Sonntag, 27. Januar 2008
Damals war´s
Wenn ich an meine Kindheit in den 1970ern zurückdenke, waren da doch eine Reihe von Sachen grundsätzlich anders. Klebstoff war etwas für Bastelarbeiten, zum Kleistern von Tapeten kochte Mutter noch schlechte Kartoffeln aus, um Stärke zu gewinnen,. Trotz funktionierender Konsumgesellschaft war ein Rest von Subsistenzwirtschaft durchaus noch vorhanden. Es gab auch relativ wenige “Penner” in den Straßen, eher “Gammler”, d.h. befristete Aussteiger, die eher noch zur Alternativszene gehörten als zum Obdachlosen-Prekariat. Die eigentlichen Bettler waren meist Hausierer, mit anderen Worten, sie gingen in den Wohnhäusern von Tür zu Tür und baten um milde Gaben. Es gab damals noch kaum Haustüren mit Außenklingel und Schließanlage, sondern Türen, die tagsüber offen waren und nachts verschlossen wurden. Bei mir Zuhause gab es einen Hausbettler, der einmal die Woche für eine halbe Stunde vorbeischaute, von meiner Mutter ein Schmalzbrot, 5 Mark und einen Tee bekam und erzählte, wie es ihm so ging. Diese Zeit war irgendwie menschlicher.


Ein Blog weiter hat ein lieber Freund darauf hingewiesen, dass es damals ja auch noch die intakte sozialdemokratische Stadtteilkultur gab, in der AWO, Volkswohlbund, Reichsbund usw. noch als sozialpolitisch agierende Mitgliederorganisationen auftraten. Das stimmt zwar, man könnte das Millieu, in dem ich damals aufwuchs, aber eher die intakte christdemokratische Nachbarschaft nennen. Meine Eltern, wie praktisch alle Hausbesitzer der Gegend (die Hauswirte genannt wurden und alle selber in ihrem Mietshaus wohnten) waren CDU-Stammwähler, die tatsächlich davor Angst hatten, dass die Sozis sie enteignen könnten. Noch in den 60er Jahren konnten sie es sich, als besitzende Mittelschichtler, nicht leisten, regelmäßig Fleisch zu essen. Wenn es Fleisch gab, dann Kaninchen, die man im Schuppen hinterm Haus (in Großstadt-Innenstadtlage) züchtete und bei Bedarf schlachtete. Die Subsistenz ergab sich auch aus den Überlebensstrategien der Kriegs- und Hungerjahre. Das war die Kehrseite des Idylls: Die Ruinen des Bombenkrieges standen zum Teil noch. Jedes Vierteljahr fand eine Luftschutzübung statt, wir mussten in die Turnhale oder den Fahrradkeller, und die Lehrer erläuterten uns die einzelnen Bombensignale, wir mussten richtig lernen, welcher Sirenton was bedeutete. “Jetzt werfen sie Pockenerreger ab” hieß es da mal. In unserer Freizeit spielen wir Zonengrenze, wobei ausgelost wurde, wer Flüchling und wer Grenzer spielen durfte. das machten wir aber nur selten, denn bei Cowboy und Indianer, Sachsen gegen Wenden, Ritter oder Pirat war der Ausgang des Geschehens offener, das war irgendwie cooler.

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