Samstag, 28. April 2018
Madness war
https://www.youtube.com/watch?v=ZRuSS0iiFyo

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Freitag, 27. April 2018
Dauerhafte Ansiedlung von Bürgerkriegsflüchtlingen/displaced persons in Europa
EU Resettlement Programm: Deutschland beteiligt sich mit 10.200 Plätzen – was verbirgt sich dahinter?
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. und Caritasverband für die Diözese Hildesheim e.V.
Die Europäische Union beabsichtigt, in den Jahren 2018 und 2019 50.000 Plätze für die legale Einreise von Flüchtlingen im Rahmen eines Umsiedlungsprogramms (Resettlement) zur Verfügung zu stellen. Während andere EU-Staaten ihre Zusagen bereits im letzten Jahr abgegeben haben, gab Deutschland nach Verzögerungen u.a. durch die langwierige Regierungsbildung am 19. April endlich bekannt, sich mit 10.200 Plätzen an der Aufnahme zu beteiligen. Aufgenommen werden sollen Flüchtlinge aus Erstzufluchtsländern im Nahen Osten und in Nordafrika.
Diese Quote soll nach Aussagen von Bundesinnenminister Seehofer auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Zuwanderungsspanne eingerechnet werden.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den zugesagten 10.200 Aufnahmeplätzen für 2 Jahre (4.600 in 2018, 5.600 in 2019) weder um zusätzliche Kapazitäten handelt, noch dass vorgesehen ist, die Flüchtlinge, die sich derzeit perspektivlos in Erstzufluchtsländern befinden, überwiegend im Wege des Resettlements nach §23 Abs. 4 AufenthG aufzunehmen. Vielmehr werden in der Quote vermutlich verschiedene Wege der legalen Einreise subsummiert, die ohnehin bereits beschlossen oder geplant waren.
Im Rahmen der Humanitären Aufnahme (§23 Abs. 2 AufenthG) nimmt Deutschland seit 2016 syrische Flüchtlinge aus der Türkei im Rahmen der EU-Türkei-Vereinbarung auf. Entsprechend des aktuellen Aufnahmeerlasses ist hier für das Jahr 2018 die Aufnahme von bis zu 500 Personen monatlich (max. 6.000 / Jahr) vorgesehen, eine Fortführung des Programms in 2019 ist wahrscheinlich.
Gleichzeitig plant das Bundesinnenministerium ein Pilotprojekt zur Aufnahme von bis zu 500 Flüchtlingen durch Private Sponsorship.
Einige Bundesländer erwägen, das Bundes-Resettlement durch eigene Programme zu ergänzen.
Die benannte Quote von 10.200 Personen wäre mit diesen Planungen bereits überwiegend ausgeschöpft. Es bestand die Hoffnung, dass Deutschland die bisherige Aufnahmequote für das eigentliche Resettlement, nachdem diese in den Vorjahren bei 500 Personen jährlich lag, bzw. 1.600 Plätze für 2016 und 2017, erheblich anheben würde. Ein Aufnahmeerlass zum Resettlement 2018 steht noch aus, doch es steht zu befürchten, dass dieses nicht geschehen wird.
Resettlement ist ein wichtiges Instrument, um vom UNHCR in Erstzufluchtsländern anerkannten Flüchtlingen, die dort keinen Aufenthalt finden können, eine dauerhafte und gesicherte Perspektive zu bieten und die Erstzufluchtsländer zu entlasten. UNHCR benennt für das Jahr 2018 einen weltweiten Resettlement-Bedarf von 1,2 Millionen Plätzen. Insbesondere wegen der deutlich reduzierten Aufnahme der USA unter der aktuellen Regierung wäre es jetzt wichtig, dass sich mehr Staaten als bisher bzw. bereits aktive Aufnahmestaaten mit höheren Quoten beteiligen.
Im Rahmen u.a. des sich in Planung befindlichen EU-Resettlement-Frameworks und des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) werden die Abschottung Europas, Migrationskontrolle und Entwicklungszusammenarbeit gegen legale Einreisewege aufgerechnet.
Insbesondere in diesem Jahr, in dem Deutschland den Vorsitz des weltweiten Resettlement-Treffens ATCR (Annual Tripartite Consultations on Resettlement des UNHCR) innehat, wäre ein erheblich größeres deutsches Engagement ein wichtiges Signal gewesen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und der Diözesen-Caritasverband Hildesheim fordern die niedersächsische Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Deutschland seine Aufnahmequote erhöht, und dass eine erheblich höhere Resettlement-Quote für 2018 und 2019 verabschiedet wird, die sich weit außerhalb dieses Rahmens bewegen sollte.
Auch die Umsetzung eines weiteren Aufnahmeprogrammes des Landes Niedersachsen für aus Syrien stammende Flüchtlinge würde zur Entlastung vieler Familien und der syrischen Anrainerstaaten beitragen.
Vertiefte und weiterführende Informationen zu Resettlement und weiteren Aufnahmeprogrammen finden sich unter www.resettlement.de, der Website des gleichnamigen Projekts der Caritasstelle Friedland / DiCV Hildesheim und des Deutschen Caritasverbandes.
Thomas Heek
Mitglied des Vorstands
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Röpkestraße 12
30173 Hannover
Mail: th@nds-fluerat.org
www.nds-fluerat.org

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Veranstaltung zum Thema Abschiebung trotz Krankheit
Abschiebung trotz Krankheit?
Die Rechte von besonders Schutzbedürftigen und psychisch erkrankten Geflüchteten
Menschen, die vor Gewalt, Verfolgung, Vertreibung oder Folter nach Deutschland flüchten müssen, leiden vielfach an einer traumabedingten psychischen Erkrankung. Bei Kindern und Jugendlichen ist jede*r zweite betroffen.
Daraus resultiert der Anspruch auf eine adäquate gesundheitliche Versorgung und Garantien einer Berücksichtigung im Asylverfahren. Nicht selten werden jedoch weder die besondere Schutzbedürftigkeit noch die Notwendigkeit der Versorgung früh genug erkannt. Auch der mögliche Schutz vor einer Abschiebung erfordert besondere Verfahrensweisen.
Nina Hager stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen vor und gibt Praxishinweise, an denen sich Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Rechtsanwält*innen und Unterstützende sowie Beratungsstellen orientieren können.
Im Anschluss besteht die Möglichkeit zur Vernetzung und zum Fachaustausch.
Nina Hager ist Volljuristin und Rechtsreferentin bei der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) in Berlin.
Ort: Wallsaal/Zentrale Stadtbibliothek, Am Wall 201, Bremen
Eine Veranstaltung von REFUGIO Bremen und dem Flüchtlingsrat Bremen in Kooperation mit der Stadtbibliothek Bremen.

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Sonntag, 22. April 2018
Einmal anders herum - Kriminalität in Deutschland
Ich las gerade die Kriminalstatistik des Jahres 2017. Seit 25 Jahren ist die für Deutschland nicht mehr so niedrig. Das heißt, zu einer Zeit in der die AFD mit ihrer Ausländerkriminalitätsparanoia Wahlsiege erringt ist der Anlass statistisch nicht nachweisbar. Deutschland ist so sicher wie seit 1992 nicht mehr. Interessant ist allerdings in welchen Regionen die Kriminalität und das Risiko ihr zum Opfer zu fallen am Größten ist. Bei den Großstädten sind das Frankfurt, Berlin, Hannover, Dresden, Halle und Leipzig, auch Magdeburg gehört zu den eher unsicheren Städten. Der Osten (ausgenommen Rostock und das westliche Mecklenburg überhaupt) ist insgesamt unsicherer als der Westen. Wobei sich da dann die Frage stellt wie wahrscheinlich es ist dort ausgerechnet AUSLÄNDERGEWALT zum Opfer zu fallen.

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Mittwoch, 18. April 2018
EY, KOLLEGAH!
Der Antisemitismus gewisser Rapper, der wohl auch noch eine tolle Provokation sein soll ist tatsächlich toll: Im Sinne der ursprünglichen Wortbedeutung, nämlich von wahnsinnig ohne das nun einer bestimmten Pathologie zuzuordnen. Unfreiwillig aber durchaus vorsätzlich handelnd ebnen sich da arabischstämmige (und auch sonst eher stämmige, im Englisch früherer Zeiten hätte man das bully genannt, womit etwa die mit Auspeitschungen beauftragten Bootsleute auf Marineschiffen von den einfachen Matrosen tituliert wurden) Macho-Rapper die Gleichsetzung ihrer Gesinnung mit alledem ein, was eine absurde Koalition von Antideutschen, deutschnationalen Ausländerfeinden und alarmistisch-besorgten Liberalen über junge männliche Araber eh schon denkt. Der komprimierte Vollschuss in die eigene Fresse. Und dafür gibt es dann einen Echo.

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Freitag, 13. April 2018
Essen als Form der Diskriminierung oder die administrative Verfügung über Lebenschancen
Diese Diskussion hier möchte ich noch einmal aufgreifen weil hier klar wird dass viele Dinge die für unsereins selbstverständlich sind nicht mehr gewusst werden oder aber andere Leute sie völlig anders sehen als ich.

https://che2001.blogger.de/stories/2682632

Zu den Schikanen denen Flüchtlinge und Asylsuchende in Deutschland ausgesetzt sind gehört die Art und Weise wie ihre Versorgung organisiert wird. Im Asylbewerberleistungsgesetz, das ursprünglich Ausländerleistungsgesetz hieß und für alle in Deutschland lebenden Nicht-Eu-Ausländer gelten sollte die keinen Arbitesplatz haben, womit der Ursprung dieses Gesetzes als rassistisches Sondergesetz belegt ist ist vorgesehen dass Asylsuchende deutlich weniger Geld bekommen als Sozialhilfeempfänger, also weniger als das was amtlicherseits als kleinstes Existenzminimum definiert ist. Außer "sind halt Untermenschen" fällt mir ehrlich gesagt keine Begründung für eine Leistung deutlich unterhalb des garantierten Minimums ein. Damit nicht genug: In vielen Fällen wird dieses zuwenige Geld nicht ausgezahlt, sondern den Geflüchteten werden Sachleistungen zugeteilt. Diese sind nicht gerade zielgruppengerecht; Schweinefleisch in Essenspaketen für Muslime kommt öfter vor, außer Fertiggerichten, die kurz nach Lieferung gegessen werden müssen da die Flüchtlinge in vielen Sammelunterkünften keine Möglichkeit haben sie aufzuwärmen sind das meistens einfach überzählige Einmannpackungen ("eiserne Rationen") der Bundeswehr die da ausgegeben werden.


Weit verbreitet ist die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen statt Bargeld, die mit der aktuellen Fluchtwelle verstärkt wieder aufkommt - dabei hatten wir es in einem fast ein Jahrzehnt dauernden Kampf geschafft diese abzuschaffen und die Auszahlung von Bargeld durchzusetzen. Das sah normalerweise so aus dass einerseits Deutsche die Gutscheine eintauschten und den Flüchtlingen so Bargeld verschafften (die Gutscheine waren übrigens in ihrem A5 Format und grellen Farben schon ein Diskriminierungsinstrument bei dem Einem der Judenstern einfallen mag, es konnte nicht alles für sie eingekauft werden, nur Grundnahrungsmittel, kein Alkohol, keine Zigaretten, keine hochwertigen Kosmetika). Ein knappes Jahrzehnt lang sass ich in meiner Mittagspause in Mensa- und Kantineneingängen und vertickte die Gutscheine, in der linken Szene war es geradezu hip mit den Gutscheinen einzukaufen.

Andererseits führten wir regelmäßig Antigutscheinaktionen in den Supermärkten durch. Die sahen so aus dass Einkaufswagen bis obenhin vollgeladen wurden mit Produkten die nicht mit Gutscheinen gekauft werden konnten so dass die Kassiererinnen bei Vorlegen der Gutscheine Storno machen mussten. Das wurde dann so koordiniert dass es sämtliche Kassen parallel nebeneinander betraf so dass der ganze Betrieb zum Erliegen kam und Artikel wie etwa Speiseeis weggeworfen werden mussten weil inzwischen aufgeschmolzen, das Ganze unter Pressebegleitung und mit laufenden Kameras. Ansonsten pflegten wir in Supermärkten auf die Verpackungen von Eis oder Rasierwasser zu schreiben: "Achtung, Genussmittel, nicht für Flüchtlinge!".

Die Aktionen waren erfolgreich, Supermarkt für Supermarkt, Kommune für Kommune stieg aus der Gutscheinregelung aus. Und jetzt geht das Ganze wieder von vorne los.

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Montag, 9. April 2018
Ein letzter Funke Hoffnung
Familiennachzug in Deutschland

Die syrische Familie Haj Ali leidet unter dem ausgesetzten Familiennachzug. Die Mutter ist mit vier Kindern in der Türkei, der Vater mit dreien in Northeim.
NORTHEIM taz |

http://www.taz.de/%215492787/


Die Kinder liegen auf dem Bauch auf dem weichen hellgrünen Teppich. Im Fernsehen läuft ein arabischer Trickfilm. Die drei Brüder schauen teilnahmslos zu. Zubeir (9), Fermis (8) und Murad (6) kichern nicht über die einfach gezeichneten Figuren im Fernsehen. Sie lächeln nicht einmal – und das wird in den folgenden fünf Stunden dieses Besuchs so bleiben.
Es ist Dienstagnachmittag. Draußen regnet es. Die Jungs haben noch ihre Schlafanzüge mit Schneemännern und Autos darauf an. Seitdem ein Facharzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie aus dem niedersächsischen Northeim sie für schulunfähig erklärt hat, ist das ein typischer Tag. „Sie spielen nicht“, sagt Samir Faziki. Der junge Mann sitzt auf dem blauen Ledersofa und hebt hilflos die Hände.
Faziki ist ein Erziehungsbeistand vom Jugendamt der Stadt Northeim, nördlich von Göttingen. Hierher sind die Jungs mit ihrem Vater Maher Haj Ali aus dem syrischen Bürgerkrieg geflüchtet und leben jetzt in einer Altbauwohnung.
Faziki soll die Jungs dazu motivieren, dass sie rausgehen, lernen, Spaß haben, aber das klappt nicht. „Für sie wäre es wie ein Verrat, wenn sie jetzt spielen würden“, sagt Faziki.
Die Kinder protestieren. Sie kämpfen auf ihre Weise dagegen an, dass ihre Mutter und ihre vier anderen Geschwister nicht bei ihnen sein dürfen. Das verhindert der deutsche Staat.
Halbgarer politischer Kompromiss
In den Sondierungsverhandlungen, als noch gar nicht klar war, ob Union und SPD gemeinsam regieren würden, waren sich die Parteien schon in einer Sache einig: Sie setzten den Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiärem Schutzstatus noch bis August dieses Jahres aus. Danach dürfen 1.000 Menschen pro Monat nachgeholt werden. Wie diese ausgewählt werden, ist noch unklar.
Horst Seehofer (CSU), der damals noch nicht Innenminister war, hatte argumentiert, dass ohne die Obergrenze eine „massive Zuwanderung“ drohe und die „Integrationsfähigkeit Deutschlands total überfordert wäre“. Die SPD schluckte diese Kröte, und die Familie Haj Ali wurde Opfer eines halbgaren politischen Kompromisses.
Die Kinder haben ihre Mutter seit Oktober 2015 nicht mehr gesehen, nur mit ihr telefoniert. Sie sitzt mit vier Kindern in Izmir in der Türkei fest, die jüngste Tochter, Malven, ist erst auf der Flucht zur Welt gekommen. „Ich habe meine Schwester noch nie gesehen“, sagt Zubeir mit leiser Stimme und dann lauter: „Kann das sein?“
Seine langen Haare fallen ihm ins Gesicht. Er ist mit neun Jahren der Älteste der Brüder. „Ich kann nicht mehr“, sagt er in gutem Deutsch. „Immer heißt es, sie kommt noch ein Jahr später, noch ein Jahr später. Ich will meine Mama haben.“
In der Schule war die Situation zuletzt unerträglich für ihn. Er sah, wenn andere Kinder von ihren Müttern zur Schule gebracht wurden. „Ich bin dann traurig“, sagt Zubeir. „Ich will niemanden sehen, der mit seiner Mutter zusammen ist. Ich hab keine Lust auf das.“
Ein neues Zuhause
Die Situation eskalierte. „Alle drei Kinder zeigen provokatives Verhalten und äußern, dass sie so nicht mehr leben wollen“, heißt es in einem Bericht der Schulleiterin der Ganztagsschule, in die Zubier, Fermes und Murad gingen, der der taz vorliegt. Sie setzten sich gefährlichen Situationen aus, kletterten auf Fensterbretter oder Treppenbrüstungen, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. „Sie äußern, dass sie damit erreichen möchten, dass wir ihre Mutter nach Deutschland ­holen.“
Faziki erklärt das so: „Sie denken, die Schule könne etwas machen und will nur nicht.“ Er versuche den Kindern zu erklären, dass die Lehrer nichts unternehmen könnten, genau wie er selbst und auch die ehrenamtliche Unterstützerin der Familie nicht.
Dabei sah bis Mai 2017 noch alles ziemlich gut aus: Die Kinder gingen zur Schule, fanden Freunde und lernten Deutsch. Auch der Vater, Maher Haj Ali, besuchte einen Sprachkurs. Er machte aus der Wohnung ein Zuhause. In den Regalen im Wohnzimmer stehen Glasbilderrahmen mit den Fotos aller Kinder. Über dem Fernseher kleben schwarz-silberne Wandtattoos in Herzform.
Die Familie kam im November 2015 nach Deutschland. Erst im Januar 2017 entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass die Haj Alis nicht den vollen, sondern nur den subsidiären Flüchtlingsstatus bekommen. Der Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiärem Schutz ist aber seit dem Asylpaket vom 17. März 2016 ausgesetzt.
Haj Ali klagte dagegen, dass ihm das Bundesamt für ­Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht den vollen ­Flüchtlingsstatus zuerkannt hatte, ­sondern nur den subsidiären. Das Verwaltungsgericht Göttingen gab ihm im April 2017 recht. Anerkannte Flüchtlinge haben ein Recht auf Familiennachzug.
Ruhelos und depressiv
„Da war hier Halligalli“, sagt Kerstin Munzinger. Die ehrenamtliche Helferin unterstützt die Familie schon seit zwei Jahren. „Wir haben gefeiert“, erinnert sie sich. Da dachten sie noch, die vierwöchige Widerspruchsfrist gegen das Urteil wäre reine Formsache und die Familie bald wieder vereint. Doch drei Tage vor Ablauf legte das Bamf Widerspruch ein – und bekam vom Oberverwaltungsgericht recht. „Seitdem ist die Stimmung dramatisch gekippt“, sagt Munzinger, eine 55-jährige Northeimerin, die als Gartenbauingenieurin arbeitet. „Ab diesem Zeitpunkt ging es für alle so richtig den Bach runter.“
Maher Haj Ali vergaß Termine und wurde immer ruheloser, am Ende depressiv. Die Kinder bekamen regelmäßig heftige Albträume, ständig taten ihnen der Kopf weh. „Sie sind schon mehrfach in der Schule eingeschlafen“, heißt es im Bericht der Schulleiterin.
Die Kinder vermissen nicht nur ihre Mutter, auch ihre Flucht allein hätte ausgereicht, um einen Menschen zu traumatisieren
Wenig später erklärt ein Arzt die Kinder für schulunfähig. „Der Vater als auch die Kinder brechen unter der Last der Sorge um die Mutter mit ihren Kindern zunehmend zusammen“, schreibt der Psychiater. Seither kommt eine Lehrerin für ein paar Stunden am Tag, um mit den Kindern Deutsch und ­Mathe zu üben, aber die Probleme sind dieselben wie in der Schule.
Maher Haj Ali, ein sportlicher Typ mit ordentlich frisierten Haaren und silbernen Ringen an den Fingern, schickt die Kinder aus dem Raum und öffnet ein Fenster, bevor er sich eine Zigarette ansteckt. Er sieht erschöpft aus. Zwischen seinen Augenbrauen hat sich eine tiefe Falte in die Haut gegraben. Ein Arzt stellte eine schwere Depression bei ihm fest. Jetzt nimmt er Antidepressiva. „Es gibt keine guten Tage, nur weniger schlimme“, sagt Haj Ali auf Arabisch. Faziki übersetzt für ihn.
Die Kinder vermissen nicht nur ihre Mutter, auch ihre Flucht allein hätte ausgereicht, um einen Menschen zu traumatisieren. In der syrischen Stadt Amuda hatte Haj Ali als Maler und Taxifahrer gearbeitet. Doch durch den Bürgerkrieg wurde der Ort abgeschnitten. „Erst kamen keine Lebensmittel mehr rein, dann gab es auch kein Benzin mehr.“
„Mit einem Bein im Boot, mit dem anderen im Grab“
Er floh in den Irak, holte auch seine Familie in das Zeltlager im kurdischen Autonomiegebiet im Regierungsbezirk Dahuk nach. Von Deutschland hat Haj Ali schon lange geträumt. „Ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, dass Deutschland den Kurden Asyl gibt“, sagt er. Auch seine Mutter lebte da schon in Northeim. Das Ziel war also klar, aber das Geld fehlte. Denn um vom Irak über die türkische Grenze zu kommen, mussten sie Schlepper bezahlen. Die Familie trennte sich.
Haj Ali machte sich mit Fermes und Murad auf den Weg über die Berge. Einen Teil der Strecke mussten sie laufen. „Da war eine Schlucht und darüber nur ein Brett“, sagt der Familienvater. „Da mussten wir rüber.“ Die Route führte über Schleichwege weiter. Sie schafften es. Ein Freund brachte Zubeir später nach.
In der Türkei bezahlten die vier den nächsten Schlepper für die Überfahrt nach Griechenland. Das Schlauchboot war überfüllt, der Motor zu klein und das Wetter schlecht. Man braucht keinen Dolmetscher, um Haj Alis Gesten zu verstehen: Mit der Hand zeigt er, wie sich die Wellen aufgebaut haben und dann das Boot abrupt heruntergestürzt ist.
„Wir hatten Angst, dass wir umkippen“, sagt er und zieht den sechsjährigen Murad zu sich heran. Er legt den Arm um dessen Oberkörper. „So habe ich ihn festgehalten. Die ganze Zeit.“ Die Kinder zitterten vor Kälte, weil das Wasser im Boot bis zu den Knien stand. Alle schöpften mit ihren Turnschuhen das Wasser heraus. Da ging auch noch der Motor aus. „Wir standen mit einem Bein im Boot und mit dem anderen im Grab“, sagt Haj Ali.
Sie trieben ab, zurück zur türkischen Küste, als endlich jemand den Motor wieder zum Laufen bekam. Von Griechenland ging es in Bussen über die Balkanroute bis nach Österreich. Da folgte die größte Katastrophe. Haj Ali und die Kinder verloren sich in der Menschenmenge vor den Bussen Richtung Deutschland aus den Augen. Der Zufall rettete sie: Ein Fremder, von dessen Telefon Haj Ali seine Mutter in Northeim angerufen hatte, erkannte die Kinder. Er kontaktierte die Großmutter und brachte die Jungen zu ihr, bevor er weiterreiste. Erst Tage später konnten sie sich dort wieder in die Arme schließen.
In Deutschland lieh sich Haj Ali überall Geld, damit seine Frau mit den Kindern in die Türkei reisen konnte. Sie müssten da jetzt mit sehr wenig Geld überleben, sagt die Helferin Kerstin Munzinger und redet sich dann über das deutsche Asylsystem in Rage.
Die Zustimmung fehlt noch
„Ich hätte das als Deutsche nicht für möglich gehalten.“ Sie meint, dass sich an der Situation nichts ändere, obwohl es den Kindern offensichtlich schlecht gehe. Die Helferin schreibt deshalb an Bundestagsabgeordnete und hält den Kontakt zu den Behörden sowie der Anwältin der Familie. „Aber diese dramatische Situation fällt hier komplett durchs Raster.“ Munzinger reibt sich auf, investiert einen Großteil ihrer Freizeit. Aufgeben will sie nicht – auch wenn sie sieht, dass Haj Ali den Mut verloren hat.
Die 55-Jährige hat noch eine Hoffnung: Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes. Der besagt, dass Ausländern aus dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Diese dringenden Gründe müssen allerdings bei der Mutter und ihren Kindern in der Türkei vorliegen – dass die Kinder hier ihre Mutter vermissen, zählt nicht. Deshalb fieberten alle auf einen Termin der 32-jährigen Mutter im Generalkonsulat in Izmir hin.
Ein paar Tage später kam tatsächlich eine Mail vom Auswärtigen Amt: Das Generalkonsulat Izmir sei gebeten worden, das Visumverfahren für die Frau und ihre Kinder durchzuführen, heißt es darin. Nun fehle nur noch die Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde.
„Wir trauen uns noch nicht, uns zu freuen“, sagt Munzinger am Telefon. „Wir wissen ja noch nicht, was wieder dazwischenkommen kann.“ Trotzdem schleicht sich die Hoffnung ein. Dieses Mal könnte es klappen.
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Freitag, 6. April 2018
Migration und Integration - Worüber sprechen wir eigentlich (nicht)?
Die Region Hannover und das Ev. Flüchtlingsnetzwerk Hannover Garbsen Seelze organisieren Vortrag mit renommiertem Migrationsforscher Professor Jochen Oltmer (Institut für Migration und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück)

Migration verändert die Welt – aber warum, auf welche Weise und mit welchen Folgen? Antworten auf diese Fragen sowie viele Anregungen und Denkanstöße gibt der renommierte Osnabrücker Migrationsforscher Professor Jochen Oltmer am Freitag, 27. April, Haus der Region, Hildesheimer Straße 18 (Raum N002/N003). Der Vortrag auf Einladung des Evangelischen Flüchtlingsnetzwerks Hannover Garbsen Seelze und der Region Hannover beginnt um 19.30 Uhr. Einlass ist um 19 Uhr.

Oltmers Interesse gilt dabei seit 1990 dem Wandel der deutschen, europäischen und globalen Migration vom späten 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Im Mittelpunkt seiner historischen Migrationsforschung stehen Formen von Migration wie Arbeits- und Siedlungswanderung sowie Gewaltmigrationen wie Flucht, Vertreibung und Deportation. Zudem untersucht er die Reaktionen aller beteiligten Akteure.

„Migration war schon immer normal in der Geschichte der Menschheit“, sagt Oltmer, „Menschen waren immer schon in Bewegung.“ Der Migrationsexperte wird sich auch den Fragen widmen, was Integration überhaupt ist, und warum sich Gesellschaften zum Teil offen gegenüber Migration zeigen und sich manche dem Thema verschließen. Zudem erläutert er die Grundzüge des Redens und Schreibens über Migration und ihre Folgen.

Gerade der Blick auf Migration und Asylpolitik hänge von der Perspektive ab und werde permanent neu ausgehandelt. Migration sei weder grundsätzlich gut noch schlecht, so Oltmer. Dennoch beherrschten einseitige Positionierungen und Polarisierungen das Reden und Schreiben über das soziale Phänomen: Die einen verstünden Migration als Ergebnis von Krisen, Katastrophen und Defiziten – und ihre Folgen als Gefahr für Sicherheit, Wohlstand, gesellschaftliche und kulturelle Homogenität. Migration erscheine damit als Risiko, das dringend der intensiven politischen Vor- und Nachsorge bedürfe.

Andere wiederum sähen vornehmlich Potenziale für die Entwicklung des Arbeitsmarkts sowie Perspektiven für ökonomische, soziale und kulturelle Innovationen – im Zielland oder im Herkunftsland der Bewegungen. Nichts daran sei falsch: Wie für jedes soziale Phänomen könnten die Folgen und Effekte von Migration sehr unterschiedlich wahrgenommen und eingeschätzt werden.

Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist erforderlich: www.eeb-hannover.de oder per E-Mail: eeb.hannover@evlka.de, Telefon: 0511 1241-663. Vor allem Oberstufenkurse werden gebeten, sich mit der Anzahl der SchülerInnen anzumelden.

Zur Vita von Jochen Oltmer:

Jochen Oltmer ist Außerplanmäßiger Professor für Migrationsgeschichte am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück. Er arbeitet zu deutschen, europäischen und globalen Migrationsverhältnissen in Vergangenheit und Gegenwart.

Oltmer ist unter anderem Herausgeber des „Handbuch Staat und Migration in Deutschland vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart.“ sowie Autor von „Migration vom 19. bis zum 21. Jahrhundert“ und des Jugendsachbuchs „Vom Ein- und Auswandern. Ein Blick in die deutsche Geschichte.

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Mittwoch, 4. April 2018
Unsere Antwort auf Tellkamp und die Erklärung 2018
hat Klaus Farin formuliert:

http://vtz4.r.ca.d.sendibm2.com/kiblv1b8bf7f.html

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Samstag, 31. März 2018
Lasst Zahlen sprechen
2017 haben 11.000 überwiegend junge Geflüchtete Ausbildungen beim deutschen Handwerk angetreten. In vielen Fällen waren deutsche Azubis gar nicht verfügbar.

Da erzähle mir noch jemand etwas von "Propaganda", "Selbsttäuschung" oder "Augenwischerei", gar "Gutmenschentum" bei den flüchtlingspositiven Erwartungen fürs deutsche Handwerk. Die als rotgrüne Multikultiideologen imaginierten Integrationsbefürworter sind vielfach robuste Maurerpoliere.

btw. übrigens eine Branche mit der ich mehr zu tun habe als dem Irgendwasmitmediensumpf.

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