Sonntag, 26. Juni 2011
Die sagenhafte Nichtwahrnehmung gesellschaftlicher Verhältnisse
Ich las gerademal bei Netbitch einen Diskussionsthread, der erschreckend zeigt, wie politökonomisch-genderspezifische Zusammenhänge offensichtlich gar nicht mehr vermittelbar sind. Dinge, die ich als "arschklar" bezeichnen würde und die für mich so selbstverständlich sind, dass sich eine Diskussion erübrigt erscheinen Anderen als komplett unbekannt und auch nicht nachvollziehbar. Die Vereinigung zur Wiederherstellung des rationalen politischen Diskurses angesichts der herrschenden Verwirrung muss dringend gegründet werden.

Ach ja: Dass selbstbewusste Frauen aufregende sexuelle Praktiken, feministische Standpunkte und lustbetonte Verhaltensweisen sowie linke Gesellschaftskritik unter einen Hut kriegen scheint gewissen Männern der absolute Horror zu sein.
Außerdem bin ich neuerdings "Feminist". Na dann.

http://netbitch1.twoday.net/stories/29757240/#29758465

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Debatten und Positionen der letzten 50 Jahre
Tut mir leid - ich versteh's nicht (das hier: http://deu.anarchopedia.org/Triple_Oppression).
Da handelt es sich doch um quantitative Merkmalszählung. Das ist keine "These", sondern blosse Beobachtung, die sich nicht zur Gesellschaftsbeschreibung, geschweige denn zur Erklärung von Zusammenhängen verdichten lässt.
Ist jetzt, wer qua Hautfarbe, Geschlechtszugehörigkeit etc. mehrfach in den statistischen Erfassungsraster gerät, automatisch Multi-Opfer? Da kann ich ja gleich Michelle Obama als Unterdrückte apostrophieren. Oder die geschlechtsparitätische Besetzung von DAX-Vorstandssesseln und Schützengräben fordern.
Hier von einem Ergebnis der "Debatten und Positionen der letzten 50 Jahre" zu sprechen, erscheint mir im Kontext dieses Abzählreim-Reduktionismus wirklich als unzulässig nobilitierender Jargon für blosse rhetorische Simplifizierung.

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Statt sagenhafter sollte man vielleicht besser von selektiver Nichtwahrnehmung sprechen. Als Landmensch empfinde ich Stadtmenschen z.B. als allgemein aggressiver, mit einer starken Tendenz zum Angstbeißertum. Kann mir nicht helfen, ich würde nie wieder in eine Stadt ziehen - und so erfahre ich von vielen gesellschaftlichen Verhältnissen eben nur aus den Medien, kratze mir den Kopf, denke omg, haben die nix besseres zu tun? Man mag das Cocooning nennen, aber die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen ich lebe, entsprechen stark dem netten Macca-Song 'Peace in the neighborhood - helping eachother out'. Ein großer Unterschied zum städtischen Cocooning wiederum, das von Introvertiertheit geprägt ist, bei dem selbst die nächsten Nachbarn fremd und unbekannt bleiben. Bei uns kennt jeder jeden, in der Stadt ist jeder anonym und, sobald im Auto unterwegs, ein kleiner Samurei, Einzelkämpfer, allein. Welches Erdbeben will die Mauern in den Städten zum Einsturz bringen, mit denen die Menschen sich voneinander abgrenzen? Und wie müßten dann die Spielregeln lauten, wenn alle sich plötzlich wahrnehmen müßten? Vielleicht sollte man, um des lieben Friedens willen, doch lieber alles so lassen, wie es ist?

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Da Gesellschaftstheorie bei Euch offensichtlich nicht stattfindet, fehlen mir gerade die Worte, darauf adäquat zu antworten. Mannoman...,.

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Das ist vermutlich die nackte Angst derer, die ihre Jahrhunderte gehegten Priviligien ins Wanken geraten sehen, die sich bei Peter Lehmann und Co äußert. Da braucht man nur hypothetisch diskutieren, dass das passieren könnte, und schon brabbeln sie irgendwas, um die Wand, gegen die sie fahren könnten, weg zu diskutieren. Indem sie eine praktische Frage in einer theoretischen aufzulösen versuchen. Ihr Navi zeigt da keine Wand, deshalb ist da auch keine.

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"Indem sie eine praktische Frage in einer theoretischen aufzulösen versuchen." ist überhaupt das Standardmodell, das dort immergleich abläuft, drüben ja gerade schon wieder.

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Autonome Diskussionen
Diese Diskussion verläuft genauso wie ich sie aus den AZen kenne.

Da war auch alles mögliche "arschklar" und selbstverständlich" und jeder der einen Einwand hatte wurde von den jeweiligen Platzhirsch(küh)en ob mit oder ohne Doktortitel, erfolgreicher 50 Stunden Woche, riesigen Volumen
an gelesenen Büchern, oder ähnlichen Zertifikaten für eine gelungene Person als "Dummbatz", "verstrahlt" bezeichnet oder sonstwie lächerlich gemacht.

Dass es Antikapitalisten gibt die sich in ihrem überbordenden Distinktionsbedürfniss echt damit "schmücken", im Gegensatz zu den anderen Deppen, auf der "Überholspur" zu sein - lächerlich.

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Womit blablupp seinem Distinktionsbedürfnis auf der Überholspur freien Lauf ließ ...

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Wenn mein Navi keine Mauer anzeigt, könnte es vielleicht daran liegen, daß dort, wo ich mich befinde, tatsächlich keine ist. Woraus ich natürlich nicht schlußfolgere, daß es nirgendwo Mauern gibt. Aber da ich als Landei sowieso nur mit einem Trecker auf der Kriechspur fahre, kann ich mich getrost auf den persönlichen Augenschein verlassen. Meine 'jahrhunderte alten Privilegien'? Ich wünschte, sie wären so real wie die Geschütze, die gegen sie in Stellung gebracht werden.

"Toga! Toga! Toga!"
(Bluto Brutarsky)

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Diese Privilegien hat einfach jeder, der ein Mann ist. Allein durch mannsein werden sie schon wahrgenommen.

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Mann, sind wir priviligiert.
@ che

Nicht vergessen: Das Privileg im Stehen pinkeln zu können.


Aber im Ernst:

Die Stellung des Mannes ist göttlich gewollt. Daher auch direkt daraus abgeitet - das progressive Rechtsystem in vielen Ländern, in denen der Raubtierkapitalismus gottlob noch nicht regiert.

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Wenn Dir, Lebemann, deswegen, weil Du Dich bei einer Veranstaltung sehr in den Vordergrund gespielt hast oder in einer Diskussion entschieden eine Mindermeinung vertreten hast gesagt wird: "Da kommst Du schon wieder von runter, Du musst nur mal gut gefickt werden" würde Dir das wohl höchst sonderbar vorkommen. Ist es ja auch. Frauen passiert das andauernd!

Ich lustwandelte kürzlich die Wilhelmshöher Allee hinunter und bekam mit, wie ein Tüp hinter mir herging, auf meinen Arsch guckend, und als er an der Ampel neben mir stand, taxierte er meine Titten. Er ging immer im gleichen Abstand hinter mir her, und ich hatte den starken Eindruck, sein Weg wäre eigentlich nicht der gleiche Weg wie meiner, er verfolge mich, wie ein Wolf ein Reh verfolgt. Ich fand das reichlich lästig, obwohl ich gar nichts dagegen habe, begehrt zu werden. Aber das schmeichelte weniger, sondern erzeugte das Gefühl, ich sei ein potenzielles Opfer. Angst hatte ich keine, dazu bin ich zu sehr Kampfsportlerin, aber die meisten anderen Frauen hätten sich wahrscheinlich bedroht gefühlt. So etwas ist aber mit der Tatsache, in einem hübschen weiblichen Körper zu leben permanent verbunden. Ich bringe mir noch zur Not das Stehpissen bei, warum eigentlich nicht, aber die Privilegien stante pene erleben dummerweise Frauen permanent.

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Und nun würde mich die Diskussion interessieren, wenn die Frau nicht linksintellektuell, sexperimentierfreudig und feministisch, sondern beispielsweise konservativ-gebildet, sexperimentierfreudig und feministisch ist.

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Wie konservativ und feministisch zusammengehen sollen erscheint mir schonmal sehr fraglich...

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Wieso sollte eine konservative Frau nicht für Frauenrechte eintreten? Die Welt ist eben bunt und widersprüchlich.

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"Diese Privilegien hat einfach jeder, der ein Mann ist."

Also alle Männer sind aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit privilegiert. Alle Weißen sind aufgrund ihrer Hautfarbe Rassisten.

Wieso regt ihr euch eigentlich über "Biologismus" auf?

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@conma: Unter Feminismus wird gemeinhin nicht nur das Eintreten für Frauenrechte verstanden, sondern eine komplexe Haltung/Theorie/Denkweise, die sich gegen das Patriarchat insgesamt, gegen die bürgerliche Familie, in einer wichtigen Strömung gegen Kapitalismus und gegen Naturzerstörung richtet und die der Auffassung ist, die moderne Gesellschaft insgesamt sei eine Gesellschaft, die sder grundsätzlichen Veränderung bedarf, die an der Geschlechterfrage anzusetzen hätte.


@willy, Netbitchs Antwort auf den Lebemann bringt das besser auf den Punkt, als ich es vermöchte.

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Willys Weltbild ist einfach so sexistisch und rassistisch, dass er jegliche Aussage sofort naturalisiert und somit missversteht. Soziale Prozesse kennt er offenkundig gar nicht.

Aber: Er vermag zu belegen, was ja zentrale Einsicht des Priviligienkonzeptes ist - der Privilegierte merkt das gar nicht, also auch Willy nicht, weil er nicht die Sanktionen erfährt, die Nicht-Priviligierte alltäglich erleben.

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Und ich wollte zum Ausdruck bringen, dass so feministisch, wie es die reine Lehre vorgibt, ja wohl nicht mal Alice Schwarzer ist, oder anders ausgedrückt, wer passt schon in eine Schublade, wo alle Eigenschaften "arschklar" sind ;-)

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