Montag, 14. Dezember 2015
Der Tod von Conny Wessmann und die Ungenauigkeit von oral history
Wenn ich das hier lese werden lebhafte Erinnerungen an die prägendste Zeit meines Lebens wach, viele Dinge habe ich sehr ähnlich erlebt, dennoch, beim Faktenchecking kommt mir ja die Galle hoch:

https://web.archive.org/web/20130730130733/http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/57/conny.pdf


Es ist davon die Rede, dass in der Ziethen-Kaserne Flüchtlinge untergebracht waren mit denen wir Autonome uns solidarisierten. Als Conny starb waren da Soldaten untergebracht, noch im Golfkrieg 2001 behinderten wir Schützenpanzer beim Ausrücken. Die Unterbringung von Flüchtlingen erfolgte im Verlauf des Jugoslawischen Bürgerkriegs, Jahre nach Connys Tod. So ein Geschreibsel wird dann als "authentische Quelle" verlinkt. Na klasse. Was die extreme Isoliertheit der autonomen Szene im damaligen Göttingen angeht möchte ich da auch extrem widersprechen. Göttingen war damals wohl die einzige deutsche Stadt, in der Autonome so etwas wie Hippness-Trendsetter waren. Ich bezweifle die Authentizität dieses Beitrags. Oder nehme ihn als Beleg dafür, wie sehr zeitlicher Abstand die Erinnerung trüben kann.

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Tja, ich kenne das selber von mir auch, dass in der Erinnerung Sachverhalte dichter aneinanderrücken, die damals (tm) eigentlich wenig miteinander zu tun hatten.

Über weite Strecken liest das jetzt für mich nicht soo viel anders als Deine Schilderungen der Ereignisse und ihres damaligen Kontextes. Wie akzeptiert oder isoliert eins als autonom Linksradikaler in der Restbevölkerung war, da kann man als Einzelner ja durchaus unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, selbst wenn man in der gleichen Szene unterwegs war. Wenn ich manchmal mit Klassenkameraden oder Studienkollegen Erinerungen austauschte, wunderte ich mich schon öfters, wie unterschiedlich Sachverhalte und Ereignisse bei manchen abgespeichert (und bewertet) wurden.

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Die Tatsache, dass ich ein ziemlich extremes Langzeitgedächtnis habe - ich könnte in den Achtzigern geführte und abgebrochene Gespräche an der abgebrochenen Stelle ohne Weiteres fortführen, nur finde ich dafür keine Gesprächspartner - in Kombination damit, dass ich ein an exakter Quellenwiedergabe und Quellenkritik geschulter Historiker bin macht mich in der Hinsicht vielleicht sehr speziell.

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Mir sagt man auch ein exzellentes Gedächtnis nach, aber es ist mittlerweile ziemlich selektiv. Ein paar Gesprächsfäden könnte ich auch noch aufnehmen, aber anderes ist mir nur noch in groben Umrissen erinnerlich.

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