Montag, 13. Juni 2011
Von dem, was Sport ist und nicht ist
In diesem lesenswerten Posting beschäftigt sich Momorulez unter Anderem mit der Frage, warum es eine Korrelation Fußball/Homophobie gibt.

http://metalust.wordpress.com/2011/06/08/studie-der-friedrich-ebert-stiftung-zu-homophobie-im-fussball-erste-anmerkungen/#comment-13424


Die Vorstellung, heterosexuelle Fußballer könnten beim gemeinsamen Duschen unangenehme Gefühle, gar Ängste und Beklemmungen bekommen, wenn sie gemeinsam duschen und annehmen, der Eine oder andere unter ihnen sei schwul, mutet mir ziemlich fremdartig an. Ich dusche ja nun ausgesprochen häufig mit MitsportlerInnen zusammen, aber die Vorstellung, überhaupt ein Gefühl der Beklommenheit vor den Körpern anderer Menschen zu bekommen ist mir sehr fremd. Kürzlich war ich dabei von lauter dunkelhäutigen Leuten umgeben, die sich laut in einer Sprache unterhielten, die ich nicht verstand, und ich versuchte, am Klang des Gesprochenen zu unterscheiden, was das nun war - irgendein arabischer Dialekt oder eine Berbersprache, jedenfalls etwas selten gehörtes hamito-semitisches. Ich ertappte mich, Momorulez Posting im Hinterkopf, bei dem Gedanken, dass es wahrscheinlich Leute gibt, die diese Situation unangenehm finden und sich "überfremdet" fühlen und dachte an eine NS-Propagandaschrift, in der mit Idiosynkrasie vor Juden in der Badeanstalt Hass geschürt wurde. Solche Wahrnehmungen bleiben mir fremd, ebenso wie damit zusammenhängende sexuelle oder sonstige Ängste. Im Dojo wird gemischtgeschlechtlich geduscht, im Saunaclub haben wir sogar eine gemischgeschlechtliche Umkleide. Probleme dabei habe ich bislang kaum wahrgenommen, und, ja, wenn Trainingspartnerinnen begehrenswerte Körper haben schaue ich da schon mal etwas intensiver hin, kenne das genau von einer Situation, dass eine das lästig fand, habe hingegen schon in der Umkleide oder unter der Dusche geflirtet. Einmal war ich als einziger Mann in der Dusche, um mich lauter Frauen, und die unterhielten sich lautstark im zotigsten Tonfall über Sex und Kerle und deren Stehvermögen. Alles ganz normal. SportlerInnen sind locker, so meine Wahrnehmung. Auch eine Transe wird in der Sauna nicht schief angesehen. Ängste vor Schwulen könnte ich mir in dieser Umgebung nicht vorstellen. Aber ich weiß natürlich nicht, was in den Köpfen meiner Nebenleute so vor sich geht.



Aber Kampfsport, Fitnesstraining/Bodybuilding und Bergsteigen sind alles andere Dinge als Fußball, es sind andere gesellschaftliche Gruppen, die das machen, und die erlebe ich auch wieder aus einer speziellen Schwerpunktperspektive.


*switch*

Ich las drüben, beim Kampfsport ginge es in erster Linie um ein Kräftemessen, beim Bergsteigen um Naturbewältigung. Beides stimmt nur sehr bedingt. Damals, beim Escrima, war sehr wohl Kräftemessen angesagt, und ich kloppte mich zumeist mit einer Dauertrainingspartnerin, weil sowohl ihr als auch mein Kampfstil allen Übrigen zu hart war - wir hauten mit den Stöcken wirklich zu, wenn auch nur Stock gegen Stock bzw. gegen gepolsterte Körperteile, aber Prellungen gab das schon. Nun stammt Escrima von den Philippinen und ist im Grunde klassische spanische Schwertfechtkunst, ausgetragen mit dem Rattanstock statt dem Rapier. Etwas ganz Anderes ist das bei Karate&Co., den Kampfsportarten chinesischer, koreanischer, japanischer und okinawesischer Provenienz, zumindest, wenn man sie in der originären Variante betreibt, ich rede nicht vom Polizeisportverein. Da geht es um kein Kräftemessen, sondern um einen Weg des inneren Wachstums, der mehr etwas mit den Einweihungsritualen eines Mysterienkultes zu tun hat als mit Sport im europäischen Sinne. Es geht darum, über sich selbst hinaus zu wachsen und Dinge zu tun, die man bisher nicht für möglich gehalten hat, im körperlichen Sinne wie im geistigen. Die Methoden, dahinzukommen können sehr unterschiedlich sein: Um den Fuß bis zu einem Tritt auf die Kinnspitze eines Angreifers hochzubekommen wird nicht durch wuchtiges Treten trainiert, sondern zunächst durch Stretching-artige Dehnübungen. Es kann sein, dass der Meister mit sanfter Hand das Bein Millimeter um Millimeter über die erreichte Grenze hinaus dehnt, es kann aber auch sein, dass er mit dem Bambusstock zuhaut, wenn man den Fuß nicht 5 Minuten in der Luft in Kinnhöhe halten kann. Das mag wie schlimmster preußischer Drill anmuten, es ist aber etwas ganz Anderes.


Es geht darum, Konditionierungen loszuwerden, den schwächsten Muskel auszutricksen, der sich im Gehirn befindet und "ich kann nicht" heißt. Da haben wir dann eine Gemeinsamkeit mit Bergsteigen.


Ich erinnere mich an meinen ersten Felsüberhang. "Lass uns umkehren, ich pack das nicht!" sagte ich zu meinem Bergführer. "Ich pack das nicht spielt sich nur in Deinem Kopf ab" erwiderte der, "ich habe uns einen Standplatz gebaut, Du hängst sicher an meinem Seil, Dir kann überhaupt nichts passieren. Du nimmst jetzt Deine Eigensicherungen raus und entspannst Dich, dann geht es weiter." Ich löste den einen Karabinerhaken, ich löste den zweiten, ließ mit meinen Händen die Griffe im Fels los, nahm meine Füße von den Tritten und hing wie ein Sack mitten in der Luft am Seil, schloss die Augen und meditierte. Irgendwann war ich ganz ruhig, ging zurück auf den Fels, hakte meine Sicherungen wieder ein, Attacke! und über den Überhang hinweg. Gelernt hatte ich das beim Karate.


Voraussetzung der Energiefreisetzung dort ist es, erst einmal innerlich leer zu werden, das ständige innere Gesabbel, mit dem wir unsere Welt normalerweise zusammenhalten einzustellen und in völlige Stille einzutauchen, bewusst nicht zu denken. Dazu gehört Meditation, dazu gehört aus dem Chi Gong kommende Energiearbeit. Wenn plötzlich eine zierlich wirkende Frau mit der Handkante einen Stapel Bretter zerschlägt hat das was mit einer geistigen Haltung und natürlich auch mit Technik, aber nicht mit körperlicher Kraft im normalen Sinne zu tun. Und bevor man einem Gegner - besser Partner - gegenübertritt muss man einen bestimmten inneren Weg zumindest ein Stückchen weit gegangen sein, der eigentlich wichtiger ist als die körperliche Auseinandersetzung selbst. Ostasiatischer Kampfsport in seiner originären Form ist ein spiritueller Weg.


In gewisser Weise ist Bergsteigen das auch, und seine heute dominierende Form, das Freeclimbing, ist eher gegen "Naturbeherrschung" im traditionellen Sinne gerichtet als eine Form davon. Es geht darum, im Einklang mit der Natur die eigenen Grenzen zu überschreiten, die eigenen Möglichkeiten auszudehnen. Bis in die 1980er wurden extreme Touren meist technisch geklettert, d.h. Sicherungshaken mit dem Hammer in den Fels gekloppt und kleine Strickleitern mitgenommen, mit denen man Überhänge austrickste. Aber seit den frühen Siebzigern liefen von den USA aus die Freeclimber dagegen Sturm, die nach einer Modifikation der Sächsischen Kletterregel bergstiegen, die vor den Nazis in die USA emigrierte deutsche Bergsteiger nach Boulder/Colorado und Yosemite/Kalifornien mitgebracht hatten. Diese beinhaltet, keinerlei künstliche Mittel zu verwenden, um am Berg voranzukommen. In den 70ern kletterten sie massenweise die großen Routen ab und zogen die Mauerhaken aus dem Fels. "Schlosserei" wird heute abfällig das Technische Klettern genannt. Wer ein Seil als Mittel der Fortbewegung benutzt, z.B. sich dran hochzieht, wird von vielen Bergführern von der Wand geschickt, der hat sich disqualifiziert (ja, ich weiß, Leute wie die Huber Buam arbeiten z.B. mit kleinen Kurbelwinden, aber im Sinne des Freeclimbing ist das eigentlich nicht). Selbst auf Klettersteigen sollten die Sicherungen nur verwendet werden, um sich selbst gegen einen Sturz abzusichern, die Fortbewegung im Regelfall aber freikletternd erfolgen. Dies ist zwangslläufig mit einem sehr untechnischen, äußerst körperlich unmittelbaren Verhältnis zum Berg verbunden: Man bewegt sich ja mit Händen und Füßen auf ihm fort, schmiegt sich der Felswand an. Auf dem größten Klettersteig, den ich bisher alleine gegangen bin, waren mehrere hunderte Höhenmeter im Grunde eine einzige Bewegung, ein ständiges Weitergleiten des sich hocharbeitenden Körpers, dazwischen das Klacker-di-Klack des Aus- und Einklinkens der Sicherungshaken. Am Ende der Tour bedankte ich mich beim Berg. Das mag merkwürdig klingen, man entwickelt aber emotionale Verhaltensweisen, die sich von der Normalwelt unterscheiden und denkt auch über Animismus und Schamanismus anders. Kampfsport und Klettern, das hat beides mit einem inneren Weg zu tun und einiges mit Mystik.

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Action bringt Satisfaction
Zum Auftakt der Bergsaison und als Training für das eigentliche war ich heute erst in einem Hochseilgarten und dann richtig klettern.


Also erst vorwärmen





mit lustiger Schussfahrt über ca. 300 m am Drahtseil












dann ran an den Fels.









Fünfter Grad, blieb nicht ganz unblutig, aber Granitküsse zieren ja auch. Letztes Jahr hatte mir bei den Trockenübungen ein Drahtseil, von dem ich stürzte, als es beim Draufbalancieren ins Schwingen kam zwei Streifen Haut abgezogen, woraus eine Kumpeline "Er wurde mit einem Stahlseil gezüchtigt" machte, insofern kam ich eher gut weg.

Nur ein bißchen Vorbereitung auf das hier:





Ach ja: Erste Adler-Nahbegegnung in diesem Jahr. Wenn das mal kein gutes Omen ist!

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