Sonntag, 11. Februar 2024
Israel am Agrund
Vor geraumer Zeit hatte Bersarin hier behauptet, es gäbe überhaupt keine israelischen Palästinenser, sondern nur Israelis, die arabisch sprechen. Wer eine israelischen Pass habe, sei Israeli. Das stimmt insofern nicht, als dass man in Israel sehr fein nach ethnischen Zugehörigkeiten ausdifferenziert. Die israelischen Melderegister erfassen die Staatsbürger nach Herkunft als Juden, Araber, Drusen, Georgier oder sonstwas, es gibt über Hundert Nationalitäten, die fein säuberlich erfasst werden, und das ist nicht ohne Brisanz. So beschreibt es die israelisch-französische Soziologin Eva Illouz, Lehrstulinhaberin in Tel Aviv und Paris. In ihrem hier schon empfohlenen Buch "Undemokratische Emotionen" analysiert sie Israel unter Netanjahu in enger Anlehnung an Adornos "Elemente des Antisemitismus" und "Studien zum autoritären Charakter" als einen sich allmählich entwickelnden rassistischen Apartheidsstaat, der sich weit vom antifaschistischen, linksliberalen Zionismus der Staatsgründer entfernt habe. "Sie (eine jüdische Siedlerin im Westjordanland) erzählte mir, eine ihrer größten Überraschungen ...habe in der Entdeckung bestanden, dass einer der palästinensischen Jungs aus der Gruppe in seiner Freizeit Bücher las und malte. Bis dahin hatte sie Araber als furchteinflößend und primitiv betrachtet, als Personen, die man nicht mit Lesen und Malen in Verbindung bringen konnte, ein Hinweis darauf, dass Abscheu subtil mit Verachtung gepaart ist. Ein Rabbiner aus dem Westjordanland erklärte alle Araber für minderwertig, weil sie weder Demokratie hätten noch die Rechte von Homosexuellen und Frauen anerkennen würden. Interessant ist diese Form von Abscheu, weil gerade viele Angehörige ultraorthodoxer Gemeinschaften die Demokratie keinesfalls hoch halten. Das orthodoxe Judentum erkennt die Vorstellung von Menschenrechten im Allgemeinen und Rechten von Frauen und Homosexuellen im Besonderen nicht an. ....

Eine Erhebung des Israel Democrazy Institute unter der ultraorthodoxen Bevölkerungsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der Befragten eine Freundschaft mit einer arabischen Person ablehnen, etwas weniger als die Zahl derjenigen, die so in Bezug auf jene Israelis etwa aus der ehemaligen Sowjetunion empfinden, die nach dem jüdischen Gesetz nicht als Juden gelten. Darüber hinaus gibt ein überwältigender Anteil von 93 Prozent der ultraorthodoxen Juden in Israel an, kein Vertrauen in den Obersten Gerichtshof zu haben....während 76 Prozent sagen, dass jüdische Bürgerinnen mehr Rechte haben sollten als nichtjüdische.

....
Er (Netanjahu) war vielleicht einer der ersten Politiker, die während ihrer Amtszeit unablässig das Establishment angriffen, das sie doch eigentlich anführen und repräsentieren sollten, er beschuldigte es aber, voller alter linker (sprich: aschkenasischer) Eliten zu sein. Mit großem Elan propagierte er die Vorstellung von einem "tiefen Staat", die Vorstellung, Staatsbedienstete hätten sich der Aufgabe verschrieben, einem zum Opfer erkorenen Staatsführer zu verfolgen, der von Medien, Poliziei und Gerichten verfolgt wird."


Eine Opferrolle vorwärts: Illouz setzt dies gleich mit dem Verhalten Trumps und beschreibt Netanjahu, Trump, Orban, Erdogan und Putin als den gleichen Politikertypus, Strongmen, die auch ganz direkt voneinander lernen und ihre Strategien und Verhaltensweisen voneinander abkupfern. In allen betroffenen Ländern in unterschiedlichem Ausmaß zum Schaden der Demokratie.

Die israelische Gesellschaft im Speziellen zeigte sich im Augenblick des Hamas-Überfalls als eine tief gespaltene Gesellschaft, in der z.B. für die Siedler in den Westbanks oder die Ultraorthodoxen in Jerusalem Tel Aviv ein dekadenter westlicher Sündenpfuhl ist.

... link (3 Kommentare)   ... comment