Mittwoch, 10. Januar 2024
Mehr Geld, weniger Bürokratie für Hausärzte – echt jetzt? Was Ärzte, KBV und Kassen von Lauterbachs Krisengipfel halten
che2001, 16:42h
Christian Beneker, Medscape
Einen dicken Brocken schaffte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag (9. Januar 2024) vor dem Krisengipfel unter anderem mit dem Hausärzteverband von vorneherein aus dem Weg: „Wir werden die Entbudgetierung machen, um das jetzt mal klar zu machen, bei den Hausärzten“, sagte Lauterbach im ZDF-Morgenmagazin. „Aber es geht um mehr.“
Unnötige Bürokratie bauen wir ab. Prof. Dr. Karl Lauterbach
Diese Einschätzung wurde von dem Maßnahmenpaket bestätigt, das Lauterbach nach dem Krisengipfel vorgelegt hat. „Wir haben uns getroffen, um gemeinsam über Entlastungen im Praxisalltag der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu sprechen. Unnötige Bürokratie bauen wir ab. Zudem werden wir bei der hausärztlichen Versorgung eine Entbudgetierung vornehmen und die Art und Weise, wie die Praxen vergütet werden, verändern“, so der Minister auf der anschließenden Pressekonferenz.
Im Einzelnen geht es beim „Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“:
Im Zuge der hausärztlichen Honorierung sollen alle Leistungen der hausärztlichen Versorgung entbudgetiert werden. „Reicht die reguläre Vergütung nicht aus, leiste die Kassen für darüber hinaus erbrachte Leistungen Ausgleichszahlungen“, so das Bundesgesundheitsministerium. Damit wird ein altes Versprechen eingelöst.
Zudem werden die Hausärzte eine Jahres-Pauschale für die Versorgung von chronisch kranken Erwachsenen erhalten.
„Echte Versorgerpraxen“ sollen darüber hinaus eine Vorhaltepauschale abrechnen können, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, wie etwa Hausbesuche.
Außerdem sollen Hausärzte künftig eine qualifizierte Hitzeberatung besonders vulnerabler Gruppen abrechnen können.
Entbudgetierung und weitere Entlastungen für Hausärztinnen und Hausärzte
Um die ärztliche Arbeit zu entbürokratisieren, schlägt das Maßnahmenpapier unter anderem vor, bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen eine Bagatellgrenze einzuführen. Betroffene Ärztinnen und Ärzte sollen künftig an den Sitzungen des Beschwerdeausschusses digital teilnehmen können. Die Abschaffung des zweistufigen Antragsverfahrens auf eine Kurzzeittherapie soll Psychotherapeuten entlasten.
Auch die Digitalisierung in den Praxen soll vorangebracht werden: So sollen Ärzte die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (e-AU) und elektronische Rezepte lediglich nach telefonischer Konsultation ausstellen können. Für BtM-Rezepte soll ein digitaler Verschreibungsprozess entwickelt werden. Auch die Praxisverwaltungssysteme (PVS) sollen „durch transparente und verbindliche Vorgaben“ Neuerungen schneller und nutzerfreundlicher implementieren.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4913290?ecd=WNL_mdplsfeat_240110_mscpedit_de_etid6231255&uac=389796AZ&impID=6231255
Einen dicken Brocken schaffte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag (9. Januar 2024) vor dem Krisengipfel unter anderem mit dem Hausärzteverband von vorneherein aus dem Weg: „Wir werden die Entbudgetierung machen, um das jetzt mal klar zu machen, bei den Hausärzten“, sagte Lauterbach im ZDF-Morgenmagazin. „Aber es geht um mehr.“
Unnötige Bürokratie bauen wir ab. Prof. Dr. Karl Lauterbach
Diese Einschätzung wurde von dem Maßnahmenpaket bestätigt, das Lauterbach nach dem Krisengipfel vorgelegt hat. „Wir haben uns getroffen, um gemeinsam über Entlastungen im Praxisalltag der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu sprechen. Unnötige Bürokratie bauen wir ab. Zudem werden wir bei der hausärztlichen Versorgung eine Entbudgetierung vornehmen und die Art und Weise, wie die Praxen vergütet werden, verändern“, so der Minister auf der anschließenden Pressekonferenz.
Im Einzelnen geht es beim „Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“:
Im Zuge der hausärztlichen Honorierung sollen alle Leistungen der hausärztlichen Versorgung entbudgetiert werden. „Reicht die reguläre Vergütung nicht aus, leiste die Kassen für darüber hinaus erbrachte Leistungen Ausgleichszahlungen“, so das Bundesgesundheitsministerium. Damit wird ein altes Versprechen eingelöst.
Zudem werden die Hausärzte eine Jahres-Pauschale für die Versorgung von chronisch kranken Erwachsenen erhalten.
„Echte Versorgerpraxen“ sollen darüber hinaus eine Vorhaltepauschale abrechnen können, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, wie etwa Hausbesuche.
Außerdem sollen Hausärzte künftig eine qualifizierte Hitzeberatung besonders vulnerabler Gruppen abrechnen können.
Entbudgetierung und weitere Entlastungen für Hausärztinnen und Hausärzte
Um die ärztliche Arbeit zu entbürokratisieren, schlägt das Maßnahmenpapier unter anderem vor, bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen eine Bagatellgrenze einzuführen. Betroffene Ärztinnen und Ärzte sollen künftig an den Sitzungen des Beschwerdeausschusses digital teilnehmen können. Die Abschaffung des zweistufigen Antragsverfahrens auf eine Kurzzeittherapie soll Psychotherapeuten entlasten.
Auch die Digitalisierung in den Praxen soll vorangebracht werden: So sollen Ärzte die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (e-AU) und elektronische Rezepte lediglich nach telefonischer Konsultation ausstellen können. Für BtM-Rezepte soll ein digitaler Verschreibungsprozess entwickelt werden. Auch die Praxisverwaltungssysteme (PVS) sollen „durch transparente und verbindliche Vorgaben“ Neuerungen schneller und nutzerfreundlicher implementieren.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4913290?ecd=WNL_mdplsfeat_240110_mscpedit_de_etid6231255&uac=389796AZ&impID=6231255
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Mittwoch, 3. Januar 2024
Anregung zur Klugheit
che2001, 16:51h
Weitergeleitete Email.
sehr geehrte mitmenschen vom Landvolk.
kürzlich kam ich, in Neuenlande aufgewachsen, mit einem Ihrer mitglieder ins gespräch. Es war ein respektvoller Austausch zum Thema Agrardiesel-Subventionen (ich bin DAFÜR!), Probleme der Landwirtschaft, Nutzung von Glyphosat und überhaupt. Vor Jahren hatte ich ein ausgiebiges Telefonat mit dem mittlerweile verstorbenen Georg Müller, dem Ganderkeseer Experten für Wallhecken und Knicks. Er erzählte mir, daß die Landwirte in den letzten Jahrzehnten die Landschaft systematisch "ausgeräumt" hätten, Gräben zugekippt, Bäume,Büsche, Hecken abgeholzt, Wege eingegebnet: Um mehr Ackerfläche zu erhalten. So wurde Schritt für Schritt Lebensraum für viele Arten verunmöglicht. Dieser "Anblick" ist immer noch die "Normalität": Acker bis an die Bordstein-/Strassenkante. Kein Wilder Streifen, kein Blühstreifen. NIX. Ich bin keine Landwirtin. Doch nach meinen Erkenntnissen muß ich Ihnen leider sagen, daß es genau dieser industrielle Ansatz ist - der auf Ihrer Website als seit 50 Jahren "erfolgreich" gepriesen wird ?? -, der Ihnen perspektivisch auch die ökonomischen Grundlagen immer weiter entziehen wird. Einfach, weil wir als Gesamtgesellschaft die immensen Schädigungen und deren Folgewirkungen nicht mehr werden heilen können.
In Sachen weltweiter Erosion von Böden, Abnahme der Humusschicht, Verlust der Wasserhaltefähigkeit, Verlust von Geschmack, Nährstoffen, Vitaminen etc. etc. schauen Sie bitte auf die website von
#RetteDenBoden. https://consciousplanet.org/de/save-soil inklusive Heilungsmöglichkeiten geschädigter Böden.
Es geht hier nicht um "Ideologie", sondern um die Reaktionen der Natur auf menschliches Handeln. Ein schleichender Prozess und - wie uns die Wissenschaft und unsere täglichen Erfahrungen mit zunehmenden Starkwetter-Ereignissen REAL vor Augen führt - bereits in vielen Aspekten unumkehrbar. Das bereits getaute Eis wird nicht wieder gefrieren.
Mir persönlich ist es sehr daran gelegen, weiterhin verantwortungsvolle Landwirtschaft in Deutschland zu haben. Frauen und Männer, die nach bestem Wissen und Gewissen gesunde Lebensmittel produzieren und auskömmliche Preise dafür erhalten. Den Ökologischen Landbauern scheint das besser zu gelingen, als den konventionellen? Ich bitte Sie daher darum, sich zu öffnen und vor allem VERANTWORTUNG zu übernehmen für die Fehlentwicklungen, die Sie selbst mit vorangetrieben haben. Aus unklugen Gründen, wie sich immer deutlicher zeigt. WIR ALLE sind ver_antwort_lich, Teil der Lösung zu sein. Dazu gehört zu er_kennen, auf welche Weise wir Teil des Problems sind. Schmerzhaft, beschämend, angstmachend aber NOT-wenig!
Der Einsatz von Glyphosat tut Sein Übriges. - siehe nachfolgender Artikel.
Bitte seien Sie nicht - leider typisch männlich - beratungsresistent! Bis vor wenigen Jahren hatte ich jeden Frühling Amselkinder im Garten. Nun kommen nicht mal mehr Amseln überhaupt... es ist einfach grauenhaft!
Ich grüsse Sie dennoch freundlich und wünsche heilsame Einsichten und bäuerisches Handeln, was auch noch der künftigen 7. Generation gerecht wird. Hier noch ein Buchtipp - brandneu - von Dr. Vandana „Agrarökologie und echte regenerative Landwirtschaft – Nachhaltige Lösungen für Hunger, Armut und Klimaveränderungen“ https://www.pressenza.com/de/2023/11/agraroekologie-und-echte-regenerative-landwirtschaft/
marita blessing, frauen- und menschenrechte-aktiv
sehr geehrte mitmenschen vom Landvolk.
kürzlich kam ich, in Neuenlande aufgewachsen, mit einem Ihrer mitglieder ins gespräch. Es war ein respektvoller Austausch zum Thema Agrardiesel-Subventionen (ich bin DAFÜR!), Probleme der Landwirtschaft, Nutzung von Glyphosat und überhaupt. Vor Jahren hatte ich ein ausgiebiges Telefonat mit dem mittlerweile verstorbenen Georg Müller, dem Ganderkeseer Experten für Wallhecken und Knicks. Er erzählte mir, daß die Landwirte in den letzten Jahrzehnten die Landschaft systematisch "ausgeräumt" hätten, Gräben zugekippt, Bäume,Büsche, Hecken abgeholzt, Wege eingegebnet: Um mehr Ackerfläche zu erhalten. So wurde Schritt für Schritt Lebensraum für viele Arten verunmöglicht. Dieser "Anblick" ist immer noch die "Normalität": Acker bis an die Bordstein-/Strassenkante. Kein Wilder Streifen, kein Blühstreifen. NIX. Ich bin keine Landwirtin. Doch nach meinen Erkenntnissen muß ich Ihnen leider sagen, daß es genau dieser industrielle Ansatz ist - der auf Ihrer Website als seit 50 Jahren "erfolgreich" gepriesen wird ?? -, der Ihnen perspektivisch auch die ökonomischen Grundlagen immer weiter entziehen wird. Einfach, weil wir als Gesamtgesellschaft die immensen Schädigungen und deren Folgewirkungen nicht mehr werden heilen können.
In Sachen weltweiter Erosion von Böden, Abnahme der Humusschicht, Verlust der Wasserhaltefähigkeit, Verlust von Geschmack, Nährstoffen, Vitaminen etc. etc. schauen Sie bitte auf die website von
#RetteDenBoden. https://consciousplanet.org/de/save-soil inklusive Heilungsmöglichkeiten geschädigter Böden.
Es geht hier nicht um "Ideologie", sondern um die Reaktionen der Natur auf menschliches Handeln. Ein schleichender Prozess und - wie uns die Wissenschaft und unsere täglichen Erfahrungen mit zunehmenden Starkwetter-Ereignissen REAL vor Augen führt - bereits in vielen Aspekten unumkehrbar. Das bereits getaute Eis wird nicht wieder gefrieren.
Mir persönlich ist es sehr daran gelegen, weiterhin verantwortungsvolle Landwirtschaft in Deutschland zu haben. Frauen und Männer, die nach bestem Wissen und Gewissen gesunde Lebensmittel produzieren und auskömmliche Preise dafür erhalten. Den Ökologischen Landbauern scheint das besser zu gelingen, als den konventionellen? Ich bitte Sie daher darum, sich zu öffnen und vor allem VERANTWORTUNG zu übernehmen für die Fehlentwicklungen, die Sie selbst mit vorangetrieben haben. Aus unklugen Gründen, wie sich immer deutlicher zeigt. WIR ALLE sind ver_antwort_lich, Teil der Lösung zu sein. Dazu gehört zu er_kennen, auf welche Weise wir Teil des Problems sind. Schmerzhaft, beschämend, angstmachend aber NOT-wenig!
Der Einsatz von Glyphosat tut Sein Übriges. - siehe nachfolgender Artikel.
Bitte seien Sie nicht - leider typisch männlich - beratungsresistent! Bis vor wenigen Jahren hatte ich jeden Frühling Amselkinder im Garten. Nun kommen nicht mal mehr Amseln überhaupt... es ist einfach grauenhaft!
Ich grüsse Sie dennoch freundlich und wünsche heilsame Einsichten und bäuerisches Handeln, was auch noch der künftigen 7. Generation gerecht wird. Hier noch ein Buchtipp - brandneu - von Dr. Vandana „Agrarökologie und echte regenerative Landwirtschaft – Nachhaltige Lösungen für Hunger, Armut und Klimaveränderungen“ https://www.pressenza.com/de/2023/11/agraroekologie-und-echte-regenerative-landwirtschaft/
marita blessing, frauen- und menschenrechte-aktiv
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Montag, 1. Januar 2024
Elemente der Gegenaufklärung, heute: Argentiniens Milei
che2001, 19:30h
Der neue Präsident hatte in seinem Wahlkampf ja den Eindruck eines ADHSlers auf Droge erweckt, man könnte auch sagen, die Körpersprache bei manchem Wahlauftritt entsprach einem epileptischen Anfall im Stehen. Verglichen damit war selbst der Redestil eines Joseph Goebbels ein Ausdruck ruhiger Gelassenheit. Inhaltlich vertritt er etwas, was es in der Parteienlandschaft Westeuropas nicht gibt, was aber schon sehr lange in der politischen Bloggosphäre eine Rolle spielt: Anarchokapitalismus bzw. Rechtslibertarismus. Eine Ideologie, die den Staat fast all seiner Funktionen außer Polizei, Justiz, Streitkräfte und Währung entkleiden will und sich von der total freien Marktwirtschaft ein Heilsversprechen macht.
Zu tun hatten wir auf diesem Blog mit diesem Thema schon einmal vor fast 20 Jahren. Da hatte ich noch zehntausende Leser, und es gab Postings mit 100 Kommentaren von 20 verschiedenen Leuten. Es war die Zeit der großen Blogschlachten.
Ausgehend von der Gründung der Achse des Guten durch Henryk M. Broder und die Springer-Redakteure Miersch und Maxeiner als Reaktion auf One Eleven hatte sich ein Bündnis von politischen Blogs gebildet, deren politisches Spektrum von liberal im Sinne der FDP bis rechtsextrem reichte, aber auch ins antideutsche Spektrum hinein und eben auch zu den Anarchokapitalisten mit ihrem Blog Eigentümlich frei, von uns eifrei genannt. Auf dem Münchner Nockherberg hatten sich 2005 einige der Protagonisten getroffen, und es existieren davon peinliche Fotos, die z. B. Broder Arm in Arm mit Politicallincorrect-Gründer Stefan Herre zeigen. Gemeinsamer Nenner war die Agitation gegen die Immigration von Muslimen und allgemein gegen die Linke und eine allgemein "prowestliche Haltung", die das Vorgehen der Allierten im Irak unterstützte, in einigen Fällen bis hin zu purer Kriegsbegeisterung.
Alle Blogs, die dieser unheiligen Allianz angehörten hatten die immer gleiche Blogroll mit Adressen quer durch das liberale, konservative, rechtsextreme und rechtslibertäre Lager. Mit teils ganz bizarren Bündnissen, etwa die neurechten Weikersheimer mit versprengten Antideutsche, und mittedrin Ayaan Hirsi Ali.
Auf Initiative von Don Alphonso gründete sich ein Gegenbündnis, dem u.a. rebellmarkt, chuzpe, die Blogs von Dr. Dean, Balou, Georg Klauda und Netbitch und eben unter vielen anderen auch dieses Blog angehörten.
Wir griffen die prowestlichen Blogs, wie sie sich nannten, auf vielen Ebenen an, vor allem, wo sie die Bushkriege unterstützten oder rassistische Positionen einnahmen, etwa bei der Unterstützung Theo van Goghs oder im Streit um die Mohamed-Karrikaturen in Jyllands Komposten. Mir persönlich ging es um die Befürchtung, dass da ein neuer, extrem massenkompatibler und weit über das rechte Lager hinausreichender Rassismus heranwuchs, nämlich ein Wohlstandsrassismus, der nichts gegen schwarze Ärzte und Architekten oder PoC im Allgemeinen hat, wohl aber gegen arme Migranten gerichtet ist, und ich modellierte im Einzelnen heraus, wie ein solcher Wohlstandsrassismus beschaffen ist. Aus diesem Kontext heraus entstand meine an die Elemente des Antisemitismus au der Dialektik der Aufklärung angelehnte Artikelserie Elemente der Gegenaufklärung.
Well, the world turns, das Bündnis der prowestlichen bzw. liberal/libertären Blogs bröckelte, und zu den intelligenteren und kultivierteren pflegte ich bald eher freundliche Beziehungen, jedenfalls im Sinne regelmäßiger Diskussionen.
18 Jahre später betritt jetzt ein rechtslibertärer Selfmadepoiltiker die Bühne der großen Politik, in einem Land, das seit Jahrzehnten durch Wirtschaftskrisen gebeutelt ist.
Zu tun hatten wir auf diesem Blog mit diesem Thema schon einmal vor fast 20 Jahren. Da hatte ich noch zehntausende Leser, und es gab Postings mit 100 Kommentaren von 20 verschiedenen Leuten. Es war die Zeit der großen Blogschlachten.
Ausgehend von der Gründung der Achse des Guten durch Henryk M. Broder und die Springer-Redakteure Miersch und Maxeiner als Reaktion auf One Eleven hatte sich ein Bündnis von politischen Blogs gebildet, deren politisches Spektrum von liberal im Sinne der FDP bis rechtsextrem reichte, aber auch ins antideutsche Spektrum hinein und eben auch zu den Anarchokapitalisten mit ihrem Blog Eigentümlich frei, von uns eifrei genannt. Auf dem Münchner Nockherberg hatten sich 2005 einige der Protagonisten getroffen, und es existieren davon peinliche Fotos, die z. B. Broder Arm in Arm mit Politicallincorrect-Gründer Stefan Herre zeigen. Gemeinsamer Nenner war die Agitation gegen die Immigration von Muslimen und allgemein gegen die Linke und eine allgemein "prowestliche Haltung", die das Vorgehen der Allierten im Irak unterstützte, in einigen Fällen bis hin zu purer Kriegsbegeisterung.
Alle Blogs, die dieser unheiligen Allianz angehörten hatten die immer gleiche Blogroll mit Adressen quer durch das liberale, konservative, rechtsextreme und rechtslibertäre Lager. Mit teils ganz bizarren Bündnissen, etwa die neurechten Weikersheimer mit versprengten Antideutsche, und mittedrin Ayaan Hirsi Ali.
Auf Initiative von Don Alphonso gründete sich ein Gegenbündnis, dem u.a. rebellmarkt, chuzpe, die Blogs von Dr. Dean, Balou, Georg Klauda und Netbitch und eben unter vielen anderen auch dieses Blog angehörten.
Wir griffen die prowestlichen Blogs, wie sie sich nannten, auf vielen Ebenen an, vor allem, wo sie die Bushkriege unterstützten oder rassistische Positionen einnahmen, etwa bei der Unterstützung Theo van Goghs oder im Streit um die Mohamed-Karrikaturen in Jyllands Komposten. Mir persönlich ging es um die Befürchtung, dass da ein neuer, extrem massenkompatibler und weit über das rechte Lager hinausreichender Rassismus heranwuchs, nämlich ein Wohlstandsrassismus, der nichts gegen schwarze Ärzte und Architekten oder PoC im Allgemeinen hat, wohl aber gegen arme Migranten gerichtet ist, und ich modellierte im Einzelnen heraus, wie ein solcher Wohlstandsrassismus beschaffen ist. Aus diesem Kontext heraus entstand meine an die Elemente des Antisemitismus au der Dialektik der Aufklärung angelehnte Artikelserie Elemente der Gegenaufklärung.
Well, the world turns, das Bündnis der prowestlichen bzw. liberal/libertären Blogs bröckelte, und zu den intelligenteren und kultivierteren pflegte ich bald eher freundliche Beziehungen, jedenfalls im Sinne regelmäßiger Diskussionen.
18 Jahre später betritt jetzt ein rechtslibertärer Selfmadepoiltiker die Bühne der großen Politik, in einem Land, das seit Jahrzehnten durch Wirtschaftskrisen gebeutelt ist.
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Mittwoch, 13. Dezember 2023
Buchempfehlung zu Weihnachten
che2001, 17:47h
Christoph und Sophie Schönberger
Die Reichsbürger.
Ermächtigungsversuche einer gespenstischen Bewegung
Dieses Buch ist äußerst lesenswert und informativ. Ich erfuhr bei der Lektüre für mich wirklich grundlegend neue Dinge, und das will bei einem alten Politikwissenschaftler schon etwas heißen. Erschreckend war für mich die Tatsache, dass es in Deutschland etwa 25 000 Reichsbürger gibt. Auch Herkunft bzw. Ursprung der Reichsbürgerbewegung wurde von mir bisher falsch eingeschätzt. Ich hatte angenommen, dass die sich aus den Mechtersheimer- und Stolz-Flügeln der alten Friedensbewegung entwickelt hätten, die zur Zeit der Anti-Atomraketen-Proteste Ende der 1970er/Anfang der 21980er Jahre einen deutschen Friedensvertrag, eine deutsche Wiedervereinigung auf Basis dieses Friedensvertrags und ein atomwaffenfreies, neutrales oder blockfreies Gesamtdeutschland gefordert hatten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Mechtersheimer
https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Stolz
Während Mechtersheimer und Stolz sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach ganz rechts entwickelten hatte dieses Spektrum auch noch einen linken Flügel gehabt, der eine Synthese aus westlicher Demokratie und östlichem Sozialismus im wiedervereinigten Deutschland forderte und mit dem ich Mitte der 1980er durchaus sympathisierte.
Aber damit hat der Ursprung der Reichsbürger nichts zu tun, auch nicht mit den Preppern und Selbstverwaltern, mit denen sie meist in einem Atemzug genannt werden. Was nicht heißt, dass nicht viele Reichsbürger auch Selbstverwalter wären, aber der Ursprung der Bewegung ist ein anderer. Er liegt in der Neuinterpretation verschiedener Verträge und Erlasse aus der Zeit der deutschen Teilung und des Vier-Mächte-Status um die Rolle der BRD als Rechtnachfolgerin des Deutschen Reichs (nicht des Nazistaats, sondern des Kaiserreichs, z.T. auch der Weimarer Republik). Genauer gesagt, in einer bizarren Neuinterpretation.
Wir hatten es ja schon bei den Querdenkern, dass medizinische Laien, ein Prachtexemplar war der Chronist, auf dem Fachgebiet der Virologie pseudowissenschaftlich herumdilettierten mit absurden Uminterpretationen medizinischer Forschungsergebnisse.
Bei den Reichsbürgern ist es nun die Rechtswissenschaft, genauer gesagt, ihr sperrigster Bereich, das Staatsrecht, in der juristische Laien fachsimpeln ohne etwas vom Fach zu verstehen.
Ein Fressen für den Bizarrologen, aber hier wird es wirklich gefährlich.
https://imageservice.azureedge.net/api/getimage?productId=35537170
Die Reichsbürger.
Ermächtigungsversuche einer gespenstischen Bewegung
Dieses Buch ist äußerst lesenswert und informativ. Ich erfuhr bei der Lektüre für mich wirklich grundlegend neue Dinge, und das will bei einem alten Politikwissenschaftler schon etwas heißen. Erschreckend war für mich die Tatsache, dass es in Deutschland etwa 25 000 Reichsbürger gibt. Auch Herkunft bzw. Ursprung der Reichsbürgerbewegung wurde von mir bisher falsch eingeschätzt. Ich hatte angenommen, dass die sich aus den Mechtersheimer- und Stolz-Flügeln der alten Friedensbewegung entwickelt hätten, die zur Zeit der Anti-Atomraketen-Proteste Ende der 1970er/Anfang der 21980er Jahre einen deutschen Friedensvertrag, eine deutsche Wiedervereinigung auf Basis dieses Friedensvertrags und ein atomwaffenfreies, neutrales oder blockfreies Gesamtdeutschland gefordert hatten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Mechtersheimer
https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Stolz
Während Mechtersheimer und Stolz sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach ganz rechts entwickelten hatte dieses Spektrum auch noch einen linken Flügel gehabt, der eine Synthese aus westlicher Demokratie und östlichem Sozialismus im wiedervereinigten Deutschland forderte und mit dem ich Mitte der 1980er durchaus sympathisierte.
Aber damit hat der Ursprung der Reichsbürger nichts zu tun, auch nicht mit den Preppern und Selbstverwaltern, mit denen sie meist in einem Atemzug genannt werden. Was nicht heißt, dass nicht viele Reichsbürger auch Selbstverwalter wären, aber der Ursprung der Bewegung ist ein anderer. Er liegt in der Neuinterpretation verschiedener Verträge und Erlasse aus der Zeit der deutschen Teilung und des Vier-Mächte-Status um die Rolle der BRD als Rechtnachfolgerin des Deutschen Reichs (nicht des Nazistaats, sondern des Kaiserreichs, z.T. auch der Weimarer Republik). Genauer gesagt, in einer bizarren Neuinterpretation.
Wir hatten es ja schon bei den Querdenkern, dass medizinische Laien, ein Prachtexemplar war der Chronist, auf dem Fachgebiet der Virologie pseudowissenschaftlich herumdilettierten mit absurden Uminterpretationen medizinischer Forschungsergebnisse.
Bei den Reichsbürgern ist es nun die Rechtswissenschaft, genauer gesagt, ihr sperrigster Bereich, das Staatsrecht, in der juristische Laien fachsimpeln ohne etwas vom Fach zu verstehen.
Ein Fressen für den Bizarrologen, aber hier wird es wirklich gefährlich.
https://imageservice.azureedge.net/api/getimage?productId=35537170
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Mittwoch, 6. September 2023
Der Deutschlandbegriff des Herrn Merz
che2001, 18:33h
Gillamoos mag so schwarz sein, dass es in einer Neumondacht Schatten wirft, und in Berlin, u.a. Kreuzberg gibt es riesige urbane Probleme, die von rot-grün und rot-grün-rot oft falsch oder gar nicht angegangen werden. Aber die hier vorgenommene Zuspitzung und Polarisierung offenbart vor allem einen platten Populismus.
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/nicht-kreuzberg-ist-deutschland-findet-merz-und-offenbart-eine-schw%C3%A4che-seiner-cdu/ar-AA1ghwIu?ocid=entnewsntp&pc=U531&cvid=5ecea0f6706445efbe89c0b147e85d74&ei=12
Viele der spezifisch Berliner Probleme sind für mich als Niedersachsen und Halbhanseaten sehr fremd und einfach nicht die meiner Region. Bayern aber (nicht München) ist gefühltes Ausland, die Niederlande oder Dänemark sind mir soziokulturell näher als Altötting, Tölz oder Neuburg an der Donau.
Und ist Bayern nicht eigentlich ein tiefergelegtes Tirol?
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/nicht-kreuzberg-ist-deutschland-findet-merz-und-offenbart-eine-schw%C3%A4che-seiner-cdu/ar-AA1ghwIu?ocid=entnewsntp&pc=U531&cvid=5ecea0f6706445efbe89c0b147e85d74&ei=12
Viele der spezifisch Berliner Probleme sind für mich als Niedersachsen und Halbhanseaten sehr fremd und einfach nicht die meiner Region. Bayern aber (nicht München) ist gefühltes Ausland, die Niederlande oder Dänemark sind mir soziokulturell näher als Altötting, Tölz oder Neuburg an der Donau.
Und ist Bayern nicht eigentlich ein tiefergelegtes Tirol?
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Mittwoch, 16. August 2023
Alles Scheiße und überhaupt!
che2001, 12:20h
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Montag, 24. Juli 2023
Kommunikativer Vorschlag
che2001, 16:40h
Vor einiger Zeit kam hier der Vorschlag auf, die Debatte zum Thema Asyl, die hier teilweise ziemlich eskalierte, als moderierte Debatte via Zoom weiterzuführen. Ich finde diese Idee sehr gut, denn ich möchte so eine Diskussion gerne sine ira et studio führen und habe den Eindruck, dass das in einem Blog, das weder Tonfall noch Mimik kennt nur sehr schwer möglich ist. Daher bitte ich um Meldungen, wer daran Interesse hat und würde dann gemeinsam mit Hartmut die Infrastruktur herstellen. Dies allerdings erst ab Mitte August, denn jetzt bin ich in den Bergen unterwegs.
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Sonntag, 16. Juli 2023
Bibis Kumpane
che2001, 23:00h
Srom abschalten am Shabbath, nach Geschlechtern getrennte öffentliche Verkehrsmittel, kein Internetzugang für Privatpersonen, Errichtung eines Groß-Israel, das Jordanien, den Südlibanon und Teile des Sinai umfasst - das sind zentrale Forderungen der ultraorthodoxen Parteien, mit den Netenjahu koaliert. Und die Massenproteste richten sich nicht nur gegen die Justizreform, sondern auch gegen diese Ziele.
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Donnerstag, 13. Juli 2023
Diverses zur Asylpolitik
che2001, 16:38h
Von Dr. Thomas Hohlfeld, Die Linke
1) Illegale Pushback-Praxis auch an deutschen Grenzen!?
Es gibt immer wieder Berichte zu rechtswidrigen Zurückweisungen durch die Bundespolizei, etwa indem mündlich gestellte Asylgesuche "übergangen" / "überhört" und keine regulären Asylverfahren in Deutschland eingeleitet werden, um direkt zurückweisen zu können. Bei kritischen Nachfragen hierzu steht dann meist "Aussage gegen Aussage", denn die Bundespolizei und die Bundesregierung bestreiten eine solche Praxis.
Infolge einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag (Clara Bünger u.a.) liegen zumindest klare Indizien und Zahlen zu einer solchen Zurückweisungspraxis der Bundespolizei vor, denn es gibt ansonsten keine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum an der Grenze zu Österreich so auffallend viel weniger Asylgesuche gestellt worden sein sollen als an anderen Grenzabschnitten!
Die Antwort der Bundesregierung ist hier abzurufen: https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005674.pdf
Im Anhang findet sich mein umfangreicher Vermerk zu dieser Antwort, der auch verdeutlicht, in welcher Kontinuität das BMI unter der Leitung von Nancy Faeser (SPD) zum BMI unter Horst Seehofer (CSU) steht - bzw. inwieweit der "Apparat" des BMI offenbar auch beeinflussen kann, was die jeweilig wechselnden MinisterInnen so von sich geben...
Siehe auch: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/quer/230316-quer-pushbacks-100.html und:
https://taz.de/Deutsch-oesterreichische-Grenze/!5925904/
Interessant ist auch, dass - entgegen der öffentlichen Wahrnehmung und aufgeregten Debatten - die Zahl der festgestellten unerlaubten Einreisen an den deutschen Landesgrenzen im ersten Quartal 2023 deutlich gegenüber dem vorherigen Quartal zurückgegangen (!) ist, sie hat sich von gut 30.000 auf etwa 16.000 sogar fast halbiert, wie aus einer schriftlichen Frage von Clara Bünger (DIE LINKE) an die Bundesregierung hervorgeht (ebenfalls im Anhang, nebst Vermerk).
siehe hierzu: https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-berlin-viele-zurueckweisungen-an-grenzen-zu-schweiz-und-oesterreich-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230531-99-884292
Wir haben dazu weitere Anfragen an die Bundesregierung gerichtet...
2) Ein Interview mit Clara Bünger zur geplanten GEAS-Reform gibt es hier:
https://diefreiheitsliebe.de/politik/das-ziel-der-schnellverfahren-ist-asylsuchende-abzulehnen/
Ins Grenzverfahren müssen künftig, nach jetzigem Stand, unter anderem alle Schutzsuchenden aus Ländern mit einer unter 20%igen Schutzquote. Dabei wird oft übersehen, dass bei dieser Quotenberechnung nur Anerkennungen eines internationalen Schutzstatus berücksichtigt werden, nicht aber z.B. humanitäre oder nationale Schutzstatus.
Bekanntlich erhalten z.B. viele afghanische Schutzsuchende vom BAMF nur einen Abschiebungsschutz, das könnte in der Zukunft dazu führen, dass auch afghanische Schutzsuchende zwingend ins Grenzverfahren müssen, trotz sehr hoher Schutzbedürftigkeit (wenn die Quote des internationalen Flüchtlingsschutzes unter 20% fällt, nützt diesbezüglich dann auch eine bereinigte Gesamtschutzquote nahe 100 Prozent nichts).
Verfehlt ist die 20%-Regelung aber auch (vom Grundsätzlichen her mal ganz abgesehen), weil korrigierende Entscheidungen der Gerichte oder der Asylbehörden ebenfalls nicht in die Berechnung mit einfließen. Damit werden Schutzsuchende auch dann aufs Grenzverfahren verwiesen, wenn die durchschnittliche Schutzquote am Ende des Asylverfahrens (d.h. inklusive einer gerichtlichen Überprüfung) weit über 20 Prozent liegen sollte. Damit werden im Ergebnis Geflüchtete für besonders viele fehlerhafte Behördenbescheide in Bezug auf ihr Herkunftsland "bestraft" - absurd!
Eine Anfrage der LINKEN zur Abschiebungspraxis nach Pakistan (Clara Bünger u.a., siehe: https://dserver.bundestag.de/btd/20/069/2006942.pdf) zeigt, wie sehr das in der Praxis relevant sein kann (dazu auch mein Vermerk im Anhang): Bei Asylgesuchen aus Pakistan gibt es eine zunehmende Fehlerquote im BAMF, immer mehr Bescheide werden von den Gerichten aufgehoben (zuletzt 42,5% der inhaltlich überprüften Bescheide). Seit 2019 haben Gerichte fast drei Mal so viele Schutzstatus an Asylsuchende aus Pakistan erteilt wie das BAMF - aber all diese gerichtlichen Entscheidungen würden bei der Berechnung der 20%-Quote im Zusammenhang der EU-Grenzverfahren nicht berücksichtigt!
Die Schutzquoten bei Geflüchteten, die ins Grenzverfahren müssen, werden dadurch absehbar weiter sinken, denn die Erfahrungen mit Asyl-Flughafenverfahren in Deutschland zeigen, dass in solchen Schnellverfahren an den Grenzen unter (faktischen) Haftbedingungen die Schutzquoten deutlich unterhalb der sonst üblichen Werte liegen (die für Flughafenverfahren zuständige BAMF-Außenstelle am Frankfurter Flughafen wies bei allen auf BT-Drs. 19/18498 zu Frage 3f gelisteten fünf Herkunftsstaaten im Jahr 2019 (deutlich) niedrigere Schutzquoten auf als im Bundesdurchschnitt, z.B. Irak: 18,3% statt allgemein 51,8%).
3) Sehr bitter: Nachdem Außenministerin Baerbock und Innenministerin Faeser infolge rechter Medienberichte die dringliche Aufnahme besonders gefährdeter Personen aus Afghanistan komplett gestoppt hatten, kommt das Aufnahmeprogramm jetzt nur schleppend wieder in Gang - und es ist völlig klar, dass die politisch versprochene Zahl von etwa 1.000 Aufnahmen pro Monat infolge der grotesk verstärkten Sicherheitsüberprüfungen nicht mehr erreicht werden wird!
Dazu im Anhang eine (von mehreren) Anfrage(n) von Clara Bünger, nebst Vermerk.
Zuletzt stellte sich heraus, dass innerhalb einer Woche gerade einmal 15 Visaanträge nach entsprechenden aufwändigen Sicherheitsbefragungen bearbeitet werden konnten - das waren durchschnittlich drei pro Tag!
Siehe auch: https://www.evangelische-zeitung.de/afghanistan-aufnahmeprogramm-visa-fuer-bislang-nur-229-menschen
4) Mehrmals hatte ich über den Beschluss des Bundestags zum Schutz jesidischer Flüchtlinge berichtet (vgl. z.B. Rundmails vom 10.2., 6.3., 23.3.) - und wie dieser von der Ampelkoalition dann wieder "einkassiert" wurde...
Wie sich das in der Praxis und im Einzelfall auswirkt, war in den Medien nachzulesen, anhand eines besonders krassen Einzelfalls einer jungen jesidischen Frau:
https://www.t-online.de/region/hannover/id_100151838/jesidin-droht-die-abschiebung-weil-ihr-vater-suizid-begangen-hat.html
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Vorm-IS-geflohen-Aufenthaltsstatus-von-junger-Jesidin-gefaehrdet,abschiebung966.html
https://www.haz.de/lokales/hannover/warum-einer-jungen-jesidin-aus-hannover-die-abschiebung-droht-WEXJBVGIVBD6NB7WLHT6HHABXA.html?s=09
5) Zwischendurch mal was Positives:
DIE LINKE im Bundestag hat mit Abstand die meisten Abgeordneten mit "Migrationshintergrund", das vermeldete der Mediendienst Integration nach entsprechenden Recherchen: https://mediendienst-integration.de/artikel/wie-viele-abgeordnete-haben-migrationshintergrund.html.
28,2 Prozent sind es, doppelt so viele wie beispielsweise bei den GRÜNEN. Die Linksfraktion im Bundestag ist damit in etwa so migrantisch wie das Leben selbst :o) Zu 60 Prozent sind es Frauen, über die Hälfte der Abgeordneten der Linksfraktion sind Frauen.
Einfach herrlich anzuschauen ist es, wie Heidi Reichinnek (LINKE) im Bundestag gegen den Genderwahn der AfD humoristisch zu Felde zog. Wer es noch nicht gesehen hat, hier sehr kurzweilige 3,5 Minuten: https://dbtg.tv/cvid/7555396 :o)
6) Staatenlose / ungeklärte Staatsangehörigkeit:
In Zusammenarbeit mit dem tollen Verein "Statefree" (www.statefree.world/) entstand unter Federführung von Gökay Akbulut (LINKE) eine Kleine Anfrage zum Thema Staatenlosigkeit in Deutschland. Die Antwort der Bundesregierung ist hier verfügbar: https://dserver.bundestag.de/btd/20/064/2006463.pdf, mein Vermerk zur Auswertung der Antwort hängt anbei.
Die Zahl der Staatenlosen und insbesondere der Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit hat sich in Deutschland in nicht einmal zehn Jahren mehr als verdoppelt. Viele dieser Menschen sind in Deutschland geboren, offenkundig fehlt ein zentrales und verlässliches Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit, wie es dies in anderen EU-Ländern durchaus gibt. Die Bundesregierung sieht dessen ungeachtet keinen Änderungsbedarf - aber da bleiben wir dran...
DER SPIEGEL berichtete:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mehrheit-der-auslaender-mit-ungeklaerter-staatsangehoerigkeit-lebt-seit-mehr-als-fuenf-jahren-in-deutschland-a-de64cbd1-3062-4df1-b5bd-c1d2a361f162
7) Diverses, in Kürze:
600 Pässe von Sudanesinnen und Sudanesen, die ein Visum beantragt hatten, waren bei der deutschen Botschaft in Khartum noch in Verwahrung, als das Botschaftspersonal infolge der kriegerischen Ereignisse evakuiert wurde (siehe Antwort im Anhang). Für die Betroffenen hat das erhebliche negative Konsequenzen.
Siehe: https://www.evangelisch.de/inhalte/216137/24-05-2023/sudan-600-paesse-nach-evakuierung-noch-deutscher-botschaft
Über die zum Teil brutalen Auswirkungen der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug berichtete anschaulich anhand eines Einzelfalls die Deutsche Welle: https://www.dw.com/de/liebe-auf-distanz-deutschland-h%C3%A4lt-ehepartner-fern/a-64778208.
Das ist inhuman, menschenrechtswidrig und beschämend. Die Ampel steht hier in der Pflicht, diesen Skandal so schnell wie möglich zu beenden, wie es im Koalitionsvertag auch versprochen worden war, erst recht, nachdem sie einen entsprechenden Gesetzentwurf der LINKEN (Gökay Akbulut u.a.: https://dserver.bundestag.de/btd/20/018/2001850.pdf) im letzten Jahr im Bundestag abgelehnt hat (ich berichtete).
Sehr hilfreich und anschaulich ist die grafische Aufarbeitung der Zahlen zu hier lebenden Geflüchteten mit ihren unterschiedlichen Status durch Lalon Sander in der taz, auf Basis der regelmäßigen Anfragen der LINKEN: https://taz.de/Gefluechtete-in-Deutschland/!5934394/
Gegen den Protest aller Fachkundigen wurde in der letzten Wahlperiode gesetzgeberisch beschlossen, dass alle BAMF- und Gerichtsbescheide zu Asylsuchenden im Ausländerzentralregister zu speichern sind. Zur Vermeidung von Missbrauch und zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung sollten diese Dokumente allerdings an entsprechenden Stellen geschwärzt werden.
Es kam, wie es bei einer praxisuntauglichen (und überdies überflüssigen) Regelung kommen musste: Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Neuregelung waren gerade einmal sechs (!) entsprechende Dokumente im AZR gespeichert, wie sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der LINKEN (Clara Bünger u.a.) ergibt (Frage 2): https://dserver.bundestag.de/btd/20/070/2007095.pdf
Die "Weisungsinstrumente" zur Umsetzung des gesetzgeberischen Schwärzungsauftrags befanden sich zuletzt noch "in der Abstimmung", auch dazu sind Nachfragen bereits eingereicht...
Zahlen zu Abschiebungen von Januar bis April 2023 liegen vor (im Anhang), Clara Bünger beklagte in der taz insbesondere den deutlichen Anstieg von Abschiebungen in die Türkei:
https://taz.de/Deutsche-Asylpolitik/!5938216/, aber auch Zurückweisungen in den Iran nach Asyl-Flughafenverfahren sind skandalös: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172279.abschiebungen-in-den-iran-abschiebungen-in-den-iran-juristische-spitzfindigkeiten.html.
Über das gesetzgeberische Eilverfahren bei der Modernisierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes hatte ich in meiner letzten Rundmail berichtet - schön, dass das Bundesverfassungsgericht (wenn auch bei einem anderen Gesetz, Stichwort Heizung) solchen Brüskierungen des Parlaments mal die gelbe Karte gezeigt hat!
Die gesetzgeberischen Stricknadeln bei der (an sich begrüßenswerten) Umwandlung der Ausbildungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis waren allzu heiß: Vermutlich unbeabsichtigt wird die Neuregelung für etliche Betroffene sogar Nachteile haben, weil in der Eile des Verfahrens verschiedene Aspekte nicht bedacht worden waren (vgl. nur: https://rechtsberaterkonferenz.de/index.php/2023/07/03/kurzstellungnahme-ausbildungs-aufenthaltserlaubnis-fuer-ausreisepflichtige/).
Auf die Frage von Clara Bünger, inwieweit die Bundesregierung bei diesem Pfusch beteiligt war (ganz so war die Frage nicht formuliert, im Anhang) und inwieweit gesetzliche oder untergesetzliche Änderungen noch vor Inkrafttreten der Neuregelung zur Abwendung der unbeabsichtigten Folgewirkungen geplant sind, hieß es, dass die Prüfungen hierzu "noch nicht abgeschlossen" seien - und das ist immerhin auch kein "Nein" ;o)
Mehrfach kritisierte Gökay Akbulut (DIE LINKE) in der Vergangenheit eine wenig bekannte Diskriminierung von Migrantenselbstorganisationen im Vereinsrecht (vgl. zuletzt: https://dserver.bundestag.de/btd/20/015/2001565.pdf, ich berichtete).
Im letzten Datenschutzbericht (https://dserver.bundestag.de/btd/20/060/2006000.pdf) gab es hierzu eine kleine Erfolgsmeldung (S. 120), BMI und Bundesverwaltungsamt haben mitgeteilt, keine entsprechenden Speicherungen in das so genannte Ausländervereinsregister mehr vorzunehmen!
Ach so: Wirklich gruselig äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Regierungsbefragung letzte Woche im Parlament (siehe Plenarprotokoll im Anhang): Stolz bekannte er sich dazu, auf dem "Flüchtlingsgipfel" zahlreiche Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts vorgeschlagen zu haben (vgl. hierzu: https://www.abschiebungsreporting.de/bund-laender-beschluss-zu-geplanten-verschaerfungen-bei-abschiebungen-und-abschiebehaft/), er nannte es "Vorhaben", die nun "Stück für Stück" abgearbeitet würden... :o( Den Vogel schoss er aber ab, als er darauf hinwies, "dass beide Länder" - Georgien und Moldau - "gerne auch von sich aus als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden würden". Na dann. Die "zügige" Zuleitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs drohte er schon mal an.
Zu guter Letzt möchte ich noch auf eine spannende Neuerscheinung hinweisen:
Katharina Schoenes berichtet in ihrem Buch "Asyl, Sexualität und Wahrheit" anschaulich und fachkundig über gerichtliche Entscheidungen zum Asylgrund "sexuelle Orientierung" - ein wichtiger Beitrag zur rechtssoziologischen Analyse der Asylrechtsprechung!
Hier zu bestellen:
https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6606-9/asyl-sexualitaet-und-wahrheit/?c=310000089
1) Illegale Pushback-Praxis auch an deutschen Grenzen!?
Es gibt immer wieder Berichte zu rechtswidrigen Zurückweisungen durch die Bundespolizei, etwa indem mündlich gestellte Asylgesuche "übergangen" / "überhört" und keine regulären Asylverfahren in Deutschland eingeleitet werden, um direkt zurückweisen zu können. Bei kritischen Nachfragen hierzu steht dann meist "Aussage gegen Aussage", denn die Bundespolizei und die Bundesregierung bestreiten eine solche Praxis.
Infolge einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag (Clara Bünger u.a.) liegen zumindest klare Indizien und Zahlen zu einer solchen Zurückweisungspraxis der Bundespolizei vor, denn es gibt ansonsten keine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum an der Grenze zu Österreich so auffallend viel weniger Asylgesuche gestellt worden sein sollen als an anderen Grenzabschnitten!
Die Antwort der Bundesregierung ist hier abzurufen: https://dserver.bundestag.de/btd/20/056/2005674.pdf
Im Anhang findet sich mein umfangreicher Vermerk zu dieser Antwort, der auch verdeutlicht, in welcher Kontinuität das BMI unter der Leitung von Nancy Faeser (SPD) zum BMI unter Horst Seehofer (CSU) steht - bzw. inwieweit der "Apparat" des BMI offenbar auch beeinflussen kann, was die jeweilig wechselnden MinisterInnen so von sich geben...
Siehe auch: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/quer/230316-quer-pushbacks-100.html und:
https://taz.de/Deutsch-oesterreichische-Grenze/!5925904/
Interessant ist auch, dass - entgegen der öffentlichen Wahrnehmung und aufgeregten Debatten - die Zahl der festgestellten unerlaubten Einreisen an den deutschen Landesgrenzen im ersten Quartal 2023 deutlich gegenüber dem vorherigen Quartal zurückgegangen (!) ist, sie hat sich von gut 30.000 auf etwa 16.000 sogar fast halbiert, wie aus einer schriftlichen Frage von Clara Bünger (DIE LINKE) an die Bundesregierung hervorgeht (ebenfalls im Anhang, nebst Vermerk).
siehe hierzu: https://www.sueddeutsche.de/politik/migration-berlin-viele-zurueckweisungen-an-grenzen-zu-schweiz-und-oesterreich-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230531-99-884292
Wir haben dazu weitere Anfragen an die Bundesregierung gerichtet...
2) Ein Interview mit Clara Bünger zur geplanten GEAS-Reform gibt es hier:
https://diefreiheitsliebe.de/politik/das-ziel-der-schnellverfahren-ist-asylsuchende-abzulehnen/
Ins Grenzverfahren müssen künftig, nach jetzigem Stand, unter anderem alle Schutzsuchenden aus Ländern mit einer unter 20%igen Schutzquote. Dabei wird oft übersehen, dass bei dieser Quotenberechnung nur Anerkennungen eines internationalen Schutzstatus berücksichtigt werden, nicht aber z.B. humanitäre oder nationale Schutzstatus.
Bekanntlich erhalten z.B. viele afghanische Schutzsuchende vom BAMF nur einen Abschiebungsschutz, das könnte in der Zukunft dazu führen, dass auch afghanische Schutzsuchende zwingend ins Grenzverfahren müssen, trotz sehr hoher Schutzbedürftigkeit (wenn die Quote des internationalen Flüchtlingsschutzes unter 20% fällt, nützt diesbezüglich dann auch eine bereinigte Gesamtschutzquote nahe 100 Prozent nichts).
Verfehlt ist die 20%-Regelung aber auch (vom Grundsätzlichen her mal ganz abgesehen), weil korrigierende Entscheidungen der Gerichte oder der Asylbehörden ebenfalls nicht in die Berechnung mit einfließen. Damit werden Schutzsuchende auch dann aufs Grenzverfahren verwiesen, wenn die durchschnittliche Schutzquote am Ende des Asylverfahrens (d.h. inklusive einer gerichtlichen Überprüfung) weit über 20 Prozent liegen sollte. Damit werden im Ergebnis Geflüchtete für besonders viele fehlerhafte Behördenbescheide in Bezug auf ihr Herkunftsland "bestraft" - absurd!
Eine Anfrage der LINKEN zur Abschiebungspraxis nach Pakistan (Clara Bünger u.a., siehe: https://dserver.bundestag.de/btd/20/069/2006942.pdf) zeigt, wie sehr das in der Praxis relevant sein kann (dazu auch mein Vermerk im Anhang): Bei Asylgesuchen aus Pakistan gibt es eine zunehmende Fehlerquote im BAMF, immer mehr Bescheide werden von den Gerichten aufgehoben (zuletzt 42,5% der inhaltlich überprüften Bescheide). Seit 2019 haben Gerichte fast drei Mal so viele Schutzstatus an Asylsuchende aus Pakistan erteilt wie das BAMF - aber all diese gerichtlichen Entscheidungen würden bei der Berechnung der 20%-Quote im Zusammenhang der EU-Grenzverfahren nicht berücksichtigt!
Die Schutzquoten bei Geflüchteten, die ins Grenzverfahren müssen, werden dadurch absehbar weiter sinken, denn die Erfahrungen mit Asyl-Flughafenverfahren in Deutschland zeigen, dass in solchen Schnellverfahren an den Grenzen unter (faktischen) Haftbedingungen die Schutzquoten deutlich unterhalb der sonst üblichen Werte liegen (die für Flughafenverfahren zuständige BAMF-Außenstelle am Frankfurter Flughafen wies bei allen auf BT-Drs. 19/18498 zu Frage 3f gelisteten fünf Herkunftsstaaten im Jahr 2019 (deutlich) niedrigere Schutzquoten auf als im Bundesdurchschnitt, z.B. Irak: 18,3% statt allgemein 51,8%).
3) Sehr bitter: Nachdem Außenministerin Baerbock und Innenministerin Faeser infolge rechter Medienberichte die dringliche Aufnahme besonders gefährdeter Personen aus Afghanistan komplett gestoppt hatten, kommt das Aufnahmeprogramm jetzt nur schleppend wieder in Gang - und es ist völlig klar, dass die politisch versprochene Zahl von etwa 1.000 Aufnahmen pro Monat infolge der grotesk verstärkten Sicherheitsüberprüfungen nicht mehr erreicht werden wird!
Dazu im Anhang eine (von mehreren) Anfrage(n) von Clara Bünger, nebst Vermerk.
Zuletzt stellte sich heraus, dass innerhalb einer Woche gerade einmal 15 Visaanträge nach entsprechenden aufwändigen Sicherheitsbefragungen bearbeitet werden konnten - das waren durchschnittlich drei pro Tag!
Siehe auch: https://www.evangelische-zeitung.de/afghanistan-aufnahmeprogramm-visa-fuer-bislang-nur-229-menschen
4) Mehrmals hatte ich über den Beschluss des Bundestags zum Schutz jesidischer Flüchtlinge berichtet (vgl. z.B. Rundmails vom 10.2., 6.3., 23.3.) - und wie dieser von der Ampelkoalition dann wieder "einkassiert" wurde...
Wie sich das in der Praxis und im Einzelfall auswirkt, war in den Medien nachzulesen, anhand eines besonders krassen Einzelfalls einer jungen jesidischen Frau:
https://www.t-online.de/region/hannover/id_100151838/jesidin-droht-die-abschiebung-weil-ihr-vater-suizid-begangen-hat.html
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Vorm-IS-geflohen-Aufenthaltsstatus-von-junger-Jesidin-gefaehrdet,abschiebung966.html
https://www.haz.de/lokales/hannover/warum-einer-jungen-jesidin-aus-hannover-die-abschiebung-droht-WEXJBVGIVBD6NB7WLHT6HHABXA.html?s=09
5) Zwischendurch mal was Positives:
DIE LINKE im Bundestag hat mit Abstand die meisten Abgeordneten mit "Migrationshintergrund", das vermeldete der Mediendienst Integration nach entsprechenden Recherchen: https://mediendienst-integration.de/artikel/wie-viele-abgeordnete-haben-migrationshintergrund.html.
28,2 Prozent sind es, doppelt so viele wie beispielsweise bei den GRÜNEN. Die Linksfraktion im Bundestag ist damit in etwa so migrantisch wie das Leben selbst :o) Zu 60 Prozent sind es Frauen, über die Hälfte der Abgeordneten der Linksfraktion sind Frauen.
Einfach herrlich anzuschauen ist es, wie Heidi Reichinnek (LINKE) im Bundestag gegen den Genderwahn der AfD humoristisch zu Felde zog. Wer es noch nicht gesehen hat, hier sehr kurzweilige 3,5 Minuten: https://dbtg.tv/cvid/7555396 :o)
6) Staatenlose / ungeklärte Staatsangehörigkeit:
In Zusammenarbeit mit dem tollen Verein "Statefree" (www.statefree.world/) entstand unter Federführung von Gökay Akbulut (LINKE) eine Kleine Anfrage zum Thema Staatenlosigkeit in Deutschland. Die Antwort der Bundesregierung ist hier verfügbar: https://dserver.bundestag.de/btd/20/064/2006463.pdf, mein Vermerk zur Auswertung der Antwort hängt anbei.
Die Zahl der Staatenlosen und insbesondere der Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit hat sich in Deutschland in nicht einmal zehn Jahren mehr als verdoppelt. Viele dieser Menschen sind in Deutschland geboren, offenkundig fehlt ein zentrales und verlässliches Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit, wie es dies in anderen EU-Ländern durchaus gibt. Die Bundesregierung sieht dessen ungeachtet keinen Änderungsbedarf - aber da bleiben wir dran...
DER SPIEGEL berichtete:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mehrheit-der-auslaender-mit-ungeklaerter-staatsangehoerigkeit-lebt-seit-mehr-als-fuenf-jahren-in-deutschland-a-de64cbd1-3062-4df1-b5bd-c1d2a361f162
7) Diverses, in Kürze:
600 Pässe von Sudanesinnen und Sudanesen, die ein Visum beantragt hatten, waren bei der deutschen Botschaft in Khartum noch in Verwahrung, als das Botschaftspersonal infolge der kriegerischen Ereignisse evakuiert wurde (siehe Antwort im Anhang). Für die Betroffenen hat das erhebliche negative Konsequenzen.
Siehe: https://www.evangelisch.de/inhalte/216137/24-05-2023/sudan-600-paesse-nach-evakuierung-noch-deutscher-botschaft
Über die zum Teil brutalen Auswirkungen der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug berichtete anschaulich anhand eines Einzelfalls die Deutsche Welle: https://www.dw.com/de/liebe-auf-distanz-deutschland-h%C3%A4lt-ehepartner-fern/a-64778208.
Das ist inhuman, menschenrechtswidrig und beschämend. Die Ampel steht hier in der Pflicht, diesen Skandal so schnell wie möglich zu beenden, wie es im Koalitionsvertag auch versprochen worden war, erst recht, nachdem sie einen entsprechenden Gesetzentwurf der LINKEN (Gökay Akbulut u.a.: https://dserver.bundestag.de/btd/20/018/2001850.pdf) im letzten Jahr im Bundestag abgelehnt hat (ich berichtete).
Sehr hilfreich und anschaulich ist die grafische Aufarbeitung der Zahlen zu hier lebenden Geflüchteten mit ihren unterschiedlichen Status durch Lalon Sander in der taz, auf Basis der regelmäßigen Anfragen der LINKEN: https://taz.de/Gefluechtete-in-Deutschland/!5934394/
Gegen den Protest aller Fachkundigen wurde in der letzten Wahlperiode gesetzgeberisch beschlossen, dass alle BAMF- und Gerichtsbescheide zu Asylsuchenden im Ausländerzentralregister zu speichern sind. Zur Vermeidung von Missbrauch und zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung sollten diese Dokumente allerdings an entsprechenden Stellen geschwärzt werden.
Es kam, wie es bei einer praxisuntauglichen (und überdies überflüssigen) Regelung kommen musste: Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Neuregelung waren gerade einmal sechs (!) entsprechende Dokumente im AZR gespeichert, wie sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der LINKEN (Clara Bünger u.a.) ergibt (Frage 2): https://dserver.bundestag.de/btd/20/070/2007095.pdf
Die "Weisungsinstrumente" zur Umsetzung des gesetzgeberischen Schwärzungsauftrags befanden sich zuletzt noch "in der Abstimmung", auch dazu sind Nachfragen bereits eingereicht...
Zahlen zu Abschiebungen von Januar bis April 2023 liegen vor (im Anhang), Clara Bünger beklagte in der taz insbesondere den deutlichen Anstieg von Abschiebungen in die Türkei:
https://taz.de/Deutsche-Asylpolitik/!5938216/, aber auch Zurückweisungen in den Iran nach Asyl-Flughafenverfahren sind skandalös: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172279.abschiebungen-in-den-iran-abschiebungen-in-den-iran-juristische-spitzfindigkeiten.html.
Über das gesetzgeberische Eilverfahren bei der Modernisierung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes hatte ich in meiner letzten Rundmail berichtet - schön, dass das Bundesverfassungsgericht (wenn auch bei einem anderen Gesetz, Stichwort Heizung) solchen Brüskierungen des Parlaments mal die gelbe Karte gezeigt hat!
Die gesetzgeberischen Stricknadeln bei der (an sich begrüßenswerten) Umwandlung der Ausbildungsduldung in eine Aufenthaltserlaubnis waren allzu heiß: Vermutlich unbeabsichtigt wird die Neuregelung für etliche Betroffene sogar Nachteile haben, weil in der Eile des Verfahrens verschiedene Aspekte nicht bedacht worden waren (vgl. nur: https://rechtsberaterkonferenz.de/index.php/2023/07/03/kurzstellungnahme-ausbildungs-aufenthaltserlaubnis-fuer-ausreisepflichtige/).
Auf die Frage von Clara Bünger, inwieweit die Bundesregierung bei diesem Pfusch beteiligt war (ganz so war die Frage nicht formuliert, im Anhang) und inwieweit gesetzliche oder untergesetzliche Änderungen noch vor Inkrafttreten der Neuregelung zur Abwendung der unbeabsichtigten Folgewirkungen geplant sind, hieß es, dass die Prüfungen hierzu "noch nicht abgeschlossen" seien - und das ist immerhin auch kein "Nein" ;o)
Mehrfach kritisierte Gökay Akbulut (DIE LINKE) in der Vergangenheit eine wenig bekannte Diskriminierung von Migrantenselbstorganisationen im Vereinsrecht (vgl. zuletzt: https://dserver.bundestag.de/btd/20/015/2001565.pdf, ich berichtete).
Im letzten Datenschutzbericht (https://dserver.bundestag.de/btd/20/060/2006000.pdf) gab es hierzu eine kleine Erfolgsmeldung (S. 120), BMI und Bundesverwaltungsamt haben mitgeteilt, keine entsprechenden Speicherungen in das so genannte Ausländervereinsregister mehr vorzunehmen!
Ach so: Wirklich gruselig äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Regierungsbefragung letzte Woche im Parlament (siehe Plenarprotokoll im Anhang): Stolz bekannte er sich dazu, auf dem "Flüchtlingsgipfel" zahlreiche Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts vorgeschlagen zu haben (vgl. hierzu: https://www.abschiebungsreporting.de/bund-laender-beschluss-zu-geplanten-verschaerfungen-bei-abschiebungen-und-abschiebehaft/), er nannte es "Vorhaben", die nun "Stück für Stück" abgearbeitet würden... :o( Den Vogel schoss er aber ab, als er darauf hinwies, "dass beide Länder" - Georgien und Moldau - "gerne auch von sich aus als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden würden". Na dann. Die "zügige" Zuleitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs drohte er schon mal an.
Zu guter Letzt möchte ich noch auf eine spannende Neuerscheinung hinweisen:
Katharina Schoenes berichtet in ihrem Buch "Asyl, Sexualität und Wahrheit" anschaulich und fachkundig über gerichtliche Entscheidungen zum Asylgrund "sexuelle Orientierung" - ein wichtiger Beitrag zur rechtssoziologischen Analyse der Asylrechtsprechung!
Hier zu bestellen:
https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6606-9/asyl-sexualitaet-und-wahrheit/?c=310000089
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Mittwoch, 5. Juli 2023
In Memoriam Wiktorija Amelina
che2001, 16:38h
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