Mittwoch, 29. August 2018
Der Clown der Woche: Herr Kretschmer
che2001, 02:30h
Früher gab es in der Titanic mal die Rubrik "Die sieben peinlichsten Persönlichkeiten", die dringend wiederbelebt werden sollte. Heute bekommt von mir zumindest der sächsische Ministerpräser den Titel "Clown der Woche". Er hatte doch ernsthaft gesagt, dass in Chemnitz Hooligans und Glatzen mit "Heil Hitler!" gegrüßt hätten, aber man dürfe nichts pauschalisieren, das wären deswegen noch keine Rechtsradikalen. Aha! Wenn sich jetzt also jemand deutsche Minister oder Ministerpräsidenten in den Kofferraum wünscht ist das dann auch nicht verfassungsfreindlich?
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 26. August 2018
Kaiser Nero war Realist
che2001, 19:57h
Sein "Welch großer Künstler stirbt mit mir!" war den Tatsachen jedenfalls viel näher als Trumps Behauptung wenn er zurücktreten müsste würde die Weltwirtschaft zusammenbrechen. Er scheint sich für einen superschönen Nobelpreisträger mit der sexuellen Anziehungskraft eines schwarzen Lochs zu halten.
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 21. August 2018
Abschied von Uri Avneri
che2001, 02:13h
Er repräsentierte die Hoffnung und die Vernunft im so genannten Nahostkonflikt.Nachdem er nicht mehr da ist hoffe ich dass Leute wie Hanan Ashrawi und mein alter Genosse Gadi Algazi die Sache weitertreiben.
https://www.youtube.com/watch?v=LMM086baXps
https://www.youtube.com/watch?v=LMM086baXps
https://www.youtube.com/watch?v=TBqKwiI9uRE
https://www.youtube.com/watch?v=MdZPvXlR1Tw&list=RDMdZPvXlR1Tw&t=4
https://www.youtube.com/watch?v=LMM086baXps
https://www.youtube.com/watch?v=LMM086baXps
https://www.youtube.com/watch?v=TBqKwiI9uRE
https://www.youtube.com/watch?v=MdZPvXlR1Tw&list=RDMdZPvXlR1Tw&t=4
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 12. August 2018
Wieso Robert zu kurz gedacht hat, der leuchtende Holzweg oder vom Elend der Wertkritik
che2001, 18:55h
Manchmal können doch häusliche Unfälle von Nutzen sein: Ich hatte aus Missgeschick die Wandungen einer der Riesenschubladen meines Wohnzimmerbücherschranks beschädigt und musste die Lade leimen und hierfür zunächst einmal vollständig entleeren. Dies brachte mich dazu den gesamten Bücherschrank auszuräumen der Hunderte von Schriften enthielt und hierbei stieß ich auf eine Ausgabe der Grundrisse aus dem Jahr 2005. Mit Begeisterung las ich einen Artikel meines viel zu früh verstorbenen alten Genossen Jürgen Ahlbohn ("Hessen-Jürsche") zur Kritik der Wertkritik. Sehr gut arbeitete er heraus dass sowohl die Wertkritik als auch die Theoriegebäude der ISF Freiburg (köstlich: "Hausmeister der Kritischen Theorie, die aus dem Grand Hotel Abgrund eine Pension Sackgasse gemacht haben") im Grunde das Fahrwasser linker Theoriebildung verlassen haben da bei Ihnen keine Klassensubjekte und keine Klassenkämpfe als principium movens der Geschichte mehr auftauchen, sondern Kapitalmarkt und Warenfetisch selber als Subjekte der Geschichte angesehen werden, was nichts weiter bedeutet als dass die sogenannten Kapitalismuskritiker dem Fetisch selber auf den Leim gegangen sind. Gut, das war mein Reden schon 1996 gewesen, ich hatte es damals aber nicht so gekonnt ausdrücken können wie Jürsche 2005, von einigen sperrigen Sätzen mal abgesehen. Die Tatsache dass er gleichzeitig Physiker und Historiker war liest sich unschwer heraus. Dass linke Theorie auf der Höhe der Zeit ohne den Operaismus bzw. Postoperaismus nicht zu haben ist wird mehr als deutlich. Ich würde sogar sagen: Wer Jürgen Roth und Detlef Hartmann nicht gelesen hat hat den Schuss nicht gehört.
Nur, und da liegt echt das Elend: Der Wertkritik und der Bastardisierung der Kritischen Theorie hatte man damit noch begrifflich zu Leibe rücken können, weil da Theorie war die man auf den Begriff bringen konnte. Mit dem Antideutschtum, dem Strukturveganismus und dem Gendergaga geht das nicht mehr, weil da nichts mehr auf den Begriff zu bringen ist. Und insofern würde ich diese Auswüchse irgendwielinken Denkens auch nicht mehr als Theorien, sondern eher als Modesujets des Zeitgeistes bezeichnen.
http://www.materialien.org/texte/papers/albohn-wertkritik.pdf
Nur, und da liegt echt das Elend: Der Wertkritik und der Bastardisierung der Kritischen Theorie hatte man damit noch begrifflich zu Leibe rücken können, weil da Theorie war die man auf den Begriff bringen konnte. Mit dem Antideutschtum, dem Strukturveganismus und dem Gendergaga geht das nicht mehr, weil da nichts mehr auf den Begriff zu bringen ist. Und insofern würde ich diese Auswüchse irgendwielinken Denkens auch nicht mehr als Theorien, sondern eher als Modesujets des Zeitgeistes bezeichnen.
http://www.materialien.org/texte/papers/albohn-wertkritik.pdf
... link (6 Kommentare) ... comment
Samstag, 11. August 2018
Der Rechtsstaat und seine Klasse(n)Justiz
che2001, 18:13h
Da hat man bei einem 26 Jährigen Neonazi eine Bombenwerkstatt gefunden und Indizien dass der einen Anschlag geplant hätte. Er bleibt auf freiem Fuß weil er sich kooperativ gezeigt habe. Aha. So wie ich die Dinge kenne würde ein Linker bei dem Gleiches gefunden wird erstmal für ein paar Monate abgehen, U-Haft in Einzelzele mit Milchglasfenster, Besuchssperre und Einzelhofgang. Zumindest war das jahrzehntelang so.
... link (33 Kommentare) ... comment
Montag, 30. Juli 2018
Under the moon of love
che2001, 02:32h
Letzte Nacht konnte ich den roten Mond in Konjugation mit Mars erleben, anschließend fand der Christopher Street Day statt. Irgendwie finde ich das eine passende Kombination. Der CSD war diesmal eine Veranstaltung die keine Ähnlichkeit mit Loveperade-artigen Hully-Gully-Festivitäten hatte, sondern hochpolitisch mit Redebeiträgen very much to the point, u.a. mit dem Hinweis auf die Kampagne "Positiv eingestellt", bei der es darum geht, HIV-positive Menschen am Arbeitsplatz nicht zu benachteiligen. Weiter so!
BTW übrigens bemerkenswert viele Menschen aus dem arabisch/muslimischen Raum auf dem CSD gesehen, auch kopftuchtragende Lesben. Die Stadt ist bunt.



BTW übrigens bemerkenswert viele Menschen aus dem arabisch/muslimischen Raum auf dem CSD gesehen, auch kopftuchtragende Lesben. Die Stadt ist bunt.



... link (0 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 25. Juli 2018
Was blieb von Botho Strauss?
che2001, 02:42h
Lesenswerter Artikel:
https://www.nzz.ch/feuilleton/warum-aus-der-konservativen-revolution-um-botho-strauss-nichts-wurde-ld.1404429
https://www.nzz.ch/feuilleton/warum-aus-der-konservativen-revolution-um-botho-strauss-nichts-wurde-ld.1404429
... link (1 Kommentar) ... comment
Dienstag, 17. Juli 2018
Von der gelebten Utopie, oder auch: Städte durchbrechen den Staatskonsens
che2001, 02:31h
In der WoZ erschien unlängst ein ganz guter, zusammenfassender Artikel, der auch den „Palermo Charter Process“ (siehe https://alarmphone.org/en/2018/06/17/toward-a-coalition-of-solidarity-for-the-right-to-mobility-and-equal-rights-for-all/?post_type_release_type=post ) erwähnt sowie ein (Folge)Treffen, das in dieser Woche in Neapel stattfindet.
Wir werden dort mit einer kleinen Delegation (von Alarm Phone, Welcome to Europe, We`ll Come United) teilnehmen und anschließend berichten.
https://www.woz.ch/-8e48
Die utopische Kraft der Städte
Während sich die europäischen Staaten immer weiter gegen Geflüchtete abschotten, wollen viele Städte Menschen direkt aufnehmen. Wird es konkret, stehen sie jedoch schnell vor hohen Hürden.
Flüchtlingspolitik
Von Anna Jikhareva und Raphael Albisser
Die Stadt springt ein, wenn der Staat sich weigert: Einfahrt der «Aquarius» in Valencia mit 629 geretteten Flüchtlingen an Bord. Foto: Alamy
Ausgerechnet im Namen von Horst Seehofer verbreitete ein Berliner Kollektiv kürzlich eine zündende Idee: Deutschland werde eine «Seebrücke» einrichten und bis Ende 2019 alle Menschen aufnehmen, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind. Freiwillig. «Unser christliches Menschenbild fordert uns auf, dort zu helfen, wo Hilfe nötig ist», wird der falsche Seehofer auf einer falschen Website des Innenministeriums zitiert, «mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.» Dass es sich bei der erfreulichen Nachricht um Satire handelt, wird schnell klar. Denn eine solch humanistische Position vertritt im politischen Mainstream Europas längst niemand mehr, schon gar nicht Horst Seehofer.
Stattdessen hat sich der Migrationsdiskurs innert weniger Jahre drastisch verschoben. Als «Menschenfleisch» bezeichnete etwa der neue italienische Innenminister Matteo Salvini Flüchtende auf dem Mittelmeer. Bei rhetorischen Verschärfungen allein bleibt es dabei längst nicht mehr: Diverse Mittelmeerstaaten verwehrten zivilen Rettungsschiffen zuletzt die Einfahrt in ihre Häfen, während andere Schiffe ihre Ankerplätze gar nicht erst verlassen dürfen. Seit die Seenotrettung in den nordafrikanischen Küstengewässern stillsteht, ist auch die Zahl der Ertrunkenen dramatisch angestiegen: Gemäss der Internationalen Organisation für Migration (IOM) haben allein seit Anfang Juni mehr als 700 Menschen ihre Flucht nicht überlebt. Während die WortführerInnen der europäischen Abschottungspolitik dieses Drama schulterzuckend in Kauf nehmen, muss sich der Kapitän eines Rettungsschiffs für sein humanitäres Handeln vor einem maltesischen Gericht rechtfertigen. «Was ist das für eine Welt, in der stärker gegen das Retten als gegen das Sterben vorgegangen wird?», fragte er am vergangenen Montag in Valletta.
Letztes Wort beim Ministerium
Mit ihrem medialen Störmanöver entlarven die Berliner AktivistInnen den Zynismus der Staaten – und verschaffen einer Haltung Gehör, die im rechten Getöse längst unterzugehen droht: der Forderung nach legalen Fluchtrouten. Vor allem dort, wo Migration seit jeher ein Teil der Lebensrealität ist – in den Städten –, lebt das Ansinnen jedoch fort, wird auch stets eine progressive Migrationspolitik formuliert. Entsprechend sind es auch die Städte, die sich vermehrt gegen die Migrationspolitik der Nationalstaaten auflehnen. «Angesichts der Blockade innerhalb der EU positionieren sich die europäischen Städte migrationspolitisch immer stärker», sagt die Juristin Helene Heuser vom deutschen Netzwerk Flüchtlingsforschung.
Die Intervention der Städte lässt sich an mehreren Beispielen aufzeigen. Als Matteo Salvini dem Rettungsschiff Aquarius mit 629 Personen an Bord kürzlich die Einfahrt in italienische Häfen untersagte, erklärten die BürgermeisterInnen mehrerer Städte – darunter jene Palermos und Neapels –, das Schiff einlaufen lassen zu wollen. Weil in den meisten europäischen Ländern allerdings das Innenministerium in solchen Fragen das letzte Wort hat und auch Salvini sein Veto einlegte, musste die «Aquarius» Tausende Kilometer weit ins spanische Valencia fahren. Die Stadt hatte von der neuen spanischen Regierung grünes Licht für die Aufnahme der Geflüchteten erhalten.
Wenige Tage später wurde auch der «Lifeline» und damit 234 Flüchtenden die Einfahrt in Italien und auf Malta verwehrt, worauf mehrere europäische Städte und deutsche Bundesländer ihre Unterstützung anboten: Berlin und Kiel etwa, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Dass daraus wenig mehr als eine solidarische Geste wurde, liegt an Horst Seehofer, der die Aufnahme verhinderte.
Das Beispiel Berlins, dem weitere Bundesländer folgten, sieht Katina Schubert als «wichtiges Signal gegen die Hartherzigkeit der deutschen Regierung». Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei spricht deshalb von einem «Dominoeffekt». Es gehe vor allem darum, Druck aufzubauen und den Diskurs wieder nach links zu verschieben: «den Preis der Unmenschlichkeit in die Höhe zu treiben». Mithilfe ihrer Stiftung will die Linkspartei nun europaweit ein Netz aus solidarischen Städten aufbauen. Daraus soll dann eine wirkmächtige Opposition entstehen. Abklärungen dafür liefen gerade, so Schubert. Dass dies eher eine Mittelfristperspektive bleibt, weiss auch sie. «Natürlich braucht es jetzt Ad-hoc-Lösungen», gibt die Abgeordnete zu.
«Kommunaler Ungehorsam»
Weiter fortgeschritten ist die Debatte derweil in Barcelona. Die Stadt nahm deutlich mehr Geflüchtete auf, als die Regierung ihr zugewiesen hatte. Und nach einem Tauziehen zwischen Italien und Malta lief am Mittwoch das Schiff Open Arms mit sechzig Geflüchteten im Hafen der Mittelmeerstadt ein. «Unsere Bürgermeisterin erhielt dafür innert weniger Tage die Erlaubnis», sagt Stadtrat Ignasi Calbó, der das Flüchtlingsprogramm von Barcelona koordiniert. Wie Bürgermeisterin Ada Colau gehört er der linken basisdemokratischen Plattform Barcelona En Comú an, die vor drei Jahren die Gemeindewahlen gewann. «Eine ganze Reihe links regierter Städte haben Druck auf die Regierung ausgeübt, damit die Rettungsschiffe anlegen dürfen», so Calbó.
Weil die Ankünfte in Südspanien stark zugenommen hätten, sei Flucht und Migration gerade ein grosses Thema im Land. Auf staatlicher Ebene fehle es jedoch an Geld und Infrastruktur. «Und vor allem mangelt es an einer kohärenten Politik», kritisiert der Lokalpolitiker. Um dem entgegenzutreten, arbeite man in Barcelona eng mit den sozialen Bewegungen zusammen. Und man tausche sich mit anderen Städten aus: mit New York, Amsterdam oder Neapel. «Gerade jetzt ist Vernetzung wichtig», sagt Calbó. «Wenn die EU keine gemeinsame Politik macht, dann machen wir es eben als Städte. Wenn wir nicht kooperieren, dann macht es niemand.»
Auch Juristin Helene Heuser beobachtet eine immer engere Vernetzung zwischen den Städten. Bei Netzwerken wie Eurocities oder der Initiative Global Parliament of Mayors des kürzlich verstorbenen US-Politologen Benjamin Barber sei Migration zwar nur ein Thema von vielen, andere Verbünde seien hingegen speziell dafür gegründet worden: Solidarity City etwa oder die weniger radikale Initiative Solidarity Cities, an der auch die Stadt Zürich teilnimmt. «Je deutlicher sich die Städte äussern, desto mehr fallen sie auch auf nationalstaatlicher oder sogar auf EU-Ebene ins Gewicht», sagt Heuser.
Viele der Initiativen haben die gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten zum Ziel; auch die Diskussion um Urban Citizenship – also Stadtbürgerschaften für alle, die an einem Ort leben – hat in Europa vielerorts Fahrt aufgenommen. Geht es hingegen um legale Wege nach Europa, stehen auch die rebellischen Städte schnell vor hohen Hürden, wie das Beispiel Italien zeigt. Die NGOs «können es vergessen, in einem italienischen Hafen anzulanden», hatte Innenminister Salvini verkündet. Aber kann die Regierung einfach über den Willen der Städte hinweg deren Häfen abriegeln?
Weil es zur Frage der Autonomie von Gemeinden in Sachen Migrationspolitik keine Präzedenzfälle gebe, sei die Rechtslage alles andere als klar, sagt Heuser. «Die Städte könnten durchaus ihre juristischen Spielräume ausloten.» Im Fall der Seenotrettung brechen Staaten internationales Recht, wenn sie die Schiffe nicht einlaufen lassen – und nicht die Städte, die Gerettete aufnehmen möchten. Auch mit den immer neuen Verschärfungen verletzen viele EU-Staaten die Rechte von Geflüchteten. In letzter Instanz könnten Städte deshalb mit den verbrieften Menschenrechten argumentieren.
«Kommunen könnten noch aufmüpfiger werden und sich offen über die Gesetze hinwegsetzen», findet Heuser. «Kommunaler Ungehorsam» nennt die Wissenschaftlerin eine solche Praxis. Sie glaubt, die aktuelle Blockade in der EU könnte zum Erweckungserlebnis für die Städte werden – und dazu beitragen, dass sie eine «Ethik der Gastfreundschaft» entwickeln, wie der französische Philosoph Jacques Derrida es einmal ausgedrückt habe.
Ein wegweisendes Treffen
Bisher sind praktisch alle Initiativen und Zusammenschlüsse der Städte mehr Utopie denn Realität. Der wohl konkreteste Vorschlag – wenn auch nur auf dem Papier – kam bislang von der deutschen Politologin Gesine Schwan: Sie schlägt einen «EU-Fonds» vor, in den die Länder Geld einzahlen, um das sich dann wiederum die Städte bewerben können. Diese finanzielle Unterstützung soll «Anreize schaffen» – und das Nein der Regierungen umgehen. Ob das funktionieren kann, will die ehemalige SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin in einem Pilotprojekt testen.
Während die einen weiterhin nationalen Egoismen folgen und die Abschottung vorantreiben, sind andere längst aktiv geworden. Vor wenigen Wochen lud ein Netzwerk aus AktivistInnen Leoluca Orlando, den Bürgermeister von Palermo, zu einer Konferenz mit Organisationen aus ganz Europa ein. Ende Juli soll in Neapel – diesmal auf Einladung des dortigen Bürgermeisters – das Folgetreffen stattfinden: mit Palermo und Barcelona, zudem wahrscheinlich Berlin und Bari. Antworten weiterer europäischer Städte – darunter auch einige in der Schweiz – stehen noch aus.
«Das ist ein wirklich guter Anfang», sagt der Aktivist Davide Carnemolla, Mitglied des Netzwerks Welcome to Europe (W2EU) in Italien. «Ich hoffe, dass die Städte in dieser desolaten Situation zu Push-Faktoren werden: zu einer starken Stimme all jener, die mit der tödlichen Politik der Staaten nicht einverstanden sind.» Entstehen soll bei dem Treffen eine schlagkräftige Allianz, die in der Lage ist, Druck auf die Nationalstaaten auszuüben. «Damit die Städte ihre Häfen öffnen und Geflüchtete willkommen heissen können», hofft Carnemolla.
Dass sich auch Schweizer Städte solidarisch zeigen und anbieten, Geflüchtete von den Rettungsschiffen aufzunehmen, ist bisher nicht bekannt. Man plane dazu keine speziellen Massnahmen, heisst es etwa aus dem Departement der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch. Von der Konferenz in Neapel habe man keine Kenntnis.
BTW: Am Rande sei mal vermerkt, dass laut aktuellen Umfrageergebnissen weite Teile der deutschen Bevölkerung Themen wie Altersarmut, Wohnungsnot und Wirtschaftskonflikte mit den USA und China für sehr viel relevanter halten als die Flüchtlingsfrage (bei der Formulierung fällt mir, was kein Zufall ist, Judenfrage ein). Es wird ein Popanz aufgebaut, der von den wesenlichsten Themen neben der noch wesentlicheren Klimakatastrophe ablenkt.
Wir werden dort mit einer kleinen Delegation (von Alarm Phone, Welcome to Europe, We`ll Come United) teilnehmen und anschließend berichten.
https://www.woz.ch/-8e48
Die utopische Kraft der Städte
Während sich die europäischen Staaten immer weiter gegen Geflüchtete abschotten, wollen viele Städte Menschen direkt aufnehmen. Wird es konkret, stehen sie jedoch schnell vor hohen Hürden.
Flüchtlingspolitik
Von Anna Jikhareva und Raphael Albisser
Die Stadt springt ein, wenn der Staat sich weigert: Einfahrt der «Aquarius» in Valencia mit 629 geretteten Flüchtlingen an Bord. Foto: Alamy
Ausgerechnet im Namen von Horst Seehofer verbreitete ein Berliner Kollektiv kürzlich eine zündende Idee: Deutschland werde eine «Seebrücke» einrichten und bis Ende 2019 alle Menschen aufnehmen, die im Mittelmeer in Seenot geraten sind. Freiwillig. «Unser christliches Menschenbild fordert uns auf, dort zu helfen, wo Hilfe nötig ist», wird der falsche Seehofer auf einer falschen Website des Innenministeriums zitiert, «mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.» Dass es sich bei der erfreulichen Nachricht um Satire handelt, wird schnell klar. Denn eine solch humanistische Position vertritt im politischen Mainstream Europas längst niemand mehr, schon gar nicht Horst Seehofer.
Stattdessen hat sich der Migrationsdiskurs innert weniger Jahre drastisch verschoben. Als «Menschenfleisch» bezeichnete etwa der neue italienische Innenminister Matteo Salvini Flüchtende auf dem Mittelmeer. Bei rhetorischen Verschärfungen allein bleibt es dabei längst nicht mehr: Diverse Mittelmeerstaaten verwehrten zivilen Rettungsschiffen zuletzt die Einfahrt in ihre Häfen, während andere Schiffe ihre Ankerplätze gar nicht erst verlassen dürfen. Seit die Seenotrettung in den nordafrikanischen Küstengewässern stillsteht, ist auch die Zahl der Ertrunkenen dramatisch angestiegen: Gemäss der Internationalen Organisation für Migration (IOM) haben allein seit Anfang Juni mehr als 700 Menschen ihre Flucht nicht überlebt. Während die WortführerInnen der europäischen Abschottungspolitik dieses Drama schulterzuckend in Kauf nehmen, muss sich der Kapitän eines Rettungsschiffs für sein humanitäres Handeln vor einem maltesischen Gericht rechtfertigen. «Was ist das für eine Welt, in der stärker gegen das Retten als gegen das Sterben vorgegangen wird?», fragte er am vergangenen Montag in Valletta.
Letztes Wort beim Ministerium
Mit ihrem medialen Störmanöver entlarven die Berliner AktivistInnen den Zynismus der Staaten – und verschaffen einer Haltung Gehör, die im rechten Getöse längst unterzugehen droht: der Forderung nach legalen Fluchtrouten. Vor allem dort, wo Migration seit jeher ein Teil der Lebensrealität ist – in den Städten –, lebt das Ansinnen jedoch fort, wird auch stets eine progressive Migrationspolitik formuliert. Entsprechend sind es auch die Städte, die sich vermehrt gegen die Migrationspolitik der Nationalstaaten auflehnen. «Angesichts der Blockade innerhalb der EU positionieren sich die europäischen Städte migrationspolitisch immer stärker», sagt die Juristin Helene Heuser vom deutschen Netzwerk Flüchtlingsforschung.
Die Intervention der Städte lässt sich an mehreren Beispielen aufzeigen. Als Matteo Salvini dem Rettungsschiff Aquarius mit 629 Personen an Bord kürzlich die Einfahrt in italienische Häfen untersagte, erklärten die BürgermeisterInnen mehrerer Städte – darunter jene Palermos und Neapels –, das Schiff einlaufen lassen zu wollen. Weil in den meisten europäischen Ländern allerdings das Innenministerium in solchen Fragen das letzte Wort hat und auch Salvini sein Veto einlegte, musste die «Aquarius» Tausende Kilometer weit ins spanische Valencia fahren. Die Stadt hatte von der neuen spanischen Regierung grünes Licht für die Aufnahme der Geflüchteten erhalten.
Wenige Tage später wurde auch der «Lifeline» und damit 234 Flüchtenden die Einfahrt in Italien und auf Malta verwehrt, worauf mehrere europäische Städte und deutsche Bundesländer ihre Unterstützung anboten: Berlin und Kiel etwa, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Dass daraus wenig mehr als eine solidarische Geste wurde, liegt an Horst Seehofer, der die Aufnahme verhinderte.
Das Beispiel Berlins, dem weitere Bundesländer folgten, sieht Katina Schubert als «wichtiges Signal gegen die Hartherzigkeit der deutschen Regierung». Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei spricht deshalb von einem «Dominoeffekt». Es gehe vor allem darum, Druck aufzubauen und den Diskurs wieder nach links zu verschieben: «den Preis der Unmenschlichkeit in die Höhe zu treiben». Mithilfe ihrer Stiftung will die Linkspartei nun europaweit ein Netz aus solidarischen Städten aufbauen. Daraus soll dann eine wirkmächtige Opposition entstehen. Abklärungen dafür liefen gerade, so Schubert. Dass dies eher eine Mittelfristperspektive bleibt, weiss auch sie. «Natürlich braucht es jetzt Ad-hoc-Lösungen», gibt die Abgeordnete zu.
«Kommunaler Ungehorsam»
Weiter fortgeschritten ist die Debatte derweil in Barcelona. Die Stadt nahm deutlich mehr Geflüchtete auf, als die Regierung ihr zugewiesen hatte. Und nach einem Tauziehen zwischen Italien und Malta lief am Mittwoch das Schiff Open Arms mit sechzig Geflüchteten im Hafen der Mittelmeerstadt ein. «Unsere Bürgermeisterin erhielt dafür innert weniger Tage die Erlaubnis», sagt Stadtrat Ignasi Calbó, der das Flüchtlingsprogramm von Barcelona koordiniert. Wie Bürgermeisterin Ada Colau gehört er der linken basisdemokratischen Plattform Barcelona En Comú an, die vor drei Jahren die Gemeindewahlen gewann. «Eine ganze Reihe links regierter Städte haben Druck auf die Regierung ausgeübt, damit die Rettungsschiffe anlegen dürfen», so Calbó.
Weil die Ankünfte in Südspanien stark zugenommen hätten, sei Flucht und Migration gerade ein grosses Thema im Land. Auf staatlicher Ebene fehle es jedoch an Geld und Infrastruktur. «Und vor allem mangelt es an einer kohärenten Politik», kritisiert der Lokalpolitiker. Um dem entgegenzutreten, arbeite man in Barcelona eng mit den sozialen Bewegungen zusammen. Und man tausche sich mit anderen Städten aus: mit New York, Amsterdam oder Neapel. «Gerade jetzt ist Vernetzung wichtig», sagt Calbó. «Wenn die EU keine gemeinsame Politik macht, dann machen wir es eben als Städte. Wenn wir nicht kooperieren, dann macht es niemand.»
Auch Juristin Helene Heuser beobachtet eine immer engere Vernetzung zwischen den Städten. Bei Netzwerken wie Eurocities oder der Initiative Global Parliament of Mayors des kürzlich verstorbenen US-Politologen Benjamin Barber sei Migration zwar nur ein Thema von vielen, andere Verbünde seien hingegen speziell dafür gegründet worden: Solidarity City etwa oder die weniger radikale Initiative Solidarity Cities, an der auch die Stadt Zürich teilnimmt. «Je deutlicher sich die Städte äussern, desto mehr fallen sie auch auf nationalstaatlicher oder sogar auf EU-Ebene ins Gewicht», sagt Heuser.
Viele der Initiativen haben die gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten zum Ziel; auch die Diskussion um Urban Citizenship – also Stadtbürgerschaften für alle, die an einem Ort leben – hat in Europa vielerorts Fahrt aufgenommen. Geht es hingegen um legale Wege nach Europa, stehen auch die rebellischen Städte schnell vor hohen Hürden, wie das Beispiel Italien zeigt. Die NGOs «können es vergessen, in einem italienischen Hafen anzulanden», hatte Innenminister Salvini verkündet. Aber kann die Regierung einfach über den Willen der Städte hinweg deren Häfen abriegeln?
Weil es zur Frage der Autonomie von Gemeinden in Sachen Migrationspolitik keine Präzedenzfälle gebe, sei die Rechtslage alles andere als klar, sagt Heuser. «Die Städte könnten durchaus ihre juristischen Spielräume ausloten.» Im Fall der Seenotrettung brechen Staaten internationales Recht, wenn sie die Schiffe nicht einlaufen lassen – und nicht die Städte, die Gerettete aufnehmen möchten. Auch mit den immer neuen Verschärfungen verletzen viele EU-Staaten die Rechte von Geflüchteten. In letzter Instanz könnten Städte deshalb mit den verbrieften Menschenrechten argumentieren.
«Kommunen könnten noch aufmüpfiger werden und sich offen über die Gesetze hinwegsetzen», findet Heuser. «Kommunaler Ungehorsam» nennt die Wissenschaftlerin eine solche Praxis. Sie glaubt, die aktuelle Blockade in der EU könnte zum Erweckungserlebnis für die Städte werden – und dazu beitragen, dass sie eine «Ethik der Gastfreundschaft» entwickeln, wie der französische Philosoph Jacques Derrida es einmal ausgedrückt habe.
Ein wegweisendes Treffen
Bisher sind praktisch alle Initiativen und Zusammenschlüsse der Städte mehr Utopie denn Realität. Der wohl konkreteste Vorschlag – wenn auch nur auf dem Papier – kam bislang von der deutschen Politologin Gesine Schwan: Sie schlägt einen «EU-Fonds» vor, in den die Länder Geld einzahlen, um das sich dann wiederum die Städte bewerben können. Diese finanzielle Unterstützung soll «Anreize schaffen» – und das Nein der Regierungen umgehen. Ob das funktionieren kann, will die ehemalige SPD-Bundespräsidentschaftskandidatin in einem Pilotprojekt testen.
Während die einen weiterhin nationalen Egoismen folgen und die Abschottung vorantreiben, sind andere längst aktiv geworden. Vor wenigen Wochen lud ein Netzwerk aus AktivistInnen Leoluca Orlando, den Bürgermeister von Palermo, zu einer Konferenz mit Organisationen aus ganz Europa ein. Ende Juli soll in Neapel – diesmal auf Einladung des dortigen Bürgermeisters – das Folgetreffen stattfinden: mit Palermo und Barcelona, zudem wahrscheinlich Berlin und Bari. Antworten weiterer europäischer Städte – darunter auch einige in der Schweiz – stehen noch aus.
«Das ist ein wirklich guter Anfang», sagt der Aktivist Davide Carnemolla, Mitglied des Netzwerks Welcome to Europe (W2EU) in Italien. «Ich hoffe, dass die Städte in dieser desolaten Situation zu Push-Faktoren werden: zu einer starken Stimme all jener, die mit der tödlichen Politik der Staaten nicht einverstanden sind.» Entstehen soll bei dem Treffen eine schlagkräftige Allianz, die in der Lage ist, Druck auf die Nationalstaaten auszuüben. «Damit die Städte ihre Häfen öffnen und Geflüchtete willkommen heissen können», hofft Carnemolla.
Dass sich auch Schweizer Städte solidarisch zeigen und anbieten, Geflüchtete von den Rettungsschiffen aufzunehmen, ist bisher nicht bekannt. Man plane dazu keine speziellen Massnahmen, heisst es etwa aus dem Departement der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch. Von der Konferenz in Neapel habe man keine Kenntnis.
BTW: Am Rande sei mal vermerkt, dass laut aktuellen Umfrageergebnissen weite Teile der deutschen Bevölkerung Themen wie Altersarmut, Wohnungsnot und Wirtschaftskonflikte mit den USA und China für sehr viel relevanter halten als die Flüchtlingsfrage (bei der Formulierung fällt mir, was kein Zufall ist, Judenfrage ein). Es wird ein Popanz aufgebaut, der von den wesenlichsten Themen neben der noch wesentlicheren Klimakatastrophe ablenkt.
... link (0 Kommentare) ... comment
Samstag, 14. Juli 2018
Allons, enfants!
che2001, 20:41h
https://www.youtube.com/watch?v=flaEF6h9vvE
https://www.youtube.com/watch?v=Jo08Ia_kh2w
https://www.youtube.com/watch?v=-srLjMRjoVI
https://www.youtube.com/watch?v=ACmfRDAoMTk
https://www.youtube.com/watch?v=Jo08Ia_kh2w
https://www.youtube.com/watch?v=-srLjMRjoVI
https://www.youtube.com/watch?v=ACmfRDAoMTk
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 8. Juli 2018
Grenzkontrollen
che2001, 21:02h
Seehofer und Söder reden nicht nur davon dass die bayerische Landespolizei notfalls im Alleingang Grenzkontrollen durchführen werden, diese macht das auch schon, wie ich bei meiner Rückreise aus Österreich feststellen konnte. Und sie macht es dilettantisch: Da es die Grenzübergänge mit ihren Checkpoints nicht mehr gibt stellen sie an der Grenzlinie Temposchilder mit der Angabe 10 km/h auf und stellen sich mit Streifenwagen und Stoppkelle auf die Fahrbahn. Hat mich eine halbe Stunde Fahrzeit gekostet, der Mist.
... link (2 Kommentare) ... comment
... nächste Seite
