Sonntag, 22. Oktober 2023
Warum links nicht woke ist
Susan Neimann im Interview

https://www.mdr.de/kultur/podcast/diskurs/diskurs-susan-neiman-links-ist-nicht-woke-100.html

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Donnerstag, 19. Oktober 2023
Der Deutschkurs oder multikulturelle Einfalt
An der Kreisvolkshochschule fand ein Deutschkurs für arabische Frauen statt. Die Teilnehmerinnen warteten vor dem Kurs. Darunter waren mehrere ziemlich scharf angezogene Frauen in Miniröcken, Schaftstiefeln, Netzstrümpfen und zwei in schwarzen Burkas. Die Verschärften gingen auf die Burkaträgerinnen los und schlugen auf sie ein. Da kam die Dozentin dazu, ging dazwischen und rief: "Lasst sie in Ruhe! Ihr wollt in diesem Land akzeptiert werden, dann lasst das auch für sie gelten, auch wenn sie traditionell sind" und bekam dafür die Antwort: "Hizbollah, Hizbollah! Die sind der Grund, weswegen wir unsere Heimat verlassen mussten!".


Da gab es nichts mehr zu vermitteln.

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Arabia felix
Es gab mal eine Zeit, da flanierten auf der Corniche, der Strandpromenade von Alexandria, ägyptische Frauen in Bikini und High Heels. So schön war der progressive Teil der arabischen Welt vor dem Aufkommen des Islamismus.

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Mittwoch, 18. Oktober 2023
Verschiedenerlei Antisemitismus
Vor einigen Tagen schrieb Bersarin hier:

"Hier und in dieser Lage im Augenblick geht es gerade nicht um rechten Antisemitismus (sei es aus dem rechtsextremistischen, dem linksextremistischen oder dem Covidioten-Milieu), sondern um solchen aus dem islamistisch-migrantischen Milieu, der allerdings in gewisser Weise auch wieder etwas mit jenem Antisemitismus von Nazideutschland zu tun hat. Aber das ist nur indirekt ein Thema, das kann man analysieren, wenn man in die Tiefe gehen will.

Und dieser importierte Antisemitismus hat eben auch etwas mit dem Thema Migration und Integration zu tun."

Und diesen analytischen Blick in die Tiefe möchte ich hier nun vornehmen, um aufzuzeigen, was da so zusammendiffundiert.

Der rechtsextremistische Antisemitismus braucht wohl nicht groß erklärt zu werden. Es gibt da verschiedene Untersparten, den Weise-von-Zion-Verschwörungsantisemitismus als Grundlage diverser Weltverschwörungszenarien, den völkisch-rassistischen Antisemitismus der Nazis/Neonazis im engeren Sinne, der im Unterschied zur reinen Verschwörologie eine biologistische Rassentheorie mit einer an Rassen festgemachten Hierarchisierung der gesamten Menschheit zum Thema hat, im Großen und Ganzen ist das neben Ultranationalismus und Autoritarismus der Wesenskern des Faschismus.

Mit dem linksextremistischen Antizionismus ist das schon etwas Anderes. Es ist dieser im Ursprung kein Antisemitismus, denn ihm fehlt sowohl die Rassentheorie als auch der Hass auf Juden außerhalb des Staates Israel, bzw. der Hass auf Juden, weil sie Juden sind. Sein Kerngedanke ist eine - m. E. vom Grundansatz durchaus berechtigte Israelkritik - die Israel als kolonialistischen Siedlerstaat kritisiert, der seiner autochthonen arabischen Urbevölkerung staatsbürgerliche Rechte vorenthält. Verbunden wird dies mit der Tatsache, dass Israel mal in den Siebziger und frühen Achtziger Jahren ein informelles Bündnis mit faschistischen Militärdikaturen, Apartheid-Südafrika und Schah-Iran hatte. Chile unter Pinochet, Argentinien unter der Junta, Südafrika, Iran und Israel als imperialistische Frontstaaten, das war damals ein als selbstverständlich gegebenes Feindbild der Linken.

Dass diese speziellen historische Gegebenheiten schon lange nicht mehr existieren, das scheinen orthodoxe Mler und auch Kuba, der südafrikanische ANC, die irische Sinn Fein sowie natürlich die PFLP nicht begriffen zu haben. Ich würde hier eher von einem fehlgeleiteten, missverstandenen Antiimperialismus als von einem eigentlichen Antisemitismus sprechen. Was die Sache aber nicht besser macht, wenn Geiseln bei einer Flugzeugentführung als Juden selektiert wurden oder Israel auf Basis dieser Ideologie das Existenzrecht abgesprochen wird. Aus der Sicht der Opfer fühlt sich beides gleich an.

Seit den Achtzigern hat sich in der radikalen Linken der Neue Antiimperialismus verbreitet, der überhaupt nicht mehr an Staaten und Nationen, sondern an Ausbeutungsstrukturen und einer antikapitalistischen Kritik an Entwicklungspolitik festgemacht ist, und der den Alten Antimperialismus auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen hat.

Der Covidioten-Antisemitismus ist eine krude Ideologie, die an den Antiglobalisten-Antisemitismus der US-amerikanischen Alt Right mit seinen durchgeknallt-paranoiden Umvolkungsfantasien anknüpft und diese mit verschiedenen urban legends, wie z.b. QAnon, aber auch viel älteren, christlich-fundamentalistischen, US-amerikanischen Verschwörungsideologien wie der der John-Birch-Society verknüpft.

https://blog.fdik.org/2021-06/s1622673700

https://corodok.com/wp-content/uploads/2021/03/WHO-Pandemie-verstehen.pdf

Endlich hat aber der migrantisch-islamische Antisemitismus seinen Ursprung teilweise direkt bei den Nazis, die in den 1930ern arabische Führer über Emissäre der Waffen-SS indoktrinierten, und den Lehren des Vordenkers der Gamma Islamiya, Sayed Qutb

https://de.wikipedia.org/wiki/Sayyid_Qutb.

In der aktuellen Form wird das öfter mit der PFLP-Ideologie und dem eigentlichen, lebensweltlichen Fundamentalismus der Wahabiten und Salafiten vermengt, was alles ideengeschichtlich überhaupt nicht zusammenhängt, aber eine brisante Mischung ergibt.

Und, wie schon Adorno in Elemente des Antisemitismus schrieb: Die von einander separierten, eigentlich deutlich geschiedenen Ideologeme ergeben am Ende ein einheitliches Ticket.

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Dienstag, 17. Oktober 2023
Die Chancen der Migration sind in den Hintergrund geraten
https://www.ndr.de/nachrichten/info/forcher-migration-sind-in-Hintergrund-geraten,fluchtmigration100.html

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Antifaschistische Basisbanalität
Alerta Atifaschista heißt Nothilfe gegenüber jeder faschistischen Bedrohung, und das bedeutet dann auch, gegen Pro-Hamas-Demos zu mobilisieren. Und im Zweifelsfall auch, den Hamas-Leuten mit dem Knüppel entgegenzutreten, wie das bei Naziskins ja auch geschieht. Und Antifa-Gruppen, die das nicht tun, versagen systemisch.

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Sonntag, 15. Oktober 2023
Neulich, 1943, in Saloniki
Nicos, 6, und Efkaterina, 4, waren draußen spielen, als die Deutschen zu ihren Eltern kamen. Als die beiden in die Stube traten war es seltsam still. Mama und Papa sagten nichts. Vorher hatte das Baby in einer Wiege auf der linken Seite gelegen, Mama saß in der Mitte auf dem Sessel, und Papa hatte auf der rechten Seite im Bett gelegen. Nun lag der Kleine bäuchlings zu Füßen der Mutter. Als Efkaterina ihr Brüderchen aufhob fielen nach vorne die Eingeweide heraus, da man den Säugling mit einem Bajonett bäuchlings aufgeschnitten hatte. Mama hatten sie die Kehle durchgeschnitten, vorher aber die Goldzähne gezogen. Papa war auch tot, und man hatte die rechte Hand mit den ganzen Ringen mitgenommen.

Bei der Nachbarsfamilie hatte man der einen Tochter die Brüste abgeschnitten, "da kann man Geldbeutel draus machen, bei den Juden geht es ja immer um Geld", hatte der Obersturmführer gesagt, dann hatten sie dem Vater den Penis abgeschnitten und der anderen Tochter in den Mund gesteckt. Das hatten sie dann fotografiert und viel gelacht, bevor sie ihre Maschinenpistolen nahmen und die ganze Familie erschossen.

Ob man solcher Ereignisse in der Sonnenallee auch in Freude gedenkt?

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Samstag, 14. Oktober 2023
Flaggenkunde
Interessant ist, welche Flagge auf den Pro-Israel (oder sollte man besser sagen: Anrti-Hamas-Terror-) Kundgebungen neben denen Israels, Deutschland und der EU noch häufig zu sehen ist: Die Roja Kurdistane.

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Mittwoch, 11. Oktober 2023
Die Schande der arabischen Linken
Die Unterstützung der radikalen Linken im Westen für den palästinensischen Widerstand war über weite Zeiträume keine Unterstützung des palästinensischen Widerstands an sich, schon gar nicht des arabischen Nationalismus, sondern der palästinensischen Linken, namentlich der marxistischen Organisationen PFLP und DFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas und Demokratische Front für die Befreiung Palästinas). Diese Gruppen führten nicht nur einen Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht, sondern auch gegen arabische Bonzen, als Organisationen der palästinensischen Ölarbeiter in Saudi Arabien und bei den öligen Emiren auch im Sinne von Arbeitskämpfen. Die Hamas war mal vom saudischen Geheimdienst in Zusammenarbeit mit den Muslimbrüdern und unter wohlwollender Duldung des Mossad etabliert worden, um diesen linken Organisationen die Basis abzugraben. Mit ziemlichem Erfolg.


Und was tut die PFLP jetzt? Sie unterstützt die Hamas.
Schande!


Hintergrund ist wie immer die Asaybiyah, der grundsätzliche Zusammenhalt der Araber gegen den äußeren Feind. Was in Kolonialzeiten mal Sinn machte hatte schon im Golfkrieg 1991 groteske Züge angenommen im Form von Begeisterung für Saddams Scud-Raketen.

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Dienstag, 10. Oktober 2023
Dies ist nicht Berlin: jüdisch-palästinensische Versöhnung
Gemeinsamer Friedensaufruf der jüdischen und palästinensischen Gemeinden in Hannover.

https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Angriffe-auf-Israel-und-Gaza-Es-ist-fuerchterlich-fuer-alle,israel1482.html


https://www.haz.de/lokales/hannover/zwei-freunde-aus-hannover-michael-fuerst-und-yazid-shammout-ueber-israel-QEB2ETJKZZEEPBBMUKSJBU5NCA.html

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Nun hat die Hamas ihr My Lai, Israel sein Pearl Harbour
Ein delirierender Lynchmob, ein zielloser Raketenhagel und ein zu erwartender Gegenschlag, der nicht nur die Täter treffen wird. Und eine Bevölkerung in Geiselhaft, denn nichts Anderes sind die Menschen in Gaza, die von der Hamas als Schutzschilde mißbraucht werden. "Diese Menschen sind doppelt besetzt, zwei Besatzungsmächten ausgeliefert" hieß es heute im Deutschlandfunk. Längst müsste es eine Intifada gegen das eigene, palästinensische Regime in Gaza geben.

https://www.spiegel.de/thema/angriff-auf-israel-2023/

https://www.spiegel.de/ausland/israel-toetet-zwei-hamas-anfuehrer-a-01454f45-315b-4ea2-9b62-78468a99a15e

https://www.spiegel.de/ausland/israel-riegelt-gazastreifen-ab-kein-strom-kein-essen-kein-treibstoff-a-477b77df-85f6-4672-a222-c3fc9383dd44

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Petition für den Erhalt des Berliner Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma
Das Mahnmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma Europas soll einer S-Bahn-Strecke weichen. Nach wie vor ist das der Plan der Deutschen Bahn, die derzeit den Berliner Senat unter Druck setzt, damit dieser ihrem Vorhaben zustimmt.

Um das zu verhindern hat Noa Karavan, die Tochter des verstorbenen Mahnmal-Architekten Dani Karavan, eine Petition gestartet.

Darin schreibt sie:

Es ist die moralische Verpflichtung der deutschen Menschen, eine alternative Lösung für die Trassenführung von S21 zu finden und dafür zu sorgen, dass dieses heilige Denkmal nicht angetastet wird.

Zum Hintergrund:

Im Sommer 2020 kam heraus, dass die Bahn in Berlin plant, eine S-Bahn-Strecke unter dem Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas zu bauen. Dafür sollen Teile des Mahnmals zerstört werden. Nach der aktuell geplanten Version würde vor allem ein großer Teil der Bäume gefällt werden. Die Bäume sind nach Dani Karavan integraler Bestandteil des Werkes. Wer an diesem Ort ist, erkennt die Bedeutung der Bäume, die dem Ort seine besondere Atmosphäre geben.

Das Denkmal in Berlin ist der zentrale Ort der Trauer für Sinti und Roma aus ganz Europa, um ihrer ermordeten Vorfahren zu gedenken. Es ist ein symbolisches Grab, ein heiliger Ort.

Nicht nur der deutsche Staat steht in einer besonderen Verantwortung gegenüber Roma und Sinti. Auch die Deutsche Bahn hat eine moralische Pflicht, denn sie ist die Nachfolgerin der Reichsbahn, die in massivem Ausmaß von der Deportation und der Vernichtung der Roma, Sinti und Juden Europas profitiert hat.

Lies mehr dazu in der gemeinsamen Stellungnahme des Bundes Roma Verbands und des Roma Antidiscrimination Networks gegen die Destruktion des Mahnmal im Juli 2020, die zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen unterschrieben haben. Auch andere Roma-Organisationen setzen sich gegen die Zerstörung unseres Denkmals ein, ebenso Dani Karavan bis zu seinem Tod ein Jahr, nachdem die Pläne der Bahn ans Licht gekommen waren.

Noa Karavans Petition kann bis zum 12. Oktober mitgezeichnet werden:

https://www.change.org/p/don-t-touch-our-memorial


https://ran.eu.com/deutsche-bahn-will-unser-mahnmal-zerstoren-jetzt-petition-dagegen-unterzeichnen/

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Montag, 9. Oktober 2023
Plinsen
In meiner Kindheit gab es regelmäßig Plinsen zu essen, die meine Mutter ungefähr einmal die Woche zubereitete. Als ich jetzt im Internet nach Plinsenrezepten suchte stellte sich heraus, dass die Plinsen meiner Mutter sich davon doch sehr unterschieden. Denn es handelte sich da um keine Eierpfannkuchen oder Palatschinken.

Die Plinsen meiner Mutter hatten die Form und auch die Dichte von Bulletten, ihr Teig war ein Hefeteig, der sowohl Weizen- als auch Kartoffelmehl und außerdem Butter enthielt. Das galt damals als preisgünstiger Ersatz für Fleischgerichte, die man sich nicht jeden Tag leisten konnte. Entsprechend waren auch Quarkplinsen etwas gänzlich anderes als Topfenpalatschinken.

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Freitag, 6. Oktober 2023
Im Iran, da wird geschossen
und trotzdem demonstriert.

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Dienstag, 3. Oktober 2023
Das Asylbewerberleistungsgesetz - Rassismus im Sozialstaat
Das ist echt massivstes déjà vu: jetzt kommen wieder Vorschläge aus der Politik, die Versorgung von Asylsuchenden und Geflüchteten allgemein von Bargeld auf Sachleistungen umzustellen. Begründet wird dies damit, dass die Geflüchteten dann keine Gelegenheit hätten, Geld an ihre Verwandten in der Heimat zu überweisen, was für viele der Grund wäre, überhaupt nach Deutschland zu kommen.

Tatsächlich gibt es höchst umfangreiche Transferleistungen von in Deutschland lebenden MigrantInnen in ihre jeweiligen Heimatländer, ganze Familien werden auf diese Weise versorgt. Ich lernte mal eine Kambodschanerin kennen, die Monat für Monat bis zu einem Drittel ihres Nettoeinkommens via Western Union - dieses Unternehmen lebt von den Auslandsüberweisungen von MigrantInnen - an ihre in Vietnam lebende Familie (die haben es nur über eine Grenze geschafft) überweist.

Die Frau ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Braunschweig und verdient ausreichend.

Asylsuchende erhalten 410 Euro Gesamtleistung bei Unterbringung in einer Wohnung und 369 Euro bei Unterbringung in Sammelunterkunft. Demgegenüber beträgt das Bürgergeld, früher Hartz4 bzw. Sozialhilfe 502 Euro. 502 Euro sind amtlicherserseits erklärt das absolute Existenzminimum, die Geldsumme, die für ein menschenwürdiges Leben benötigt wird.

Und Leute wie Privatflugzeugvielflieger Merz schwadronieren davon, dass diese Leute Geld in ihre Heimatländer überweisen würden.

Geflüchteten wird also das benötigte Minimum für ein menschenwürdiges Leben vorenthalten, was ich für verfassungswidrig halte. Begründet wird dies ganz offen damit, Leute davon abzuhalten, nach Deutschland zu kommen.

Ich bin kein Freund einer zahlenmäßig unbegrenzten Zuwanderung und der Meinung, Fluchtursachen müssten in den Herkunftsländern gelöst werden, aber die Vorenthaltung von Grundrechten und materiellen Ansprüchen zur Existenzsicherung ist eigentlich weder legitimier- noch verhandelbar. Aber wahrscheinlich betrachtet der Gesetzgeber Geflüchtete eben nicht als so richtige Vollwertmenschen wie weiße Mitteleuropäer, sondern als Batschaken, Kapalken, Kuffnucken oder Bimbos, deren Menschsein eben nicht das Niveau eines 1A Whities erreicht.


Wenn das jetzt wieder losgeht mit den Sachleistungen ist ja auch schon klar, wie darauf zu antworten ist. Ich selbst gehöre ja zu den Leuten, die in den Neunzigern in Niedersachsen das Sachleistungssystem zum Zusammenbruch gebracht haben. Wir hatten damals in den Flüchtlingsunterkünften und den Flüchtlingsberatungsstellen Einkaufsgutscheine in Bargeld umngetauscht und selber damit eingekauft. Fast die gesamten Neunziger Jahre hindurch saß ich in meiner Mittagspause mit einem Büchertisch im Foyer der Göttinger Mensa und verkaufte Wertgutscheine - neben dem Warenangebot des Roten Buchladens. In der linken und linksliberalen Szene wurde es geradezu chic, mit den Dingern einzukaufen, man erkannte einander, wer dazu gehört.

Diese Gutscheine ermöglichten nur den Einkauf von Nahrungsmitteln, alkoholische Getränke, Tabakprodukte und Bekleidung konnten damit nicht eingekauft werden.

Wir gingen also organisiert in Supermärkte und füllten die Einkaufswagen gerammelt voll mit allerlei Waren, außer Grundnahrungsmitteln auch Wodkaflaschen, Bierkästen und jede Menge leicht verderbliche Waren wie Speiseeis (während des Einkaufs schrieben wir mit dem Edding auf alle möglichen Waren "Luxusartikel. Nicht an Flüchtlinge abgeben"), um dann an allen Kassen gleichzeitig damit anzukommen und Storno auszulösen, begleitet von Presse und Fernsehen, die das fotografierten und filmten. Nach einer Welle solcher Aktionen reagierten die Marktbetreiber alle dergestalt, dass sie entweder keine Gutscheine mehr akzeptierten oder auch Alkohol und Zigaretten auf die Gutscheine herausgaben. Eine niedersächsische Kommune nach der anderen gab die Gutscheinregelung auf.

Und Leute wie ich stehen schon in den Startlöchern, diesen Kampf nach bewährtem Muster wieder aufzunehmen. Macht ja auch Spaß.

Fußnote: Die Essenpakete, die es statt Gutscheine in manchen Kommunen gab (mit Feinheiten wie Schweinefleisch für Muslime) wurden von Unternehmen wie Accor und Sodexo hergestellt, heute wirtschaftsmächtige Hotelbetreiber und Dienstleister, die damals damit überhaupt erst in den deutschen Markt hereinkamen und von Kulturmäzen und Menschenfreund Peter Dussmann. An diesen Unternehmen lässt sich übrigens gut die Entwicklung und Ausbreitung des Neoliberalismus studieren, sie stehen für Outsourcing früher einmal staatlicher Leistungen.

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Montag, 2. Oktober 2023
IMMER WIEDER ZEITLOS SCHÖN
Die Rosen und sonstigen Blumen in unserem Garten, die sich fast täglich verändern.











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Donnerstag, 28. September 2023
Zunehmender Rassismus in der deutschen Asyldiskussion
Tag der Geflüchteten (29.09.): Flüchtlingsrat beklagt zunehmenden Rassismus in der Asyldiskussion
Anlässlich des Tags der Geflüchteten am 29. September beklagt der Flüchtlingsrat Niedersachsen zunehmenden Rassismus in der innenpolitischen Diskussion um Asyl und fordert die Umkehr zu einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik. Die Hetze gegen Geflüchtete nimmt unsägliche Formen an. Wenn der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz, Geflüchtete als Sozialschmarotzer beschreibt, die „sich beim Arzt die Zähne neu machen lassen“ während „die deutschen Bürger keine Termine kriegen“, befeuert CDU-Chef Merz Neiddebatten, wie wir sie bislang vor allem aus rechtspopulistischen Kampagnen kannten. Die Argumentation ist so zynisch wie falsch, denn faktisch werden Asylsuchende durch das Asylbewerberleistungsgesetz diskriminiert und ausgegrenzt.
Die Wortwahl des CDU-Vorsitzenden ist kein „Ausrutscher“: Schon im vergangenen September hat Friedrich Merz im Zusammenhang mit Geflüchteten aus der Ukraine von „Sozialtourismus“ gesprochen – das Wort wurde 2022 auf Platz zwei als „Unwort des Jahres 2022“ gewählt. 2013 lag es auf Platz eins. Die Jury der Negativauszeichnung sah in dem Wortgebrauch „eine Diskriminierung derjenigen Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht sind und in Deutschland Schutz suchen“. Außerdem verschleiere das Wort ihr Recht darauf.

In die gleiche Kerbe schlägt die FDP, wenn sie „Anreize zur irregulären Migration nach Deutschland“ durch „Sachleistungen“ reduzieren und damit die Abschreckungskonzepte der 80er und 90er Jahre wieder aus der Mottenkiste holen will. Flüchtling sind nicht „irregulär“, sie nehmen ein Grundrecht in Anspruch. Kein Flüchtling flieht freiwillig. Kein Flüchtling wird sich von einer Flucht von der Aussicht abhalten lassen, in Deutschland nur eingeschränkte Sachleistungen zu erhalten. Aber die schäbige Behandlung von Geflüchteten durch Lagerisolierung, Arbeitsverbote und eingeschränkte Sachleistungen bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die Lebensperspektiven und für die Wahrnehmung von Geflüchteten in Deutschland. Im Übrigen hat sie auch Folgen für die sog. „Fachkräfte“, die sich angesichts solcher Töne in unserem Land immer weniger „willkommen“ fühlen.

„Rassistischen Diskurse über geflüchtete Menschen reichen inzwischen bis in die Mitte der Gesellschaft“, kritisiert Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. „Anstatt über Erfolge geflüchteter Menschen und darüber zu sprechen, welche Chancen die Fluchtzuwanderung auch für die deutsche Gesellschaft bietet, schüren Politiker:innen Hass. Es erscheint notwendig, die Politik daran zu erinnern, dass solche Kampagnen Konsequenzen haben. Erinnert sei an Rostock, Solingen und Lichtenhagen, an Hanau und Halle, an die Verbrechen des NSU und die offenbar bis heute nicht geleistete Aufarbeitung dieser Verbrechen“.

Tatsache ist: Bis Anfang des Jahres 2023 gab es in der öffentlichen Wahrnehmung angesichts der Schutzsuche von Ukrainer:innen keine „Flüchtlingskrise“, sondern nur Herausforderungen, wie das ZDF noch am 15.01.2023 feststellte:

„Eine Ursache für den Unterschied liege im öffentlichen Management und dem politischen Willen dahinter“, so Migrationsforscher Özvatan. „Viele der Behörden und Ämter, die 2015 vielfach überfordert waren, waren es 2022 nicht.“

Es fehlt mit anderen Worten an der politischen Bereitschaft, die Konzepte, die sich im Rahmen der Flüchtlingsaufnahme aus der Ukraine als erfolgreich erwiesen haben, auch auf Asylsuchende anzuwenden: Während man den ukrainischen Geflüchteten vernünftiger Weise die Türen weit aufmacht und ihre Teilhabe fördert, dominieren in der Asylpolitik weiterhin die Konzepte, die auf Ausgrenzung setzen (Lagerzwang, Leistungseinschränkungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, behördliche Arbeitsverbote und Wohnsitzauflagen). So ist zu erklären, warum im öffentlichen Drama die Aufnahme von einer Million ukrainischen Geflüchteten Anfang des Jahres als Erfolg gefeiert werden konnte, während die Aufnahme von 200.000 Asylsuchenden acht Monate später die Bundesrepublik an den Rand eines gesellschaftlichen Notstands zu bringen scheint. Das Problem heißt: Rassismus.

Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, das Ruder herumzureißen und endlich die in der Koalitionsvereinbarung versprochene pragmatische, lösungsorientierte und menschenrechtsbasierte Asylpolitik umzusetzen.

Dazu gehört ein Festhalten an menschenrechtlichen Standards in der europäischen Asylpolitik: Eine Zustimmung zur Krisenverordnung würde die rechtswidrigen pushbacks der Vergangenheit an verschiedenen europäischen Grenzen (Polen, Kroation, Griechenland etc.) legalisieren.
Dazu gehört ein Verzicht auf Kürzungen in der Migrations- und Flüchtlingshilfe: Die Bundesregierung setzt mit ihre Ankündigung, die gerade erst eingeführte Asylverfahrensberatung um 50% zu kürzen, ein fatales Signal für die Zukunft. Auch in anderen Bereichen (Migrationsberatung, Förderung der Psychosozialen Zentren, Unterstützung von Freiwilligendiensten, Erstorientierungskurse, Bildungsberatung) verfolgt die Bundesregierung eine desaströse Kahlschlagspolitik, die dringend korrigiert werden muss.
Dazu gehört schließlich die Gestaltung der Aufnahme und der Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden in einer Form, die die Würde der Betroffenen achtet und eine möglichst frühzeitige Teilhabe von Geflüchteten zum Ziel hat.

https://www.nds-fluerat.org/57392/aktuelles/tag-der-gefluechteten-29-09-fluechtlingsrat-beklagt-zunehmenden-rassismus-in-der-asyldiskussion/

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Mittwoch, 27. September 2023
Kritische Anmerkungen zur aktuellen Asyldiskussion
Vom Flüchtlingsrat Niedersachsen

Die innenpolitische Debatte um Asyl wird weiter aufgeheizt. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue, menschenfeindliche Vorschläge zur Lösung eines „Problems“ aufgetischt werden, das keines wäre, wenn tatsächlich die Bereitschaft bestünde, die bestehenden Herausforderungen pragmatisch und lösungsorientiert anzugehen.

Nachfolgend übersenden wir eine kurze Analyse der aktuellen Asyldebatte und präsentieren fünf Lösungsvorschläge.

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„Die Zahl der Asylbewerber ist erst gesunken, als die Buschtrommeln signalisiert haben – geht nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins Lager“
(Ministerpräsident Lothar Späth, zitiert nach Schwäbisches Tagblatt 5.5.1982)

„Es strömen die Tamilen zu Tausenden herein, und wenn sich die Situation in Neukaledonien zuspitzt, dann werden wir bald die Kanaken im Land haben.“
(Franz Josef Strauß, zitiert nach Spiegel 17.02.1985)

„Deng Xiaoping hat einmal gesagt: Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.“
(Peter Ramsauer, zitiert nach: FR 14.08.2023)

Wenn es ein Phänomen gibt, welches die Arbeit des Flüchtlingsrats seit seiner Gründung 1984 begleitet, dann ist es das Phänomen des Rassismus. Immer wieder erleben wir diese würdelose Abwertung von Menschen auf der Flucht oder in der Migration, wenn von ihnen als „den Anderen“ gesprochen wird und sie eine entsprechende Behandlung erfahren. Diese Abgrenzung dient der individuellen Ermächtigung – einfach gesagt: Ich fühle mich stärker, wenn ich andere klein mache. Der nationale Schulterschluss dient der Kanalisierung gesellschaftlich erlebter Widersprüche: Mensch möchte Teil einer starken, homogenen Gemeinschaft sein gerade dann, wenn sich die Umgebung als widersprüchlich und kompliziert erweist. Schutzsuchende und Migrant:innen sind meist Opfer dieser Erzählungen und der ihnen folgenden Taten. Insbesondere die sogenannte Asylpolitik steht im Mittelpunkt einer strukturell rassistischen Debatte, in der die Bekämpfung und Begrenzung der Zahl Schutzsuchender zu einem zentralen innenpolitischen Thema gemacht und als Allheilmittel verkauft wird. Nancy Faesers (SPD) Vorschläge zur Ausweisung und Abschiebung ganzer Familien ohne strafrechtliche Verurteilung und die Vorschläge von Frei (CDU) und Gabriel (SPD) für eine Abschaffung des Asylrechts bilden nur die Spitze dieser wieder verschärft geführten innenpolitischen Diskussion.

Dabei ist die bundesrepublikanische Öffentlichkeit zu Flucht und Migration durchaus gespalten. Auf der einen Seite wird lautstark ein Mangel an Arbeitskräften in Deutschland beklagt, der im Produktions- wie im Dienstleistungsbereich zu Ausfällen führt und die Bundesregierung veranlasst, rund um den Globus für eine Arbeitsmigration nach Deutschland zu werben. Auf der anderen Seite klagen vor allem die Kommunen über eine Überforderung bei der Aufnahme von Geflüchteten.

Rechtspopulisten sehen ihre Stunde gekommen: Sie schüren und pflegen lautstark und öffentlich Paranoia über die Zahl der in Deutschland Schutz suchenden Menschen. Sie betonen Verunsicherung, Überforderung und Sorge um ihre „kulturelle Identität“ – und haben damit Erfolg nicht zuletzt deshalb, weil die sogenannte „Brandmauer gegen rechts“ bröckelt: Zwar wird die formale Abgrenzung überwiegend weiter aufrechterhalten, jedoch ist inhaltlich ein Dissens in der Flucht- und Migrationspolitik immer weniger auszumachen: Die Problemdefinition der AfD zum Themenkomplex „Flucht und Asyl“ beherrscht die öffentliche Agenda, und die von der rechtsradikalen Partei schon 2015 geforderten Schritte („robuste“ Grenzkontrollen, Rückführung, Stärkung von Frontex, Abschiebung in „sichere Drittstaaten“ usw.) sind im Mainstream angekommen. Die AfD frohlockt: „Echte Migrationswende leitet nur die AfD ein!“ Dabei wissen wir: Eine Entrechtung von Geflüchteten bringt nur den Tod ungezählter Menschen auf der Suche nach Schutz und Asyl und treibt sie in die Illegalität.

Nach den letzten Erfahrungen mit Faschisten an der Macht hat Deutschland nur deshalb eine zweite Chance bekommen, weil der Schwur galt: NIE WIEDER! Aufgrund dieser Erfahrungen wurde das Grundrecht aus Asyl in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Politisch Verfolgte sollten sich in Deutschland sicher fühlen. Der gesellschaftliche Alltag ist heute geprägt von vielen Menschen, Beheimateten und Neuzugewanderten, denen Solidarität kein Fremdwort ist und die die offene Gesellschaft tagtäglich gestalten. Nur, dass sie in der aktuellen öffentlichen Diskussion wenig Gehör finden.

Trotz der Aufnahme von über einer Million Menschen aus der Ukraine redete in Deutschland bis zum Beginn des Jahres 2023 kaum jemand von einer „Flüchtlingskrise“ . Bis dahin war es ein unhinterfragter gesellschaftlicher Konsens, dass die Solidarität mit Geflüchteten nicht in Frage gestellt werden dürfe. Das änderte sich erst, als die Zusammensetzung der Flüchtlingspopulation sich änderte:

Deshalb hat die derzeitige Hetze gegen Schutzsuchende in unseren Augen auch nichts mit den Kapazitäten des deutschen Asylsystems, aber viel mit dem Erstarken der AfD zu tun. Denn tatsächlich erleben wir einen deutlichen Rückgang der Gesamtzuwanderung. Während die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine drastisch sinkt, ist die Zahl der Asylsuchenden zwar gestiegen: 175.000 Asylsuchende wurden in Deutschland bis Ende Juli registriert. Darunter befinden sich rund 10% hier geborene Kinder und 10% Asylfolgeantragsteller, die sich längst in Deutschland befinden, nach Deutschland zugezogen sind also nur ca. 140.000 Menschen). Aber gemessen an der Gesamtzuwanderung sind Asylsuchende eine kleine Gruppe: Im Jahr 2022 wurden rund 2.666.000 Zuzüge und 1.204.000 Fortzüge über die Grenzen Deutschlands erfasst. Selbst wenn 2023 insgesamt 400.000 Asylsuchende Schutz in Deutschland suchen sollten, wären das nicht mehr als 15% der Zuwanderungszahl von 2022.

Offenkundig hängt die Frage, ob die (menschenwürdige Ausgestaltung der) Zuwanderung als notwendig und sinnvoll oder als belastend wahrgenommen wird, nicht primär von deren Charaktereigenschaften oder Qualifikationen, sondern a) vom (persönlichen) Nutzen ab, dem man sich aus der Hetze gegen Einwandernde verspricht, b) der aktuellen öffentlich-medialen Stimmung, und c) von Status und Hautfarbe der Menschen, die man nicht hier haben will. Die Zuwanderungsdebatte in Deutschland ist von einem strukturell rassistischen Grundtenor geprägt.

Die Aufnahme von Asylsuchenden ist nicht deshalb schwierig, weil so viele Menschen kommen, sondern sie wird schwierig gemacht, weil die Bedingungen nur teilweise auf Integration angelegt sind. Diese Rahmenbedingungen der Flüchtlingsaufnahme verhindern eine schnelle und nachhaltige Teilhabe der Geflüchteten oder machen sie zumindest schwierig. Wir appellieren daher an die Politik, diese Rahmenbedingungen zu verbessern. Die Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten kann dabei in mancher Hinsicht als gutes Modell dienen.

Vorschläge für eine andere Asylpolitik
Um die bestehenden Herausforderungen bei der Aufnahme von Asylsuchenden zu meistern und den strukturellen Rassismus der deutschen Asyl- und Migrationspolitik zu überwinden, schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

1. Verzicht auf Lagerzwang
Die Registrierung Asylsuchender kann, wie wir bei der Aufnahme der Ukraine-Flüchtlinge gesehen haben, dezentral durch die Ausländerbehörden erfolgen. Die Daten können vor Ort von den Ausländerbehörden erhoben und der Landesaufnahmebehörde zugeleitet werden. Mit dem bisherigen rigiden System einer zentralen Aufnahme verzichtet die Politik darauf, die Selbsthilfekräfte der Betroffenen zu nutzen. Eine zentrale Aufnahme braucht es nur für solche Asylsuchenden, die sich nicht selbst helfen können und über keine Angehörigen verfügen, bei denen sie (befristet) wohnen können.

2. Verzicht auf Verteilungszwang
Eine Verteilung von Asylsuchenden auf alle Länder ist sinnvoll, um lokale Überforderungen zu vermeiden. Auch hier wäre es allerdings sinnvoll, zunächst einmal zu klären, wo die Geflüchteten Verwandte und Unterstützer:innen haben, und eine Verteilung nur derjenigen vorzunehmen, die keine Anknüpfungspunkte in Deutschland haben. Es ist absurd, wenn der Enkel einer seit Jahren in Münster lebenden und arbeitenden Frau nicht bei seiner Großmutter wohnen darf, weil er dem Land Niedersachsen zugewiesen wurde.

3. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes
Die Bundesrepublik koppelt seit 30 Jahren Asylsuchende vom bundesweiten System der Arbeitsmarktintegration ab: Zuständig für sie sind nicht die Jobcenter, sondern die Sozialämter, die nur in Ausnahmefällen (v.a. in den Optionskommunen) eine Arbeitsmarktvermittlung und -integration für ihre Kund:innen betreiben und es überwiegend dabei belassen, (für Asylsuchende gekürzte) Sozialleistungen auszuzahlen. Bis Asylsuchende den Weg zu den Arbeitsagenturen gefunden haben und dort auch vermittelt werden, vergehen in der Regel mindestens zwei Jahre. Die fehlende systematische Begleitung, restriktive Auflagen und behördliche Arbeitsverbote behindern die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zusätzlich.
Durch die Abschaffung des erst 1993 eingeführten Asylbewerberleistungsgesetzes und eine Wiedereingliederung aller (erwerbsfähigen) Asylsuchenden in das SGB II könnten Geflüchtete von Beginn an und systematisch gefördert und gefordert werden. Die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte, aber bis heute nicht umgesetzte Streichung diskriminierender Arbeitsverbote und die betroffenenorientierte Ausgestaltung der geplanten „Willkommensbehörden“ täten ein Übriges, dass sich viele Geflüchtete schneller in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren könnten.

4. Bleiberechtsberatung statt Verschärfung der Abschiebungsregeln
Das deutsche Aufenthaltsrecht sieht inzwischen eine Vielzahl von Möglichkeiten vor, um Geduldeten, deren Asylanträge abgelehnt worden sind, einen „Spurwechsel“ aus dem asylabhängigen Aufenthalt in einen Aufenthalt zu Erwerbszwecken zu ermöglichen. Doch die Regeln sind kompliziert und teilweise widersprüchlich ausgestaltet. Statt den Betroffenen dabei zu helfen, einen Aufenthaltsstatus zu erwerben, werden „Duldungen“ über viele Jahre erteilt und prekäre Aufenthalte damit weiter verlängert. Das Damoklesschwert einer Abschiebung schwebt weiterhin über den nur geduldeten Menschen. Oftmals fehlt nur eine Kleinigkeit, um erwerbstätigen Geduldeten eine Aufenthaltsrecht zu Arbeitszwecken zu erteilen und den Aufenthalt zu legalisieren. So kommt es in Deutschland immer wieder zu der absurden Situation, dass erwerbstätige Geduldete abgeschoben werden, obwohl sie in Deutschland eigentlich dringend als Arbeitskräfte gebraucht würden.
Eine systematische Beratung aller Geduldeten mit einem grundsätzlichen Bleiberechtsanspruch, wie der Flüchtlingsrat Niedersachsen sie gemeinsam mit Partnerkommunen modellhaft im Projekt „Wege ins Bleiberecht“ umsetzt, könnte dazu beitragen, den Menschen ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen und Abschiebungen zu vermeiden. Dafür braucht es entsprechende, klare Rahmenbedingungen: Geduldete, die erwerbstätig sind, sollten grundsätzlich auch einen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht haben.
Wünschenswert ist eine noch weiter gehende humanitäre Bleiberechtsregelung, nach der alle Geduldeten bleiben dürfen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben.

5. Nachhaltiger Ausbau des sozialen Wohnungsbaus (auch für Geflüchtete)
Allein 2022 ist die Anzahl der Sozialwohnungen um 14.000 gesunken. Der Neubau hält mit dem Wegfall der Zweckbindung nicht Schritt. Und auch hinsichtlich der dezentralen Unterbringung Geflüchteter hat sich nichts verbessert. Maroder Wohnungsbestand und würdelose Großgruppenunterkünfte prägen nach wie vor die Landschaft und sorgen für nicht wenig Konfliktpotential auf allen Seiten. Eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus wird zwar seit Jahren propagiert, aber nicht umgesetzt, offenkundig auch, weil die bisherige Politik diesen Bereich nicht mit Priorität bearbeitet.

Mit diesen fünf einfach umzusetzenden Maßnahmen könnte die Aufnahme Geflüchteter konstruktiv gestaltet werden. Dass stattdessen der extremen Rechten nach dem Mund geredet wird, zeigt nur, wie billig das Schwert des Rassismus zu führen ist.

Mit Sorge nehmen wir wahr, wie der bundesrepublikanische Mainstream mehr und mehr in den europäischen Chor der Länder einstimmt, die von rechtsradikalen Parteien geführt oder mitregiert werden. Sie alle verfolgen das Ziel, gesellschaftlichen Belastungen und Herausforderungen u.a. durch Sozialabbau in der Krise und durch Ausgrenzung nach unten aus dem Weg zu gehen und Sündenböcke für bestehende Probleme zu präsentieren. Um so wichtiger wird es für uns deshalb in Zukunft sein, uns mit jenen Teilen der Gesellschaft wieder stärker öffentlich zusammen zu schließen, denen die Würde des Menschen unantastbar bleibt und die im Wissen handeln, dass angesichts von Krieg und Klimakrise ein gemeinsames Handeln nötig ist.

240.000 Menschen haben 2018 an der #unteilbar-Demo in Berlin teilgenommen. An die Stärken der damaligen Bewegung ist anzuknüpfen. Deutschland ist bunt, wir lassen uns nicht spalten und stehen ein für eine Zukunft, die für alle menschenwürdige Perspektiven bereithält.

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