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Mittwoch, 15. Dezember 2021
Weißt Du, wieviel Sternlein stehn?
che2001, 23:55h
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"Die Bevölkerung versteht die Corona-Zahlen nicht"
che2001, 18:30h
Politik-Kommunikation in der Pandemie, wie sie besser gelingen könnte
Christian Beneker, Medscape
Dr. Sebastian Jäckle
Einfach ist es nicht, die immer neuen Zahlen zur Corona-Pandemie richtig einzuordnen. Das liegt zum einen an der Politik, die es oft nicht schafft, ihre Botschaften korrekt rüberzubringen. Zum anderen liegt es aber auch an der Bevölkerung, die die Bedeutung etwa des ?exponentiellen Wachstums? nicht versteht. Medscape sprach mit dem Freiburger Statistiker und Politologen Dr. Sebastian Jäckle. Er hat den Zusammenhang mit einer Studie untersucht.
Medscape : Herr Dr. Jäckle, sie sind Politikwissenschaftler, und Sie sind unzufrieden damit, wie in der Pandemie von Politikern und Medien die Zahlen kommuniziert werden. Besonders, wenn es um das exponentielle Wachstum geht, verstehe die Bevölkerung nur ?Bahnhof?. Das haben Sie jetzt sogar in einem Experiment nachgewiesen.
Jäckle: Eigentlich sind US-amerikanische Kollegen darauf gekommen, zu Beginn der Pandemie genauer zu untersuchen, wie weit die Bevölkerung exponentielles Wachstum überhaupt versteht. Wir haben deren Experiment repliziert [1]. Ein angemessenes Verständnis von exponentiellem Wachstum wäre ja wünschenswert, weil im Zusammenhang mit der Pandemie-Entwicklung in der politischen Kommunikation stets davon die Rede ist, man müsse ?die Welle brechen?, weil sie ?exponentiell? anschwelle.
?Nicht ein einziger war in der Lage, das Wachstum richtig zu verstehen!?
Medscape : Und was haben Sie herausgefunden?
Jäckle: Selbst Erstsemester, die gerade aus dem Abitur kommen und ihren Mathematikunterricht noch nicht so lange hinter sich hatten, versagten bei der Berechnung eines exponentiellen Wachstums. Nicht ein einziger war in der Lage, das Wachstum richtig zu verstehen. Damit lagen sie auf dem gleichen Niveau wie die US-amerikanischen Probanden.
Das hatten wir nicht vermutet. Denn die Amerikaner hatten ihren Probanden Geld für die Teilnahme gezahlt. Damit griffen sie auf Leute zurück, die vielleicht nicht zu den Gebildetsten gehörten. Zudem lief unsere Studie erst im November 2020, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Begrifflichkeit ?exponentielles Wachstum? im Zusammenhang mit der Pandemie als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden konnte. Dieses theoretische Wissen führte aber offensichtlich nicht zu einem besseren Verständnis der Infektionsdynamik.
Medscape : Wie war Ihr Experiment aufgebaut?
Jäckle: Wir haben eine vermeintlich einfache Schätzaufgabe gestellt, etwa wie diese: Wenn gestern genau 1.000 Menschen mit Corona infiziert waren und es heute genau 2.000 sind ? wie viele, schätzen Sie, sind es dann von heute ab in 10 Tagen? Die richtige Antwort bei dem unterliegenden exponentiellen Wachstumsprozess hätte gelautet: 1.024.000.
Aber niemand ist darauf gekommen, die Summen Tag für Tag schlicht zu verdoppeln. Stattdessen haben die Probanden intuitiv zumeist ein lineares Wachstum angenommen, das heißt, sie haben damit gerechnet, dass an jedem Tag 1.000 Infizierte hinzukommen. Mit dieser Rechnung sind sie auf 12.000 Infizierte nach 10 Tagen gekommen ? ein falsches Ergebnis.
Medscape : Seltsam, die Berechnung des exponentiellen Wachstums ist doch kein Hexenwerk.
Jäckle: Ja, aber das Problem scheint zu sein, sich die gewaltigen Zahlen überhaupt vorzustellen, auf die man kommt, wenn man das exponentielle Wachstum berechnet. Und daran scheitert offenbar das menschliche Gehirn oft. Vor allem, wenn die Infizierten-Zahlen im Laufe kurzer Zeit durch die Decke schießen.
Es geht um politische Kommunikation
Medscape : Die korrekte Berechnung des exponentiellen Wachstums interessiert Sie auch als Politikwissenschaftler?
Jäckle: Mir geht es um politische und mediale Kommunikation. Wir haben nämlich in unserem Experiment mit 2 Gruppen gearbeitet: Gruppe 1 hat einfach die Schätzaufgabe bekommen, und Gruppe 2 hat zusätzlich eine kleine Hilfestellung erhalten: eine Hilfe bei den Rechenschritten.
Tatsächlich hat sich die unterstützte Gruppe leichter getan und die korrekten Ergebnisse geliefert. Das bedeutet für die politische Kommunikation, dass zum Beispiel nicht nur die neuesten Höchststände der Infizierten-Zahlen genannt werden, sondern auch eine Einschätzung des exponentiell wachsenden Infektionsgeschehens, etwa so: ?Wenn sich die Zahlen so weiterentwickeln, dann haben wir in einer Woche ??. Das dürfte Folgen haben.
Denn in unserem Experiment hat sich gezeigt: Die Gruppe, die eine Hilfestellung erhalten hatte, konnte nicht nur das Infektionsgeschehen besser abschätzen, sondern war am Ende zum Beispiel Kontaktbeschränkungen gegenüber aufgeschlossener, weil sie von der Infektionsgefahr ein realistischeres Bild hatten.
Medscape : Glauben Sie, dass die Bevölkerung es durch solche einfachen Tricks wirklich leichter hat, so unglaublich schnell sich entwickelnde Zahlen einzuordnen?
Jäckle: Der Umgang mit exponentiellen Steigerungsraten ist kein Orchideenfach und nicht so unwichtig, wie es vielleicht scheint. Die Rechnung gilt auch, wenn es um die Verbreitung viraler Inhalte in sozialen Netzwerken geht oder um die Beschreibung nuklearer Kettenreaktionen. Das Thema umgibt uns! Schon die altindische Erzählung von den Reiskörnern auf dem Schachbrett zeigt, welche enormen Massen in diesem Fall bei exponentiellem Wachstum entstehen können.
Medscape : Die Kommunikation der Pandemiezahlen wird ja nicht nur durch das Unverständnis exponentieller Steigerung verwischt.
Jäckle: Das stimmt. Oft wird ?der Wissenschaft? vorgeworfen, sie wisse auch nicht genau Bescheid. Und das ist natürlich auch wahr, denn Modelle können niemals eine perfekte Vorhersage liefern, da es sich bei ihnen eben um Abstraktionen der Wirklichkeit handelt. Alle wissenschaftliche Simulationen und Hochrechnungen enthalten immer eine gewisse Unsicherheit. Das ist aber gar nichts Schlechtes! Denn die Wissenschaft kann gut berechnen, wie hoch diese Unsicherheit ist. Und eine solche mit einem Sicherheitsbereich angegebene Schätzung ist eben etwas fundamental anderes, als einfach ins Blaue hinein zu raten.
Verstehen die Politiker, was sie erklären?
Medscape : Verstehen am Ende die Politiker selbst nicht genau, wie die Wissenschaft arbeitet und was exponentielles Wachstum ist und bedeutet?
Jäckle: Ich habe es nur einmal erlebt, dass von Seiten der Politik das exponentielle Anwachsen der Infizierten-Zahlen ähnlich anschaulich vermittelt wurde, wie wir es in unserem Experiment mit der kleinen Hilfestellung getan haben. Und zwar durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat Ende September 2020 vor laufender Kamera das exponentielle Anwachsen der Infizierten-Zahlen in einzelnen Schritten für jeden Monat hochgerechnet und kam so auf eine Schätzung von ca. 19.000 Neuinfektionen täglich für Weihnachten. Wegen dieser vermeintlich viel zu hoch gegriffenen Zahlen, die der Bevölkerung nur unnötig Angst machen würden, gab es damals ein riesiges Medienecho. Zu Weihnachten hat sich dann herausgestellt, dass Merkel noch zu konservativ gerechnet hatte.
Christian Beneker, Medscape
Dr. Sebastian Jäckle
Einfach ist es nicht, die immer neuen Zahlen zur Corona-Pandemie richtig einzuordnen. Das liegt zum einen an der Politik, die es oft nicht schafft, ihre Botschaften korrekt rüberzubringen. Zum anderen liegt es aber auch an der Bevölkerung, die die Bedeutung etwa des ?exponentiellen Wachstums? nicht versteht. Medscape sprach mit dem Freiburger Statistiker und Politologen Dr. Sebastian Jäckle. Er hat den Zusammenhang mit einer Studie untersucht.
Medscape : Herr Dr. Jäckle, sie sind Politikwissenschaftler, und Sie sind unzufrieden damit, wie in der Pandemie von Politikern und Medien die Zahlen kommuniziert werden. Besonders, wenn es um das exponentielle Wachstum geht, verstehe die Bevölkerung nur ?Bahnhof?. Das haben Sie jetzt sogar in einem Experiment nachgewiesen.
Jäckle: Eigentlich sind US-amerikanische Kollegen darauf gekommen, zu Beginn der Pandemie genauer zu untersuchen, wie weit die Bevölkerung exponentielles Wachstum überhaupt versteht. Wir haben deren Experiment repliziert [1]. Ein angemessenes Verständnis von exponentiellem Wachstum wäre ja wünschenswert, weil im Zusammenhang mit der Pandemie-Entwicklung in der politischen Kommunikation stets davon die Rede ist, man müsse ?die Welle brechen?, weil sie ?exponentiell? anschwelle.
?Nicht ein einziger war in der Lage, das Wachstum richtig zu verstehen!?
Medscape : Und was haben Sie herausgefunden?
Jäckle: Selbst Erstsemester, die gerade aus dem Abitur kommen und ihren Mathematikunterricht noch nicht so lange hinter sich hatten, versagten bei der Berechnung eines exponentiellen Wachstums. Nicht ein einziger war in der Lage, das Wachstum richtig zu verstehen. Damit lagen sie auf dem gleichen Niveau wie die US-amerikanischen Probanden.
Das hatten wir nicht vermutet. Denn die Amerikaner hatten ihren Probanden Geld für die Teilnahme gezahlt. Damit griffen sie auf Leute zurück, die vielleicht nicht zu den Gebildetsten gehörten. Zudem lief unsere Studie erst im November 2020, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Begrifflichkeit ?exponentielles Wachstum? im Zusammenhang mit der Pandemie als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden konnte. Dieses theoretische Wissen führte aber offensichtlich nicht zu einem besseren Verständnis der Infektionsdynamik.
Medscape : Wie war Ihr Experiment aufgebaut?
Jäckle: Wir haben eine vermeintlich einfache Schätzaufgabe gestellt, etwa wie diese: Wenn gestern genau 1.000 Menschen mit Corona infiziert waren und es heute genau 2.000 sind ? wie viele, schätzen Sie, sind es dann von heute ab in 10 Tagen? Die richtige Antwort bei dem unterliegenden exponentiellen Wachstumsprozess hätte gelautet: 1.024.000.
Aber niemand ist darauf gekommen, die Summen Tag für Tag schlicht zu verdoppeln. Stattdessen haben die Probanden intuitiv zumeist ein lineares Wachstum angenommen, das heißt, sie haben damit gerechnet, dass an jedem Tag 1.000 Infizierte hinzukommen. Mit dieser Rechnung sind sie auf 12.000 Infizierte nach 10 Tagen gekommen ? ein falsches Ergebnis.
Medscape : Seltsam, die Berechnung des exponentiellen Wachstums ist doch kein Hexenwerk.
Jäckle: Ja, aber das Problem scheint zu sein, sich die gewaltigen Zahlen überhaupt vorzustellen, auf die man kommt, wenn man das exponentielle Wachstum berechnet. Und daran scheitert offenbar das menschliche Gehirn oft. Vor allem, wenn die Infizierten-Zahlen im Laufe kurzer Zeit durch die Decke schießen.
Es geht um politische Kommunikation
Medscape : Die korrekte Berechnung des exponentiellen Wachstums interessiert Sie auch als Politikwissenschaftler?
Jäckle: Mir geht es um politische und mediale Kommunikation. Wir haben nämlich in unserem Experiment mit 2 Gruppen gearbeitet: Gruppe 1 hat einfach die Schätzaufgabe bekommen, und Gruppe 2 hat zusätzlich eine kleine Hilfestellung erhalten: eine Hilfe bei den Rechenschritten.
Tatsächlich hat sich die unterstützte Gruppe leichter getan und die korrekten Ergebnisse geliefert. Das bedeutet für die politische Kommunikation, dass zum Beispiel nicht nur die neuesten Höchststände der Infizierten-Zahlen genannt werden, sondern auch eine Einschätzung des exponentiell wachsenden Infektionsgeschehens, etwa so: ?Wenn sich die Zahlen so weiterentwickeln, dann haben wir in einer Woche ??. Das dürfte Folgen haben.
Denn in unserem Experiment hat sich gezeigt: Die Gruppe, die eine Hilfestellung erhalten hatte, konnte nicht nur das Infektionsgeschehen besser abschätzen, sondern war am Ende zum Beispiel Kontaktbeschränkungen gegenüber aufgeschlossener, weil sie von der Infektionsgefahr ein realistischeres Bild hatten.
Medscape : Glauben Sie, dass die Bevölkerung es durch solche einfachen Tricks wirklich leichter hat, so unglaublich schnell sich entwickelnde Zahlen einzuordnen?
Jäckle: Der Umgang mit exponentiellen Steigerungsraten ist kein Orchideenfach und nicht so unwichtig, wie es vielleicht scheint. Die Rechnung gilt auch, wenn es um die Verbreitung viraler Inhalte in sozialen Netzwerken geht oder um die Beschreibung nuklearer Kettenreaktionen. Das Thema umgibt uns! Schon die altindische Erzählung von den Reiskörnern auf dem Schachbrett zeigt, welche enormen Massen in diesem Fall bei exponentiellem Wachstum entstehen können.
Medscape : Die Kommunikation der Pandemiezahlen wird ja nicht nur durch das Unverständnis exponentieller Steigerung verwischt.
Jäckle: Das stimmt. Oft wird ?der Wissenschaft? vorgeworfen, sie wisse auch nicht genau Bescheid. Und das ist natürlich auch wahr, denn Modelle können niemals eine perfekte Vorhersage liefern, da es sich bei ihnen eben um Abstraktionen der Wirklichkeit handelt. Alle wissenschaftliche Simulationen und Hochrechnungen enthalten immer eine gewisse Unsicherheit. Das ist aber gar nichts Schlechtes! Denn die Wissenschaft kann gut berechnen, wie hoch diese Unsicherheit ist. Und eine solche mit einem Sicherheitsbereich angegebene Schätzung ist eben etwas fundamental anderes, als einfach ins Blaue hinein zu raten.
Verstehen die Politiker, was sie erklären?
Medscape : Verstehen am Ende die Politiker selbst nicht genau, wie die Wissenschaft arbeitet und was exponentielles Wachstum ist und bedeutet?
Jäckle: Ich habe es nur einmal erlebt, dass von Seiten der Politik das exponentielle Anwachsen der Infizierten-Zahlen ähnlich anschaulich vermittelt wurde, wie wir es in unserem Experiment mit der kleinen Hilfestellung getan haben. Und zwar durch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hat Ende September 2020 vor laufender Kamera das exponentielle Anwachsen der Infizierten-Zahlen in einzelnen Schritten für jeden Monat hochgerechnet und kam so auf eine Schätzung von ca. 19.000 Neuinfektionen täglich für Weihnachten. Wegen dieser vermeintlich viel zu hoch gegriffenen Zahlen, die der Bevölkerung nur unnötig Angst machen würden, gab es damals ein riesiges Medienecho. Zu Weihnachten hat sich dann herausgestellt, dass Merkel noch zu konservativ gerechnet hatte.
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Corona-Experten ?außerordentlich besorgt?: 30 bis 40 Millionen Omikron-Infizierte in den nächsten Monaten?
che2001, 18:19h
Sonja Böhm, Medscape
Verschläft die deutsche Politik erneut rechtzeitige Maßnahmen in der Corona-Politik und setzt die falschen Signale? Corona-Experten sind auf jeden Fall höchst alarmiert und ?außerordentlich besorgt? was die auch in Deutschland drohende Omikron-Welle angeht. Auf einer Pressekonferenz des Science Media Center warnten Prof. Dr. Sandra Ciesek, Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin und Prof. Dr. Dirk Brockmann unisono vor einem dramatischen Szenario, das durch die neue hoch-ansteckende Immunescape-Variante schon in wenigen Wochen droht.
Omikron breite sich mit einer Geschwindigkeit aus, wie sie bislang noch nicht gesehen worden sei, sagte Brockmann. ?Das ist um den Faktor 3 bis 4 schneller als bisher bekannt ? so was hatte bislang keiner auf dem Radar. Das sind Zeitskalen, die wir bisher nicht kannten.? Wie unter anderem britische Daten zeigten, könne die Variante damit ?schnell übernehmen?.
Übernimmt Omikron schon Mitte Januar?
Neumann-Haefelin, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg, rechnet damit, dass Omikron sich bereits bis Mitte Januar hier durchsetzt. ?Die Infektionen werden hochschnellen?, sagt er voraus.
Bislang ist für Deutschland die Datenlage zur Ausbreitung von Omikron leider sehr dünn. Brockmann verwies daher auf Daten aus Großbritannien und Dänemark, wo deutlich mehr Sequenzierungen stattfinden ? und diese Daten seien ?ziemlich besorgniserregend?, sagte der Wissenschaftler, der unter anderem die Projektgruppe Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten am Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, leitet.
Die Infektionen werden hochschnellen. Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin
30 bis 40 Millionen Infizierte auch in Deutschland möglich
Denn durch die hohe Übertragbarkeit bei gleichzeitiger Immunflucht, seien die 1. und die 2. Impfung ?praktisch nicht wirksam?, was die Eindämmung der Ausbreitung angehe. Eine aktuelle britische Modellierung gehe von 400.000 bis 700.000 Neu-Infektionen pro Tag aus ? ?trotz Maßnahmen?. Dies würde bedeuten, dass sich rund die Hälfte der britischen Bevölkerung in der Zeit zwischen Dezember und April nächsten Jahres infizieren würde, das wären 30 bis 40 Millionen Menschen. ?Das lässt sich grob auf Deutschland übertragen?, so die düstere Prognose von Brockmann.
?Es müssen dazu Notfallpläne aus der Politik kommen ? und zwar schnell?, forderte der Wissenschaftler. ?Was passiert, wenn drei- bis viertausend Menschen täglich hospitalisiert werden müssen?? Die Politik müsse nun ?antizipatorisch handeln und nicht reaktiv?. Auch sei zu berücksichtigen, dass bei hohen Infektionszahlen natürlich auch Klinikpersonal von den Infektionen betroffen sei ? was die Situation weiter verschärfe. Dies könne ?zu einer Kaskade? führen, ?die wir derzeit noch gar nicht auf dem Radar haben?.
Aussetzung der Testpflicht für Geboosterte ?unkluge? Entscheidung
Auch Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, pflichtete ihm bei: ?Alle Zeichen stehen auf Rot?, sagte sie. Doch sie habe nicht den Eindruck, dass dies in der Politik in Deutschland bereits angekommen sei. Sie bezog sich dabei vor allem auf die aktuelle Entscheidung, Geboosterte bei 2G+ von der Testpflicht auszunehmen. ?Darauf zu verzichten, halte ich nicht für klug?, sagte sie.
Denn auch wenn Geimpfte und Geboosterte wahrscheinlich vor einem schweren Krankheitsverlauf besser geschützt seien, können sie sich dennoch mit Omikron infizieren und vor allem so das Virus in sensible Einrichtungen wie Pflegeheime und Krankenhäuser tragen. Und wie ihre eigenen Untersuchungen zeigten, sei der Schutz der Risikopopulationen in solchen Einrichtungen schon dann nicht mehr so hoch, wenn etwa der Booster 3 Monate oder länger zurück liege, sagte Ciesek. Sie plädierte daher weiterhin für eine Testpflicht für ALLE zumindest für solche Einrichtungen.
Geboosterte bei 2G+ von der Testpflicht auszunehmen (...) halte ich nicht für klug. Prof. Dr. Sandra Ciesek
Den Effekt des Boosterns nicht überschätzen!
Ciesek kritisierte außerdem die ?falschen Signale?, die derzeit gesetzt würden. ?Da wird vermittelt: ?Lassen sie sich boostern und die Welt ist gut? ? so ist es eben nicht!? Die Menschen dürften sich nicht in einer falschen Sicherheit wiegen. Jeder einzelne müsse seinen Beitrag leisten. Neumann-Haefelin ist der gleichen Ansicht, er appellierte an ?jeden Einzelnen, seine Kontakte zu reduzieren?. Und weiter: ?Ich hoffe, dass die Politik agiert.?
Müssen wir mit einem erneuten Lockdown rechnen? Alle 3 Wissenschaftler sind sich einig, dass man derzeit kein Werkzeug, das man habe, ausschließen dürfe. Allerdings zeigt sich Brockmann eher pessimistisch, was den Nutzen solcher Werkzeuge angeht. Er erinnerte an die 1. Welle. Damals sei es gelungen, durch harte Maßnahmen, etwa die Reduktion der Mobilität um 60%, der Fern-Mobilität sogar um 90%, die Welle zu kontrollieren. Doch hier habe es sich um den Wildtyp des Virus gehandelt, der bei weitem nicht so übertragbar war. ?Bei Omikron müsste ungleich mehr passieren, um es zu kontrollieren.?
Omikron-Welle ist nicht mehr zu stoppen
Die Wissenschaftler waren sich einig, dass es ?ausgeschlossen ist?, die Omikron-Welle zu stoppen. Ein ?Abbremsen? sei das Maximale, was gelingen könne. Ciesek betonte, dass es vor allem die Pflege-Einrichtungen und Krankenhäuser zu schützen gilt. ?Wir müssen vorbereitet sein und schnell handeln?, so Brockmann. Er fürchte ?die Kaskade von Ereignissen, wenn sich die Variante ausbreitet ? wie jetzt für Großbritannien prognostiziert ? und sie dann auch ?die Klinik-Maschinerie? betrifft?.
Bislang ungeschützte Menschen noch rasch zu impfen, dafür reiche die Zeit nicht mehr, so die 3 Wissenschaftler. Bis diese ihren Immunschutz aufgebaut haben, dauere es zu lange. Diese Menschen gingen nun ungeschützt in die Omikron-Welle.
Auch die Booster lassen sich nur beschränkt steigern. Dies vor allem vor dem Hintergrund der nun offenbar gewordenen Impfstoff-Knappheit im 1. Quartal des kommenden Jahres. Ciesek plädierte dafür, hier Risikopopulationen vorzuziehen.
Zur Frage, wann ein Booster sinnvoll sei, sprach sich Neumann-Haefeli für einen ?Zeitraum um die drei Monate nach der Zweitimpfung? aus. Aufgrund ?theoretischer Daten? sei eine Boosterung wahrscheinlich früher als 6 Monate nach der Zweitimpfung sinnvoll.
Ciesek hatte, wie berichtet, vor wenigen Tagen Daten präsentiert, nach denen im Blut von Menschen, bei denen die 2. Impfung 6 Monate oder länger zurückliegt, quasi keine aktiven Antikörper mehr vorhanden sind, die eine Infektion mit Omikron verhindern können. Dies bedeutet: Diese Menschen haben keinen Infektionsschutz mehr gegen eine Ansteckung mit Omikron. Durch den Booster wird dieser direkt danach zwar wieder auf 58 bis 78% angehoben, nimmt aber über die folgenden 3 Monate wieder allmählich ab.
Neumann-Haefelin macht an einem eindrücklichen Beispiel deutlich, was dies für die Praxis bedeutet: ?Vergleichen Sie es mit einer mittelalterlichen Stadt?, sagte er. ?Die Antikörper sind die hohe Stadtmauer, die das Eindringen der Feinde verhindert. Ist diese nicht mehr stabil, gelingt es manchen Eindringlingen sie zu überwinden, aber dann gibt es immer noch Soldaten in der Stadt, die die Eindringlinge bekämpfen.? Und diese ?Soldaten? seien die T-Zellen, welche länger überdauern und wahrscheinlich dafür sorgen, dass Geimpfte in der Regel zumindest weniger schwer erkranken.
Noch keine ausreichenden Daten zur Krankheitsschwere
Apropos Krankheitsschwere: Alle 3 Wissenschaftler warnten, auf erste Berichte zu vertrauen, nach denen die Krankheitsschwere nach Infektion mit Omikron eventuell geringer sei. Ciesek: ?Um dies zu beurteilen, ist es noch zu früh.? Nach ersten Daten aus Dänemark scheint zumindest kein Unterschied in den Hospitalisierungsraten zu bestehen. Sie liegen bei der Delta-Variante bei 0,7% und bei Omikron bei 0,8%. Definitive Schlüsse ließen sich aufgrund der niedrigen Zahlen insgesamt aber noch nicht seriös ziehen, sagte Ciesek. Auch zur vielleicht höheren Gefährdung von Kindern durch Omikron gebe es noch zu wenige Daten.
Corona-Medikamente seien, auch wenn es hier hoffnungsvolle Ansätze gebe, für die allgemeine Bevölkerung auch keine Alternative um die Omikron-Welle zu stoppen. Und auf eine Rettung durch den Einfluss der Jahreszeiten könne man bei Omikron auch nicht setzen, sagte Brockmann. Die derzeitige Welle in Südafrika findet z.B. während des dortigen Sommers statt.
So blieb am Ende der Pressekonferenz als Fazit aller 3 Forscher nur, ihre eigene ?außerordentliche Besorgnis? auszudrücken, der Appell an die Politik, so rasch und so vorausschauend wie möglich zu agieren ? und ein ziemlich flaues Gefühl bei den Zuhörern.
Verschläft die deutsche Politik erneut rechtzeitige Maßnahmen in der Corona-Politik und setzt die falschen Signale? Corona-Experten sind auf jeden Fall höchst alarmiert und ?außerordentlich besorgt? was die auch in Deutschland drohende Omikron-Welle angeht. Auf einer Pressekonferenz des Science Media Center warnten Prof. Dr. Sandra Ciesek, Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin und Prof. Dr. Dirk Brockmann unisono vor einem dramatischen Szenario, das durch die neue hoch-ansteckende Immunescape-Variante schon in wenigen Wochen droht.
Omikron breite sich mit einer Geschwindigkeit aus, wie sie bislang noch nicht gesehen worden sei, sagte Brockmann. ?Das ist um den Faktor 3 bis 4 schneller als bisher bekannt ? so was hatte bislang keiner auf dem Radar. Das sind Zeitskalen, die wir bisher nicht kannten.? Wie unter anderem britische Daten zeigten, könne die Variante damit ?schnell übernehmen?.
Übernimmt Omikron schon Mitte Januar?
Neumann-Haefelin, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg, rechnet damit, dass Omikron sich bereits bis Mitte Januar hier durchsetzt. ?Die Infektionen werden hochschnellen?, sagt er voraus.
Bislang ist für Deutschland die Datenlage zur Ausbreitung von Omikron leider sehr dünn. Brockmann verwies daher auf Daten aus Großbritannien und Dänemark, wo deutlich mehr Sequenzierungen stattfinden ? und diese Daten seien ?ziemlich besorgniserregend?, sagte der Wissenschaftler, der unter anderem die Projektgruppe Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten am Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, leitet.
Die Infektionen werden hochschnellen. Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin
30 bis 40 Millionen Infizierte auch in Deutschland möglich
Denn durch die hohe Übertragbarkeit bei gleichzeitiger Immunflucht, seien die 1. und die 2. Impfung ?praktisch nicht wirksam?, was die Eindämmung der Ausbreitung angehe. Eine aktuelle britische Modellierung gehe von 400.000 bis 700.000 Neu-Infektionen pro Tag aus ? ?trotz Maßnahmen?. Dies würde bedeuten, dass sich rund die Hälfte der britischen Bevölkerung in der Zeit zwischen Dezember und April nächsten Jahres infizieren würde, das wären 30 bis 40 Millionen Menschen. ?Das lässt sich grob auf Deutschland übertragen?, so die düstere Prognose von Brockmann.
?Es müssen dazu Notfallpläne aus der Politik kommen ? und zwar schnell?, forderte der Wissenschaftler. ?Was passiert, wenn drei- bis viertausend Menschen täglich hospitalisiert werden müssen?? Die Politik müsse nun ?antizipatorisch handeln und nicht reaktiv?. Auch sei zu berücksichtigen, dass bei hohen Infektionszahlen natürlich auch Klinikpersonal von den Infektionen betroffen sei ? was die Situation weiter verschärfe. Dies könne ?zu einer Kaskade? führen, ?die wir derzeit noch gar nicht auf dem Radar haben?.
Aussetzung der Testpflicht für Geboosterte ?unkluge? Entscheidung
Auch Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, pflichtete ihm bei: ?Alle Zeichen stehen auf Rot?, sagte sie. Doch sie habe nicht den Eindruck, dass dies in der Politik in Deutschland bereits angekommen sei. Sie bezog sich dabei vor allem auf die aktuelle Entscheidung, Geboosterte bei 2G+ von der Testpflicht auszunehmen. ?Darauf zu verzichten, halte ich nicht für klug?, sagte sie.
Denn auch wenn Geimpfte und Geboosterte wahrscheinlich vor einem schweren Krankheitsverlauf besser geschützt seien, können sie sich dennoch mit Omikron infizieren und vor allem so das Virus in sensible Einrichtungen wie Pflegeheime und Krankenhäuser tragen. Und wie ihre eigenen Untersuchungen zeigten, sei der Schutz der Risikopopulationen in solchen Einrichtungen schon dann nicht mehr so hoch, wenn etwa der Booster 3 Monate oder länger zurück liege, sagte Ciesek. Sie plädierte daher weiterhin für eine Testpflicht für ALLE zumindest für solche Einrichtungen.
Geboosterte bei 2G+ von der Testpflicht auszunehmen (...) halte ich nicht für klug. Prof. Dr. Sandra Ciesek
Den Effekt des Boosterns nicht überschätzen!
Ciesek kritisierte außerdem die ?falschen Signale?, die derzeit gesetzt würden. ?Da wird vermittelt: ?Lassen sie sich boostern und die Welt ist gut? ? so ist es eben nicht!? Die Menschen dürften sich nicht in einer falschen Sicherheit wiegen. Jeder einzelne müsse seinen Beitrag leisten. Neumann-Haefelin ist der gleichen Ansicht, er appellierte an ?jeden Einzelnen, seine Kontakte zu reduzieren?. Und weiter: ?Ich hoffe, dass die Politik agiert.?
Müssen wir mit einem erneuten Lockdown rechnen? Alle 3 Wissenschaftler sind sich einig, dass man derzeit kein Werkzeug, das man habe, ausschließen dürfe. Allerdings zeigt sich Brockmann eher pessimistisch, was den Nutzen solcher Werkzeuge angeht. Er erinnerte an die 1. Welle. Damals sei es gelungen, durch harte Maßnahmen, etwa die Reduktion der Mobilität um 60%, der Fern-Mobilität sogar um 90%, die Welle zu kontrollieren. Doch hier habe es sich um den Wildtyp des Virus gehandelt, der bei weitem nicht so übertragbar war. ?Bei Omikron müsste ungleich mehr passieren, um es zu kontrollieren.?
Omikron-Welle ist nicht mehr zu stoppen
Die Wissenschaftler waren sich einig, dass es ?ausgeschlossen ist?, die Omikron-Welle zu stoppen. Ein ?Abbremsen? sei das Maximale, was gelingen könne. Ciesek betonte, dass es vor allem die Pflege-Einrichtungen und Krankenhäuser zu schützen gilt. ?Wir müssen vorbereitet sein und schnell handeln?, so Brockmann. Er fürchte ?die Kaskade von Ereignissen, wenn sich die Variante ausbreitet ? wie jetzt für Großbritannien prognostiziert ? und sie dann auch ?die Klinik-Maschinerie? betrifft?.
Bislang ungeschützte Menschen noch rasch zu impfen, dafür reiche die Zeit nicht mehr, so die 3 Wissenschaftler. Bis diese ihren Immunschutz aufgebaut haben, dauere es zu lange. Diese Menschen gingen nun ungeschützt in die Omikron-Welle.
Auch die Booster lassen sich nur beschränkt steigern. Dies vor allem vor dem Hintergrund der nun offenbar gewordenen Impfstoff-Knappheit im 1. Quartal des kommenden Jahres. Ciesek plädierte dafür, hier Risikopopulationen vorzuziehen.
Zur Frage, wann ein Booster sinnvoll sei, sprach sich Neumann-Haefeli für einen ?Zeitraum um die drei Monate nach der Zweitimpfung? aus. Aufgrund ?theoretischer Daten? sei eine Boosterung wahrscheinlich früher als 6 Monate nach der Zweitimpfung sinnvoll.
Ciesek hatte, wie berichtet, vor wenigen Tagen Daten präsentiert, nach denen im Blut von Menschen, bei denen die 2. Impfung 6 Monate oder länger zurückliegt, quasi keine aktiven Antikörper mehr vorhanden sind, die eine Infektion mit Omikron verhindern können. Dies bedeutet: Diese Menschen haben keinen Infektionsschutz mehr gegen eine Ansteckung mit Omikron. Durch den Booster wird dieser direkt danach zwar wieder auf 58 bis 78% angehoben, nimmt aber über die folgenden 3 Monate wieder allmählich ab.
Neumann-Haefelin macht an einem eindrücklichen Beispiel deutlich, was dies für die Praxis bedeutet: ?Vergleichen Sie es mit einer mittelalterlichen Stadt?, sagte er. ?Die Antikörper sind die hohe Stadtmauer, die das Eindringen der Feinde verhindert. Ist diese nicht mehr stabil, gelingt es manchen Eindringlingen sie zu überwinden, aber dann gibt es immer noch Soldaten in der Stadt, die die Eindringlinge bekämpfen.? Und diese ?Soldaten? seien die T-Zellen, welche länger überdauern und wahrscheinlich dafür sorgen, dass Geimpfte in der Regel zumindest weniger schwer erkranken.
Noch keine ausreichenden Daten zur Krankheitsschwere
Apropos Krankheitsschwere: Alle 3 Wissenschaftler warnten, auf erste Berichte zu vertrauen, nach denen die Krankheitsschwere nach Infektion mit Omikron eventuell geringer sei. Ciesek: ?Um dies zu beurteilen, ist es noch zu früh.? Nach ersten Daten aus Dänemark scheint zumindest kein Unterschied in den Hospitalisierungsraten zu bestehen. Sie liegen bei der Delta-Variante bei 0,7% und bei Omikron bei 0,8%. Definitive Schlüsse ließen sich aufgrund der niedrigen Zahlen insgesamt aber noch nicht seriös ziehen, sagte Ciesek. Auch zur vielleicht höheren Gefährdung von Kindern durch Omikron gebe es noch zu wenige Daten.
Corona-Medikamente seien, auch wenn es hier hoffnungsvolle Ansätze gebe, für die allgemeine Bevölkerung auch keine Alternative um die Omikron-Welle zu stoppen. Und auf eine Rettung durch den Einfluss der Jahreszeiten könne man bei Omikron auch nicht setzen, sagte Brockmann. Die derzeitige Welle in Südafrika findet z.B. während des dortigen Sommers statt.
So blieb am Ende der Pressekonferenz als Fazit aller 3 Forscher nur, ihre eigene ?außerordentliche Besorgnis? auszudrücken, der Appell an die Politik, so rasch und so vorausschauend wie möglich zu agieren ? und ein ziemlich flaues Gefühl bei den Zuhörern.
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