den Siedlungsbau im Westjordanland. Beides hängt zusammen. Die derzeitige Regierung Netanjahu, in der ultrarechte, nationalreligiöse Siedler prominent vertreten sind, versucht die weitgehenden Kompetenzen des Obersten Gerichts zu beschneiden und es letztlich unter politische Kontrolle zu bringen. Auch, weil die Richter sich immer wieder dem Siedlungsbau und der Vertreibung von Palästinensern entgegenstellen.
Der Versuch, die Justiz der Politik zu unterwerfen, hat wiederum eine demokratische Protestbewegung inspiriert. Bis zum Terrorangriff der Hamas gingen allwöchentlich Abertausende auf die Straße. Ihr Protest war ein Zeichen, wie tief demokratische Normen in der israelischen Zivilgesellschaft verankert sind.
Israel versteht sich als jüdischer und demokratischer Staat zugleich, also Heimstätte für alle Juden (ob sie nun in Israel leben oder nicht) und Staat aller seiner Bürger (welcher Herkunft auch immer). Die größte Herausforderung der israelischen Demokratie ist darum die seit 56 Jahren bestehende Besatzung des Westjordanlands. Die Selbstbestimmung der dortigen Palästinenser wird von den israelischen Autoritäten massiv eingeschränkt, 132 Siedlungen durchschneiden das Territorium, und die Bevölkerung hat, anders als arabische Israelis, keinen Einfluss auf ihr Schicksal.
Im sechsten Jahrzehnt und ohne Aussicht auf einen palästinensischen Staat ist die Besatzung kein Provisorium mehr. Die permanente Herrschaft über eine nichtjüdische Bevölkerung gefährdet sowohl den jüdischen als auch den demokratischen Charakter Israels.“
https://www.zeit.de/2023/46/israel-palaestina-konflikt-geschichte-mythen
... link
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 17:47
Es ist schon eine besondere Chuzpe, wenn man "die Linken" zur Aufarbeitung von linkem Antisemitismus auffordert und als Beispiel ausgerechnet - und hervorgehoben - den Anschlag auf ein jüdisches Altenheim nennt, dessen Täter unbekannt sind, und von dem sich die gesamte - also auch die besonders radikale, bereits in Terrorismus abgleitende - Linke damals entschieden distanziert hat.
Und dann kommt das typische bersarinische Ausweichmanöver. Im übrigen solltest Du, wenn Du mit mir diskutieren möchtest, ein Mindestmaß an Respekt an den Tag legen. Ich verurteile im übrigen jede Art von Antisemitismus, ob er nun von rechts oder links oder von Migranten kommt.
Wer öfter nach Israel fährt, wird leider feststellen, dass sich das Land immer weiter verändert. Es gibt also durchaus Grundsätzliches zu kritisieren. Niemand will deswegen den demokratischen Staat Israel abschaffen. Eher das Gegenteil.
Übrigens: Standesamtliche Eheschließungen sind in Israel nicht möglich. Und für jüdische Hochzeiten in Israel ist das Oberrabbinat zuständig. Das heißt, damit die Ehe anerkannt wird, muss sie nach streng-orthodoxen Vorschriften geschlossen werden. Heiraten kann daher nur, wer nach diesen Regeln als jüdisch gilt.
Will also eine jüdische Israeli einen arabischen (muslimischen) Israeli heiraten, ist dies in Israel nicht möglich.
Und dann kommt das typische bersarinische Ausweichmanöver. Im übrigen solltest Du, wenn Du mit mir diskutieren möchtest, ein Mindestmaß an Respekt an den Tag legen. Ich verurteile im übrigen jede Art von Antisemitismus, ob er nun von rechts oder links oder von Migranten kommt.
Wer öfter nach Israel fährt, wird leider feststellen, dass sich das Land immer weiter verändert. Es gibt also durchaus Grundsätzliches zu kritisieren. Niemand will deswegen den demokratischen Staat Israel abschaffen. Eher das Gegenteil.
Übrigens: Standesamtliche Eheschließungen sind in Israel nicht möglich. Und für jüdische Hochzeiten in Israel ist das Oberrabbinat zuständig. Das heißt, damit die Ehe anerkannt wird, muss sie nach streng-orthodoxen Vorschriften geschlossen werden. Heiraten kann daher nur, wer nach diesen Regeln als jüdisch gilt.
Will also eine jüdische Israeli einen arabischen (muslimischen) Israeli heiraten, ist dies in Israel nicht möglich.
... link
che2001,
Dienstag, 27. Februar 2024, 17:49
Was für Unfug Said mit seiner Orientalismus-Theorie angerichtet hat ist in der Tat frappierend, wofür er ja auch wieder von mehreren Seiten massiv kritisiert wurde.. Steht aber schon wieder auf einem ganz anderen Blatt.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 18:05
Und wieder eine dieser Nebelkerzen. Und ausgerechnet Du wunderst Dich, daß ich darauf polemisch reagiere?
Und noch einmal für Dich: Ich schrieb oben "mutmaßlich". Machst Du solches Mißverstehen bösartig und mit Absicht oder ist es mangelnder Kompetenz geschuldet? Wolfgang Kraushaar hat zu diesem Thema zwei Bücher geschrieben: Einmal über den Anschlag 1969 in Berlin durch die linksextremistische Tupamaros West-Berlin-Gruppe , die vom Verfassungsschutz mit Sprengstoff beliefert wurde, was neben dem in diesem Teil der Linken grassierenden Antisemitismus der zweite Skandal ist: "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus". Und dann jenes Buch ""Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?": München 1970: über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus", das man als umstritten bezeichnen kann. Es gibt einige Hinweise, die dafür sprechen, daß es ein Anschlag von links war und es gibt welche, die dagegensprechen. Deshalb das Wort "mutmaßlich". Und deshalb vor allem der Hinweis auf das Buch von Herf, und daß es, wie die RAF und die Sätze von Ulrike Meinhof zeigen, einen ausgewiesenen linken Antisemitismus gibt, wirst sicherlich auch Du nicht bestreiten.
Und noch einmal für Dich: Ich schrieb oben "mutmaßlich". Machst Du solches Mißverstehen bösartig und mit Absicht oder ist es mangelnder Kompetenz geschuldet? Wolfgang Kraushaar hat zu diesem Thema zwei Bücher geschrieben: Einmal über den Anschlag 1969 in Berlin durch die linksextremistische Tupamaros West-Berlin-Gruppe , die vom Verfassungsschutz mit Sprengstoff beliefert wurde, was neben dem in diesem Teil der Linken grassierenden Antisemitismus der zweite Skandal ist: "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus". Und dann jenes Buch ""Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?": München 1970: über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus", das man als umstritten bezeichnen kann. Es gibt einige Hinweise, die dafür sprechen, daß es ein Anschlag von links war und es gibt welche, die dagegensprechen. Deshalb das Wort "mutmaßlich". Und deshalb vor allem der Hinweis auf das Buch von Herf, und daß es, wie die RAF und die Sätze von Ulrike Meinhof zeigen, einen ausgewiesenen linken Antisemitismus gibt, wirst sicherlich auch Du nicht bestreiten.
... link
netbitch,
Dienstag, 27. Februar 2024, 18:05
Haben wir hier einen Kommunikationsknoten?
Che: Ich vertrete die Antiimp-Theorie, zu der noch viel mehr gehört als die Siedlerstaatsdoktrin nicht. Als Vertreter des Neuen Antiimperialismus gehöre ich vielmehr zu denen, die solche Konstrukte für grundfalsch halten und antinationalistisch-sozialrevolutionär ausgerichtet sind.
Bersarin:
Vertreten kann man alle möglichen Theorien. Bleibt nur zu Fragen, ob sie sinnvoll sind und ob es in einer bestimmten Konstellation auch geltungstheoretisch sinnvoll ist, solche Theorie zu vertreten - gerade auch im Blick auf Israel.
Bersarin:
Vertreten kann man alle möglichen Theorien. Bleibt nur zu Fragen, ob sie sinnvoll sind und ob es in einer bestimmten Konstellation auch geltungstheoretisch sinnvoll ist, solche Theorie zu vertreten - gerade auch im Blick auf Israel.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 18:15
"antinationalistisch-sozialrevolutionär ausgerichtet sind."
Ob das in der gegenwärtigen Situation wirklich gelingt und also auch von der Faktenlage realisierbar ist, würde ich bezweifeln.
Eine Zweistaatentheorie ist prospektiv sicherlich die beste Möglichkeit. Dazu müssen allerdings mehrere Aspekte erfüllt sein: Zum einen, daß das Westjordanland von zahlreichen jüdischen Siedlungen geräumt wird bzw. daß für die noch verbleibenden Siedlungen, sofern sie nicht raumbar sind ein Ausgleich oder ein geldwerter Vorteil geschaffen wird. Zum anderen müssen die palästinensischen Araber Israel anerkennen und auch auf ein Rückkehrrecht verzichten - das sowieso absurd ist.
Ob das in der gegenwärtigen Situation wirklich gelingt und also auch von der Faktenlage realisierbar ist, würde ich bezweifeln.
Eine Zweistaatentheorie ist prospektiv sicherlich die beste Möglichkeit. Dazu müssen allerdings mehrere Aspekte erfüllt sein: Zum einen, daß das Westjordanland von zahlreichen jüdischen Siedlungen geräumt wird bzw. daß für die noch verbleibenden Siedlungen, sofern sie nicht raumbar sind ein Ausgleich oder ein geldwerter Vorteil geschaffen wird. Zum anderen müssen die palästinensischen Araber Israel anerkennen und auch auf ein Rückkehrrecht verzichten - das sowieso absurd ist.
... link
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 18:41
Niemand bestreitet, dass sich die RAF im Zuge ihrer Solidarität und intensiven Zusammenarbeit mit radikalen palästinensischen Gruppen "antisemitisierte".
Das kam durchaus überraschend, denn die proisraelische Haltung linker Studentenorganisationen war jahrelang als Vorreiter für eine Politik der Aussöhnung angesehen worden. Der Sechstagekrieg änderte das.
Nicht vergessen sollte man dabei den Einfluss der Springerpresse, die - wie ich schon erwähnte - im Zuge des Sechstagekriegs - ihren Philosemitismus bis ins Groteske übersteigerte und gleichzeitig gegen alles hetzte, was links war.
1969 war es aber noch eine sehr kleine Minderheit in der linksradikalen Szene, der Meinung war, dass aus den vom Faschismus vertriebenen Juden selbst Faschisten geworden seien, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollten (sinngemäß). Dass Kunzelmanns "bombige Entlastungslogik" in der linken Szene noch wenig Anklang fand, hat er selbst beklagt: "Palästina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist. Die Linken haben das noch nicht begriffen. Warum? Der Judenknax."
Bei der RAF und den Revolutionären Zellen, die in arabischen Ausbildungscamps eben nicht nur den bewaffneten Kampf erlernten, änderte sich das. Schließlich ließ man sich von Palästinensern ausbilden, die ständig damit drohten, die Juden ins Meer zu treiben. Die RAF-Leute hatten aber nicht aus antisemitischen Gründen die Verbindung zu den Palästinensern gesucht: Das Motiv war Waffenbrüderschaft mit einer Befreiungsbewegung.
Die unsäglichen Nazivergleiche häuften sich: Israel erschien zunehmend als Wiedergeburt eines faschistischen imperialistischen Staats, den man ohne schlechtes historisches Gewissen bekämpfen konnte. Meinhofs Äußerungen (die schon 1965 in der Zeitschrift "Konkret" Dinge äußerte, die man eher von Naziapologeten wie David Irving erwartet hätte) waren in dieser Hinsicht besonders radikal und verwerflich. Von ihnen führt ein direkter Weg zur "Selektion" jüdischer Passagiere durch ein deutsch-palästinensisches Terrorkommando in Entebbe.
Das kam durchaus überraschend, denn die proisraelische Haltung linker Studentenorganisationen war jahrelang als Vorreiter für eine Politik der Aussöhnung angesehen worden. Der Sechstagekrieg änderte das.
Nicht vergessen sollte man dabei den Einfluss der Springerpresse, die - wie ich schon erwähnte - im Zuge des Sechstagekriegs - ihren Philosemitismus bis ins Groteske übersteigerte und gleichzeitig gegen alles hetzte, was links war.
1969 war es aber noch eine sehr kleine Minderheit in der linksradikalen Szene, der Meinung war, dass aus den vom Faschismus vertriebenen Juden selbst Faschisten geworden seien, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollten (sinngemäß). Dass Kunzelmanns "bombige Entlastungslogik" in der linken Szene noch wenig Anklang fand, hat er selbst beklagt: "Palästina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist. Die Linken haben das noch nicht begriffen. Warum? Der Judenknax."
Bei der RAF und den Revolutionären Zellen, die in arabischen Ausbildungscamps eben nicht nur den bewaffneten Kampf erlernten, änderte sich das. Schließlich ließ man sich von Palästinensern ausbilden, die ständig damit drohten, die Juden ins Meer zu treiben. Die RAF-Leute hatten aber nicht aus antisemitischen Gründen die Verbindung zu den Palästinensern gesucht: Das Motiv war Waffenbrüderschaft mit einer Befreiungsbewegung.
Die unsäglichen Nazivergleiche häuften sich: Israel erschien zunehmend als Wiedergeburt eines faschistischen imperialistischen Staats, den man ohne schlechtes historisches Gewissen bekämpfen konnte. Meinhofs Äußerungen (die schon 1965 in der Zeitschrift "Konkret" Dinge äußerte, die man eher von Naziapologeten wie David Irving erwartet hätte) waren in dieser Hinsicht besonders radikal und verwerflich. Von ihnen führt ein direkter Weg zur "Selektion" jüdischer Passagiere durch ein deutsch-palästinensisches Terrorkommando in Entebbe.
... link
che2001,
Dienstag, 27. Februar 2024, 19:04
Eine andere Entwicklung setzte ein, als Israel aufgrund westlicher Waffenembargos und eines Rechtsrucks unter Begin und Shamir das Bündnis mit politischen Parias suchte und mit denen hinsichtlich Waffenlieferungen und - Entwicklungen und Geheimdienstkooperation eng zusammenarbeitete: Pinochet-Chile, Junta-Argentinien, Apartheid-Südafrika und auch dem Iran in der letzten Phase des Schah-Regimes. In dieser Phase, die von 1977 bis 1985 dauerte, erschien vielen westlichen Linken dieses informelle Bündnis als eines imperialistischer Frontstaaten, und erst in dieser Zeit fand die Antiimp-Ideologie weitere Verbreitung. Es war die einzige Zeit, in der sie sozusagen ein Substrat in der Realität hatte.
Für das linksterroristische Umfeld schien sich das eigene Weltbild im Nachhinein zu bestätigen.#
Der Neue Antiimperialismus entstand als Absetzbewegung bzw. Antithese dazu.
Für das linksterroristische Umfeld schien sich das eigene Weltbild im Nachhinein zu bestätigen.#
Der Neue Antiimperialismus entstand als Absetzbewegung bzw. Antithese dazu.
... link
bersarin,
Dienstag, 27. Februar 2024, 19:09
Genau das meinte ich mit Aspekten eines auch linken Antisemitismus, der in diesem Fall wesentlich auf Israel sich richtete. Und genau das ist der Aspekt, darunter auch das Zitat : "Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?" fällt. Gerade in diesem Kontext ist eben vor allem in der Tat der üble Dieter Kunzelmann zu nennen, der auch das Wort vom deutschen Judenknacks prägte.
Und ebenfalls die unheilvolle und entsetzliche Rolle, die die Springer-Zeitungen damals im Blick auf die Studentenbewegung spielten. Allerdings muß man für ein Deutschland nach 1945 und nach dem Mord an sechs Millionen Juden zugleich anerkennen, daß Springer von Anfang an ein Bekenntnis zu Israel abgab und damit zugleich im postnazistischen Deutschland ein deutliches Zeichen setzte. Was nichts an der ansonsten entsetzlichen Rolle zur damaligen Zeit ändert.
Und die Entwicklung einer in den 1950er und den frühen 1960er Jahren durchaus israelfreundlichen Linken hin zu teils antisemitischen oder zumindest doch israelfeindlichen Positionen zeichnet eben das Buch von Herf unter anderem nach. Und vor allem aber die Haltung der DDR und der Sowjetunion zu Israel.
Und ebenfalls die unheilvolle und entsetzliche Rolle, die die Springer-Zeitungen damals im Blick auf die Studentenbewegung spielten. Allerdings muß man für ein Deutschland nach 1945 und nach dem Mord an sechs Millionen Juden zugleich anerkennen, daß Springer von Anfang an ein Bekenntnis zu Israel abgab und damit zugleich im postnazistischen Deutschland ein deutliches Zeichen setzte. Was nichts an der ansonsten entsetzlichen Rolle zur damaligen Zeit ändert.
Und die Entwicklung einer in den 1950er und den frühen 1960er Jahren durchaus israelfreundlichen Linken hin zu teils antisemitischen oder zumindest doch israelfeindlichen Positionen zeichnet eben das Buch von Herf unter anderem nach. Und vor allem aber die Haltung der DDR und der Sowjetunion zu Israel.
... link
avantgarde,
Dienstag, 27. Februar 2024, 19:18
In diese Phase fällt auch das Massaker von Sabra und Schatila.
Nicht zu vergessen die bereits mit dem Hungerstreik von Holger Meins erfolgte Selbstmärtyrisierung der RAF, die sich im moralischen Furor gewissermaßen zu den "neuen Juden" (der abgemagerte Meins erinnerte an einen KZ-Häftling) dieses neuen faschistischen "Schweinesystems" aufschwang. Da war für die alten Juden kein Platz mehr.
Nicht zu vergessen die bereits mit dem Hungerstreik von Holger Meins erfolgte Selbstmärtyrisierung der RAF, die sich im moralischen Furor gewissermaßen zu den "neuen Juden" (der abgemagerte Meins erinnerte an einen KZ-Häftling) dieses neuen faschistischen "Schweinesystems" aufschwang. Da war für die alten Juden kein Platz mehr.
... link
che2001,
Mittwoch, 28. Februar 2024, 12:27
@""antinationalistisch-sozialrevolutionär ausgerichtet sind."
Ob das in der gegenwärtigen Situation wirklich gelingt und also auch von der Faktenlage realisierbar ist, würde ich bezweifeln. --------
Also erst einmal wurden diese Positionen ja nicht heute, sondern in den 1980ern und dann, damals ganz direkt auf die damals aktuelle Situation - Zusammenbruch der Sowjetunion und Jugoslawiens, Golfkriege, Anti-IWF-Aufstände - bezogen entwickelt, und dann bezieht sich das "sozialrevolutionär" nicht auf die Industriemetropolen, sondern auf die Länder des globalen Südens. Und damit ist dann gemeint, nicht mehr Guerrillabewegungen zu unterstützen bzw. sich primär auf die zu beziehen wie die Antiimps das gemacht haben, sondern Bezugnahme auf Brotpreisrevolten, die Landlosenbewegung in Brasilien, Basisbewegungen sich selbst organisierender Bauern, Gegnerschaft zu einer auf Anschluss an westliche Konzerninteressen ausgerichteten Entwicklungspolitik zugunsten von Hilfe zur Selbsthilfe und Fair Trade usw.
Von der theoretischen Begründung her verbindet sich hier Operaismus mit der Dependenzheorie.
http://deu.anarchopedia.org/Operaismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Dependenztheorie
Ob das in der gegenwärtigen Situation wirklich gelingt und also auch von der Faktenlage realisierbar ist, würde ich bezweifeln. --------
Also erst einmal wurden diese Positionen ja nicht heute, sondern in den 1980ern und dann, damals ganz direkt auf die damals aktuelle Situation - Zusammenbruch der Sowjetunion und Jugoslawiens, Golfkriege, Anti-IWF-Aufstände - bezogen entwickelt, und dann bezieht sich das "sozialrevolutionär" nicht auf die Industriemetropolen, sondern auf die Länder des globalen Südens. Und damit ist dann gemeint, nicht mehr Guerrillabewegungen zu unterstützen bzw. sich primär auf die zu beziehen wie die Antiimps das gemacht haben, sondern Bezugnahme auf Brotpreisrevolten, die Landlosenbewegung in Brasilien, Basisbewegungen sich selbst organisierender Bauern, Gegnerschaft zu einer auf Anschluss an westliche Konzerninteressen ausgerichteten Entwicklungspolitik zugunsten von Hilfe zur Selbsthilfe und Fair Trade usw.
Von der theoretischen Begründung her verbindet sich hier Operaismus mit der Dependenzheorie.
http://deu.anarchopedia.org/Operaismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Dependenztheorie
... link
... comment