Dienstag, 8. Dezember 2020
Neuer Hoffnungsträger bei Covid-Behandlung: Molnupiravir
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/sars-cov-2-ansteckungen-im-tierversuch-verhindert-122311/

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COVID-19: 1. Welle, 2. Welle – Intensivmediziner ziehen erste Vergleiche
Ute Eppinger, Medscape



Wie verlief die erste COVID-19-Welle an deutschen Kliniken, wie verläuft die zweite? Was ist anders? Studien dazu wurden auf dem Online-Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vorgestellt [1].

Anteilig weniger invasiv Beatmungspflichtige in 2. Welle
So zeigt eine deutschlandweite Analyse der Daten von 10.021 Patienten, eine hohe Sterblichkeit in der ersten Welle. Im Frühjahr starb ein Fünftel der stationär behandelten COVID-19-Patienten. von den Intensivpatienten, die beatmet werden mussten, starben rund 50%, berichtete Prof. Dr. Christian Karagiannidis. Die Patienten waren zwischen dem 26. Februar und dem 19. April 2020 aufgrund ihrer COVID-19 Erkrankung in einem Krankenhaus behandelt worden, das mediane Alter der Patienten lag bei 72 Jahren.

Der prozentuale Anteil der Patienten die invasiv beatmet werden, hat in der zweiten Welle deutlich abgenommen. Prof. Dr. Christian Karagiannidis
Die allermeisten ITS-Patienten waren schwer krank und mussten invasiv beatmet werden. Nur wenige Patienten wurden mittels Maske beatmet. „Wir sehen jetzt im DIVI-Intensivregister, dass sich das wahrscheinlich etwas verschoben hat. Der prozentuale Anteil der Patienten die invasiv beatmet werden, hat in der zweiten Welle deutlich abgenommen. Wahrscheinlich werden jetzt deutlich mehr Patienten mittels Maske beatmet“, erläutert Karagiannidis, der an der Lungenklinik Köln-Merheim das ECMO-Zentrum leitet.

Obwohl etwa gleich viele Männer und Frauen mit COVID-19 ins Krankenhaus kamen, mussten– rund doppelt so viele Männer auf der Intensivstation behandelt werden. Männliche Intensivpatienten mussten auch häufiger beatmet werden als weibliche: Das Verhältnis lag bei 22% zu 12%.

Sehr viele Patienten mit Nierenversagen
Viele der COVID-19-Patienten der ersten Welle litten an Bluthochdruck (56%) und Diabetes (28%). Karagiannidis wies allerdings darauf hin, dass Hypertonie h in der Bevölkerung sehr verbreitet ist. Insofern überrasche es nicht, dass auch in der zweiten Welle wieder viele Patienten mit Bluthochdruck und Diabetes beobachtet werden.

In der ersten Welle hatten viele Patienten im Erkrankungsverlauf ein Nierenversagen entwickelt: „Das waren weit mehr als wir das beispielsweise von der Grippe her kennen. 30% der beatmeten Patienten waren auch dialysepflichtig, das ist deutlich mehr als bei anderen Intensiv-Erkrankungen. Da liegt dieser Anteil bei ungefähr 10%.“ Die krankenhausinterne Sterblichkeit bei beatmeten Patienten, die eine Dialyse benötigen, betrug 73%.

Chronische Lungenerkrankungen spielten hingegen eine kleinere Rolle als erwartet: Nur etwa 12% der Intensivpatienten litten an Lungenkrankheiten – vor allem Asthma und COPD. Beides ist in der Bevölkerung sehr verbreitet: Rund 8 Millionen Deutsche leiden an Asthma, 6,8 Millionen an COPD.

Lungenerkrankungen spielten bei der Influenza eine größere Rolle für den Verlauf, bei COVID-19 offenbar weniger: „Das ist eine gute Nachricht für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen“, sagte Karagiannidis.

Wurde in der ersten Welle zu früh intubiert? Aus den Daten lasse sich das nicht ablesen. „Wir sehen, dass die Patienten, die mittels Maske beatmet wurden, im Schnitt relativ kurz auf der Intensivstation waren. Wir glauben deshalb, dass diese Patienten insgesamt etwas gesünder waren als die invasiv beatmeten Patienten“, berichtete Karagiannidis. Man könne aus den Daten aber nicht herleiten, ob eine Masken-Beatmung besser sei als eine Intubation.

Alter ist der härteste Risikofaktor für einen tödlichen Verlauf
„Der härteste Risikofaktor, an COVID-19 zu sterben, ist das Alter“, betonte Karagiannidis. So lag die Sterblichkeit bei den beatmeten Intensivpatienten über 80 Jahren bei über 70% und auch bei über 70-Jährigen lag sie bei noch fast 65% – „das ist richtig viel“.

Bei Intensivpatienten unter 60 Jahre, die beatmet werden mussten, betrug die Sterblichkeit 27,7%. Deutlich geringer war die Sterblichkeit, wenn die Patienten nicht beatmet werden mussten: Von den über 80-Jährigen starben knapp 34%, von den über 70-Jährigen 14,6% und von den unter 60-Jährigen 0,7%.

Deutsches Gesundheitssystem hat sich bewährt
Die Intensivmediziner zogen auch internationale Versgleiche. So zeigen Daten aus Norditalien, dass fast alle ITS-Patienten unter 75 Jahre alt waren, denn mittels Triage musste eine Vorauswahl zu Lasten älterer Patienten getroffen werden, wie Karagiannidis berichtete.

In Deutschland hingegen waren die meisten beatmeten COVID-19-Patienten über 75 Jahre alt: „Wir waren nicht gezwungen zu triagieren und wir konnten alle Patienten behandeln, auch völlig unabhängig von ihrem Alter.“ An diesem Beispiel werden die Vorteile das deutsche Gesundheitssystem in der Pandemie deutlich.

Auch ein Vergleich mit Großbritannien unterstreicht dies: Während dort 30% der COVID-19 Patienten auf Normalstationen gestorben sind, waren es in Deutschland 16%. Karagiannidis führt das auf die unterschiedlichen Ressourcen der Gesundheitssysteme zurück. „Dort waren die Ressourcen wohl so limitiert, dass die Patienten schon im Vorfeld gestorben sind und gar nicht mehr auf die Intensivstation kamen. Das muss man in die Diskussion mit einbeziehen: Es ist ein Riesenvorteil, dass wir in Deutschland so viele Ressourcen zur Verfügung haben.“

In der zweiten Welle mehr Patienten auf Normalstationen
Im Unterschied zur ersten Welle sind in der zweiten Welle deutlich mehr COVID-19-Patienten auf Normalstationen untergebracht. „In der ersten Welle hatten wir nicht so viele Patienten auf Normalstation. Doch alle Kliniken stellen jetzt fest, dass wir extrem viele Patienten auf der Normalstation haben, Patienten, die auch nicht zwingend eine Intensivbehandlung brauchen. Ich glaube, das ist ein Effekt des frühzeitigen Einsatzes von Dexamethason. Damit ersparen wir dem einen oder anderen die Intensivstation. Ich denke, das ist der wahre Durchbruch, den wir bislang in der Therapie haben. Alle anderen Medikamente haben bisher nicht die Wirkung, die Dexamethason hatte.“

Ich glaube, das ist ein Effekt des frühzeitigen Einsatzes von Dexamethason. Damit ersparen wir dem einen oder anderen die Intensivstation. Prof. Dr. Christian Karagiannidis
Ist die Sterblichkeit in der zweiten Welle geringer? Eine Schätzung wagt Karagiannidis nicht, sagt aber, dass die hohe Zahl der Patienten auf Normalstationen schon sehr auffällig sei. Erst im Januar, Februar 2021 lasse sich sagen, wie die prozentuale Verteilung aussehe, „früher stehen uns die Daten nicht zur Verfügung“.

Er sagt aber auch, dass die Patienten, die in der zweiten Welle auf die Intensivstation kommen, ähnlich schwerkrank sind, wie die Patienten in der ersten Welle. „Die einzige Ausnahme ist, dass wir nicht mehr so viel Überreaktion des Immunsystems sehen. Das Dexamethason fängt sie ab.“

Belastungsmodell prognostiziert Stabilisierungsphase
Derzeit sind knapp 4.000 COVID-19-Patienten auf der Intensivstation. Womit rechnen die Intensivmediziner? Die DIVI hat ein Belastungsmodell für Intensivstationen durch COVID-19 entwickelt. Es prognostiziert für die nächsten 2 bis 3 Wochen einen ähnlich hohen Stand wie aktuell, doch über diesen Zeitraum hinaus ist eine Prognose schwierig.

Doch ob die Infektionszahlen nun gleich bleiben oder um maximal 30% steigen: „Wir werden trotzdem irgendwann in eine Phase hineinkommen, in der die Zahlen (auf den Intensivstationen) nicht weiter steigen, sondern sich stabilisieren – vorausgesetzt, dass wir an Weihnachten nicht so viele Übertragungen haben.“ Es gebe damit einen gewissen Hoffnungsschimmer, dass die Patienten jetzt nicht immer noch mehr werden.

Thanksgiving sei in den USA und Kanada allerdings ein großer Booster gewesen, er empfehle deshalb dringend, sich auch bei leichtesten Anzeichen einer Infektion noch vor Weihnachten testen zu lassen und sich im Zweifelsfall ein paar Tage zu isolieren. „Ich hoffe, dass wir damit einige von den Superspreading Events verhindern können.“

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Donnerstag, 3. Dezember 2020
Warum manche Patienten besonders schwer an COVID-19 erkranken – liegt es an Autoantikörpern gegen Interferone?
Liz Szabo, Medscape

3. Dezember 2020


Dr. Megan Ranney, Dozentin für Notfallmedizin an der Brown University, hat viel über COVID-19 gelernt, seit sie im Februar in der Notaufnahme mit der Behandlung von COVID-19-Patienten begann. Eine Frage konnte sie jedoch bislang immer noch nicht beantworten: Warum sind manche Patienten so viel kränker als andere?

Das fortschreitende Alter und die häufig damit verbundenen Grunderkrankungen erklären nur einen Teil des Phänomens, sagt Ranney. Sie erlebt immer wieder, wie Patienten mit ähnlichem Alter, ähnlicher Vorgeschichte und ähnlichem aktuellen Gesundheitszustand extrem unterschiedliche Verläufe zeigen. „Warum wird der eine 40-Jährige schwer krank, während ein anderer nicht einmal stationär behandelt werden muss?“, fragt Ranney.

Es gibt einige interessante neue Untersuchungsergebnisse, nach denen manche Patienten gewissermaßen unter „friendly fire“, also unter „Beschuss durch die eigenen Truppen“ leiden, was in diesem Fall das eigene Immunsystem bedeutet. Die Untersucher hoffen nun, dass diese Ergebnisse ihnen helfen werden, gezielte Therapien für diese Patienten zu entwickeln.

Die Rolle der Interferone und Autoantikörper
Science veröffentlichte eine internationale Studie, nach der etwa 10% von knapp 1.000 COVID-19-Patienten mit lebensbedrohlicher Pneumonie Antikörper gegen wichtige Proteine des Immunsystems, gegen Interferone, entwickelten und diese außer Gefecht setzen [1].

Diese Autoantikörper, die den eigenen Körper angreifen, wurden bei 663 Menschen mit leichten oder asymptomatischen COVID-Verläufen überhaupt nicht gefunden, und von 1.227 gesunden Personen wiesen nur 4 diese Autoantikörper auf. Die Studie wurde vom COVID Human Genetic Effort durchgeführt, dem 200 Forschungszentren in 40 Ländern angehören, und am 23. Oktober veröffentlicht.

Dies gehört zu den wichtigsten Dingen, die wir über das Immunsystem gelernt haben, seit die Pandemie uns in Atem hält. Dr. Eric Topol
„Dies gehört zu den wichtigsten Dingen, die wir über das Immunsystem gelernt haben, seit die Pandemie uns in Atem hält“, sagt Dr. Eric Topol, geschäftsführender Vizepräsident der Forschungsabteilung am Scripps Research in San Diego und Chefredakteur von Medscape, der an dieser neuen Studie nicht beteiligt war. „Dieses Ergebnis ist bahnbrechend.“

In einer 2. Studie desselben Teams zeigte sich, dass weitere 3,5% der kritisch Kranken Mutationen an Genen aufwiesen, welche die Interferone kontrollieren, die an der Virenbekämpfung beteiligt sind [2]. Da der Körper 500 bis 600 solcher Gene besitzt, ist es möglich, dass Forscher weitere Mutationen finden werden, sagte der Hauptautor der 2. Studie, Dr. Qian Zhang vom Rockefeller University's St. Giles Laboratory of Human Genetics of Infectious Diseases.

Vor COVID-19 waren sie (die Autoantikörper) wie Schläfer. Dr. Paul Bastard

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Noch keine Trendumkehr – Wieler rechnet mit „vielen weiteren Toten“
RKI-Chef Prof. Dr. Lothar Wieler zeigte sich im heutigen Pressebriefing des Robert Koch-Instituts unzufrieden mit der aktuellen Entwicklung in der Corona-Krise. Am Morgen hatte das RKI wiederum über 22.000 neue Infektionen innerhalb der vergangenen 24 Stunden in Deutschland gemeldet. Auch die Zahl der Corona-Toten sei mit 479 in den letzten 24 Stunden sehr hoch. Über 3.900 Menschen werden derzeit wegen einer Corona-Infektion intensivmedizinisch behandelt. Nach RKI-Angaben sind bislang in Deutschland 1.106.789 Infektionen mit SARS-CoV-2 erfasst worden, insgesamt 17.602 Todesfälle stehen im Zusammenhang mit der Virusinfektion.

„Die befürchtete Entwicklung ist eingetreten“, so Wieler: Immer mehr Gesundheitsämter und Kliniken stießen an ihre Belastungsgrenzen. „Der Trend ist noch nicht gebrochen“, konstatierte er, „Die Lage bleibt angespannt!“ Er appellierte an die Bevölkerung, sich noch mehr an die AHA-L Regeln zu halten, um die Infektionszahlen zu senken. Gelinge dies nicht, sei mit einem weiteren Anstieg der schweren intensiv-pflichten Verläufe zu rechnen – und auch „mit vielen weiteren Toten“.

Fast 5.300 Corona-Tote in Betreuungseinrichtungen – aber auch 55 Tote unter Pflegekräften
Nach wie vor sei die 7-Tage-Inzidenz bei den jungen Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren besonders hoch, informierte Dr. Ute Rexroth, die die RKI-Stabsstelle zur Corona-Krise leitet. Aber es infizierten sich derzeit auch immer mehr Ältere. „Es ist uns nicht gelungen, das Virus aus den Alten- und Pflegeheimen herauszuhalten – und diese besonders vulnerable Gruppe zu schützen“, räumte Wieler ein.

Nach aktuellen RKI-Zahlen ist COVID-19 für betreute Menschen in Pflegeeinrichtungen und anderen Gemeinschaftsunterkünften besonders gefährlich: Jeder 5. Infizierte dort stirbt. Insgesamt gab es unter den betreuten Infizierten bislang 5.292 Corona-Todesopfer in Deutschland (Stand 2. Dezember) – aber auch 55 infizierte Pflegekräfte sind dem Erreger zum Opfer gefallen.

Inzidenz von 50/100.000 ist erreichbar – Hamburg als Beispiel
Von den bislang 17.602 Corona-Toten insgesamt seien über 11.000 in einem Alter über 80 gewesen, berichtete Rexroth. In der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen gab es mehr als 1.500 Tote und bei den 50- bis 59-Jährigen noch über 500. Das Virus zirkuliere in der jüngeren Bevölkerung und werde von diesen in die älteren Altersgruppen getragen, sagte die Infektionsepidemiologin. Daher sei es wichtig, die Inzidenz allgemein zu senken. Dabei sei das Ziel nach wie vor unter einen Wert von 50 pro 100.000 Einwohner zu kommen.

Auf die kritische Nachfrage, ob sie dieses Ziel tatsächlich für erreichbar hielten, zeigten sich Wieler und Rexroth optimistisch. Sie verwiesen auf das Beispiel von Hamburg: Die Hansestadt sei bei den Corona-Infektionen unter den Spitzenreitern gewesen, zeige nun einen deutlichen Rückgang der Infektionszahlen und nähere sich mit einer derzeitigen Inzidenz von 67/100.000 dem angestrebten Ziel.

Mehr Compliance als Lösung? Wieler schlägt Hygienebeauftragte für Schulen vor
Wie Wieler sagte, hält er es nicht für erforderlich Strategien und Konzepte zu ändern, weil eine Trendwende bislang nicht gelungen ist. Die Hygienekonzepte müssten einfach konsequenter umgesetzt werden. Er verwies auf RKI-Statistiken, die die Infektionszahlen in Krankenhäusern und Pflegeheimen während der ersten Welle im Frühjahr mit den derzeitigen Zahlen vergleichen.

Was auffällt: Im Vergleich zum Frühjahr sind in den Kliniken die nosokomialen Infektionen deutlich niedriger. Das heißt, es gelingt sehr viel besser, eine Übertragung des Erregers dort zu verhindern. Den gleichen Erfolg sieht man derzeit in den Alten- und Pflegeheimen aber noch nicht.

Er appellierte an die Träger der Heime, die dort benötigten zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen und verwies auf die kürzlich überarbeiteten Hygiene-Empfehlungen des RKI für solche Einrichtungen. Insgesamt sei es wichtig, auch z.B. in Schulen oder anderen ähnlichen Einrichtungen die Hygienekonzepte entsprechend umzusetzen. Um dies zu gewährleisten, schlug Wieler vor, dass Schulen z.B. einen Lehrer zum „Hygienebeauftragten“ erklärten, der sich über die entsprechenden Regelungen informiere und deren Umsetzung organisiere.

In diesem Zusammenhang sieht Wieler auch die schnellen Antigen-Tests. Sie könnten als Werkzeug sehr hilfreich sein, müssten aber in ein „Gesamt-Hygiene-Konzept“ eingebettet sein. „Die Tests dienen vor allem dazu zu prüfen, ob die Hygieneregeln funktionieren!“ Das Wichtigste, um die Lage in den Griff zu bekommen, sei derzeit „die Compliance, also die Maßnahmen noch konsequenter umzusetzen“.

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Montag, 30. November 2020
Neue Covid19-Strategie? Viel mehr Lockdown geht nicht
1.053.869 SARS-CoV-2-Infektionen (11.169 mehr als gestern) und 16.248 Todesfälle (+125) – diese Zahlen hat das Robert Koch-Institut (RKI) am 30. November, 07:00 Uhr, veröffentlicht. Darauf haben Politiker bekanntlich mit einem Teil-Lockdown reagiert. Doch die Kritik wächst.

„Wir können nicht auf Dauer alles schließen und der Staat bezahlt Monat für Monat Milliarden-Ausfälle“, sagt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). „Ab dem neuen Jahr wird ein neues Modell nötig sein.“ Er sieht in Impfstoffen eine langfristige Perspektive. „Noch ein weiteres Jahr wie dieses halten Gesellschaft und Wirtschaft nicht durch“, so Laschet weiter.


Für Patienten mit Asthma geben Pneumologen weitgehend Entwarnung. Studien hätten die Erkrankung nicht mit schwerem COVIOD-19 in Verbindung gebracht, schreiben DGP und BdP. In manchen Fällen sollte aber die Medikation angepasst werden. Es gibt zumindest Hinweise, dass orale oder hochdosierte inhalative Steroide einen schweren Verlauf begünstigen. Biologicals gelten als mögliche Alternative. Niedrig oder mittel dosierte inhalative Steroide sind jedoch unproblematisch. Ähnliche Empfehlungen geben Fachgesellschaften für Patienten mit Sarkoidose oder anderen interstitiellen Lungenerkrankungen.

Wer an COPD, Lungenfibrose beziehungsweise Lungenkrebs leidet oder eine Lungentransplantation überstanden hat, gilt als besonders gefährdet. Das liegt laut Positionspapier nicht nur an der Lungenerkrankung, sondern an Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Selbst bei höherem Risiko raten DGP und BdP aber nicht zur vorbeugenden Isolation. Vielmehr sollten Hygieneregeln des RKI konsequent umgesetzt werden. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Pneumologen mache es auch Sinn, FFP2-Masken zu tragen – und keine Alltagsmasken. Mittelfristig bleibt die Hoffnung auf Impfstoffe.

Russischer Impfstoff erreicht eine Effektivität über 95%
Neue Daten kommen aus Russland: Sputnik V soll laut Pressemeldung des Direktinvestitionsfonds eine Wirksamkeit von 91,4% zum Zeitpunkt 28 Tage nach Erhalt der 1. Dosis (7 Tage nach der 2. Dosis) erzielen. Das geht aus einer geplanten Zwischenauswertung der laufenden Phase-3-Studie hervor.

18.794 Probanden erhielten 2 Dosen der Vakzine (n = 14.095) oder Placebo (n = 4.699). Dabei kam es zu 8 bzw. 31 Infektionen mit SARS-CoV-2. Vorläufige Daten zu Freiwilligen am 42. Tag nach der 1. Dosis (entsprechend 21 Tage nach der 2. Dosis) zeigen, dass die Wirksamkeit sogar über 95% liegt. Bereits Anfang September hatte das Konsortium Resultate ihrer Phase-1/2-Studie in The Lancet veröffentlicht.

Grundlage des Impfstoffs ist – wie bei der Oxford-Vakzine – die Vektorvirus-Technologie. Russische Forscher setzten jedoch 2 verschiedene Vektoren ein. Probanden erhalten bei der 1. Impfung eine Vakzine auf Grundlage des Adenovirus vom Typ 26 (rAd26). Die 2. Impfung enthält ein Adenovirus vom Typ 5 (rAd5).

Warum dieser Aufwand? Das menschliche Immunsystem kann Antikörper gegen Adenoviren bilden, und die 2. Impfung würde abgeschwächt. Dies könnte scheinbar paradoxe Effekte der Oxford-Studie erklären ( Medscape hat berichtet ): Britische Forscher erzielten mit einer halben 1. und einer vollen 2. Dosis ihres Vektorvirus-Impfstoffs die besten Ergebnisse.

EMA: Weitere Daten zu SARS-CoV-2-Vakzinen
Unabhängig vom wissenschaftlichen Einzelfall sind die Prognosen aber gut. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA überprüft fortlaufend Daten. Und Jens Spahn rechnet „noch im Dezember“ mit einer Zulassung.

Nun meldete sich die EMA mit einer weiteren Strategie zu Wort. Sie wird eine Erklärung der Internationalen Koalition der Arzneimittelaufsichtsbehörden (ICMRA) ratifizieren. ICMRA-Experten fordern von Impfstoffforschern, Hochschulen, Aufsichtsbehörden und von der Pharmaindustrie, Studien über den vordefinierten Zeitraum hinaus fortzusetzen. Dies könne wichtige zusätzliche und genauere Informationen zur langfristigen Sicherheit und Wirksamkeit eines Impfstoffs gegen COVID-19 liefern, heißt es im Dokument.

Nach COVID-19: Hinweise auf Langzeit-Folgen
Ein weiteres Argument, sich durch Impfungen zu schützen, liefern niederländische Wissenschaftler. Wer an COVID-19 erkrankt, muss mit langfristigen Folgen rechnen. Zu dem Ergebnis kommen Dr. Bram van den Borst, Radboud University Medical Center Nijmegen, und Kollegen. Sie nahmen 124 Patienten einer Nachsorgeklinik in die Studie auf (Alter 59±14 Jahre, 60% Männer). Von ihnen hatten 27 eine leichte, 51 eine mittelschwere, 26 eine schwere und 20 eine kritische COVID-19 überstanden.

Die häufigsten Beschwerden nach 3 Monaten waren Müdigkeit, Atemnot und Schmerzen in der Brust. Viele Menschen hatten auch immer noch Einschränkungen in ihrem täglichen Leben sowie eine verminderte Lebensqualität.

Bei einem Großteil war der Röntgen-Thorax zwar unauffällig. Auch die Sauerstoffsättigung in Ruhe erreichte meist Normalwerte. Borst berichtet jedoch, dass 86% der Patienten weiter leichte Milchglastrübungen im CT hatten. Und im Schnitt wurde nur 81% der Diffusionskapazität für Kohlenmonoxid (DLCO) erreicht. Das zusammen sei als mögliche Hinweise auf eine beginnende Lungenfibrose zu werten, so die Autoren.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bringt eine nationale Gesundheitsreserve mit Schutzausrüstung, Schutzmasken, Beatmungsgeräten und Medikamenten ins Gespräch. Er will Depots an bundesweit 19 Standorten einrichten.

G-BA: Wer soll FFP-2-Masken bekommen?
Außerdem hat Spahn mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz juristische Grundlagen geschaffen, um – wie geplant – FFP2-Masken über öffentliche Apotheken zu verteilen. Risikopatienten sollen gegen einen niedrigen Obolus 15 dieser Masken bekommen, also eine Maske pro Winterwoche.

Mittlerweile hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Empfehlungen zur Frage veröffentlicht, wer als besonders vulnerable Gruppe geschützt werden sollte: Menschen ab 60 Jahren, Frauen mit einer Risikoschwangerschaft, Patienten mit Herzinsuffizienz, mit zerebrovaskulären Erkrankungen, mit Typ-2-Diabetes, mit Krebserkrankungen unter einer Chemotherapie, mit Nierenerkrankungen ab dem Stadium 4, mit Asthma, chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung, mit Demenz, Übergewicht (BMI ab 30) und nach einer Organtransplantation. Alles in allem umfassen diese vulnerablen Gruppen 27,35 Millionen Bundesbürger.

Aktualisierte Stellungnahme zur Risikoabschätzung bei Lungenerkrankungen
Viele Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen stellen sich – und ihren Ärzten – die Frage, wie hoch ihre Gefahr für einen schweren Verlauf ist. Zur Risikoabschätzung haben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) eine aktualisierte Stellungnahme veröffentlicht.

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Covid19 als Weihnachtsgeschenk - wie infektiv ist der Virus?
https://www.nzz.ch/panorama/coronavirus-1000-partikel-reichen-fuer-eine-infektion-was-das-fuer-weihnachtsfeiern-bedeutet-ld.1588857?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

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Sonntag, 29. November 2020
Immunität gegen Covid19 möglicherweise leichter zu haben als gedacht
https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/corona-warum-die-immunitaet-jahre-anhalten-koennte-und-was-das-fuer-einen-impfstoff-bedeutet-a-fd678317-628b-41d1-a4b2-dc2eca2915ab?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

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Donnerstag, 26. November 2020
Oxford-Impfstoff scheint gerade für Ältere sicher zu sein
Ein von Wissenschaftlern der Universität Oxford entwickelter SARS-CoV-2-Impfstoff hat bei gesunden Teilnehmern ab 56 Jahren ein ähnliches Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil wie bei Probanden zwischen 18 und 55 Jahren.

Ältere Menschen scheinen den Impfstoff auch besser als jüngere Studienteilnehmer zu vertragen. Darauf deuten vorläufige, jetzt in The Lancet veröffentlichte Daten hin [1]. Erstautorin ist Dr. Maheshi N. Ramasamy von der University of Oxford.

Bei ChAdOx1 nCoV-19 handelt es sich um einen Vektorviren-Impfstoff auf Basis eines Adenovirus, das sich nicht in menschlichen Zellen repliziert. Die Vakzine geht auf Forschungsergebnisse der University of Oxford zurück. Industrieller Partner ist AstraZeneca.

Weitere Studienergebnisse bis Weihnachten
In den kommenden Wochen werden Zwischenergebnisse aus größeren Phase-3-Studien erwartet, die zeigen, ob der Impfstoff von Menschen auch davor schützt, schwer an COVID-19 zu erkranken. Prof. Dr. Andrew Pollard, der die Studie leitet, sagte, er sei „zuversichtlich, dass wir Ergebnisse der Phase-3-Studien noch vor Weihnachten erhalten werden“.

Ich bin zuversichtlich, dass wir Ergebnisse der Phase-3-Studien noch vor Weihnachten erhalten werden. Prof. Dr. Andrew Pollard
Erste Ergebnisse von Pfizer/BioNTech und Moderna, die kürzlich veröffentlicht wurden, deuten darauf hin, dass ihre mRNA-Impfstoffe eine Effektivität von 95% haben.

Pollard sagte jedoch bei einem Briefing des britischen Science Media Centre, dass es sich „nicht um einen Wettbewerb“ handele und dass sein Team daran arbeite, „sehr hochwertige Daten“ zu seinem Impfstoff auf Grundlage des Schimpansen-Adenovirus bereitzustellen.

AZD1222 – was der Hersteller bekanntgibt

In einer Pressemeldung berichtet AstraZeneca über Eckpunkte der Zwischenanalyse aus Großbritannien und Brasilien.

Das 1. Dosierungsschema (n=2.741) zeigte eine Impfstoffwirksamkeit von 90%, wenn AZD1222 als halbe Dosis verabreicht wurde, gefolgt von einer vollen Dosis im Abstand von mindestens 1 Monat. Das 2. Schema (n=8.895) führte zur Effektivität von 62%, wenn 2 Dosen im Abstand von mindestens 1 Monat verimpft wurden. Die kombinierte Analyse beider Gruppen (n=11.636) ergab eine durchschnittliche Wirksamkeit von 70%. Alle Resultate waren statistisch signifikant (p≤0,0001). Es werden weiterhin weitere Daten gesammelt und zusätzliche Analysen durchgeführt.

Ein unabhängiges Data Safety Monitoring Board stellte fest, dass die Studie ihren primären Endpunkt erreicht hat. 2 Impfdosen führen nach 14 Tagen zum Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen. Es wurden keine schwerwiegenden Sicherheitsereignisse im Zusammenhang mit dem Impfstoff gefunden.

Design der Studie
Ergebnisse der Phase-2-Studie mit ChAdOx1 nCoV-19 zeigten, dass der Impfstoff neutralisierende Antikörper und T-Zell-Reaktionen in allen Altersgruppen von 18 bis 70+ induziert, unabhängig davon, ob die Teilnehmer 1 oder 2 Dosen erhielten. Die T-Zell-Antwort erreichte ihren Höhepunkt 14 Tage nach der 1. Impfdosis, und es kam innerhalb von 28 Tagen nach der Auffrischungsimpfung zu einer Antikörperantwor

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Mittwoch, 25. November 2020
Superspreader im Klassenzimmer?
Neue Studien geben Entwarnung – aber zeigen auch, wie kritisch die Belüftung ist
Michael van den Heuvel, Medscape



Generelle Schulschließungen sind nach wie vor kein Thema, auch wenn die Leopoldina vor rund 1 Woche vor steigenden Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen gewarnt hat und die Weihnachtsferien verlängert werden sollen. Aber sind Klassenzimmer vielleicht doch unerkannte Corona-Hotspots in denen symptomfreie Superspreader sitzen – oder nicht?

Wie hoch die Dunkelziffer in dieser Altersgruppe ist, war bisher unklar, denn getestet wird nur bei Symptomen oder nach Risikokontakten. Jetzt geben Pädiater aus Deutschland Entwarnung: Bei Screenings mit 110.000 Kindern und Jugendlichen fielen nur 0,53% aller Tests positiv aus [1].

„Wir testen an deutschen Kinderkliniken zum Großteil routinemäßig alle Kinder, die aufgenommen werden“, so Prof. Dr. Matthias Keller. Er ist ärztlicher Direktor und Chefarzt der Kinderklinik Dritter Orden, Passau. An der Stichprobe zeige sich, so Keller, dass es keine wesentliche Untertestung von Kindern gebe.

Prof. Dr. Johannes Hübner, stellvertretender Klinikdirektor der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, München, ergänzt: „Alles deutet darauf hin, dass die Infektionsraten in Schulen die Prävalenz von COVID-19 in der Umgebung widerspiegeln.“ In Schulen sieht er keine Hotspots. „Der Konsens ist wirklich, dass Kinder und Schulen nicht der Hauptfaktor für die Übertragung von COVID-19 sind.“

Der Konsens ist wirklich, dass Kinder und Schulen nicht der Hauptfaktor für die Übertragung von COVID-19 sind. Prof. Dr. Johannes Hübner
Der Experte weiter: „Wenn wir einen Schulbetrieb für die Kinder ermöglichen wollen, dann liegt es an uns Erwachsenen – und natürlich allen, einen Beitrag zu leisten, und das ist in der momentanen Situation die Kontaktreduktion.“ Dies gelte auch für Kinder außerhalb der Schule.

Keller und Hübner haben zusammen mit Prof. Dr. Michael Kabesch, Leiter der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Barmherzige-Brüder-Klinik St. Hedwig Regensburg, die Analyse durchgeführt.

Bundesweite Ad-hoc-Analyse mit mehr als 110.000 Kindern
Zwischen dem 18. und dem 20. November 2020 erhielten die Forscher Daten von 105 aller 145 angefragten Kinderkliniken und Kinderabteilungen. Rund 80% davon führen bei der Aufnahme ein Routinescreening auf SARS-CoV-2 durch.


Die Stichprobe umfasste bis 18. November mehr als 110.000 PCR-Tests an Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 18 Jahren. Meist handelte es sich um Routine-Screenings vor chirurgischen Eingriffen oder sonstigen stationären Behandlungen.

Die Positivrate schwankte bei einem generellen Screening je nach Klinik zwischen 0% und 0,2%. Führten Häuser symptomatische Screenings durch oder testeten Kinder im Auftrag der Gesundheitsämter, lag der Wert bei bis zu 3%. Im Mittel waren 0,53% aller Tests positiv.

„Die öffentliche Diskussion und Darstellung, wie z.B. brandgefährlicher Schulunterricht, wird durch … Daten an über 110.000 Kindern und Jugendlichen auch in dieser Phase der Pandemie nicht gestützt und untergräbt das Engagement von Lehrenden, Schülerinnen und Schülern und Eltern, die sich tagtäglich mit Erfolg für einen Schulbetrieb und damit für die Bildung und Zukunft unserer Zivilgesellschaft einsetzen“, heißt es in der Pressemeldung.

Es gibt jedoch deutlich Hinweise, dass die Infektionsquelle in der Mehrzahl außerhalb des schulischen Bereiches liegen. Prof. Dr. Johannes Hübner und Kollegen
Es stehe außer Frage, dass Kinder und Jugendliche sich infizierten und auch das Virus weitergeben könnten. „Es gibt jedoch deutlich Hinweise, dass die Infektionsquelle in der Mehrzahl außerhalb des schulischen Bereiches liegen, so dass neben den notwendigen Hygienemaßnahmen in den Schulen es weitere außerschulische Ansätze zur Eindämmung der Pandemie und Reduktion der Inzidenzzahlen geben muss“, so die Studienautoren.

Ihre Analyse ist ein gemeinsames Projekt der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie, der Süddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, des Verbands der leitenden Kinderärzte und Kinderchirurgen Deutschlands, des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Bayerns und des Verbands der leitenden Kinderärzte und Kinderchirurgen Landesverband Bayern.

Corona-Schulstudie bestätigt Ergebnisse
Zeitgleich wurden Ergebnisse der 2. Dresdner Corona-Schulstudie publiziert [2]. Sie fokussiert sich auf Jugendliche im mittleren Alter von 15 Jahren und deren Lehrer; Blutproben von 2.000 Personen standen zur Verfügung. Erfasst wurden Antikörper gegen SARS-CoV-2. Bei der 1. Schulstudie fanden die Wissenschaftler einen Immunisierungsgrad von 0,6%. Obwohl rund 50% der Schüler und 16% der Lehrer zwischenzeitlich eine Infektion der Atemwege unklarer Genese hatten, änderte sich die SARS-CoV-2-Seroprävalenz nicht.

Unsere Daten zeigen, dass der Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern in der Population der Jugendlichen mindestens bis zu den Herbstferien sehr gering war. Prof. Dr. Reinhard Berner
„Unsere Daten zeigen, dass der Nachweis von SARS-CoV-2-Antikörpern in der Population der Jugendlichen mindestens bis zu den Herbstferien sehr gering war“, kommentiert Prof. Dr. Reinhard Berner. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Dresden und leitete die Studie.


Die Untersuchung zeige, dass es „weder während der ersten Welle noch in den 4 Monaten nach Wiedereröffnung der Schulen zu unerkannten Übertragungen gekommen ist und dass es keine Hinweise gibt, dass Schulen sich zu Silent Hotspots dieser Pandemie entwickelt haben“.

Alles halb so wild? Zweifel im Einzelfall bleiben
Andere Studien widersprechen diesen Ergebnissen teilweise. So fanden Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München heraus, dass zwischen April und Juli 2020 im Schnitt 0,87% aller untersuchten Kinder Antikörper gegen SARS-CoV-2 hatten: ein 6-fach höherer Wert als im Zeitraum vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung offiziell gemeldet.

Für die Studie wurden knapp 12.000 Blutproben von Kindern in Bayern im Alter zwischen 1 und 18 Jahren untersucht. Es handelte sich um Teilnehmer der Fr1da-Studie zur Früherkennung von präsymptomatischem Typ-1-Diabetes. Als Einschränkung muss erwähnt werden, dass heute weitaus mehr Menschen getestet werden als im Studienzeitraum. Damit liegt die Dunkelziffer wahrscheinlich auch niedriger.

Laut Forschern der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) könne auch Klassenzimmer sehr wohl zur Gefahr werden. Nicht alle Schulen haben Lüftungssysteme – und wer öffnet im Winter schon regelmäßig die Fenster? Ihrer Untersuchung zufolge kann das Infektionsrisiko in Räumen mit 35 Personen fast 12-fach höher sein als in Zimmern mit mechanischen Systemen zum Luftaustausch. Selbst wenn man die Belegung auf 18 Personen senken würde, müsste die Luft in dem Raum 3,3-mal pro Stunde ausgetauscht werden, was praktisch unmöglich ist. Das gilt für Klassen ohne die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

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Dienstag, 24. November 2020
Das WHO-Leitlinienteam empfiehlt kein Remdesivir bei COVID-19 – haben Behörden ähnliche Fehler wie bei Tamiflu® gemacht?
Michael van den Heuvel, Medscape



Remdesivir werde bei Patienten, die aufgrund von COVID-19 stationär behandelt werden, nicht mehr empfohlen – unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Derzeit gebe es keine Belege dafür, dass das Medikament die Überlebenschancen oder die Chance auf Vermeidung einer Beatmungspflicht verbessere, schreibt ein Gremium internationaler Experten der WHO-Leitlinien-Entwicklungsgruppe im BMJ [1].

Einen hohen Preis für Remdesivir zu zahlen, ohne gute Evidenz für eine niedrigere Sterblichkeit zu haben, ist ein Glücksspiel. Prof. Dr. Robin Ferner
„Einen hohen Preis für Remdesivir zu zahlen, ohne gute Evidenz für eine niedrigere Sterblichkeit zu haben, ist ein Glücksspiel“, sagt Prof. Dr. Robin Ferner, ein klinischer Pharmakologe an der University of Birmingham. Er war an der Publikation nicht beteiligt.

Große Erwartungen zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie
Remdesivir hat als potenziell wirksame Behandlung für schweres COVID-19 weltweite Aufmerksamkeit erhalten und wird zunehmend zur Behandlung von Patienten im Krankenhaus eingesetzt. Seine Relevanz in der klinischen Praxis ist jedoch unklar.

Noch im Oktober 2020 deuteten Ergebnisse der ACTT-1-Studie darauf hin, dass Remdesivir die Morbidität und die Mortalität günstig beeinflusst, aber nur bei bestimmten Subgruppen (wie Medscape berichtete). Laut europäischer Zulassung profitieren Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren, die zusätzlichen Sauerstoff erhalten, vom Arzneistoff – also weder beatmungspflichtige Patienten noch Patienten mit sehr mildem Verlauf. Doch Empfehlungen können sich aufgrund neuer Daten ändern.

Neue Daten ausgewertet
Die aktuelle Empfehlung basiert auf 4 randomisierten Studien mit über 7.000 Patienten, die wegen COVID-19 stationär behandelt worden sind. Sie erhielten verschiedene Therapien. Das Expertengremium kam zum Schluss, dass Remdesivir keinen signifikanten Einfluss auf die Mortalität oder auf andere wichtige Endpunkte für Patienten hat, wie die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder die Zeit bis zur klinischen Besserung der Symptome.

Die Autoren relativieren, man könne derzeit nicht sagen, dass Remdesivir generell keinen Nutzen habe. Vielmehr gebe es auf der Grundlage der verfügbaren Daten keinen Beleg dafür, dass es wichtige Endpunkte beeinflusse. Weitere Studien seien erforderlich.

Die Qualität der Evidenz sei „moderat“, heißt es im Artikel. Bei leichtem Verlauf wird von dieser Pharmakotherapie abgeraten. Grundlage ist die RECOVERY-Studie, über die Medscape berichtet hat.

Wiederholt sich die Tamiflu®-Geschichte?
In einem begleitenden Editorial geht Jeremy Hsu, ein US-amerikanischer Wissenschaftsjournalist, der Frage nach, welche Folgen der Einsatz von Remdesivir unter gesundheitsökonomischen Aspekten hat [2]. Er zieht Parallelen zu einem anderen Arzneistoff.

„Seit Anfang der 2000er-Jahre haben Regierungen in Erwartung von Grippe-Pandemien Milliarden von Dollar für die Lagerung des antiviralen Medikaments Oseltamivir (Tamiflu®) ausgegeben“, schreibt Hsu. „Jahre später erhielten unabhängige Forscher Zugang zu unveröffentlichten klinischen Studien, die zeigten, dass das Medikament nur eine bescheidene Wirkung auf die Verringerung der Dauer der Symptome hatte, viele Nebenwirkungen aufwies und nicht genügend Daten vorlagen, um daraus zu schließen, ob es die schwerwiegendsten Komplikationen der Grippe verhindern könnte.“

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: „Spätestens im Jahr 2020 haben wir Remdesivir, ein teures, experimentelles, antivirales Medikament, eines der ersten und damit gehypten Medikamente, die für COVID-19 entwickelt wurden“, kommentiert der Editorialist. Bekanntlich geht Remdesivir auf gemeinsame Forschungsprojekte der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und des US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID) zurück. Man war auf der Suche nach Ebola-Therapien. Doch der Durchbruch blieb aus. Umso größer war die Hoffnung, COVID-19-Patienten helfen zu können.

„Keine der bisher veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien hat jedoch gezeigt, dass Remdesivir wesentlich mehr Leben rettet als die medizinische Standardbehandlung“, fasst der Wissenschaftsjournalist zusammen. „Stattdessen konzentrieren sich die Forscher jetzt auf mäßig kranke Patienten, die noch von dem Medikament profitieren könnten, wenn es frühzeitig verabreicht würde“, so Hsu. „Aber was ist angesichts des hohen Preises, der begrenzten Vorräte und des jetzt wohl begrenzten Nutzens für Remdesivir zu empfehlen? Sollten Ärzte die Anwendung des Medikaments in Betracht ziehen?“ Daran bleiben aufgrund der ausgewerteten Daten Zweifel.


Welchen Wert Remdesivir bei der COVID-19-Therapie hat, lässt sich erst beantworten, wenn der Hersteller Gilead alle Daten zu klinischen Studien veröffentlicht, so wie es Roche mit Tamiflu® im Jahr 2013 getan hat.

Keine der bisher veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien hat gezeigt, dass Remdesivir wesentlich mehr Leben rettet als die medizinische Standardbehandlung. Jeremy Hsu
„Erst als wir uns das Ganze ansahen, stellten wir fest, dass die Vorteile von Tamiflu® darin bestanden, dass die Krankheitsdauer [bei Influenza] um einige Stunden verkürzt wurde“, so Prof. Dr. Tom Jefferson von der Cochrane Collaboration. Er hat damals Roche unter Berufung auf den US False Claims Act verklagt. Dieses Bundesgesetz macht Personen und Firmen haftbar, falls sie aufgrund von Falschaussagen Gewinne erwirtschaften.

Hsu jedenfalls hofft, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird. Auch er verweist auf Kortikoide als Therapie bei COVID-19. Es gebe gute Daten und das Arzneimittel sei preisgünstig.

Derivat von Remdesivir als neuer Hoffnungsträger
Gilead hat jedoch noch einen anderen Trumpf im Ärmel: Das antivirale Molekül GS-441524, ein Derivat von Remdesivir. Es wird derzeit im Rahmen von Tierversuchen untersucht und hätte einige Vorteile. GS-441524 kann in Tablettenform verabreicht werden und damit früher als das intravenös zu applizierende Remdesivir zum Einsatz kommen.

Außerdem ist die Herstellung deutlich preisgünstiger. Remdesivir war zu Beginn der Pandemie der bevorzugte Kandidat, weil es schon toxikologische Studien aus Ebola-Zeiten gab.

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