Mittwoch, 30. Juni 2021
Delta-Variante schon bei 50%? Kreuzimpfung und langes Impfintervall verstärken Wirkung; STIKO aktualisiert Kinder-Empfehlung
Delta-Variante breitet sich aus " schon bei 50%"

Modifiziertes Oxford-Vakzin als Booster gegen die Beta-Variante aus Südafrika?

Kreuzimpfung mit 2 verschiedenen Vakzinen ? stärker als 2 Mal AstraZeneca

Oxford-Impfstoff: Verzögerung der 2. und 3. Dosis induziert stärkere Immunantwort

STIKO aktualisiert Impfempfehlungen für Kinder und Jugendliche

CoronaVac (Sinovac) ist auch bei Kindern und Jugendlichen sicher und wirksam

Der Trend nach unten bei den Inzidenzen setzt sich weiter fort. Nur noch 404 SARS-CoV-2-Neuinfektionen haben Gesundheitsämter bundesweit dem RKI gemeldet (Vorwoche: 455). Als 7-Tage-Inzidenz gibt das Institut 5,4 an (Vorwoche: 8,0). Jeder 10. Landkreis verzeichnete in den letzten 7 Tagen keine neuen Infektionen. Deutschlandweit wurden innerhalb der letzten 24 Stunden 57 Todesfälle durch COVID-19 verzeichnet. Vor einer Woche waren es noch 77.

Delta-Variante breitet sich aus ? schon bei 50%?
Sorgen bereitet Experten derzeit vor allem die Verbreitung der neuen Mutationen. RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler sagte, die Delta-Variante mache inzwischen einen Anteil von mindestens 35% der untersuchten Proben aus. Diese Daten seien aber bereits einige Tage alt; mittlerweile könnten es sogar 50% sein. Delta verbreite sich vor allem bei nicht geimpften Menschen, so Wieler.

Laut Impf-Dashboard sind bislang nur 35,4% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, und 53,6 % haben wenigstens 1 Dosis erhalten. Britische Datenanalysen zeigen, dass 2 Dosen BioNTech oder AstraZeneca auch bei Delta gut gegen einen schweren Verlauf schützen. Wer nur 1 Dosis erhalten hat, ist gegen die Variante schlechter geschützt. Daher spricht vieles dafür, die Impfabstände eventuell zu verkürzen. Derzeit prüft die STIKO alle Daten hierzu, bleibt momentan aber noch bei den bekannten Empfehlungen:

AstraZeneca: Impfwillige sollten die 2. Dosis 4-12 Wochen nach der Erstimpfung erhalten.

BioNTech/Pfizer: Hier sieht die Zulassung vor, Menschen 3-6 Wochen nach der 1. Dosis erneut zu impfen.

Modifiziertes Oxford-Vakzin als Booster gegen die Beta-Variante aus Südafrika?
Weitere Antworten können nur aus der Forschung kommen. Am 27. Juni hat die Universität Oxford zusammen mit AstraZeneca eine weitere Studie gestartet. Ziel ist, herauszufinden, ob AZD2816 auch gegen die B.1.351-Variante (Beta), wirkt, die erstmals in Südafrika nachgewiesen worden ist. Bekanntlich hat die aktuelle AstraZeneca-Vakzine gegen diese Variante nur eine eingeschränkte Wirksamkeit.

Der neue Impfstoff wurde mit der gleichen adenoviralen Vektorplattform entwickelt, die schon beim 1. Vakzin zum Einsatz kam ? mit geringfügigen genetischen Veränderungen des Spike-Proteins auf Basis der Beta-Variante.

An der Phase 2/3-Studie sollen rund 2.250 Personen aus Großbritannien, Südafrika, Brasilien und Polen teilnehmen. Für den Start der Booster-Studie in Großbritannien müssen die Teilnehmer mehr als 3 Monate vor der Studie 2 Dosen eines zugelassenen COVID-19-Impfstoffs im Abstand von 3 bis 12 Wochen erhalten haben.

Erste Daten aus der Studie werden im Laufe des Jahres erwartet. Sobald sie vorliegen, plant der Hersteller, seine Daten den Zulassungsbehörden vorzulegen. Ein beschleunigtes Zulassungsverfahren wäre möglich.

Kreuzimpfung mit 2 verschiedenen Vakzinen ? stärker als 2 Mal AstraZeneca
Forscher der Oxford University wollten auch wissen, wie wirksam Kreuzimpfungen sind. Sie haben im Februar 2021 genau 830 Teilnehmer randomisiert. Von ihnen erhielten 463 Personen 2 Impfungen innerhalb von 28 Tagen. Ergebnisse aus dieser Gruppe wurden jetzt in einem Preprint veröffentlicht; Daten zum 12-wöchigen Intervall sollen folgen.

Beide Schemata, nämlich Pfizer/BioNTech gefolgt von Oxford/AstraZeneca oder auch umgekehrt, führten zu hohen Konzentrationen von Antikörpern gegen das Spike-IgG-Protein. ?Die Ergebnisse zeigen, dass beide gemischten Schemata ? eine Immunantwort induzieren, die über dem Schwellenwert des Standardschemas des Oxford/AstraZeneca-Impfstoffs liegt?, kommentiert Prof. Dr. Matthew Snape von der Oxford University.


Bemerkenswert sei, dass die Reihenfolge der Impfstoffe einen Unterschied machte. So habe das zuerst Oxford-AstraZeneca und dann Pfizer-BioNTech-Schema höhere Antikörper-Titer und T-Zell-Antworten induziert als Pfizer-BioNTech zuerst und dann Oxford-AstraZeneca, berichtet Shape. Beide Kreuzimpfungen hätten unabhängig von der Reihenfolge zu mehr Antikörpern geführt als das 2-Dosen-Schema von Oxford-AstraZeneca.

Bereits im Mai haben Forscher berichtet, dass bei gemischten Schemata im Vergleich zu Standard-Schemata häufiger leichte bis mittelschwere unerwünschte Reaktionen aufgetreten sind, die jedoch nur von kurzer Dauer waren.

Oxford-Impfstoff: Verzögerung der 2. und 3. Dosis induziert stärkere Immunantwort
Antworten gibt es jetzt auch auf eine weitere Frage: Wird die Immunität beeinträchtigt, wenn man das Intervall zwischen der 1. und der 2. Dosis beim Oxford-Vakzin verlängert? Dem scheint nicht so zu sein. Ganz im Gegenteil. Laut einer Studie zeigten sich bei Abständen von bis zu 45 Wochen zwischen der 1. und 2. Dosis des Oxford-Vakzins sogar höhere Antikörperspiegel. ?Es gibt eine hervorragende Reaktion auf eine 2. Dosis, selbst nach einer 10-monatigen Verzögerung gegenüber der ersten Dosis?, kommentiert Prof. Dr. Andrew Pollard von der Oxford University.

Manche Länder erwägen aber auch, in Zukunft eine 3. ?Booster?-Dosis zu verabreichen. Laut Studie führte dies ebenfalls zu weiter ansteigenden Antikörpertitern. Auch die T-Zell-Antwort und die Immunantwort gegen Varianten wurde dabei verstärkt. Nach der 2. und 3. Dosis traten weniger Nebenwirkungen auf als nach der 1. Dosis. Die Forscher planen, Teilnehmer mit dem 3-Dosis-Schema noch länger nachzubeobachten.

STIKO aktualisiert Impfempfehlungen für Kinder und Jugendliche
Erfahrungsgemäß dauert es einige Zeit, bis valide Daten vorliegen, die eine Grundlage für nationale Empfehlungen bilden. Zur Impfung von Kinder und Jugendliche hat sich die STIKO bereits detailliert geäußert. Nun wurden diese Empfehlungen ergänzt. Bevorzugt sollten Heranwachsende zwischen 12 und 17 geimpft werden, falls sie folgende Vorerkrankungen haben:



Adipositas (> 97. Perzentile des BMI)

Angeborene oder erworbene Immundefizienz oder relevante

Immunsuppression

Angeborene zyanotische Herzfehler (O2-Ruhesättigung < 80%)

Chronische Lungenerkrankungen mit einer anhaltenden Einschränkung der Lungenfunktion unterhalb der 5. Perzentile, definiert als z-Score-Wert < ?1,64 für die forcierte Einsekundenkapazität (FEV1) oder Vitalkapazität (FVC). Ein gut eingestelltes Asthma bronchiale ist hier nicht gemeint.

Chronische Nierenerkrankungen

Chronische neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen

Diabetes mellitus, wenn nicht gut eingestellt bzw. mit

HbA1c-Wert > 9,0%

Schwere Herzinsuffizienz

Schwere pulmonale Hypertonie

Syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchtigung

Trisomie 21

Tumorerkrankungen und maligne hämatologische Erkrankungen

Neu sind die Präzisierungen bei pneumologischen Patienten aus der Pädiatrie. Ab dem Alter von 18 Jahren sei keine Priorisierung mehr erforderlich, schreiben die Autoren.

Eine weitere Empfehlung befasst sich mit Personen mit nachweislich überstandener SARS-CoV-2-Infektion ohne sonstige Vorerkrankungen. Sie sollten unabhängig vom Alter in der Regel ab 6 Monate nach Genesung bzw. Diagnosestellung eine COVID-19-Impfung erhalten.

CoronaVac (Sinovac) ist auch bei Kindern und Jugendlichen sicher und wirksam
Um Impfwillige schneller zu versorgen, hoffen Ärzte auf Neuzulassungen. Ein Vakzin des chinesischen Impfstoff-Hersteller Sinovac befindet sich unter fortlaufender Überprüfung der europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Es handelt sich um einen Totimpfstoff, der inaktivierte Viruspartikel und Aluminiumhydroxid enthält. Jetzt liegen für diesen auch neue Daten zu Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren vor.

Zwischen dem 31. Oktober und dem 2. Dezember 2020 wurden 72 Teilnehmer in Phase 1 eingeschlossen. Die Phase 2 mit 480 Teilnehmern folgte zwischen dem 12. und dem 30. Dezember 2020. Mehr als 96% der Probanden entwickelten Antikörper gegen SARS-CoV-2.

Ähnlich wie bei anderen Impfstoffen, bei denen ein zunehmendes Alter mit einer verminderten Immunantwort einhergeht, stellen die Autoren fest, dass die Immunantworten bei Kindern und Jugendlichen höher waren als bei Erwachsenen im Alter von 18-59 Jahren und älteren Menschen ab 60 Jahren. Basierend auf ihren Ergebnissen empfehlen die Autoren 2 3-µg-Dosen des Impfstoffs für Kinder und Jugendliche im Alter von 3-17 Jahren.

Die meisten Nebenwirkungen waren in der Studie leicht oder moderat, wobei Schmerzen an der Injektionsstelle das am häufigsten berichtete Symptom waren.

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