Freitag, 6. Februar 2009
Sich selbst neu erfinden oder woanders weitermachen oder an alte Stränge anknüpfen
Es ist ja spannend, was für unterschiedliche Möglichkeiten sich mir so darstellen. Es könnte sein, dass ich das, was ich bisher in meinem gerade gekündigten alten Job gemacht habe, so ähnlich, aber besser bezahlt in einer netteren Firma weitermache. Es könnte sich auch ereignen, dass ich eine völlig neue, sehr anspruchsvolle Tätigkeit übernehmen werde, in die ich erst hineinwachsen muss. Und es könnte passieren, dass ich genau da anknüpfe, wo ich vor 10 Jahren aufgehört habe und meine alten wissenschaftlichen Projekte in neuem Rahmen fortsetze, teilweise sogar in Tuchfühlung mit jemandem aus meiner Szene-Vergangenheit. Dann wäre die ganze Zeit in der New- and Old Economy eine bloße Phase gewesen, die mit meinem sonstigen Leben nichts zu tun hat. How auch ever: Es bleibt spannend. Der Verlust meines Jobs erscheint mir momentan weniger als Verlust als vielmehr als das plötzliche Sich-Öffnen einer ganzen Palette interessanter neuer Möglichkeiten. Wann immer ich in den letzten paar Jahren arbeitslos wurde, war ich das ja nie länger als für ein paar Wochen. Man sollte es ja nie beschreien, aber ich habe bisher nicht das Gefühl, dass es diesmal anders wird.

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Noch nicht sich neu erfinden
Solange das Angestelltenverhältnisse mit Arbeitsplatzbeschreibung sind, ist das zunächst mal eher ein Stellungswechsel. Da habe ich mit meiner früheren Patchworkexistenz aus Unijob, Maloche in der Drucke und Autowerkstatt mich viel mehr selbst erfunden, und mit meiner jetzigen Existenz als selbstständiger Unternehmer erst recht. Auch für Dich wären noch viel mehr Möglichkeiten drin, z.b. könntest Du Bergführer werden. Oder eine Kampfsportschule aufmachen. Ist der Streit mit Momorules eigentlich beigelegt?

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Weder kann man das Streit nennen noch von beigelegt sprechen. Was willst Du zu einer Diskussion sagen, bei der die Diskutanten von völlig verschiedenen Grundlagen ausgehen? Für mich war das mit dem Sich-neu-Erfinden eine reine Formulierungsfrage, er scheint das als existenzielle Bedrohung wahrzunehmen und verknüpft seine eigene aktuelle Lebenssituation damit. Der Bezug erschließt sich mir aus dem ursprünglichen Sinnzusammenhang aber nicht, da ging es ja wirklich nur um Anpassungszwänge im Sinne von sich selbst für Ansprüche des Arbeitsmarktes zu optimieren und dies auch noch zu verinnerlichen. Ich komme bei dem auch sonst häufig nicht mehr hinterher, das fängt ja schon bei den Theorieansätzen an. Kritische Theorie, französischer Poststrukturalismus und Butlers Dekonstruktivismus miteinander verbunden, und da kommen dann, wenn es um Praxis oder Theorie des politischen Handelns geht Willy Brandt und der Habermas´sche Verfassungspatriotismus am Ende bei raus, so etwas will mir so wenig einleuchten, wie die Vorliebe unserer Blogliberalen für das Gedankengut englischer oder nordamerikanischer Konservativer.
Die Diskussion ruht, da Momorulez hier nicht mehr kommentiert und sich aus Shifting Reality auch zurückgezogen hat. Das Blog verändert sich dadurch fundamental, da war er ja vorher so eine Art Primus inter Pares.

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Wenn der Eine (Post)strukturalismus sagt, meint er nicht das Gleiche wie der andere
Merleau-Ponty zum Beispiel war in erster Linie ein Körper- und Wahrnehmungstheoretiker und ziemlich politikfern, auch wenn er Sartre unterstützte. Lyotard war vor allem ein großer Skeptiker, die Unübersichtlichkeit und Beliebigkeit postmoderner Diskurse war von ihm so gewünscht, und politisch war das ein Liberaler, kein Linker. Und verkörperte all das, was Du an der Postmoderne schlecht findest. Deine Wahrnehmung der französischen Philosophie durch die Mesrine/Debord/Bataille-Brille ist eine Zuspitzung aus der Sicht eine kleiner sich als Avantgarde betrachtenden Fraktion. Diese spezielle Verbindung aus französischem Strukturalismus und Poststrukturalismus, Kritischer Theorie und später Dekonstruktivismus, die so gewisse Göttinger, Bremer, Kölner und partiell Tel Aviver Zirkel vorgenommen haben verbindet ja nicht diese Theorien in toto, sondern speziell die Ansätze von Bourdieu und Baudrillard, klassischer Arbeiterbewegungs-Linker der eine und Antiimperialist der andere, Lacan, Horkheimer und Adorno und später dann noch Butler, Kasun und andere aus dem Schnittfeld Feminismus/Dependenztheorie. Das ist eine Nutzbarmachung bestimmter Theorieansätze für eine radikale Linke, diese Ansätze, schon gar nicht ihr tieferes Theorieumfeld sind aber nicht per se linksradikal. Allerdings würde heute jemand als solcher schon betrachtet, wenn er noch mit dem politischen Programm Wuilly Brandts daherkäme, und andererseits sind wir radikalen Linken ständig damit beschäftigt, zivilisatorische Mindeststandards zu verteidigen, die eigentlich zum Wesen und Selbstverständnis des spätbürgerlichen Rechtsstaats gehören, aber von seinen eigenen Repräsentanten demontiert werden. Die politische Realität als Solche ist eine bodenlose Unverschämtheit, da liegt der Hund begraben.

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Gute Rede, das. Und in der Tat, die eigene Theoriewolke würde ich als Verbindung aus Situationismus, ganz bestimmten Foucault-Adorno-Bourdieu- und Baudrillard-Anwendungen, Dependenz- und Dekolonisierungstheorie und einer "anderen Arbeitergeschichte" und "anderen Industriesoziologie" beschreiben, in der die Arbeit als feindliches Übel und der Gegensatz Mensch-Maschine im Mittelpunkt steht.


Es wird Zeit, mit der netten Bitch zusammen mal wieder einen Wein zu schlürfen.

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"
Allerdings würde heute jemand als solcher schon betrachtet, wenn er noch mit dem politischen Programm Wuilly Brandts daherkäme, und andererseits sind wir radikalen Linken ständig damit beschäftigt, zivilisatorische Mindeststandards zu verteidigen, die eigentlich zum Wesen und Selbstverständnis des spätbürgerlichen Rechtsstaats gehören, aber von seinen eigenen Repräsentanten demontiert werden. Die politische Realität als Solche ist eine bodenlose Unverschämtheit, da liegt der Hund begraben."


Mein Held!

Das hätte nicht mal ich schöner formulieren können.

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"Vorliebe unserer Blogliberalen für das Gedankengut englischer oder nordamerikanischer Konservativer."

Vielleicht ist das ein instruktives Beispiel daür, wie man sich durch verquere Schubladenlogik die Kommunikation erschweren kann. Aus der von dir selbst aufgestellten Behauptung, dass liberal-libertäre Ideen in den USA und in England heute ausschließlich bei Tories oder Republikanern wiederzufinden seien (was nicht stimmt) leitest du ein paar Tage später direkt ab, sie seien "Gedankengut englischer oder nordamerikanischer Konservativer" (was dann kompletter Humbug ist). Ich verstehe diesen Wunsch, sich die Welt so klein wie möglich zu machen, ganz ehrlich nicht.

Ansonsten viel Erfolg beim Neustart! Manche müssen einfach immer mal wieder was anderes ausprobieren, und ich würde den Verlust fragwürdiger Betriebsfeiern auch nicht gerade so hoch einschätzen ;-)

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Danke für die guten Wünsche. Erklär das mit den libertär-liberalen Positionen in den USA und GB doch einfach mal aus Deiner Sicht, dann wird da vielleicht ein Schuh draus, den ich einfach noch nicht gesehen habe.

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Zumindest sagt auch Krugman in meinem aktuellen Lieblingsbuch "Conscience of a Liberal" (spell.?) das gut finanzierte konservative Think Tanks einen Einfluß auf wirtschaftsliberales Denken hatten. Wenn der das hat, besitzt das für mich einen höheren Stellenwert als Naomi Klein oder westfälische Dampfboote (bei allem Respekt für letzteres).

Bin zwar recht sicher angestellt, aber aus finanziell sehr lukrativen und cv-relevanten Vertragszusammenhängen mit Kunden gefallen. Und zwar wg. Budgetproblemen wg. Finanzkrise. Vor 5 Jahren wär ich jetzt echt niedergeschlagen. Das hab ich mir zum Glück abgewöhnt. So richtig gold ist eh kein Arbeitsverhältnis und irgendwie wurds auch ein bischen langweilig.
Letzteres ist sowieso ein Grundproblem. Am WE hat uns ein Freund meines Mitbewohners bei der Kücheninstallation geholfen, der Orgelbauer gelernt hat, dann (wg. Langeweile) Schreiner draufgesetzt hat und der jetzt über Industrie-Klettern nachdenkt, weils immer weniger Nachfrage nach individuell gefertigten Möbeln gibt und das Leben als selbstständiger Schreiner weniger interessant wird.
Ich selbst such z.Zt. nach Anknüpfungspunkten, 1 Jahr in .cl zu proggen und PMen.

In jeden Fall viel Glück bei der Suche der pekuniären Lebensgrundlage und das diese zumindest für eine Zeit wirklich Freude bereitet.

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Danke für die guten Wünsche. Momentan scheint es wohl ganz gut auszusehen.

Beim Thema Westfälisches Dampfboot bin ich parteiisch;-)

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"He just says whatever is convenient for his political argument. ...His work is in trade stuff. He did excellent work, but it has nothing to do with what he's writing about."

Robert Barro über Paul Krugman.
Krugman ist schon längst zum pundit geworden.

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In welchem Zusammenhang steht denn das Barro-Zitat?

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"Erklär das mit den libertär-liberalen Positionen in den USA und GB doch einfach mal aus Deiner Sicht, dann wird da vielleicht ein Schuh draus, den ich einfach noch nicht gesehen habe."

Die beiden Schuhe bestehen aus zwei logischen Fehlschlüssen.

Erstens: Ich kann aus den beiden Beobachtungen "A vertritt die Ideen x und y" und "B vertritt x" nicht die Behauptung "A vertritt das Gedankengut von B" ableiten.

Zweitens: Ich kann aus der Beobachtung, dass B die Position x vertritt, x nicht zu einer typischerweise von B vertretenen Position machen, wenn ich nicht vorher die Möglichkeit geprüft habe, ob x nicht viel häufiger noch von C vertreten wird.

Konkretisiert: Ich kann nicht für alle "Blogliberalen" sprechen, aber diejenigen, die mir am nächsten stehen, mögen zwar, wenn sie die Wahl zwischen den wirtschaftspolitischen Positionen der Demokraten und der Republikaner haben, sich eher für die der Republikaner aussprechen (Vorsicht, es gibt da jede Menge Ausnahmen!), aber deswegen mögen sie noch lange nicht die von vielen Republikanern vertretene Innen- und Gesellschaftspolitik und würden sich sehr wahrscheinlich am liebsten für Optionen entscheiden, die von Dritten verfochten werden, die keinem der beiden Lager zuzurechnen sind (auch wenn sie sich notgedrungen zu Wahlzeiten für eins von beiden entscheiden).

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"In welchem Zusammenhang steht denn das Barro-Zitat?"

In dem, den saltoftheearth aufgemacht hat.

Im Übrigen hat Barro da nur das ausgesprochen, was wohl alle Ökonomen denken, die von Krugmans Leistungen im Bereich der Ökonomie (insbesondere in seinem Spezialgebiet, und das ist *nicht* die Konjunkturtheorie...) viel halten, nicht aber zwingend seine politischen Überzeugungen teilen.

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@"für Optionen entscheiden, die von Dritten verfochten werden" ---- Könntest Du das bitte mit Namen von "Dritten" konkretisieren? So bleibt es für mich leider zu allgemein.

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Bei Barros Zitat ging es um Krugmans Aussagen zum Thema Konjunktur(programm) und "multiplier".

Krugman war, solange die Clintons an der Regierung saßen, eindeutig "bullish": Der Mittelschicht gehe es gut, Freihandel ist toll, die Steigerung der Gesundheitausgaben selbstverständlich. Der Oppositionsstatus hat das ein wenig gewandelt.

Als die NAFTA begründet wurde, äußerten die (Paläo-)Konservativen Besorgnisse über Firmen- und Produktionsabwanderung als Folge der "Mini-Globalisierung. Krugman trat als Hohepriester der komparativen Kostenvorteile auf und hat diese kritischen Stimmen (als unwissenschaftlich) abgemeiert. Mittlerweile ist er wohl Globalisierungkritiker.

Es ist mit Sicherheit kein Skandal, daß Krugman den Nobelpreis bekommen hat. Skandalös ist in meinen Augen,daß er ihn nicht zusammen mit seinem Lehrer Bhagwati erhielt - aber Bhagwati vertritt ja immer immer noch die gleichen Thesen und ist kein pundit. ;-)

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OK, verstanden, und ist auch sehr interessant. Bhagwati kenne ich ehrlich gesagt gar nicht.

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Arggggh
Das Krugman-Bashing geht mir hier einfach zu weit.
Krugman hat eigentlich schon immer eher die Möglichkeit von Marktversagen betont.
Im übrigen wiederholt selbst der bekennende Marktliberale Russ Roberts in fast jeder Folge des ziemlich guten EconTalk-Podcast, das die Ergebnisse von ökonomischen Studien sowieso immer von den ausgewählten Daten abhängt. Volkswirtschaft ist eben keine Naturwissenschaft oder Religion.
Im übrigen bilden Volkswirtschaftler keinen homogenen Block. Auch Samuelson hat gesagt, dass man mit der Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte zu weit gegangen ist. Bagwati übrigens auch.
Krugman spricht sich auch heute nicht gegen den freien Welthandel aus.
Er hat sich 1993, vorher und in der Folgezeit immer für die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung ausgesprochen. Diese existiert in den USA nicht. Viele Arbeitnehmer sind deshalb überhaupt nicht krankenversichert. Gleichzeitig kostet das amerikanische System aber den US-Beitragszahlern das doppelte. In seinem Buch erklärt er auch wieso.
Die Zeiten in dem man einen Vulgär-Libertärismus nach dem Motto "staatliche Regulationen sind immer schlecht" ist inmnsho nach der Finanzkrise endgültig nicht mehr zu vertreten.
Krugman vertritt auch nicht libertäre oder kapitalismuskritische Thesen im Sinne der germanischen Stämme des teutonischen Internets.
Das Buch ist übrigens echt lesenswert und keine ökonomische Fachliteratur.
In den USA gehts v.a. auch darum, dass die Bush-Regierung weitere massive Steuerbefreiungen für die reichsten 1% an den Start gebracht hat, ohne dass sich auch während der guten Konjunktur der 2003 bis 2007 der Lebensstandard der "unteren" 90% irgendwie verbessert hätte. Man kann das alles nicht mehr mit Globalisierung erklären, zumal in den Schwellenländern auch die Verteilungsgerechtigkeit abnimmt oder bei stark ungerechter Verteilung konstant bleibt.
Krugman hat eine lesenswerte Kolumne in der NYtimes (unter Opinion: http://tinyurl.com/33tjsa
ganz unten newest first)

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Also, von Krugman-Bashing würde ich hier jetzt nicht sprechen wollen. Aber danke für Deinen Kommentar und den Link!

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Apropos Krugman:

http://www.salon.com/comics/tomo/2008/12/09/tomo/

;)

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Das ist dann wohl das Profundeste, das bislang über die Krise geschrieben wurde!
Und erinnert mich an Deinen alten Cartoon "Postfordismus kesselt nicht!".

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Bevor teure Bücher gekauft werden müssen für die @salt Verkaufsprämie bekommt hier der entsprechende Artikel:

http://www.nybooks.com/articles/18802

Erschienen 2006. Meiner Erinnerung nach hatte das US-Gesundheitssystem bereits 99-01 Wachstumraten von satten 6-7% p.a.

Mankiw: http://www.nytimes.com/2007/11/04/business/04view.html

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Danke für den Service;-)


Ich meine, es gab auch mal einen Thriller, in dem auf das Thema "mangelnde Krankenversicherung bei unteren Einkommensgruppen in den USA" eingegangen wurde. Da entführt ein armer Schwarzer, dessen Kind eine OP benötigt, die niemand bezahlen will jemanden, um die OP zu erzwingen. Im Abspann taucht Hillary Clinton auf und wird auf ihre initiative eingegangen.

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Der war am Sonntag auf RTL2 zu sehen: John Q - Verzweifelte Wut .

... im übrigen heißt es african-american.

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@saltoftheearth

Ich sage nicht, dass Krugman durchgehend Bullshit erzählt oder mit seiner Meinung alleine da steht. Aber er wertet in seinen politischen Äußerungen eben sehr stark und legt sich, wie das in der politischen Diskussion ja üblich ist, die Fakten etwas einseitig zurecht, so dass er dann natürlich auch bei denen Widerspruch erntet, die seine wissenschaftliche Arbeit ansonsten schätzen, aber anders werten und die Fakten anders interpretieren.

Ich lese mit Interesse die Auseinandersetzung mit Krugman in den von mir besuchten US-Econ-Blogs. Wo mir übrigens auffällt, dass Krugman schnell sehr polemisch wird, was sich etwas unvorteilhaft von der Art und Weise abhebt, wie z.B. bei Marginal Revolution diskutiert wird.

"Die Zeiten in dem man einen Vulgär-Libertärismus nach dem Motto "staatliche Regulationen sind immer schlecht" ist inmnsho nach der Finanzkrise endgültig nicht mehr zu vertreten."

Die Finanzkrise hat an der Bewertung dieser Äußerung eigentlich nichts geändert, denn der Finanzbereich ist schon bisher einer der am weitesten regulierten Bereiche überhaupt gewesen. Deswegen können auch die "Österreicher" ihre radikaleren Rezepte mit noch mehr innerer Überzeugung verbreiten als vorher.

Der Satz "staatliche Regulationen sind immer schlecht" hat jetzt eher eine neue Bedeutung gewonnen, wenn man ihn so interpretiert, dass es zwar theoretisch gute Regulierungen geben könnte, de facto aber immer schlechte gewählt werden...

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@Che

Es müssen nicht immer dieselben Dritten sein. Das ist ja gerade der Punkt, dass ich nicht vorher wissen kann, von wessen Position zu irgendeinem Thema ich überzeugt zu sein habe. Ich kann und will auch nicht verhindern, dass mir die Republikaner oder die Demokraten irgendwo zustimmen...

Und zu Grundsatzfragen bietet die Fokussierung auf ein Zwei-Parteien-System eh keine Hilfe.

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Dann noch einmal anders herum gefragt: Innerhalb des liberalen Lagers gibt es unterschiedliche Fraktionen und Positionierungen. ich bin kein Liberaler, kann aber z.b. Leuten wie Rawls, Rorty, Dahrendorf, Popper, Albert oder Topitsch durchaus etwas abgewinnen oder doch zumindest ein Stück weit folgen, den "Österreichern" und Friedman hingegen überhaupt nicht. Von den Einen liest man bei Euch so gut wie nie, von den Anderen hingegen häufig. Warum ist das so, und wie sehen da deine Vorlieben aus?

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Du hast Topitsch´ *Stalins Krieg" gelesen ? ;-)

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@rayson: Regulierungen in verschiedenen Bereichen sind doch sehr schwer zu vergleichen. Wie willst du gesundheitliche und sanitäre Bestimmungen etwa bei Lebensmitteln mit Regulierungen auf dem Finanzmarkt vergleichen. Ich denke das ist Äpfel und Birnen.
Auf dem Finanzmarkt hat aber faktisch eine Deregulierung stattgefunden und zwar dadurch, dass die bestehende Gesetzgebung a) abgebaut und b) durch neue Produkte und Banken unterlaufen wurde. Die wirklichen Probleme sind soweit ich das verstehe aus den im Bankensystem generierten Hebeln entstanden, nicht durch die prozentual nicht so dramatischen platzenden Kredite, der Leute, die sich eigentlich besser gar kein Haus gekauft hätten.

Ich kannte zwar marginal revolution nicht, danke für den Tipp. Denke aber, dass auch liberale Quellen zu Polemik neigen. Vielleicht fällt einen die Polemik des eigenen Lagers nicht so auf. Kannst du vielleicht bitte Beispiele für Krugmans offenbar aussergewöhnlich polemischen Argumentations posten?

Ich halte es auch für kein Naturgesetz, dass immer die falschen Regulierungen gewählt werden. Krugman argumentiert ja auch gar nicht gegen die Marktwirtschaft als solche, sondern immer für andere Regulierungen in bestimmten Bereichen. Und im Falle des US-Gesundheitssystem hat er aus meiner Sicht gute Argumente.

Neben der Unterstützung für Innovation und Fortschritt existieren noch andere Politikbereiche, die aber für mich mit einem gewissen Nutzen verbunden sind. Beispielsweise die Existenz eines breiten Mittelstandes oder Umweltpolitik. In beiden Bereichen halte ich einen extrem liberalen Ansatz für nicht besonders erfolgversprechend.

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"Von den Einen liest man bei Euch so gut wie nie, von den Anderen hingegen häufig. Warum ist das so..."

Vielleicht, weil wir kein bloggendes Philosphieseminar sind? Generell diskutieren wir eigentlich sehr wenig Liberalismus-Theorien oder bestimmte Autoren, sondern thematisieren bestimmte konkrete Fragestellungen oder aktuelle Ereignisse.

"und wie sehen da deine Vorlieben aus?"

Die "Österreicher" interessieren mich als Hobby-Ökonom, weil sie ein mir auf den ersten Blick in die richtige Richtung zielenden dynamischen Gegenansatz zu dem von mir als zu idealistisch empfundenen neoklassischen Modell bieten und meines Erachtens sowohl in der Forschung als auch in der öffentlichen Wirkung viel zu wenig beachtet werden. So wenig, dass der Ansatz bislang leider allzu oft in den Händen von Sektierern verkümmert.

Im übrigen komme ich ja gedanklich aus der ökonomischen Ecke und finde vielleicht deshalb auch viele Argumentationen aus der "Public Choice"-Schule sehr vernünftig.

Außerdem hat Hayek mir einige Einsichten geliefert, die ich vorher nicht hatte. Und andersherum war ich vorher zu Einsichten gelangt, von denen ich dann erst hinterher erfuhr, dass sie bei Hayek schon behandelt wurden...

Von den von dir genannten anderen Autoren behandeln die meisten keine Gegenstände, zu denen ich einen besonderen Diskussionsbedarf hätte. Bis auf Rawls vielleicht, aber der hat mich nun mal nicht überzeugt ;-)

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@saltoftheearth

Man kann die Regulierungsdichte schon bewerten. Zwar nicht unbedingt in einer strengen Reihenfolge, aber doch so, dass man mehr oder weniger regulierte Bereiche aufzählen kann. Der Finanzmarkt gehört nun einmal zu den mehr regulierten. Wenn du so willst, leidet er bereits an einer aus der Sicht freier Märkte so einzustufenden "Ursünde", dem staatlich monopolisierten "fiat money".

Was du sonst zur Finanzkrise sagst, sehe ich im Grunde auch so. Wir reden hier also über eine Regulierung, die nicht oder nur unzureichend gegriffen hat. Da aber schon die Grundkonstruktion und die große Hebelwirkung ("Geldschöpfung") massiver Staatsintervention zu verdanken ist, lässt sich an diesem Beispiel über "freie Märkte" relativ wenig schließen.

Die Polemik sehe ich übrigens vor allem in der Person Krugmans begründet. Aber die fällt besonders auf, weil eben z.B. auf Marginalrevolution nicht etwa ein besonders konzilianter, sondern ein in solchen Debatten im angelsächsischen Sprachraum allgemein üblicher, moderater Ton angeschlagen wird.

Zum Beispiel hier:

http://krugman.blogs.nytimes.com/2009/01/22/war-and-non-remembrance/

Hier die für seine Verhältnisse schon extrem verärgerte Antwort von Tyler Cowen:

http://www.marginalrevolution.com/marginalrevolution/2009/01/dumping-on-robert-barro.html

Über Naturgesetze rede ich nicht. Ich denke eher an Anreize und die Mechanismen des politischen Betriebs, die es extrem unwahrscheinlich machen, dass Regulierungen nur im Dienst der Sache erfolgen. Der Staat ist eben kein ausgleichendes Neutrum, sondern seinerseits Objekt von Gier und Eigennutz.

Den von dir genannten Politikbereichen kann ich nur wenig abgewinnen, weil sie mir schon im Ansatz zu sehr nach Korruption und Fehlsteuerung riechen. Ich fände es schon sehr schön, wenn eine konsequente Wettbewerbspolitik betrieben und für eine ansprechende Infrastruktur (materiell und immateriell) gesorgt werden würde.

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@rayson: Gibt es eine optimale Regulierungsdichte für Teilmärkte so hängt diese nicht zuletzt auch von dem Wesen dieses Marktes und die Konsequenzen für die Restwirtschaft im Falle eines Zusammenbruchs ab.
Regulierungen sind historisch gewachsen. Die Tatsache, dass es im Finanzmarkt eine Menge Regeln gibt, hängt auch von den Erfahrungen der Vergangenheit ab.
Wir hatten in West-Europa/Nord-Amerika einfach lange keinen Finanz-Crash dieses Ausmaßes. Davor aber schon eine Menge. Praktisch sämtliche Länder ziehen nach einem Crashs neue und strengere Regulierungen ein. Das hat sie z.T. eben auch von den Auswirkungen der Krise geschützt (z.B. Spaniens Banken. Der dortige Immobilienmarkt ist eine andere Geschichte, die btw. auch nicht durch besonders üppige Subventionen in diesem Bereich verursacht war sondern eher durch einen lange Phase der Wertsteigerung).
Und wie gesagt, wir hatten im Finanzbereich eine Phase, in der Regulierungen eher abnahmen.

Krugman mag teilweise ein loses Mundwerk haben. Dies mag auch daran begründet sein, dass er lange Zeit eher Minderheitenpositionen vertreten hat. Er begründet seine Politikvorschläge sehr umfassend. Das Instrumentarium der volkswirtschaftlichen Analyse beherrscht er natürlich. Damit läßt sich selbstverständlich alles begründen.
Krugman gehts ja in dieser New Deal Verteidigung vor allem darum, dass es zu der Zeit auch eine Great Compression gegeben hat, d.h. eine Annäherung der Einkommen zwischen den Einkommensgruppen.

Public Choice ist mir auch sehr sympathisch. Nur befürchte ich, dass dies die Gefahr von zu schematischen Schlüssen mit sich führt. Natürlich finden politische Entscheidungen nicht in einem gierfreien Raum statt.
Breite Mittelschichten sind in der Vergangenheit eben oft auch durch Umverteilung entstanden. Natürlich gibts haufenweise Versuche, in denen fröhlich umverteilt wurde, aber am Ende der Staatsbankrott stand. Nur war das eben nicht immer so. Und jetzt gehts eben um die Frage, wie die Kosten der Bankenkrise verteilt werden. In Folge von reinen Steuersenkungen dürfte sich die Gesellschaft noch weiter auseinanderentwickeln.
Dir mögen solche Verteilungspolitiken unsympathisch sein. Viele liberale Volkswirtschaftler schieben das ja auch gerne auf einen automatischen trickle down effect, von dem aber empirisch in letzter Zeit sowohl in aufholenden Ökonomien als auch in traditionellen Industrienationen nicht so viel spürbar war. Denke, dass eine Mehrheit diese Ausblendung einfach nicht will.

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Und wenn ich es richtig sehe, sind die Einkommen seit Ende der 60-iger Jahre auseinandergedriftet.

D.h., die "goldene Zeit der geringen Einkommensunterschiede" lag vor der Bürgerrechtsbewegung, vor JFK, vor Martin Luther King, vor *68*, vor Willy Brandt, vor der Beseitigung des Bildungsnotstandes. :-)

Bevor man also den "New Deal" für Positives verantwortlich macht - über die Wohlfahrtssteigerung der Rüstungsproduktion reden wir natürlich nicht, zumindest nicht im Zusammenhang mit den USA - sollte man sich überlegen, warum es denn ab Ende der 60-iger "auseinander ging".

Auch hier kann ich nur darauf verweisen, daß Krugmann 99/00 die Studie (von Siglitz ?) verteidigte und erklärte, wie gut es der Mittelschicht gehe und daß eine gute Ausbildung auch ein gutes Einkommen nach sich ziehe.

... ein Jahr später sah es schon ganz anders aus.;-)

Wenn man zu den Top-Beratern gehört, eine Professur hat, Bücher veröffentlicht und einen Nobelpreis erhält, sollte der running gag, Diskriminierung sei der Grund für sein aus der Rolle fallen, nicht so ganz überzeugen...zumal sich Krugmans "Ton" schon Ende der 90iger nicht anders anhörte.

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Du basierst deine Argumentation auf der Annahme von Daten "wie ich es sehe" ohne das irgendwie in Statistiken oder Sekundärliteratur zu fundieren.
In Frankreich und den USA verdiente beispielsweise das reichste Prozent der Bevölkerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast 20% des gesamten Einkommens. Ende der Siebzigerjahre ist dieser Anteil in beiden Ländern auf ca. 8% geschrumpft.
[...]
Seit den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren sind die Ländererfahrungen jedoch unterschiedlich. So zeigen verschiedene Studien einen Anstieg der Einkommensungleichheit erst in den USA und Grossbritannien, etwas später auch in Schweden, Holland, Norwegen, Frankreich, Australien und Japan.
(http://tinyurl.com/cenxap)
In den USA begann es Ende der 70er auseinanderzudriften und die Geschwindigkeit nahm zu.
Unter Bush wurden die sehr Reichen noch einmal steuerlich massiv entlastet. Aktuell haben die einen ähnlichen Gini-Koeffizienten wie Peru (http://tinyurl.com/3jy2v8).
Ich find auch nicht, dass Krugman massiv aus der Rolle fällt.

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Nö, tut er nicht. Was in den letzten Jahren speziell, aber nicht nur in den USA neu war, war das massive Aufschwatzen von Immobilienkrediten an Leute, die die nie und nimmer zurückzahlen könnten. Wäre die Blase jetzt nicht geplatzt, müssten deren Nachkommen bis in die Enkelgeneration abstottern. Und da hatte Krugman in letzter Zeit gewarnt.

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"Und jetzt gehts eben um die Frage, wie die Kosten der Bankenkrise verteilt werden. In Folge von reinen Steuersenkungen dürfte sich die Gesellschaft noch weiter auseinanderentwickeln."

Das ist eine mutige Aussage, die mir aber reichlich statisch vorkommt. So, als würde mit den angestoßenen Infrastrukturprojekten eine Umverteilung zur Bauindustrie hin stattfinden.

"Dir mögen solche Verteilungspolitiken unsympathisch sein. "

Zumindest sehe ich ihre nachteiligen Wirkungen. Auch am eigenen Leib: Seitdem ich selbständig bin und mehr Gestaltungsmöglichkeiten habe, habe ich z.B. beschlossen, nicht mehr als ein halbes Jahr full-time zu arbeiten, weil sich für das darüber hinaus zu erzielende Nettoeinkommen die Arbeit einfach nicht mehr lohnt. Das kann ich mir auch nur leisten, weil ich keine Kinder habe. Sind also schon zwei nicht beabsichtigte Nebenwirkungen...

In den von mir gelesenen Ökonomiebüchern kommt ein "trickle down" übrigens nicht vor. Von dem lese ich immer nur in linken Blogs als angebliche von "Neoliberalen" propagierte Meinung.

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@che: Aufschwatzen weiss ich nicht.
Aber irgendwie ist die Vergabe von Häusern, die dann aber letztlich den Banken gehören, eine auch für Konservative gut goutierbare Sozialpolitik.

@rayson:
So, als würde mit den angestoßenen Infrastrukturprojekten eine Umverteilung zur Bauindustrie hin stattfinden.
Und über eine Steuersenkungen, die nur Gutverdienern nutzt, eventuell dann eine Umverteilung hin zur Security-Dienstleistungen und Produkten wie etwa in Südamerika.
Zumindest sehe ich ihre nachteiligen Wirkungen. Auch am eigenen Leib: Seitdem ich selbständig bin und mehr Gestaltungsmöglichkeiten habe, habe ich z.B. beschlossen, nicht mehr als ein halbes Jahr full-time zu arbeiten, weil sich für das darüber hinaus zu erzielende Nettoeinkommen die Arbeit einfach nicht mehr lohnt. Das kann ich mir auch nur leisten, weil ich keine Kinder habe. Sind also schon zwei nicht beabsichtigte Nebenwirkungen...
Kinder würden dich deutlich von den Steuern entlasten. Ich kenn Frauen, die mit deutlich weniger finanziellen Ressourcen als du und ich Kinder großziehen. Das können wir wirklich nicht den Staat anlasten.
n den von mir gelesenen Ökonomiebüchern kommt ein "trickle down" übrigens nicht vor.
... die verzichten dann ganz auf eine Berücksichtigung der Verteilungswirkung von ökonomischen Maßnahmen.

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Wer mit trickle down nichts am Hut hat, der hat auch mit der "angebotsorientierten Wirtschaftspolitik" nichts am Hut. Wenn Rayson jetzt noch erklärt, dass er in Wahrheit Kommunist ist, wundert mich das auch nicht mehr.
Solche Ausweichbewegungen als Reaktion auf Einwände ist bekannt: Hält man den Liberisten vor, dass sie auf dem Standpunkt der schieren Kapitalverwertung stehen, erklären sie, darauf käme es ihnen nicht an; es ginge vielmehr um "Eigentum" und dessen Freiheit. Ausgeblendet und abgespalten wird dabei, dass unter bürgerlich-kapitalistischen Bedingungen "Eigentum" ohne Verwertung schlichtweg keinen Sinn ergibt.
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'Arbeitsleistung reduziert aus steuerlichen Gründen' – ich verstehe: dem Raubstaat die Beute mindern!
Tatsächlich aber hast Du nichts anderes gemacht, als das, was ich und viele auch machten: Irgendwann ist der hohe Geldwert der (auch nettoumgerechneten) Minderfakturierung dennoch kleiner, als der Wert der gewonnen Freizeit, zumal wenn die Einsicht greift, dass ab einem bestimmten Punkt die psychophysische Vernutzung nicht mehr regenerierbar ist. Dann reduziert man von der 7- auf die 6- auf die 5- auf die 4-Tage-Woche. Das ist normal, richtig und nicht unehrenhaft. Man muß hier aber keinen vom Pferd erzählen.

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@saltoftheearth

"... die verzichten dann ganz auf eine Berücksichtigung der Verteilungswirkung von ökonomischen Maßnahmen."

Im Gegenteil. Sie stellen dazu verschiedene Ansätze dar, verzichten aber meist darauf, Thesen zu empirischen Erkenntnissen umzudeuten. Inzidenzmessung macht bescheiden.

@noergler

Deine Enttäuschung, dass deine Gegenüber zu der miesen Strategie greifen, nicht so simpel zu denken wie du sie dir vorstellen musst, ist ja direkt mit Händen zu greifen. Aber ich bringe, wenn ich dir damit helfen kann, gerne bei zukünftigen Kommentaren noch einen Disclaimer an, der unter Hinweis auf meine nicht vorhandenen Altgriechisch-Kenntnisse dir die volle Interpretationsgewalt über alles von mir Gesagte überlässt. Dann kannst du in Ruhe mit dir selbst weiterdiskutieren.

Ich müsste sonst glatt unseren Gastgeber fragen, ob ich meinen alten Kommentar nachträglich so ändern darf, dass meine Äußerungen wenigstens in die Nähe deines Pappkameraden-Repertoires kommen.

Sollte das nicht angebracht sein, greife ich das von dir noch einmal in anderen, natürlich wissenschaftlicheren (der Marxist kann ja gar nicht anders) Worten formulierte Grenzkalkül gerne auf und schlage vor, da noch das Auftreten einer progressiven Besteuerung einzuarbeiten, um deren Einfluss auf die Menge der angebotenen Arbeit darzustellen. Mehr braucht's nicht. Vielen Dank dafür!

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Fakten, Fakten, Fakten
"Aber irgendwie ist die Vergabe von Häusern, die dann aber letztlich den Banken gehören, eine auch für Konservative gut goutierbare Sozialpolitik."

Hanebüchen. Es bringt doch nichts,wenn man die tatsächlichen politischen Entscheidungen auf den Kopf stellt:
"Konservative" sind Sturm gelaufen und haben entsprechende Kongreß-Anhörungen zwischen 2002 und 2004 lanciert. Krugman hat gewarnt ? Die New York Times hat bereits 1999 gewarnt.


http://en.wikipedia.org/wiki/Gini_coefficient#US_income_Gini_indices_over_time

Der "günstigste" oder "sozialverträglichste" Gini-Koeffizient lag in den USA 1968 vor... vor der Bürgerrechtsbewegung, vor JFK, vor Martin Luther King, vor *68*, vor Willy Brandt, vor der Beseitigung des Bildungsnotstandes... danach ging es "auseinander". Und so hat sich auch Krugman geäußert.

Die größte Auseinanderentwicklung gab es auch nicht im dunklen Reagan-Imperium in den 80igern, sondern in den 90igern, wo der liebe Onkel Bill, von Krugman und Stiglitz beraten, regierte.

Zwischen 2000 und 2007, im Reich des Bösen, hat sich der Gini-Koeffizient kaum verändert.

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Lieber Herold,

das Schaubild zeigt deutlich, dass sich der Gini Index der USA seit 1980 deutlich nach oben entwickelte.
Krugman verortet die Veränderung der US-Gesellschaft in Richtung von mehr Ungleichheit auf Ende der 70er Jahre, der Zeitpunkt in dem eine radikalisierte Republikanische Partei begann die Südstaaten wahlmässig zu übernehmen.
Gesellschaftliche und politische Entwicklung wirken sich erst nach einem gewissen Time-Lag in der realen Welt aus. Im übrigen konnte Clinton sozialpolitische Forderungen wie etwa die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungen nicht gegen den Widerstand der privaten Rentenversicherer und der Republikaner durchsetzen.
Zwischen 2000 und 2007, im Reich des Bösen, hat sich der Gini-Koeffizient kaum verändert.
Ich würde Amerika niemals als Reich des Bösen bezeichnen. Sehr im Gegenteil. Nur gefällt mir der aktuelle Präsident deutlich besser als der Vorgänger.

In jeden Fall gibts die klare Tendenz einer zunehmend ungleichgewichtigen Einkommensverteilung. Und wir müssen uns halt überlegen, ob das ein Problem ist oder nicht. Diese Tendenz gibts sowohl in den traditionellen Industriestaaten als auch in den meisten Schwellenländern. Sie ist in den USA besonders ausgeprägt.

Und wie gesagt diese prozentual nicht so bedeutenden faulen Hypotheken wären kein großes Problem, hätte das Bankensystem nicht immer größere Hebel entwickelt, die zudem die Risiken verschleierten.
Natürlich ist das Bankensystem ein sehr regulierter Markt. Und ich glaub auch nicht, dass Bankenkrisen wirklich immer vorauszusehen sind. Auch wenn sich ex-post natürlich immer warnende Stimmen finden. Die Republikaner protestierten in unserem Jahrzehnt gegen jede Mittelzuteilung an arme Bevölkerungsgruppen. Deshalb sind Proteste gegen die politisch gestützte übermässige Kreditvergabe nur natürlich. Aber dies war vielleicht die einzige sozialpolitische Maßnahme, die sich überhaupt durchsetzen ließ. Wären sie wirklich massiv dagegen... Die Republikaner hatten 2002 bis 2004 in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit und stellten den Präsidenten.
Vielleicht gibts in entwickelten Volkswirtschaften alle 50 Jahre eine Finanzmarkt-Krise. Bin schon dafür, dass die Problembereiche nun reguliert werden. Das schützt uns nicht davor, dass vielleicht in 50 Jahren neue Löcher auftauchen. Frei laufen lassen sollten wir es nicht. Im 19. Jhdt. als der Bankenmarkt kaum reguliert war, gabs in dem damals viel stärker geographisch segmentierten Markt viel häufiger Bankenzusammenbrüche und eine solche Blitz-Geldvernichtung hat echt unappetitliche soziale Folgen.

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Was nicht paßt, wird passend gemacht.
So fanatisch kann man doch gar nicht sein !

# 1970: 39.4
# 1980: 40.3
# 1990: 42.8
# 2000: 46.2
# 2005: 46.9

Die brutale greed is good Reagan-Regierung hat in den kompletten 80iger Jahren gerade einmal 2,5 "Punkte" zugelegt. Genausoviel wie zwischen 1968 und 1980.

Unter Clinton in den kompletten 90iger Jahren, time-lag hin oder her, 3,4 "Punkte".

Unter dem neuliberalen Bush hat sie in den Jahren mit Kongreß-Mehrheit um 0,3 zugelegt. Auch hier kann ein time-lag wohl kaum anzutreffen sein - es sei denn in der Verantwortung der Clinton-Regierung - denn danach sagte er wieder ab.

Es ist ein bedauerliches klares Zeichen der intellektuellen Diskursfähigkeit der Linken, daß irgendetwas zusammengemurmelt wird auch wenn die Fakten ganz eindeutig etwas anderes aussagen.

Jede der lesen und rechnen kann sieht es. Was immer Regan/Bush "angerichtet" haben könnte, der GINI-Koeffizeient der ungleichen Einkommensentwicklung sagt dies nicht aus.

Und zu dem Thema "radikalisierte Republikaner und Südstaaten": Der Klux-Klan war eine demokratische Veranstaltung. Pardon, eine Veranstaltung von Demokraten.

http://www.rollingstone.com/politics/story/12699486/paul_krugman_on_the_great_wealth_transfer

"But in the 1970s, inequality began increasing..."
Nix, "Ende der 70iger". In den 70igern, als die von Bürgerrechtsbewegung, *68* unterstützten Mittelschichten auf die gut bezahlten Posten in der Adminstration gespült wurden und der "Bildungsnotstand" Minderqualifizierte Lehrstühle und Proffesorengehälter bereithielt- im Tausch für den Verzicht auf "Revolution".

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Die Präsidentschaft Reagan wurde aber vorbereitet durch die republikanische Regierung Clemens in Texas und Reagans eigene Gouverneurszeit in Kalifornien. Im Übrigen lassen sich die Rechts-Links-Schemata Europas nicht auf die USA übertragen. Die Demokraten sind vor allem auch die Partei der Katholiken und der kleineren protestantischen Sekten und Freikirchen, und das heißt ultrakonservativ und rassistisch im Süden, sozialdemokratisch und linksliberal an der Ostküste und in Kalifornien, noch etwas weiter links in Colorado und Oregon. Der Ku Klux Klan ist eine Veranstaltung überwiegend katholischer Faschisten, die zufällig vielleicht auch mal in der Demokratischen Partei sind.


Ach ja, und nebenbei gesagt versteht sich saltoftheearth auch nicht als Linker, jedenfalls nicht im engeren Sinne.

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Jetzt entschuldige ich bei den Linken im ursprünglichen Sinn.

Ich weiß zwar nicht, wo in den US-Südstaaten die vielen Katholiken herkommen aber ohne die "katholischen Faschisten" hätte es keine demokratischen Kongreßmehrheiten, keine demokratischen US-Präsidenten und schon gar keinen Katholiken Kennedy auf diesem Posten gegeben.

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Die Iren, zu denen Kennedy gehörte, sind in der politischen Arithmetik der USA überwiegend Linkswähler.

In Louisiana sind die Katholiken in der Mehrzahl, in Florida gibt es auch nicht wenige davon.

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Herold, in "Conscience of a Liberal" sprach Krugman von Ende der 70er Jahre. Ein Unterschied von 0.9% ist statistisch relativ unbedeutend.
Ausserdem lief die US-Wirtschaft 1980 stärker unter Potential als 1970 und das trifft eher die unteren Einkommensgruppen.
Der Gini Koeffizient ist sicher nicht das einzige Maß, um die steigende Ungleichheit zu messen. Gleichzeitig stiegen ja auch während der 80er die Arbeitsstunden, die ein Haushalt leistete, an. Vor allem auch dadurch, dass immer mehr Frauen arbeiteten.
Der Anteil der arbeitenden Bevölkerung ohne Krankenversicherung stieg seit 1999 deutlich an.
Die Südstaaten wählten lange Zeit demokratisch, weil die Republikaner eben die Partei Abraham Lincolns waren. Die demokratische Sozialpolitik des New Deals war im armen Süden sehr beliebt. Dann wurde die demokratische Partei die Partei der Bürgerrechte der Schwarzen und die Mehrheiten änderten sich... Les mal "Conscience of a Liberal".
Die Republikaner radikalisierten in den späten 70ern. Noch Nixon hat einen Vorschlag zur Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung eingebracht. Unter Eisenhower gabs einen Spitzensteuersatz von 70%.

Persönlich bin ich für Marktwirtschaft.
Nur frag ich mich langsam ernsthaft, ob eine Senkung der staatlichen Umverteilung ab einem gewissen Punkt zu einer wirklich schlechten Idee wird. Und inwieweit ein staatlicher Regulierungsrahmen gut ist.

Die floridanischen Katholiken sind wohl zum großen Teil Kubaner, die eher dazu neigen republikanisch zu wählen. Allerdings werden die auch heterogener. Lad mir regelmäßig die von youtube die Sendung "Jaime Bayly en la mega" eines in Miami beheimateten Fernsehsenders herunter. Bayly empfahl in seiner mehrdeutigen Sendung am Ende Obama.

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@Che:
"Der Ku Klux Klan ist eine Veranstaltung überwiegend katholischer Faschisten, die zufällig vielleicht auch mal in der Demokratischen Partei sind."

Da irrst Du Dich. Die katholische Kirche war/ist sogar ein Hauptfeind des KKK.
Auf Wiki wird das alles recht gut beschrieben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ku_Klux_Klan

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"...tax rates in the 1950s ... with generous personal exemptions for a family man. Corporations could take advantage of generous loopholes for salaries and benefits paid to employees, which meant that the ones who often faced the brunt of the tax burden at that time were "the high-earning self-employed: lawyers, dentists"...

The Tax Foundation has made the claim that the tax cuts signed by U.S. Presidents Reagan and George W. Bush, contrary to popular belief, actually made the U.S. tax code more progressive, not less. They state that in 1980, before Reagan's tax cuts, the richest 1% paid 19.05% of all federal income taxes, and by 1988, after Reagan's tax cuts, their share had increased to 27.58%. Likewise, in 2001, before Bush's tax cuts, the richest 1% paid 33.89% of all federal income taxes, and by 2006, after Bush's tax cuts, their share had increased to 39.89%."


Is´ auch ´ne Wahrheit.

Natürlich war die "Sozialpolitk des New Deal" sehr beliebt, weil die "Wirtschafts- und vor allem Arbeitspolitik des New Deal" ein Desaster war und man wenigstens was zum Beißen brauchte.
Die Arbeitslosigkeit wurde erst mit dem Anspringen der Rüstungspolitik beseitigt ... und daß in den 70igern ein Negativtrend eintrat, könnte man damit erklären, daß nach WKII, Korea und Vietnam kein Krieg mehr gefunden wurde. :-))

Meine These für das Auseinanderdriften ab den 70igern:

1.) Verweiblichung der Gesellschaft mit celebrity-Kult: Gigantische Summen für Künstler, Schauspieler, Sportler, "Manager-Stars"

2.) *68* förderte die Funktionsintelligenz, die zu Lasten der Unter- und unteren Mittelschicht hohe Gehältern, Vergünstigungen, etc. bezog. Man betrachte die Einkommensentwicklung von Lehrern, Ärzten, Hochschuldozenten mit "Nebenaufträgen" ab den 70igern.

3.) Individualisierung, die auch - selbst bei "Alternativen" - zu mehr Hedonismus und Konsum führte und den Arbaita zugunsten des "Herrschers der Diffenzierung", d.h. des Marketing, bedeutungsloser machte.

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@Tuc, ist angekommen, das war auch eine echte Bildungslücke bei mir. Ich hatte es angenommen, weil in Louisiana nunmal auch der weiße redneck oft Katholik ist und die ganze Liturgie identisch mit der der französischen Croix du feu, die nun aber dermaßen was von katholisch-klerikalfaschistisch waren...

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Rohrschach, ich sagte es ja bereits. Selbst der schwarze Shitkicker kann in Louisana Katholik sein, das ist nicht dem weissen Redneck vorbehalten.

Mit Beaners, Spics und Wetbacks soll es sich ähnlich verhalten.

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