Dienstag, 15. Januar 2013
Es marschiert das Gemüt des Fleischerhunds
Ausgerechnet in Frankreich, wo ich das mouvement a la base bei Streiks, Demos, Kampagnen sonst überwiegend als vorbildlich erlebt habe formiert sich eine heteronormative Massenbewegung, die fast schon Richtung Lynchmob sich gebärdet. Sehr erschreckend, eine solche Entwicklung. Angesichts der ökonomischen Krise feiert der autoritäre Charakter Urstände auf Kosten von Minderheiten. Ob das Schwule und Lesben, Flüchtlinge, Schwarze, Muslime oder sonstwer sind ist vielleicht nicht austauschbar, aber sekundär.


http://www.queer.de/detail.php?article_id=18311

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Puh, das hat zahlenmäßig ja fast schon Ostermarsch-Dimensionen. Erschütternd, wie dünn und fragil die fortschrittlich-moderne Kruste der Gesellschaft ist und was für Magma-Mengen an dumpfen Ressentiments darunter wabern.

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Slutwalks auf der einen Seite und Massenaufmärsche des reaktionärsten Ressentiments auf der anderen - es scheint so, als ob sich die Gesellschaften mehr und mehr atomisieren. Oder zumindest extrem diversifizieren.

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Ähem
Für mich ist das einfach ein rechter Mob, der da aufmarschiert ist, und zwar in einem nicht zu knapp geratenen Bündnis mit christlichen Extremisten (v.a. Katholiken...). Mich würde mal interessieren, wie im Detail die katholische Kirche hier bei der Organisation und Werbung für diesen Marsch des dünnen Schisses beteiligt war.

Sorry, aber "heteronormative Massenbewegung" ist für mein mein Verständnis als Begriff totaler Quatsch.

Das mag jetzt aus Sicht von radikalen Queeraktivisten anders betrachtet werden, quasi als herbeigesehntes Lieblingsfeindbild - aber der Clou der "heteronormativen Matrix" (auf deutsch: einer überwiegend heterosexuell strukturierten Gesellschaft) besteht eben genau darin, das die Heterosexuellen dort keine Freiheitskämpfe oder Protestmärsche veranstalten müssen.

Es ist im Prinzip "nur" ein Bündnis katholischer und rechter Gruppierungen, in gewisser Maßen lässt es sich auch als eine Reaktion auf Hollandes Wahlsieg verstehen. Tja - und eben Ausdruck des hochgradig beschränkten Horizontes in solchen Kreisen, die meinen, sie könnten auf diese Weise Frustabbau betreiben - den Frust nämlich darüber, nicht an der Macht zu sein, den Frust darüber, dass ihr enges Weltbild nicht maßgeblich sein wird für die Gesetzgebung in Frankreich.

Hass gegen Homosexuelle ist offenkundig das besonderes Steckenpferd von Ratzinger - und je älter er wird, desto doller. Tja, und wenn nun dieser Papst Ratzinger nebst seiner Kirche dann in Frankreich als Anstifter, Segner, Finanzierer derartiger Aufmärsche auftritt...

(doch, doch, tatsächlich: Die römisch-katholische Kirche in Frankreich hat hier sehr fett die Hände im Spiel)

...dann marschieren schon ein paar hunderttausend Menschen, angefacht und angetrieben von katholischen Seelsorgern, die sich in ihrer Hirtentätigkeit vor allem sich dafür interessieren, sexuell Anderlebende und die für diese notwendigen gesetzlichen Regelungen zu verdammen.

Gemessen daran, zu wieviel Hass dieser Papst aufruft und aktiv fördert, und auch gemessen daran, welche tödlichen Folgen dieser Hass tatsächlich bereits hat, wäre ich persönlich nicht gerade sterbensunglücklich, falls ausgerechnet dieser Papst in Kürze von einem Hirnschlag oder einem anderen gesundheitlichen Missgeschick dahingerafft wird.

Es ist jedenfalls kein Zufall, dass sich große Menschenmassen mobilisieren lassen, wenn sich die größte Kirche in Frankreich als politisches Mobilisierungsorgan agiert und die eigenen Kathedralen in Propagandainstitutionen verwandelt, in denen in aller Leidenschaft von der Kanzel weg zu Hass aufgerufen wird - statt zu Liebe.

Die zunehmende Fixierung dieses Papstes auf das Thema Homosexualität lässt sich eventuell auch als eine Sexualneurose deuten, und vielleicht auch, dem Anschein nach, als ein zumindest graduelles Altersirrewerden.

Mein Vorschlag zur Verbesserung der Welt:

Steckt den Papst in die Klapse!

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Alles schon gesehen
Erinnert an die großen Proteste und die Millionen-Demo 84 in Paris gegen die Abschaffung der Privatschulen, damals ein Wahlversprechen Mitterands.
Das war genau die gleiche konservative Kulturkampf-Klientel samt katholischer Hintermänner wie heute.

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@Dean: Ich sehe das eher als Rollback - der Versuch, eine AUSSCHLIESSLICH heterosexuell strukturierte Gesellschaft wiederherstellen zu wollen. Überwiegend heterosexuell strukturiert ist diese nach wie vor.

P.S.: Antworte mal auf meine Mails.


@Fortinhar: Da stimme ich Dir völlig zu, das hat aber eine Tradition, die bis zur Action Francaise und Dreyfus zurückreicht, darin liegt ja das Bedrohliche.

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"P.S.: Antworte mal auf meine Mails."
Geht es immer noch um die von (schätzungsweise) vergangenen Sommer, an deren Beantwortung er schon mehrere Mal erinnert wurde? :-)

Eine Million Menschen bei diesen Demos: Hammer. Würden sie hier nicht auf die Beine bringen, vermute ich.

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1. JA! ;-)


Was die auf die Beine bringen und was nicht weiß ich nicht so genau. Ich denke schon, dass die französische Gesellschaft eine Spur machistischer ist als unsere, aber sooo ungeheuer groß dürften die Unterschiede nicht sein.

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Die nicht wenigen Muslime und PoCs, die da mit marschieren, sind sicher Opfer übler heteronormativer Propaganda geworden.

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Und warum das?

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Weil Willy hier so etwas wie die Daueropposition ist, hart an der Kante zum geduldeten Troll und alles, was nur entfernt in den Geruch der politischen Korrektheit geriete oder Genderstrukturen in Frage stellt bekämpft. Wobei ich ja selber zwar antirassistische, feministische und antipatrirchale Positionen unterstütze, das PC-Moralische im Allgemeinen allerdings eher ablehne und kritisiere, nur eben aus Gründen, die gänzlich andere als die Willys sind.

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@willy
deinen im Wortsinne weißen Schaum vorm Maul wenn hunderttausend Muslime gegen Schwule auf die Gass gegangen wären kann ich mir gut vorstellen. Nimm noch nen Keks

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Ich wundere mich über den hier offenbaren, gründlichen Ausfall des politischen Denkvermögens bei unserem Oppositions-Willi.

Zunächst einmal sollte er sich mit den Tatsachen vertraut machen. Eine halbwegs unverfälschte Wahrnehmung der Realität ist ja immer von Vorteil. Dann müsste es ihm möglich sein zu sehen, dass hinter diesem "Protest" vor allem eine Kampagne der katholischen Kirche in Frankreich steht, die sich höchst intolerant gegen andere Lebensformen stellt.

Wogegen - dem ersten Anschein nach - protestieren diese marschierenden Dumpfköpfe eigentlich genau? Wird diesen Deppen ein Recht genommen, beispielsweise darauf, sich mit einer Deppin zu verheiraten?

Eben nicht. Insofern bleibt mir auch völlig unklar, sowohl hinsichtlich der Organsisationshintergründe, als auch hinsichtlich des Grundanliegens dieser Protestierer, woher Willy seine Sympathie diesen gegenüber mobilisiert. Wenig überraschend ist im Übrigen:

Auch Pock können Arschlöcher_innen sein. Reichlich bescheuert zu sein ist kein Privileg gut ausgebildeter weißer Männer mit heller Hautfarbe und Schuhgröße zwischen 37 bis 45. Auch wenn man das mitunter denken könnte, übrigens auch, wenn man den einen oder anderen Kommentar von Willy liest.

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Völlig d-accord. Im Übrigen bin ich der Meinung Du solltest meine mails beantworten.

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lol
Ich vermute, Dean hat die Mails versehentlich gelöscht und es ist ihm peinlich, das zuzugeben.

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an Shulamith Volkov's Studie zum Antisemitismus in Deutschland und Frankreich vor 1914 anknüpfend kann mensch vielleicht sagen, dass es sich bei Homophobie um den aktuellen "kulturellen Code" handelt, um welchen sich die antiemanzipatorischen Kräfte in der Gesellschaft in Abgrenzung zum abgelehnten "Anderen" gruppieren, wo bei allen sonstigen Differenzen eine grösstmögliche Einheit erzielt werden kann

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Gut, das ist dann anknüpfungsfähig an Adornos Schlussfolgerung aus den "Studien zum autoritären Charakter" dass der Jude im antisemitischen Ressentiment austauschbar sei. Aggressive Homophobie als eine aktuelle, sozusagen zeitgemäße Form des Rassismus oder des destruktiv-menschenverachtenden Gruppenhasses anzusehen macht wohl auch Sinn. Die Wirkungsmechanismen sind ja überall die gleichen, und ob Rassismus oder Homophobie in Europa, eine extrem gewalttätige Homophobie auf Jamaica oder in bestimmten afrikanischen Ländern oder zum Beispiel auch ein in Europa wenig bekannter gegen schwarze Studierende und Kontrakarbeiter gerichteter Rassismus in China, letztendlich ist sich das alles sehr gleich. Insofern habe ich auch für Momorulez und Loellie sehr viel mehr Verständnis als diese für möglich halten werden.

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