Samstag, 29. März 2014
Sexuell farbenblind
Ich habe nun mittlerweile ein Alter erreicht, in dem "junger Mann" eine unzutreffende Höflichkeitsfloskel ist, viel erlebt und ein nicht gerade langweiliges Leben geführt. In punkto Liebesleben habe ich, falls da nicht ohnehin alle Türen längst zu sind, einen gewaltigen Nachholbedarf. Oder anders gesagt haben die meisten 20jährigen mir einen Berg an sexueller Erfahrung voraus. Wenn Leute mich fragen, ob ich verheiratet oder in fester Beziehung bin oder ob ich Kinder hätte ist meine innere Reaktion dann auch "will der mich jetzt verarschen?", weil ich unwillkürlich annehme, mensch müsste mir meinen Dauersinglestatus und das weitgehende Fehlen von Partnersex in meinem Leben ansehen. Ich würde dann am Liebsten zurückfragen "wie kommst Du dazu, mir zuzutrauen, dass ich eine Partnerin haben könnte?".

Mir fehlt da eine bestimmte Wahrnehmungsebene komplett, die die meisten anderen Menschen haben. Wenn ich Sex habe geht es normalerweise ohne große Anbahnung, ohne Flirtphase direkt in die Kiste. Klassiker: One-Night-Stands angetrunken nach Parties. Das ganze Drumherum, das Romantische, die Zwischentöne gehen mir weitgehend ab. Ich merke auch nicht, wenn eine Frau hinter mir her ist, ich wüsste außerhalb direkter verbaler Erklärungen wie "ich liebe dich" nicht, wie ich eigenes Begehren zum Ausdruck bringen sollte, ich weiß, dass es reihenweise Situationen gab, in denen ich Frauen abblitzen ließ bzw. zurückwies, was von denen als sehr kränkend erlebt wurde, und ich hatte gar nicht gemerkt, dass die irgendetwas von mir gewollt hatten. Die Welt, in der ich gut zurechtkäme, wäre eine, in der mensch zueinander sagt: "Ich hätte Lust, mit dir zu vögeln, wie sieht es bei dir aus?" und darauf "Ja." oder "Nein." geantwortet wird. Warum ist die Welt nicht so einfach?

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