Mittwoch, 25. Januar 2023
Korruption in der Ukraine
Gerade kochte die Nachricht hoch, dass die Korruption im ukrainischen Staatsapparat enorm sei und gleich gegen zwei Ministerien, Verteidigung und Infrastruktur ermittelt werde. Was dabei untergeht ist die Tatsache, dass Selenskij selber in einen internationalen Steuerhinterziehungsskandal verwickelt ist. Wenn der Krieg einmal zu Ende ist wird er sich vor Gericht verantworten müssen, wie schon sein Vorgänger, der Schokoladenonkel Poroschenko. Und da kommt bei mir die unangenehme Überlegung hoch: Hat Selenskij ein persönliches Interesse daran, den Krieg in die Länge zu ziehen?

An Stelle der Wahrnehmung als Lichtgestalt, wie sie in westlichen Medien teils rüberkommt wäre die adäquate Haltung zu Putin und Selenskij vielleicht eher "Der Eine taugt nichts, und der Andere ist nichts wert". Das ist jetzt kein Standpunkt, den ich fest vertrete, sondern eher eine Überlegung, die sich neben meine in den Grundzügen entschieden gegen die russische Aggression und für das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine ausgerichtete Haltung schiebt.


https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-selenskyj-verteidigungsminister-ruecktritt-103.html


https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/342240/dokumentation-offshore-geschaefte-selenskyj-und-kolomojskyj-in-den-pandora-papers/

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Montag, 23. Januar 2023
Machtkämpfe und Waffendeals - steht hinter der Diskussion um die Panzerlieferungen ein Konflikt zwischen US- und deutschen Rüstungskonzernen?
Dies legt jedenfalls dieser Beitrag im Focus nahe:


http://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/us-amerikanische-rüstungsinteressen-das-könnte-der-wahre-grund-sein-warum-scholz-keine-leopard-2-liefert/ar-AA16CzYG?ocid=entnewsntp&pc=U531&cvid=55d292e15f8c4432b1f53afd3fe3c92e

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Samstag, 21. Januar 2023
Die Krone unseres Sozialsystems
Ich war heute bei Karstadt und hatte mir Lederhandschuhe vom Typ Dominator und Burlington-Strümpfe gekauft (letztere haben für mich ja eine spezifische Bedeutung)
https://che2001.blogger.de/STORIES/2372934/, als ich auf dem Weg zum Auto an einem alten Paar vorbei kam, mindestens 80. Der Mann schob einen Rollator vor sich her und sagte in flehentlichem Tonfall: "Wenigstens eine Kleinigkeit!", woraufhin sie sich vorbeugte und in einer Mülltonne wühlte. Ich fühlte einen Stein im Magen. Wo leben wir eigentlich? Als ich das dem G. erzählte war der völlig erschüttert.

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Donnerstag, 15. September 2022
Lügen haben lange Beine oder der Gaspreis und seine Rechtfertigung
Nun wird also der Ukraine-Krieg und die Reaktion Putins auf die Sanktionen als quasi einzige Begründung zur Erhöhung des Gaspreises ins Feld geführt. Selbstverständlich ist die Vervielfachung des Gaspreises das zwangsläufige Ergebnis dieser Entwicklung. Aber die Preiserhöhung an sich war vorher schon beabsichtigt. Im Januar 2022, also noch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine bekam ich von meinem damaligen Versorger eine drastische Erhöhung meines Gaspreises angeküdigt, was mich dann dazu brachte, mich auf die Suche nach einem neuen Anbieter zu machen. Dies gelang dann auch zufriedenstellend, aber mehrere Anbieter, darunter auch ehemalige Billigprovider kamen mir mit Horrorpreisen. Die Gaspreiserhöhung war also schon vor dem Ukrainekrieg eine geplante Sache. Einerseits im Interesse der Konzerne, andererseits aber auch im Interesse des grünen Wirtschaftsministeriums. Es ist ja seit den späten Neunzigern, siehe 5 DM für den Liter Benzin, eines der Essentials grüner Politik, eine ökologische und nachhaltige Energiepolitik durch Preiserhöhungen durchsetzen zu wollen, was den unsozialen Charakter dieser Yuppiepartei offenlegt.

Alternativen zum Neoliberalismus - etwa Re-Verstaatlichung bzw. Kommunalisierung der Energieversorger - sind in dieser Logik nicht mehr denkbar. Wie sehr der Neoliberalismus alles Denken in der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik bestimmt war hier ja schon vor fast 2 Jahrzehnten zu lesen gewesen, es ist seither nur umso wahrer geworden.

https://che2001.blogger.de/stories/395589/#395885

https://che2001.blogger.de/stories/479987/

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Montag, 4. Juli 2022
Eissturz an der Marmolada
8 Tote an einem meiner Lieblingsberge, ein eindeutiges Ergebnis der Klimakatastrophe. Rest in peace.

Beim Abstieg von der Marmolada bin ich 1999 selber einmal in eine Gletscherspalte gefallen und musste gerettet werden.

https://che2001.blogger.de/stories/1901668/


In nur wenigen Wochen beginnt meine Dolomitensaison.

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Dienstag, 24. Mai 2022
Der Ukraine-Krieg und die Linke - wird auf einmal alles anders?
Unterstützung von Friedensbewegung und Traditionslinken für Putin, oder abgeschwächt eine die exzessive Gewalttätigkeit und den neoimperialistischen Charakter des russischen Aggressors relativierende Sichtweise, ebenso wie eine Gleichsetzung der militärischen Unterstützung für die Ukraine oder der Rekrutierung von Freiwilligenverbänden mit der Anti-Hitler-Koalition oder den Internationalen Brigaden gegen Franco sind weniger situationsadäquate Verhaltensweisen, als eher Ausdruck der Sehnsucht der Intellektuellen nach dem Einfachen.

"Abschied von gestern" titelt die Maiausgabe von konkret in dem Zusammenhang und meint nicht den Film von Alexander Kluge, sondern die Postulation, dass die Linke im Westen sich nun endgültig in die Affirmation des Bestehenden zurückziehen würde.

Differenzierter und wahrer sind da die im gleichen Heft vorgenommenen Überlegungen von Felix Bartels:

"Wo die Kraft, einen Komplex von Widersprüchen als gesamten zu beleuchten, nicht mehr aufgebracht wird, konzentriert man sich darauf, innerhalb des Komplexes Punkte zu finden, an die man sich halten kann. Dann hält man eben zu Russland, erinnert an den vom Westen forcierten Regime Change in Kiew, die Aufrüstung durch das Pentagon seit 2014, Tausende ziviler Opfer in der Ostukraine seither, die Einbindung faschistischer Gruppen in den Staatsapparat und die Unterdrückung der Opposition durch die Regierung Selenskiy. Oder man hält zur NATO, betont demgemäß den russischen Machtanspruch gegenüber den ehemaligen Sowjetrepubliken, die Finanzierung der ost-ukrainischen Milizen, die Annexion der Krim, die Unterdrückung der russischen Opposition und die Desinformationskampagnen in Europa.

Imperialismus ist nicht die Eigenschaft einer Seite, sondern ein Verhältnis der Seiten, wird nicht durch einen Staat in die Welt hineingetragen, sondern entsteht unvermeidlich im Kampf von Staaten um Käufer, Arbeitskräfte, Einflussgebiete und Rohstoffe.

- Daran zu erinnern hat nichts mit Äquidistanz zu tun. Die bedeutet Unentschiedenheit, Abhnängigkeit von den gegebenen Stellungen, zwischen denen man zaghaft den eigenen Standort ausmittelt. Drüberstehen ist nicht Äquidistanz, eine Kritik aufs Ganze auch nicht.

Man müsse, heißt es, prüfen, ob der Antiimperialismus noch zeitgemäß ist. Ich denke, nach Jahrzehnten folkloristischer und friedensbewegter Deformation sollte man ihn überhaupt erst wieder lernen, seine innere Architektur begreifen."


In dem Zusammenhang verwundert es nicht, sondern ist eher zwangsläufig, dass die Materialien für einen neuen Antiimperialismus die überzeugendste und stringenteste, sich auf die wirklichen Wirtschaftsstrukturen und Klassenverhältnisse in Russland beziehende Analyse haben:

"EURASISMUS IN RUSSLAND
EIN BEITRAG ZUR POPULISMUS-DISKUSSION
Peter Bomann
2016
Was haben die alten kommunistischen Staatseliten in der SU bzw. Russland aus Militär, Geheimdiensten, Polizei und Partei an die geistige Leerstelle des staatsoffiziellen Marxismus-Leninismus gesetzt? Was steckt hinter der offensiven Linie, die seit dem Beginn der dritten Amtsperiode Putins zur Krim-Annektion, dem Krieg gegen die Ukraine und zum Eingreifen in
Syrien geführt hat?

Das interessiert nicht nur zur Einschätzung der Außen- und Innenpolitik Russlands, sondern auch, weil bestimmte Abteilungen des Kreml eine ideologische Durchdringung, wenn nicht sogar Hegemonie bei der radikalen Rechten Europa etabliert haben.

Und weil diese europäischen Rechte ?revolutionäre? Programmvorstellungen wie z. B. die Abkopplung Europas vom US-dominierten ?Westen?, eine rassistische Grenz- und Migrationspolitik bis hin zu Einschränkungen bestimmter Freiheitsrechte in ganz Europa ernsthaft anstrebt; und sich in einigen Ländern entsprechende Regierungswechsel schon vollzogen haben, vom Brexit zu schweigen. Die Auswirkungen auf die sozialen Kämpfe hier und anderswo mit neuen Polarisierungen sind erheblich. In Deutschland können Erscheinungen wie der Aufstieg und die Spaltungen der AfD, Elsässers Compact sowie der Mob auf Straßen und im Internet kaum ohne Hilfestellung aus Moskau erklärt werden. All das sind Krisenphänomene, die Bruchlinien im globalen System deutlich werden lassen.

Gibt es also eine Gesamtkonzeption hinter dem russischen Vorgehen in der Globalpolitik?

Ja, es gibt sie, eine ausgewiesene geopolitische Vision von Teilen der russischen Staatselite, die ihr das Selbstbewusstsein für ihre Kriege nach innen und außen verleiht.

Aus hiesiger Sicht würden manche im Vorgehen Russlands eine defensive Reaktion auf das unbe-kümmerte Vordringen der NATO und EU durch Osterweiterung, auf die Brzezińskischen Ideen für die ?eine? Weltmacht zur Zerschlagung der Gegenmacht Russland auf die Technologie-Offensive des US-Kapitals, die Finanzmacht der Wallstreet und der US-Zentralbank sehen. Also es eher als geopolitische Antwort auf Machtverlust und auf die große Kränkung durch den Untergang der ehem. Sowjetunion lesen. Sie können auf den zweiten Weltkrieg mit Millionen Opfern und auf die Fortsetzung des alten geopolitischen Konflikts im kalten Krieg verweisen, der auf das Konto des US-Imperialismus gehe, während vom sowjetischen und nunmehr russischen Imperialismus keine Rede zu sein braucht.

Wesentliche Teile der russischen Eliten denken wie Putin mit seinem Spruch über?die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts?. Das wäre auch die klassische Denkrichtung der Traditionslinken in Deutschland. Dagegen würden diverse Gruppen der radikalen Linken diese Ursachenbeschreibung in Frage stellen und mit der kontinuierliche Krise der Produktivität in der gesamten russischen Gesellschaft argumentieren. Sie halten das Ausblenden der
russischen Aggressionen, auch wenn es gegen das westliche, dominante Kapital geht, für einen politischen Fehler. Der Feind unseres Feindes ist nicht unser Freund, das hat die Geschichte des Stalinismus erwiesen. Wir halten auch die Grundeinschätzung der Traditionslinken für falsch, dass die russische Außenpolitik eine direkte Antwort auf die militärischen und geopolitischen Bedingungen sei, sondern meinen, dass zuerst einmal die innere Lage in Russland betrachtet werden sollte. Dort ist eine sozial blockierte Situation zu beobachten, in deren Zentrum die Angst vor sozialen Unruhen steht und eine Unfähigkeit, mit der Widerständigkeit der Klasse fertig zu werden und Rechtssicherheit, strukturelle Innovationen und Wirtschaftswachstum aus junger Elitensubjektivität und aggressiver Neuordnung der sozialen nterwerfung statt aus Rohstoffverkauf hervorzubringen. Ausführlich wurde der analytische Grundansatz, sich auf die inneren Kämpfe und sozialen Renitenzen in der sowjetischen Gesellschaft zu beziehen und von daher die Krisenentwicklung im Inneren und Konsequenzen in der Außenpolitik zu erklären, bereits vor über 20 Jahren in der Zeitschrift
?MATERIALIEN FÜR EINEN NEUEN ANTIMPERIALISMUS ? entwickelt, an den wir hier anschließen können.

Das Sozialmodell der Sowjetunion besteht zwar nicht mehr, aber dennoch haben sich wesentliche Haltungen in der Bevölkerung, deren Resistenzformen einerseits wie auch die Verhaltensweisen z.B. von Betriebsleitungen und Bürokratien in Teilen der Gesellschaft erhalten."


Hier hätte eine Debatte zur Anatomie des Konfliktes anzusetzen, die der Höhe der Zeit und der Komplexität der Materie entspricht.


https://materialien.org/das-ende-des-sowjetischen-entwicklungsmodells/

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Donnerstag, 12. Mai 2022
Bittere Abrechnung mit Putin - Lenta.ru schreiben, wie es ist
Großartiger mutiger Journalismus, übersetzt vom Genossen Avantgarde:

https://avantgarde.blogger.de/stories/2846452


Der mutigste Artikel aus lenta.ru
"Ein Krieg macht es leichter, Misserfolge in der Wirtschaft zu vertuschen".

Putin muss weg. Er hat einen sinnlosen Krieg begonnen und führt Russland in den Abgrund.

00:01, 9. Mai 2022

https://web.archive.org/web/20220509071031/https://lenta.ru/articles/2022/05/09/den_pobedy/

Der russische Präsident Wladimir Putin trägt die volle Verantwortung für den sinnlosen und blutigen Krieg gegen die Ukraine. Unter weit hergeholten Vorwänden einer Bedrohung Russlands hat der Staatschef zwei Nachbarstaaten in einen Krieg gestürzt, in dem es keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben wird. Die Entscheidung des Präsidenten wird das Land Isolation, Armut und einen Rückfall in die 90er Jahre kosten, mit denen Putin den Russen gerne Angst macht.

In seinen mehr als 20 Jahren an der Macht hat sich der Staatschef zu einem Diktator entwickelt, der begonnen hat, an Verschwörungstheorien zu glauben und den Bezug zur Realität verloren hat. Zurzeit beraubt Putin Millionen von Russen ihrer Zukunft und nimmt unschuldigen Ukrainern das Leben. Wladimir Putin sollte den Krieg sofort beenden und zurücktreten.

Disclamer: Dieses Material wurde nicht von der Leitung genehmigt, und für die Veröffentlichung wird die Präsidialverwaltung die Veröffentlichung mit einem Sternchen versehen, mit anderen Worten: SCHNELLSTMÖGLICH, bevor es gelöscht wird.

Der nackte König

Wladimir Putin ist seit mehr als 20 Jahren in den höchsten Rängen der Macht. In dieser Zeit hat sich das Staatsoberhaupt von einem legitimen und demokratischen Präsidenten zu einem archaischen, inkompetenten und blutigen Diktator entwickelt. Die Paranoia des Präsidenten, gepaart mit einem totalen Misstrauen gegenüber seiner Umgebung, hat ihn von seinem inneren Kreis abhängig gemacht - der Präsident erhält keine aktuellen Informationen, sondern konsumiert sie nur über Ordner, deren Zusammensteller die Meinung des Präsidenten regelmäßig manipulieren. Der Staatschef hat kein Handy, surft nicht im Internet - er ist zurückgeblieben und versucht, das Land nach sowjetischen Methoden zu regieren, was in der heutigen Zeit einfach unhaltbar ist.

25.500 russische Soldaten starben während des Krieges in der Ukraine.

In 20 Jahren an der Macht hat Wladimir Putin alle demokratischen Institutionen zerstört, für deren Aufbau die russischen Bürger seit den Anfängen des modernen Russlands so hart gearbeitet haben. Es gibt keine Kontrolle mehr im Land, es gibt keine Opposition im Parlament, der Föderationsrat hat längst den Status eines "Pflegeheims" - auch wenn er noch vor 15 Jahren ganze Gesetzespakete blockieren konnte, wenn die regionalen Behörden damit nicht einverstanden waren -, die unabhängige Justiz ist zerstört. Die lokalen Behörden sind zahnlos geworden; ohne die Erlaubnis des Präsidenten trauen sich die Regionalchefs, Gouverneure und Bürgermeister nicht, einen Finger zu rühren, was sie zu Einrichtungsgegenständen macht und die Lösung wichtiger Fragen vor Ort verzögert.

Auch die Institution des Präsidenten hat sich in den letzten 20 Jahren drastisch verändert: Zunächst wurden Putins Versprechen durch das Fehlen einer vertikalen Befehlskette behindert, dann durch eine zu kurze Amtszeit des Präsidenten, dann durch "unnötige Diskussionen im Parlament", unverständliche bürgerliche Freiheiten, unabhängige Medien und die "fünfte Kolonne" und schließlich durch die Verfassung, die in aller Eile umgeschrieben wurde, um sie dem Präsidenten anzupassen, wobei alle Amtszeiten auf Null reduziert wurden und der alternde Staatschef sich wie ein unparteiischer Zar fühlte.

Etwa 900 Millionen Dollar gibt Russland jeden Tag für den Krieg mit der Ukraine aus.

In diesen 20 Jahren sind jedoch keine wirklichen Fortschritte erzielt worden. Die erhoffte Wirtschaftskraft und ein "normales Leben" auf dem Niveau Portugals (ja, das war das Land, auf das sich Wladimir Putin zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident bescheiden bezog) sind nicht erreicht worden. Der durchschnittliche monatliche Nettolohn der Russen ist heute einer der niedrigsten in Europa und liegt unter dem des ärmsten Landes der Europäischen Union, Bulgarien. Gemessen am nominalen BIP ist Russland in den letzten 10 Jahren aus den Top-10-Ländern der Welt herausgefallen (https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_largest_historical_GDP), und angesichts der Situation, in die der russische Präsident das Land gebracht hat, hat Russland keine Perspektiven. Egal, wie sehr die Propagandisten versuchen zu schreien, dass "wir jetzt hier sind" - das BIP wächst nicht durch das Schreien, Spucken und Kreischen im Fernsehen.

Wladimir Putin sagt gerne: "Der Westen will kein starkes Russland, er will uns eindämmen", aber das Problem ist, dass Russland unter Wladimir Putin noch nie stark war. Die russische Wirtschaft ist seit 20 Jahren extrem abhängig von den Kohlenwasserstoffexporten, und ihre Struktur hat sich nicht dramatisch verändert, egal wie sehr die russischen Behörden versuchen, die Zahlen zu verfälschen, indem sie den Beitrag der verschiedenen Sektoren berechnen. Russland ist innerhalb von 20 Jahren in nur einer Branche führend geworden - im Internet-Banking -, aber nicht dank des Präsidenten, sondern dank jemandem, der keine Angst hatte und sich öffentlich gegen den Krieg stellte - dem Unternehmer Oleg Tinkov. Seinem Talent und seiner Hartnäckigkeit (und der seines Teams) ist es zu verdanken, dass eine der besten Internetbanken der Welt entstanden ist, auf deren Erfahrung sich heute die führenden Finanzinstitute der Welt verlassen. Tinkov ist es zu verdanken, dass die Russen heute alle ihre Bankgeschäfte online über ihr Smartphone abwickeln können. Aber was hat Tinkov für seinen Mut und seine Talente bekommen? Ausschluss, Vorwürfe des Verrats und stumpfe Verdrängung aus dem Geschäft.

10.000 Rubel wird von Putin an jedem 9. Mai an die Veteranen gezahlt.

Russland ist auch in einem anderen Bereich führend - bei der Zahl der Milliardäre, aber wer sind diese Menschen? Sind sie das russische Pendant zu Jeff Bezos, der von ganz unten angefangen hat, oder zu Jack Ma, der keinen Job bei KFC bekommen hat? Nein, sie sind Judokas, Sportler, ehemalige Kraftprotze und einfach gute Freunde von Wladimir Putin. Im Jahr 2017 wurde das gemeinsame Vermögen der engsten Vertrauten des Präsidenten auf mehr als 24 Milliarden Dollar geschätzt - Zufall? Dasselbe gilt für die Vergabe staatlicher Unternehmen an seine treuen Mitarbeiter - Alexej Miller, Herman Gref, Andrej Kostin, Igor Setschin, Nikolai Tokarew, Sergej Tschemezow. Das Gleiche gilt für das Ausbleiben eines Regimewechsels, für das Fehlen von Wirtschaftswachstum, von Perspektiven und einer Zukunft für Russland, solange es von Wladimir Putin regiert wird.

Das russische Establishment ist eine Bedrohung für Russland und das russische Volk, es ist Armut, Armut und Probleme, die nur in Ländern der Dritten Welt relevant sind: sei es die HIV-Epidemie, über die die russischen Behörden so ungern sprechen, oder der fehlende Zugang zu sauberen Toiletten und zentralen Abwassersystemen. Russland verfügt über die größten Gas- und Ölreserven, aber ein Drittel der Russen hat noch immer kein Gas in ihren Häusern. Russland ist das reichste Land der Welt, aber die Russen gehören zu den ärmsten Menschen der Welt. Warum?

Russlands Anteil am globalen BIP wird bis 2024 bei 2,52 Prozent liegen

Denn das Leben der Russen war für Wladimir Putin weniger wichtig als sein Ehrgeiz, als "Sammler russischer Ländereien und Beschützer traditioneller Werte" in die Geschichtsbücher einzugehen. Das Problem ist, dass der Präsident sich selbst in die Geschichte eingebracht und das gesamte russische Volk mit hineingezogen hat, ohne es überhaupt nach seiner Meinung zu fragen. Im Rahmen der mystischen "Entnazifizierung" - ein Begriff, dessen Bedeutung nicht einmal von den Russen verstanden wird, die die Aggression gegen die Ukraine unterstützen - sind bereits mehr als 50 000 Menschen gestorben. Unter ihnen - etwa 20 000 Menschen - sind russische Militärangehörige, die für die ganze Welt und nach einiger Zeit auch für die Bürger Russlands zu Ausgestoßenen und Kriegsverbrechern werden.

Latentes Heldentum

Nicht? Sind sie unser Stolz? Warum werden sie dann so sorgfältig vor ihren Müttern, Verwandten und Freunden versteckt? Vom Rest der Russen? Warum sind ihre Gesichter verborgen, wenn wir "das Richtige tun und unser Heimatland verteidigen"? Wovor haben diese "Helden" Angst? Warum verabschiedet die Regierung diese "Helden" nicht mit allen Ehren, sondern verschweigt oder ignoriert sie und ihre Angehörigen zynisch und tut so, als wüsste sie nichts von ihrem Schicksal? Warum lügt das Verteidigungsministerium so dreist über den Einsatz von Wehrpflichtigen im Krieg? Und dann lügt sie wieder, wenn sie behauptet, dass der Kreuzer Moskva nicht an der "Sonderoperation" beteiligt war? Und als er dem Vater des wahrscheinlich toten Matrosen keine Antwort auf dessen Schicksal geben kann? Ist dies das Schicksal eines Helden?

Warum werden die Angehörigen von "Helden" eingesperrt und bedroht? Warum sind sie gezwungen, bei den ukrainischen Behörden Informationen über ihre Kinder, Ehemänner und Väter einzuholen? Warum schweigen die Behörden über die "Helden", die gefangen genommen wurden, aber "wir lassen unsere Leute nicht im Stich"? Oder "Russen geben nicht auf"? Oder ist es vielleicht nur die Angst vor einer Panik unter den Russen, wenn sie die Wahrheit erfahren? Die Wahrheit über das mittelmäßige Kommando, die Wahrheit über die rekordverdächtige Zahl von Opfern unter den Offizieren, die Wahrheit über Probleme mit Nachschub, Kleidung, Lebensmitteln, Logistik, Ausrüstung und sogar Munition.

Die von uns dokumentierten Vorfälle stellen unsägliche vorsätzliche Brutalität und Gewalt gegen ukrainische Zivilisten dar

Hugh Williamson Direktor Europa und Zentralasien, Human Rights Watch

Die Russen geben auf, weil die Russen wie jedes andere Volk sind. Die Russen sind keine besondere ethnische Gruppe oder ein besonderes Volk; es gibt keine guten oder schlechten ethnischen Gruppen, nur schlechte Menschen. Es schien, als sollte unser Land dies wissen. Nachdem die UdSSR und ihre Verbündeten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatten, zerstörten sie Deutschland nicht; sie halfen den Deutschen, wenn auch mit Problemen und Fehlern, ihr Land und ihre Nation neu aufzubauen, sie zeigten Menschlichkeit und Respekt für die Freiheit anderer - die Eigenschaften, für die unsere Großväter kämpften und für die viele später im Gulag-System landeten.

Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit sind die wichtigsten Attribute des Großen Sieges, aber sind dies die Ziele, die Wladimir Putin im Krieg gegen die Ukraine anstrebt? Nein, der Präsident erzählt und beharrt darauf, zu beweisen, dass ein ganzes Volk einfach kein Recht hat zu existieren, dass "Lenin es erfunden hat", und findet viele Entschuldigungen für seine eigene Aggression, deren Endziel so veraltet ist wie die Kriege selbst - die Beschlagnahme von Gebieten und die imaginäre "Befreiung". Nur die Ukrainer wurden nicht gebeten, sie zu befreien; sie sind durchaus in der Lage, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden und, vielleicht sogar besser als Russland, ihren künftigen Entwicklungsweg zu wählen.

Offenbar ist er der Meinung, dass die Leichen von Soldaten der Russischen Föderation es nicht verdienen, in ihr Heimatland gebracht und dort auf menschliche Weise bestattet zu werden.
(Iryna Vereshchukvili, stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine)

Und wofür kämpfen die Ukrainer? Für den Frieden in ihrer zerrütteten Heimat, für ihre Familien, für die Freiheit ihres Volkes und die Unabhängigkeit ihres Landes. Wenn Stärke wirklich in der Wahrheit liegt, dann gibt es schlechte Nachrichten für die "russische Welt". Weder Russland noch Wladimir Putin noch irgendjemand sonst hat das Recht, über ein anderes Volk zu entscheiden, geschweige denn seine Vorstellungen mit Panzern, Bomben und Attentaten durchzusetzen. Eine Bedrohung durch die NATO? In einem Monat wird Russland zwei weitere vollwertige NATO-Mitglieder in der Nähe seiner Grenzen haben, und das Militärkontingent in der Nähe Russlands hat sich bereits vervielfacht. "Eine Marionettenregierung in Kiew"? Warum interessiert das die Russen überhaupt? Russophobie? Wladimir Putin hat in 75 Tagen Krieg mehr für die Russophobie getan als jeder andere in der russischen Geschichte. Er hat die russischsprachigen Städte der Ukraine in Ruinen und die Russen in Parias verwandelt und Millionen von Russen die Hoffnung auf die Zukunft genommen.

Die Alternative zum Großvater

Wenn nicht Putin, wer dann? Ich gebe es ungern zu, aber es lohnt sich, vom "Gegner" des Nachbarn zu lernen - von jedem, selbst von einem Schauspieler und ehemaligen KVN-Mann. Das Problem ist nicht, wer Putin ersetzen wird, das Problem ist, dass die Russen nicht bereit sind, die Verantwortung für diese Wahl zu übernehmen. Sie weigern sich, sie zu akzeptieren, in der Hoffnung, dass "sich alles schon irgendwie regeln wird", weil "ich mich nicht für Politik interessiere" und "es mich nichts angeht" und generell "alles nicht so einfach ist".

Der gestrige KVN-Spieler erwies sich als wahrer Führer seines Volkes, der keine Angst hatte und sich nicht in einen Bunker oder ins Ausland flüchtete, sondern täglich mit seinem Volk kommunizierte und sich aufrichtig um es sorgte. Er überzeugte fast die halbe Welt, seinem Land zu helfen, und schaffte es, die "Zweite-Welt-Armee" mit weit weniger Mitteln zu stoppen. Wladimir Zelenski wurde vom ukrainischen Volk in einer nicht ganz fairen, aber sicherlich umkämpften Wahl gewählt, und der Präsident hat ihn nicht im Stich gelassen - 95 Prozent der Bevölkerung unterstützen ihn, mehr als die Russen Wladimir Putin unterstützen, so der VCIOM.

In den 20 Jahren, in denen Putin an der Macht ist, ist es dem Präsidenten und seiner Entourage nicht gelungen, eine erfolgreiche Ideologie für das moderne Russland und die "russische Welt" zu formulieren. In dem Versuch, mit den sowjetischen Nostalgikern und den traditionellen Teilen der Gesellschaft, die die Orthodoxie und die Kirche verehren, zu flirten, hat das russische Establishment einen schändlichen Frankenstein geschaffen, der sich gegenseitig ausschließende sowjetische Doktrinen und die Lehren der Orthodoxie in sich vereint. Das Schlüsselelement jeder Ideologie - eine ansprechende Zukunftsvision - hat der Kreml jedoch nie zustande bringen können.

Du sollst nicht töten. Das sechste Gebot

Fernsehtalker werden behaupten, die nationale Ideologie von Putins Russland sei der Patriotismus, aber keiner von ihnen ist in der Lage, mehr als drei absurde Postulate zu formulieren, geschweige denn zu entschlüsseln (Vaterlandsliebe, Respekt vor den Vorfahren, traditionelle Familie). Putins Russland hatte nie ein Bild von der Zukunft und wird es auch nie haben, denn dieses Regime ist nicht an seinen Bürgern interessiert, sein Ziel ist die Selbstreproduktion und der Machterhalt. Sie kann kein konkretes Bild formulieren, denn für konkrete Bilder wird sie sich verantworten müssen, und es steht dem Zaren nicht zu, seinen Leibeigenen Bericht zu erstatten, die nur gehorsam zu sein haben.

Ein Schritt nach links, ein Schritt nach rechts

Russland hat sich unbewusst wieder einmal an einer historischen Weggabelung wiedergefunden, an der sich die eine Perspektive als bewundernswerter erweist als die andere. Es ist an der Zeit, dass die Russen überlegen, ob sie bereit sind, den Tausch zu akzeptieren, den Wladimir Putin ihnen anbietet: die zerstörten Gebiete der Ukraine und Zehntausende von Toten gegen eine Zukunft in einem Schurkenstaat.

Mehr als 1.000 russische Militärangehörige weigerten sich, gegen die Ukraine zu kämpfen

Bei der Beantwortung dieser Frage wird den Russen die historische Erfahrung helfen, auf die sich der derzeitige Staatschef so gerne beruft. Paradoxerweise hat das moderne Russland trotz des vorherrschenden Narrativs des "Sklavenbewusstseins" Erfahrung mit der Überwindung ähnlicher Krisen: 1991 und 2012 für die einfachen Bürger und 1993 für die Machthaber. Wir können uns nicht auf ausländische Erfahrungen verlassen, aber wir haben genug eigene Beispiele, um zu versuchen, die bereits gemachten Fehler nicht zu wiederholen und eine nukleare Katastrophe zu verhindern.

Ein nationales Nachdenken über die aktuellen Ereignisse ist für das heutige Russland unvermeidlich, aber es liegt an den Bürgern, über die Art dieses Nachdenkens zu entscheiden; niemand wird dieses Mal für sie entscheiden.


P.S.
Für diese Leistung sind wir verantwortlich:
Egor Polyakov, Leiter der Abteilungen "Wirtschaft" und "Lebensraum" (meine Grüße an Marina Druchina, an alle von 1246 und Metrogoth!)

Redakteurin für Wirtschaft und Lebensraum Aleksandra Miroshnikova

Auf der Suche nach Arbeit, Anwälten und wahrscheinlich politischem Asyl!

Wir möchten uns bedanken bei:
Yuri Dudy, Maxim Pokrovsky, Diana Arbenina, Evgeny Savin, Evgeny Roizman, Elena Osipova, Face, Maxim Galkin, Elena Kostyuchenko, Chulpan Khamatova, Boris Akunin, Lokimini, Alexey Polyarinov, Oksimiron, Zemfira, Daria Serenko, Oleg Tinkov, Boris Grebenschikov, Ekaterina Shulman, Irina Fatyanova, Andrei Makarevich, Alexei Navalny und sein Team, Alexander Dolgopolov, Ingeborga Dapkunaite, Dmitry Muratov, Sergey Smirnov, Taisia Bekbulatova, Monetochka, Alina Olesheva, Alexander Nevzorov, Maestro Ponasenkov, Danila Kozlovsky, Leonid Parfenov, Danila Poperechniy, Maria Mashkova, Leonid Agutin, Valery Meladze, Vera Brezhneva und Millionen von Russen, die Menschen bleiben.

Habt keine Angst! Schweigen Sie nicht! Widerstehen Sie! Sie sind nicht allein, wir sind viele! Die Zukunft gehört uns!

*** Krieg. Frieden für die Ukraine!

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Mittwoch, 11. Mai 2022
Kommerz stoppen: Hausärzte-Tagung verabschiedet 10-Punkte-Plan gegen Investoren-MVZ und zieht bittere Bilanz über Corona-Blindflug
Christian Beneker, Medscape


Rund 140 Delegierte trafen sich auf der Frühjahrstagung des Deutschen Hausärzteverbandes in Hannover und packten auch heiße Eisen an: namentlich die holperige Digitalisierung der Praxen und die Kommerzialisierung vieler Medizinsicher Versorgungszentren (MVZ).

In der Diskussion nach dem Bericht zur Lage durch den Vorsitzenden des deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, griffen mehrere Delegierte seine Worte zur Kommerzialisierung der Medizin vor allem durch Investorenbetriebene MVZ auf.

Um ihre Forderungen bei der Praxisdigitalisierung zu untermauern, hat der Hausärzteverband für seine Frühjahrtagung das ?Konzeptpapier Digitalisierung der hausärztlichen Versorgung? erstellt, das ?Idealbild einer digitalen hausärztlichen Versorgung?, so der Titel. Es zählt die digitalen Anwendungen von der digitalisierten Anmeldung über das digitalisierte Wartezimmer und Sprechzimmer bis hin zum Datenabruf durch die Patienten, wenn er wieder zuhause ist.

Eine neue Versorgungsebene ?digitale Medizin? lehnte Weigeldt ab. Die Schwierigkeiten in der Digitalisierung deckten die Strukturdefizite in der hausärztlichen Versorgung auf. Sie müssten vor einer Digitalisierung bereinigt werden. ?Noch immer gilt: Wer einen schlechten Prozess digitalisiert, hat einen schlechten digitalen Prozess?, sagte Weigeldt.

Deutschland im ?Datenblindflug?
Besonderes Augenmerk legten Weigeldt und die Delegierten auch auf den schleppenden Fortgang der Digitalisierung in den Praxen. ?Es hakt an allen Ecken und Enden?, so Weigelt. Beim Fortgang der Digitalisierung belege Deutschland im Europa-Vergleich einen Abstiegsplatz statt einen der vorderen Ränge, so Weigelt.

Für das e-Rezept, die e-AU oder die ePA verlangte der Vorsitzende funktionierende Produkte. Die Hausärztinnen und Hausärzte wollen die Produkte als fertige und funktionierende Anwendungen in der Praxis. So begrüßte das Plenum in Hannover die Digitalisierung, kritisierte aber, dass die Hausarztpraxen als Beta-Tester eingesetzt werden. Darüber hinaus forderten Weigeldt, ?dass zum Teil überzogene Sicherheitsanforderungen in der TI keine zusätzlichen Aufwände in unseren Praxen auslösen dürfen?.

Um ihre Forderungen bei der Praxisdigitalisierung zu untermauern, hat der Hausärzteverband für seine Frühjahrtagung das ?Konzeptpapier Digitalisierung der hausärztlichen Versorgung? erstellt, das ?Idealbild einer digitalen hausärztlichen Versorgung?, so der Titel. Es zählt die digitalen Anwendungen von der digitalisierten Anmeldung über das digitalisierte Wartezimmer und Sprechzimmer bis hin zum Datenabruf durch die Patienten, wenn er wieder zuhause ist.

Eine neue Versorgungsebene ?digitale Medizin? lehnte Weigeldt ab. Die Schwierigkeiten in der Digitalisierung deckten die Strukturdefizite in der hausärztlichen Versorgung auf. Sie müssten vor einer Digitalisierung bereinigt werden. ?Noch immer gilt: Wer einen schlechten Prozess digitalisiert, hat einen schlechten digitalen Prozess?, sagte Weigeldt.

Deutschland im ?Datenblindflug?

Obwohl die gegenwärtige Corona-Welle ausläuft, beschäftige das Infektionsgeschehen die Hausärztinnen und Hausärzte derzeit massiv, erklärte Weigeldt. 80% aller Corona-Patienten würden in den Hausarztpraxen versorgt. So stark die hausärztliche Versorgung sei, so schwach erscheine allerdings die Datenlage. ?Deutschland befindet sich nach über zwei Jahren Pandemie immer noch im Daten-Blindflug?, kritisierte Weigeldt.

So sei keine konsistente Strategie erkennbar: ?Da werden Zahlen über Infizierte verbreitet, deren Grundlage einzig und alleine positive PCR-Tests sind?, so Weigeldt. ?Eigentlich müsste jedem klar sein, dass sich nicht jede oder jeder Infizierte einem PCR-Test unterzogen hat.?

Es sei unklar geblieben, auf welchen Grundlagen das Infektionsgeschehen dargestellt und bewertet wird ? auf der Hospitalisierungsrate? Aufgrund der Inzidenzen? Die Auslastung der Intensivstationen? ?Nachvollziehbar ist das nicht wirklich?, so Weigeldt.

Ökonomisierung sei nichts Negatives, hatte Weigeldt gesagt, im medizinischen Kontext allerdings ein Begriff, ?der die Abhängigkeit medizinischer Entscheidungen von Renditeerwartungen der jeweiligen Investoren? beschreibe. Damit war das Problem markiert. ?Wir wollen und brauchen kooperative Formen der Berufsausübung von Hausärztinnen und Hausärzten, aber dabei muss klar sein, dass Ärztinnen und Ärzte das Sagen haben und nicht die Controller!?, so Weigeldt weiter.

MVZ: ?Mittelverschwendung und Überversorgung.?
Stimmen aus der Versammlung kritisierten unter anderem Mittelverschwendung und Überversorgung durch investorenbetriebene MVZs. Die Überweisungen in MVZs wiesen ein Plus von 20 Prozent auf, 70 Prozent davon führten die Patienten wieder zurück in Praxen des MVZ, hieß es. ?Wir sind nicht beleidigt, weil uns jemand etwas wegnähme, sondern wir fragen: Was machen solche Strukturen mit der Versorgung?? Man müsse verhindern, dass das Geld der Versichertengemeinschaft in andere Kanäle abfließt.


Die Delegierten beschlossen denn auch ein 10-Punkte-Programm, um die Übernahmen von MVZ durch Investoren zu beschränken. Darin fordern die Delegierten unter anderem, ein MVZ-Transparenzregister, dass auch die nachgelagerten Inhaberstrukturen abbildet.

Außerdem sollen Ärzte bei den Gesellschaftsanteilen und den Stimmrechte der MVZ-Trägergesellschaft in der Mehrheit sein. Die Delegierten forderten zudem, dass ein Krankenhaus-MVZ ?nur noch in räumlicher Nähe zu dem gründenden Krankenhaus? möglich sein soll.

Umstritten war Punkt 9 auf der Liste. Er verlangt, die Möglichkeit zu streichen, zu Gunsten eines MVZ auf eine Zulassung zu verzichten. Das wollten mehrere Delegierte so nicht durchgehen lassen. Denn eine Möglichkeit der lukrativen Praxis-Abgabe würde damit untergraben.

Digitalisierung: ?Es hakt an allen Ecken und Enden!?
Besonderes Augenmerk legten Weigeldt und die Delegierten auch auf den schleppenden Fortgang der Digitalisierung in den Praxen. ?Es hakt an allen Ecken und Enden?, so Weigelt. Beim Fortgang der Digitalisierung belege Deutschland im Europa-Vergleich einen Abstiegsplatz statt einen der vorderen Ränge, so Weigelt.

Für das e-Rezept, die e-AU oder die ePA verlangte der Vorsitzende funktionierende Produkte. Die Hausärztinnen und Hausärzte wollen die Produkte als fertige und funktionierende Anwendungen in der Praxis. So begrüßte das Plenum in Hannover die Digitalisierung, kritisierte aber, dass die Hausarztpraxen als Beta-Tester eingesetzt werden. Darüber hinaus forderten Weigeldt, ?dass zum Teil überzogene Sicherheitsanforderungen in der TI keine zusätzlichen Aufwände in unseren Praxen auslösen dürfen?.


Mit Sorge blickte Weigeldt auf die Impfungen, die im Herbst schwere Corona-Verläufe verhindern sollen. Die Hausarztpraxen brauchen nicht nur ausreichend Impfstoff, sondern auch Unterstützung von der Politik, ?eine motivierende politischen Kommunikation?, so Weigeldt. Sie soll deutlich machen: ?Impfen ist cool, Impfverweigerung nicht!?

Im Übrigen müssten die Impfungen vor allem in den hausärztlichen Praxen stattfinden, forderte Weigeldt. ?Das sind Dinge, die müssen wir einfordern!? Die Praxen hätten ?den Impfturbo gezündet? und damit bewiesen, dass sie täglich hunderttausende von Menschen impfen können. Dies sei auch die kostengünstigste Variante. Stattdessen Impfzentren im Leerlauf weiter mit Steuergeldern zu finanzieren, sei absurd und teuer. Und: Dass Apotheken beim Impfen keine Alternative zu den Hausarztpraxen sind, zeigten schon die Zahlen: Bisher ?deutlich unter 50.000 Impfungen!?.

Was die Finanzierung des Gesundheitssystems angeht, verwies Weigeldt auf das jährliche Defizit von 17 bis 20 Milliarden Euro, die abgesichert werden müssen. Weigeldt forderte, in diesem Zusammenhang über die Reduzierung der Krankenhauszahl nachzudenken, etwa um den Fachkräftemangel zu lindern. Und: ?Ist es nicht vernünftig, die HZV stärker zu fördern und ihre strukturellen und qualitativen Vorteile zu nutzen??

Versorgung der Ukraine-Flüchtlingen: ?Nicht auf Honorarvereinbarungen gewartet?
Ungewöhnliches Lob sprach Weigeldt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aus. Anders als sein Vorgänger Jens Spahn sei Lauterbach zum Frühjahrsempfang des Verbandes gekommen. ?Die Anliegen der Hausärzte sind auch meine Anliegen?, hatte Lauterbach gesagt, ein Zitat, das Weigeldt ganz offensichtlich gerne wiederholte.

Die Anliegen der Hausärzte sind auch meine Anliegen. Karl Lauterbach
Schließlich forderte der Vorsitzende vom Gesetzgeber erneut eine steuerfreie Prämie für die von der Versorgung in Pandemiezeiten besonders belasteten MFA zu ermöglichen. ?Unsere Praxismitarbeitenden haben es verdient, und zwar ohne Steuerabzug!?, sagte Weigeldt unter großem Applaus der Delegierten, die einen entsprechenden Antrag einstimmig beschlossen.

Auch den Ukraine-Krieg ließ der Vorsitzende nicht aus. Er dankte den vielen Hausärztinnen und Hausärzten, die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine versorgt haben und dabei ?nicht aus Honorarvereinbarungen gewartet?, sondern einfach geholfen hätten, wo es ging.

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Freitag, 22. April 2022
Die Materialien für einen neuen Antiimperialismus zu den Hintergründen des Putinismus
Die Materialien für einen neuen Antiimperialismus hatten zur aktuellen russischen Herrschaftsideologie vor Jahren schon eine gute Analyse publiziert, die heute wahrscheinlich nur noch antiquarisch zu haben ist:

https://materialien.org/eurasismus-in-russland/


Hintergrund:

https://materialien.org/das-ende-des-sowjetischen-entwicklungsmodells/

Meines Erachtens das Beste, was je zum Nieder- und Untergang der Sowejetunion geschrieben wurde.

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Mittwoch, 13. April 2022
Habeck in Katar
Ist Hassan al Thani eigentlich ein lupenreiner Demokrat?

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