Freitag, 9. Juli 2021
Ärztefortbildungen weiterhin Werbefläche für Pharmahersteller
MEZIS sieht Ärztekammern in der Pflicht
Ute Eppinger, Medscape



Pharmafirmen nutzen Ärztefortbildungen weiterhin als Werbeveranstaltungen. Das ergab jetzt die Recherche von ?Follow the grant? und der Ärzteinitiative MEZIS e.V. ?Mein Essen zahl´ ich selbst? [1]. Im Mittelpunkt der Recherche stand die Ärztefortbildungsfirma Esanum, die deutschlandweit Hausarztfortbildungen anbietet. Wie MEZIS berichtet hatte, waren schon in der Vergangenheit enge Verflechtungen von Esanum zu Pharmafirmen mit hohen Sponsoringsummen für eintägige Fortbildungsveranstaltungen aufgefallen.

Zum Urteil des VG Hamburg sagt er: ?Der Richter spielt in der Begründung den Ball zu den Landesärztekammern und sagt: Eure rechtlichen Grundlagen sind zu schwammig formuliert. Die unsaubere Formulierung fällt den Ärztekammern jetzt auf die Füße.?

Die Ärztekammer Hamburg will die Esanum-Fortbildung nach wie vor nicht zertifizieren und geht in Berufung. Jetzt wird der Fall vor dem OVG Hamburg verhandelt; mit einem Ergebnis wird im Lauf des Jahres gerechnet.

Bundesärztekammer hat ihre Empfehlungen 2020 aktualisiert
Die Bundesärztekammer hat ihre Empfehlungen zu ärztlichen Fortbildungen 2020 aktualisiert. Unter dem Aspekt Neutralität und Transparenz steht dort: ?Insbesondere darf kein wissenschaftlich unbegründeter Fokus auf nur eine Behandlungsmöglichkeit, einen Wirkstoff/eine Wirkstoffgruppe, ein Präparat/eine Präparategruppe oder ein Produkt/eine Produktgruppe gelegt werden.?

Wie Schurig erklärt, bedeutet das in der Praxis, dass monothematische Fortbildungen nicht zertifizierungsfähig sind: ?Das ist schon sehr eindeutig formuliert?, sagt er. Nun liege es an den Landesärztekammern, die Vorgabe entsprechend umzusetzen. ?Die Ärztekammern müssen das große Problem jetzt schnell und nachhaltig lösen?, sagt Schurig.

Die Ärztekammern müssen das große Problem jetzt schnell und nachhaltig lösen. Dr. Niklas Schurig
Wobei Monothematik aktuell ein eher kleineres Problem darstelle und auch durch eingestreute Vorträge aus anderen Fachrichtungen umgangen werde. ?In der Praxis ist aktuell die unverhohlene Anmeldung, Planung und Durchführung direkt durch das Pharma-Unternehmen das größere Problem.?

In der Praxis ist aktuell die unverhohlene Anmeldung, Planung und Durchführung direkt durch das Pharma-Unternehmen das größere Problem. Dr. Niklas Schurig
Und auch das wäre aufgrund der BÄK-Richtlinie nicht zertifizierungsfähig. Denn dort heißt es: ?Insbesondere produktbezogene Informationsveranstaltungen, u. a. von Pharmaunternehmen, Herstellern von Medizinprodukten, Anbietern von weiteren Produkten und Dienstleistungen im Gesundheitssektor sowie von Vereinigungen solcher Unternehmen, können nicht anerkannt werden. Mit der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung, die ein produktbezogenes Sponsoring beinhaltet, können Ärzte ihre Fortbildungspflicht nicht erfüllen.?

Das Interesse an Industrie-unabhängiger Fortbildung nimmt zu
Die Kammern prüfen jede Fortbildungsveranstaltung. Dazu gehört beispielsweise auch, dass die Vortragsfolien vorgelegt werden müssen. ?Da bekommen die Kammern beispielsweise etwa Unmengen von Vortragsfolien, die Prüfung erfordert dann einen sehr hohen Personalaufwand. Wobei auch die vorgelegten Folien nicht bedeuten müssen, dass sich der Vortragende auch explizit daran hält.

Noch dazu hatte eine Analyse der Angaben zu Interessenkonflikten gezeigt, dass die Redner Gelder von Firmen erhalten, die für ihr Vortragsthema relevante Medikamente herstellen. Das lässt Zweifel an der Produktneutralität der Veranstaltung aufkommen.

Verschiedene Landesärztekammern hatten Esanum im vergangenen Jahr aus diesen Gründen die Zertifizierung ihrer Veranstaltungen verweigert, so dass Ärztinnen und Ärzte sie nicht auf ihr ?Fortbildungskonto? einreichen konnten.

Hamburger Richter spielen den Ball zur Ärztekammer zurück
In jedem Bundesland kontrolliert die jeweilige Ärztekammer, wenn Anbieter Seminare durchführen wollen. Eine Ablehnung erfolgt, wenn die in der Fortbildungsordnung und einer ergänzenden Richtlinie genannten Kriterien nicht erfüllt sind. Die Kammern kontrollieren sowohl die Inhalte als auch, ob Produkt- und Firmenneutralität in den Vorträgen eingehalten werden.

Will eine Kammer eine Veranstaltung rechtssicher ablehnen, müssen Werbecharakter, kommerzielle Interessen und fehlende Produktneutralität detailliert nachweisbar sein. Esanum hatte in Hamburg vor dem Verwaltungsgericht gegen die Nicht-Zertifizierung seiner Veranstaltung durch die Ärztekammer Hamburg geklagt und Recht bekommen.

Eine direkte Reaktion der Ärztekammern auf die neuesten Recherche-Ergebnisse gibt es noch nicht, sagt Dr. Niklas Schurig, Vorstandsmitglied der Ärzteinitiative, im Gespräch mit Medscape. Die Zurückhaltung führt er auf die Klagen von Esanum auf Zertifizierung ihrer Fortbildungsveranstaltungen zurück.

?Es ist zu erwarten, dass Esanum auch in anderen Bundesländern gegen die Verweigerung der Zertifizierung klagen wird. Das ist ein Dilemma für die Landesärztekammern, denn es gibt dann keine Zertifizierungs-Sicherheit. Die rechtliche Situation, ob solche Fortbildungsveranstaltungen zertifiziert werden müssen, ist unklar?, sagt Schurig.

Man weiß aus Studien, dass gerade eindimensionale Botschaften, die von den Opinion Leadern emotional vermittelt werden, sehr gut ankommen ? und zwar deshalb, weil sie selbst davon überzeugt sind. Dem kann man sich praktisch nicht entziehen.?

MEZIS fordere seit mehr als einem Jahrzehnt, kein Industrie-Sponsoring bei Ärztefortbildungen mehr zu erlauben. Noch immer werden mehr als 2 Drittel der Fortbildungen von der Pharma- und Medizinprodukte-Industrie mitfinanziert.

Dennoch ist das Problembewusstsein dafür, wie mit Industrie-finanzierten Fortbildungen das Verordnungsverhalten beeinflusst wird, Schurigs Einschätzung nach gewachsen. ?Da hat sich viel getan. Es gibt ein zunehmendes Interesse an unabhängiger Fortbildung. Das Problem ist: Unabhängige Fortbildungen kosten Geld, und einige Kollegen sagen: Ich habe eh schon so wenig Zeit, und dann kostet das auch noch etwas.? Manchmal werde auch moniert, dass das Essen in unabhängigen Fortbildungen nicht so gut sei.

Es gibt ein zunehmendes Interesse an unabhängiger Fortbildung. Das Problem ist: Unabhängige Fortbildungen kosten Geld. Dr. Niklas Schurig
Schurig gibt auch zu bedenken, dass bei der derzeitigen Zertifizierungs-Praxis kein echter Wettbewerb möglich ist: ?Wenn ein großer Anbieter 150.000 Euro für eintägige Fortbildungsveranstaltungen ausgeben kann, dann ist das unfair gegenüber kleinen unabhängigen Anbietern. Das ist Wettbewerbsverzerrung. Als kleiner unabhängiger Veranstalter von Fortbildungen würde ich die zuständige Ärztekammer verklagen.?

Aktionsbündnis bietet Plattform für Industrie-unabhängige Fortbildung
Dass es auch anders geht, zeigt das 2018 gegründete Aktionsbündnis Fortbildung 2020, das sich für unabhängige ärztliche Fortbildung engagiert. Initiator des Aktionsbündnisses ist MEZIS e.V., Gründungsorganisationen sind die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), die Heidelberger Medizinakademie (HDMed) und Libermed. Unter cme-sponsorfrei.de bietet das Aktionsbündnis eine Plattform für Industrie-unabhängige Fortbildungen.


Das Bündnis hat strengere Kriterien für ärztliche Fortbildungen entwickelt. ?Diese Kriterien werden jetzt zunehmend von den Ärztekammern angewendet, man hat eingesehen, dass rein formale Kriterien ? etwa bei Angabe der Interessenkonflikte ? nicht ausreichen. Häufig fehlt es an effektiven Mechanismen zur Regulierung von Interessenkonflikten. Deshalb ist ein Interessenkonflikt-Management notwendig?, sagt Schurig.

Zu den Kriterien gehört auch, dass die Referenten der Fortbildungsveranstaltungen inhaltlich viel strenger geprüft werden müssen. ?Man darf nicht vergessen, dass aufgrund von schlechten Fortbildungen ? also Fortbildungen, die in erster Linie von wirtschaftlichen Interessen geleitet sind ? auch Menschen sterben?, betont Schurig. Solche Fortbildungen kosteten Menschenleben, weil sie dazu führten, dass teurer und gefährlicher verordnet werde.

Wir haben sehr strenge Regeln zur Transparenz und zum Management von Interessenkonflikten formuliert und wollen vor allem zeigen: Unabhängige Fortbildung ist machbar! Dr. Niklas Schurig
?Wir haben sehr strenge Regeln zur Transparenz und zum Management von Interessenkonflikten formuliert und wollen vor allem zeigen: Unabhängige Fortbildung ist machbar!?, schließt Schurig.

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"Impf-Ruck" statt Lockerungen
Redaktion Medscape 8. Juli 2021



Spahn: Schneller impfen, später lockern?

Impfbereitschaft: Finanzielle Anreize bringen wenig

Labortest zeigt Korrelation von Antikörpertiter und Schutzwirkung ? Perspektive für die Impfstoffforschung?

Corona-Studie aus Mainz: Hohe Dunkelziffer an Infektionen ? Schutzmaßnahmen wirken

COVID-19-Therapie: Neue WHO-Empfehlungen zu Interleukin-6-Antagonisten

Innerhalb der letzten 24 Stunden haben Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 970 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet. Vor 1 Woche waren es 892 Fälle. Mittlerweile liegt die 7-Tage-Inzidenz bundesweit bei 5,2 (Vorwoche: 5,1). Die Zahl der Todesfälle durch COVID-19 hat sich verringert ? von 63 Personen (Vorwoche) auf 31 Personen.Innerhalb der letzten 24 Stunden haben Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 970 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet. Vor 1 Woche waren es 892 Fälle. Mittlerweile liegt die 7-Tage-Inzidenz bundesweit bei 5,2 (Vorwoche: 5,1). Die Zahl der Todesfälle durch COVID-19 hat sich verringert ? von 63 Personen (Vorwoche) auf 31 Personen.

Bislang wurden 39,9 % der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, und 57,1 % haben mindestens 1 Impfdosis erhalten.



Spahn: Schneller impfen, später lockern?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind diese Zahlen noch zu niedrig, um Einschränkungen für die Bevölkerung zu lockern. Er wünscht sich, dass ein ?Impf-Ruck? durch Deutschland gehe und stellt klar: ?Geimpft sein macht einen Unterschied.? Wer viel machen wolle, etwa auf Partys gehen und die Familie besuchen, solle sich impfen lassen. Deutschland würde AHA-Regeln und die Maskenpflicht noch eine Weile beibehalten. Sein Ministerium plant, intensiver als bislang für Impfungen zu werben.


Nahezu zeitgleich macht sich Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) für ein Ende aller Einschränkungen stark, sobald alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot bekommen haben. ?Damit ist im Laufe des Augusts zu rechnen?, so Maas. Dann gebe es rechtlich und politisch keine Rechtfertigung mehr für solche Einschränkungen.

Impfbereitschaft: Finanzielle Anreize bringen wenig
Bleibt zu klären, wie es gelingen könnte, die Impfraten zu erhöhen. Boni scheinen nichts zu bringen, wie Forscher jetzt in JAMA berichten.

Ihre Daten kommen aus den USA. Im Mai kündigte der Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, an, dass 5 Geldpreise im Wert von 1 Million Dollar an geimpfte Einwohner gehen würden, und mehrere Staaten haben ähnliche Programme ins Leben gerufen, um die Impfraten zu erhöhen ? ohne durchschlagenden Erfolg.

Zwischen dem 15. April und dem 9. Juni 2021 sanken die täglichen Impfraten bei Erwachsenen von 485 pro 100.000 Menschen auf 101 pro 100.000 Menschen in Ohio und von 700 pro 100.000 Menschen auf 97 pro 100.000 Menschen in Staaten ohne Lotterieprogramme. Die Ankündigung millionenschwerer gewinne in Ohio hatte keinen signifikanten Effekt.

Labortest zeigt Korrelation von Antikörpertiter und Schutzwirkung ? Perspektive für die Impfstoffforschung?
Apropos Impfungen: In einem Preprint berichten Forscher der Oxford University, dass sich die Schutzwirkung nach einer Impfung anhand von Laborwerten extrapolieren lässt. Die Forscher nahmen 171 Probanden in ihre Studie auf, die trotz SARS-CoV-2-Impfung an COVID-19 erkrankt waren. Hinzu kamen 1.404 geimpfte Probanden ohne COVID-19.


Im Labor bestimmte das Team verschiedene Antikörper-Titer. Neutralisationsexperimente gegen Pseudoviren mit Spike-Protein und gegen SARS-CoV-2 selbst folgten. Wie erhofft zeigte sich eine Korrelation: Je mehr Antikörper die Geimpften im Blut hatten und je besser die Neutralisationstests ausgefallen waren, desto unwahrscheinlicher war COVID-19.

Künftig könnten solche Untersuchungen von Patienten in Anspruch genommen werden, um herauszufinden, wie gut ihr Schutz ist. Die Methode eignet sich vielleicht aber auch zur Untersuchung und zur Zulassung neuer Impfstoffe.

Corona-Studie aus Mainz: Hohe Dunkelziffer an Infektionen ? Schutzmaßnahmen wirken
Neben Impfungen gehören Hygieneregeln zu den wichtigsten Maßnahmen. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz zeigen nach 9-monatiger Forschung, welche Effekte dadurch zu erwarten sind. Sie haben jetzt Resultate einer der bundesweit größten Studien zu SARS-CoV-2 veröffentlicht.

Daten kommen von 10.250 Studienteilnehmenden im Alter von 25 bis 88 Jahren aus der Stadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen. Erfasst wurden unter anderem Informationen zur körperlichen und seelischen Gesundheit, zu ergriffenen Präventionsmaßnahmen sowie über den Alltag, die Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen und die Lebensqualität der Menschen während der Pandemie.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

40% aller SARS-CoV2-positiven Personen wussten nichts von ihrer Infektion. Sie würden ? von der Studie abgesehen ? in keiner Statistik auftauchen.

Die AHA-Regeln bringen im Alltag viel. Wer sich eigenen Angaben zufolge daran hielt, hatte seltener Infektionen mit SARS-CoV-2 (-34%), gemessen an Personen, die solche Regeln selten oder nie beachtet haben.

Auch im Homeoffice infizierten sich Personen seltener (-31%) im Vergleich zu Erwerbstätigen, die vor Ort arbeiten mussten.

Menschen mit niedrigerem sozioökonomischem Status lassen sich seltener impfen als Personen mit höherem sozioökonomischem Status. Hier müsse mehr unternommen werden, so die Forderung der Wissenschaftler.

COVID-19-Therapie: Neue WHO-Empfehlungen zu Interleukin-6-Antagonisten
Von der Prävention zur Therapie. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Richtlinien aktualisiert, um Interleukin-6-Rezeptorblocker zu berücksichtigen: eine Klasse von Wirkstoffen, die bei schwer oder kritisch erkrankten Patienten mit COVID-19 lebensrettend sein kann, vor allem in Kombination mit Kortikosteroiden.

Grundlage der Empfehlung ist eine von der WHO initiierte prospektive Netzwerk-Metaanalyse mit Daten von 10.930 Patienten, die an 27 klinischen Studien teilgenommen hatten.

Insgesamt traten 1.407 Todesfälle bei 6.449 Patienten, die randomisert IL-6-Antagonisten erhalten hatten, auf. Hinzu kamen 1.158 Todesfälle bei 4.481 Patienten, die randomisiert einer Gruppe mit Standardbehandlung/Placebo zugeordnet worden waren (Odds Ratio 0,86, 95%-Konfidenzintervall 0,79-0,95, P = 0,003). Dies entspricht einem absoluten Mortalitätsrisiko von 22% für IL-6-Antagonisten im Vergleich zu 25% für die übliche Behandlung.

Für Tocilizumab geben die Autoren als ORs 0,83 (95%-KI 0,74-0,92; P<0,001), und für Sarilumab nennen sie als OR 1,08 (95%-KI 0,86-1,36; P = 0,52). Für Kortikosteroide plus Tocilizumab ergab sich als OR 0,77 (95%-KI 0,68-0,87); bei Kortikosteroiden plus

Sarilumab lag die OR bei 0,92 (95%-KI 0,61-1,38).


Die ORs für eine Progression zu invasiver mechanischer Beatmung oder für den Tod, verglichen mit üblicher Behandlung/Placebo, waren 0,77 (95%-KI 0,70-0,85) für alle IL-6-Antagonisten, 0,74 (95%-KI 0,66-0,82) für Tocilizumab und 1,00 (95%-KI 0,74-1,34) für Sarilumab.

Sekundärinfektionen traten nach 28 Tagen bei 21,9% aller Patienten auf, die mit IL-6-Antagonisten behandelt wurden, im Vergleich zu 17,6% aller Patienten in Kontrollgruppen (OR 0,99, 95%-KI 0,85-1,16).

?Unsere Forschung zeigt, dass Interleukin-6-Antagonisten Todesfälle durch COVID-19 reduzieren, also Leben retten, und das Fortschreiten zu einer schweren Erkrankung zu verhindern, die eine Atemunterstützung mit einem Beatmungsgerät erforderlich macht?, kommentiert Prof. Dr. Manu Shankar-Hari vom King's College London. ?Darüber hinaus scheinen Interleukin-6-Antagonisten sogar noch effektiver zu sein, wenn sie zusammen mit Kortikosteroiden eingesetzt werden.?

Update 5. Juli 2021

Nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm?

Impfabstand einhalten, heterologes Impfschema nach Vaxzevria® anwenden

Pflegeheime: Hohe Mortalität, fehlender Schutz zu Beginn der Pandemie

Immunität nach COVID-19 hält mindestens 10 Monate an

Experimentelle Therapie gegen Long-COVID

Innerhalb der letzten 24 Stunden haben Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) 212 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet. Vor 1 Woche waren es 219 Fälle. Mittlerweile liegt die 7-Tage-Inzidenz bundesweit bei 5,0 (Vorwoche: 5,6). Die Zahl der Todesfälle durch COVID-19 hat sich ebenfalls verringert ? von 8 Personen (Vorwoche) auf 1 Person.

Nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm?
Wie geht es jetzt weiter? ?Die Bundesregierung darf die Sommermonate auf keinen Fall ungenutzt lassen, um sich auf den Herbst und eine mögliche 4. Welle vorzubereiten?, sagt Bettina Stark-Watzinger. Sie ist Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion. ?Es geht dabei nicht um Alarmismus, aber die Warnungen der Wissenschaftler müssen ernst genommen werden.?

Immerhin: ?Spätestens im September wird für jeden Impfwilligen ein Impfangebot verfügbar sein (?)?, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Bislang sind 37,9 % aller Einwohner vollständig geimpft, und 55,6 % haben mindestens 1 Impfdosis erhalten. Im Herbst müssten ?eigentlich nahezu alle Corona-Maßnahmen weg?, fordert Gassen.

SPD-Chefin Saskia Esken kritisiert dabei die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI: ?Wir brauchen dringend einen Impfstoff für Kinder, und ich hoffe auch, dass die STIKO ihre eingeschränkte Impf-Empfehlung für Jugendliche bald überdenkt.? Generelle Impfempfehlungen hat das Gremium für 12- bis 17-Jährige bislang nicht ausgesprochen. Nur Kinder und Jugendliche mit bestimmten Vorerkrankungen sollen das Vakzin erhalten.

Impfabstand einhalten, heterologes Impfschema nach Vaxzevria® anwenden
Apropos Impfungen: In einer Mitteilung warnen STIKO-Experten vor der Delta-Variante. Diese sei deutlich ansteckender als Alpha, wobei eine höhere Pathogenität noch nicht gesichert sei. ?Aktuelle Studienergebnisse aus dem Vereinigten Königreich zeigen, dass der Impfschutz in Bezug auf die Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe nach abgeschlossener Grundimmunisierung gegenüber der Deltavariante im Vergleich zum Schutz gegenüber anderen SARS-CoV-2-Varianten ähnlich gut ist?, heißt es weiter. Die STIKO warnt hingegen davor, dass der ?der Schutz gegenüber der Deltavariante nach nur einer Impfstoffdosis deutlich herabgesetzt zu schein seint.?

Patienten legt die STIKO nahe, den 2. Impftermin unbedingt wie empfohlen wahrzunehmen:

Comirnaty® (BioNTech/Pfizer): Abstand 3-6 Wochen

Spikevax® (Moderna): Abstand 4-6 Wochen

Vaxzevria® (AstraZeneca): Abstand 9-12 Wochen

Außerdem weisen Experten darauf hin, dass das heterologe Impfschema Vaxzevria®/mRNA-Impfstoff dem homologen Schema mit 2 Impfstoffdosen Vaxzevria® deutlich überlegen sei. ?Vorbehaltlich der Rückmeldungen aus dem noch zu eröffnenden Stellungnahme-Verfahren empfiehlt die STIKO daher für Personen, die Vaxzevria als 1. Impfstoffdosis erhalten haben, unabhängig vom Alter einen mRNA-Impfstoff als 2. Impfstoffdosis mit mindestens 4-wöchigem Impfabstand zur 1. Impstoff-Dosis.?


Pflegeheime: Hohe Mortalität, fehlender Schutz zu Beginn der Pandemie
Inzwischen haben alle Personen über 80 Impfangebote erhalten. Bis es soweit war, ist die Sterblichkeit in Pflegeheimen aber stark angestiegen. Das fanden Forscher am Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) heraus. Ihre Daten zeigen:

3 Wochen nach Beginn des 1. Lockdowns (6. bis 12. April 2020) war die Mortalität 20% Prozent höher als im Mittel der Vorjahre.

Zwischen Oktober und Dezember 2020 überstieg sie das Niveau der Vorjahre um durchschnittlich 30%.

In der 52. Kalenderwoche 2020 wurden sogar bei 80% als Spitzenwert erreicht

?Die Infektionsschutzmaßnahmen während der Pandemie reichten nicht aus, um die im Heim lebenden pflegebedürftigen Menschen ausreichend zu schützen?, kritisiert Dr. Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO. Nun ist die Pandemie zwar am Abklingen, und es gibt Impfstoffe. Doch die Erkenntnis sollte in künftige Pandemie-Konzepte einfließen.

Als weitere Herausforderung kommt hinzu, psychische Folgen zu erfassen und Maßnahmen dagegen zu ergreifen. 43% der befragten Angehörigen konnten zwischen März und Mai 2020 pflegebedürftige Verwandte oder Bekannte nicht besuchen.

Immunität nach COVID-19 hält mindestens 10 Monate an
Wer eine Infektion mit SARS-CoV-2 überstanden hat, entwickelt Immunität gegen das Virus, doch wie lange? Dieser Frage sind Forscher der Universität zu Lübeck jetzt nachgegangen.

https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.06.24.21259218v1

Sie haben 412 Erwachsene mit milder oder moderater Symptomatik in ihre Studie aufgenommen. Anti-SARS-CoV-2 IgG Antikörper im Blut konnten bei 316 von 412 Probanden (76,7%) noch 10 Monate nach der Infektion nachgewiesen werden. Bei 274/412 (66,5%) der ehemaligen Patienten waren Antikörper nachweisbar und ein spezifischer Test auf Interferon-gamma fiel positiv aus.

Mitunter wurden hohe Antikörperwerte, aber niedrige IFN-γ-Spiegel gemessen und umgekehrt. Was dieser Befund bedeutet, ist unklar; weitere Untersuchungen folgen. Interferon-gamma ist einer der wichtigsten Botenstoffe im Immunsystem und wird von T-Lymphozyten freigesetzt. Diese Zellen sind unverzichtbar, damit die B-Lymphozyten Antikörper produzieren können.

?Unsere Daten zeigen, dass bei nahezu allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach durchgemachter COVID-Infektion eine ausreichende Immunreaktion stattgefunden hat?, kommentiert Prof. Dr. Werner Solbach vom Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung an der Universität zu Lübeck. ?Der Schutz hält für mindestens 10 Monate nach Infektion an.? Solbach hofft: ?Die Ergebnisse können helfen zu entscheiden, in welchen Abständen Auffrischimpfungen gegen das Virus nötig sind.?

Experimentelle Therapie gegen Long-COVID
Wer COVID-19 überstanden hat, ist noch lange nicht gesund; manche Symptome persistieren über Monate hinweg. Long-COVID gilt als ?nächste Katastrophe im Bereich der öffentlichen Gesundheit?. Jetzt berichten Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg von einem individuellen Heilversuch.

Zuvor hatten sie herausgefunden, dass selbst Monate nach COVID-19 die Durchblutung innerhalb der Netzhaut eingeschränkt ist, selbst wenn Patienten keine Sehbeschwerden haben. Forscher vermuteten, dass solche Defizite im gesamten Körper zu finden sind.

Im Blut von COVID-19-Patienten fanden sie zudem Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Bekannt war, dass diese Proteine mit Glaukomen in Verbindung stehen und zu einer schlechteren Durchblutung der Augen beitragen.

Als ein langjähriger, am Glaukom erkrankter Patient nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion von Geschmacksverlust, starken Konzentrationsstörungen und Abgeschlagenheit berichtete, wagten die Ärzte einen individuellen Heilversuch. Sie gaben ihm BC 007, ein Medikament, das ursprünglich zur Therapie einer Autoantikörper-assoziierten dilatativen Kardiomyopathie entwickelt worden ist.

Bei BC 007 handelt es sich um ein DNA-Oligonukleotid, das verschiedene Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren neutralisiert. Es wurde von der Berlin Cures GmbH entwickelt. Nach erfolgreichem Abschluss der Phase 1/1b hat der Hersteller eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Phase-2-Studie bei Patienten mit Herzinsuffizienz gestartet.

Bereits innerhalb weniger Stunden zeigte sich bei dem Long-COVID-Patienten eine Besserung. Auch die Konzentrationsschwierigkeiten verschwanden, die Leistungsfähigkeit verbesserte sich, und der und der Geschmackssinn kehrte zurück.

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