Donnerstag, 25. Februar 2010
Nietzsche, Vernichtungswille, der Griff nach der Weltmacht und der Geist der Zeit
che2001, 13:08h
Während das Fäuleton das Plagiat eines pubertierenden Mädchens als neue Literatur abfeiert, hat die Desensibilisierung gegen die geistige Vorbereitung der Unmenschlichkeit auf dem Feld der Literatur und Literaturkritik längst (d.h. vor zehn Jahren mit Wirkung bis jetzt) begonnen: Detlef Hartmann zum Umgang mit Nietzsche
http://www.materialien.org/texte/hartmann/NIETZ.html
http://www.materialien.org/texte/hartmann/NIETZ.html
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entdinglichung,
Donnerstag, 25. Februar 2010, 14:44
wusste gar nicht, dass es Menschen gibt, welche sich ernsthaft auf "Ecce Homo" beziehen ;-(
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willy56,
Donnerstag, 25. Februar 2010, 15:37
Wer schön, wenn er auch auf die Nietzsche-Rezeption z.B. von Foucault hingewiesen hätte.
Foucault ist nämlich eigentlich nur aufgewärmter Nietzsche (alles nur Wille zur Macht), wobei Nietzsche nur ehrlicher ist als F. und die Konsequenzen zieht: "Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehen".
Foucault ist nämlich eigentlich nur aufgewärmter Nietzsche (alles nur Wille zur Macht), wobei Nietzsche nur ehrlicher ist als F. und die Konsequenzen zieht: "Die Schwachen und Missratenen sollen zugrunde gehen".
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che2001,
Donnerstag, 25. Februar 2010, 15:52
Foucault suchte ja aber doch nach Wegen, die Macht positiv einzusetzen bzw. sie zu bekämpfen, wo sie negativ wirkt. Außerdem brachte er ja seine Nietzsche-Interpretation mit Marx, Heidegger, Sarte und Lévy-Strauss zusammen, und das ist dann schon eine andere Qualität.
Btw:
Und andererseits steht Hartmann selbst auch in Foucault-Tradition, das wäre zumindest zu bedenken.
Btw:
Und andererseits steht Hartmann selbst auch in Foucault-Tradition, das wäre zumindest zu bedenken.
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momorules,
Donnerstag, 25. Februar 2010, 22:13
Gays against Geppert und Hartmann! ;-) ...
Foucault ist nicht nur aufgewärmter Nietzsche, allerdings auch, "alles ist Wille zur Macht" hat er aber nicht geschrieben; er ist berühmt geworden als vehementer Sartre-Kritiker, wie Heidegger bei ihm wirkt, ist sauspannend, aber sehr kompliziert, und die Namensreihung da verstehe ich trotzdem nicht wirklich, "Marx, Sartre, Heidegger, Lévy-Strauss." "Die Ordnung der Dinge" ist auch ein Frontalangriff auf Marx in einigen bestimmten Hinsichten.
Um auch hier mal wieder bildungsbürgerliches Einschüchterungsverhalten zu demonstrieren ;-) ...
Um auch hier mal wieder bildungsbürgerliches Einschüchterungsverhalten zu demonstrieren ;-) ...
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che2001,
Donnerstag, 25. Februar 2010, 22:26
Hartmannbund forever!
Und lass mir doch den Gerald da raus, die Textpassagen, die Dich damals wurmten, stammten nämlich ausnahmslos von Detlef. @Namensreihung: Ohne Marx wäre der ganze Poststrukturalismus nicht denkbar, ohne Lévy-Strauss auch nicht. Auch Leute wie Mesrine und Saussure haben da ihre Wurzeln. Gebe allerdings zu, dass meine Herangehensweise an die Thematik stark von Baudrillard und andererseits Bourdieu geprägt wurde, deren Blickwinkel vielleicht ein spezieller und selektiver ist.
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momorules,
Freitag, 26. Februar 2010, 11:21
Ohne die Bibel, Platon, Aristoteteles, Kant und Hegel, Bergson und Voltaire wäre der auch nicht denkbar, ohne Sonnenschein und kühle Sommernächte auch nicht, und Marx ist auch deshalb Voraussetzung, weil er von vielen auch sehr harsch kritisiert wurde. Althusser und Baudrilliard haben versucht, ihn zu reformulieren, Foucault hat ein extrem zwiespältiges Verhältnis zu ihm, hat aber einiges ganz außerordentlich nachhaltig zum Einsturz gebracht, schon deshalb, weil es bei dem keine Entfremdung gibt, und wenn man Derrida ernst nimmt, ist trotz des Gespenster-Buches mit Marx wenig anzufangen, und einer seiner berühmtesten Texte zerlegt Lévy-Strauss. Lyotards Kritik der "großen Erzählungen" richtet sich ganz dezidiert auch gegen eine Spielart des Marxismus trotz durchaus positiver Bezüge auf Marx, Lyotard kam ja aus der Gruppe "Socialisme ou Barbarie". Und Baudrillard hat Foucault gehasst, "Oublier Foucault" geschrieben und dort die unsinnige Behauptung aufgestellt, die Macht sei leer geworden. Da hätten sich die Neoliberalen aber gefreut, wenn sie so was lesen würden.
Ich kann das so flapsig rückreduziert auf eine lineare, linke Theorieentwicklung immer nicht ertragen. Mit Hegel wird man Nietzsche auch nicht los, wie keiner besser wusste als Foucault.
Ich kann das so flapsig rückreduziert auf eine lineare, linke Theorieentwicklung immer nicht ertragen. Mit Hegel wird man Nietzsche auch nicht los, wie keiner besser wusste als Foucault.
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che2001,
Freitag, 26. Februar 2010, 12:11
Auch wenn ich sein "Der symbolische Tausch und der Tod" streckenweise gut finde, so hat doch Baudrillard auch eine Menge Blödfug geschrieben, den wiederum Börsenyuppies der späten Achtziger richtig gut fanden, für die er so eine Art Modephilosoph war, weil sie ihn nicht verstanden hatten. Insofern kommt das mit den Neoliberalen gut hin. Lineare linke Theorientwicklung findet bei mir aber überhaupt nicht statt. Derrida kenne ich nicht.
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willy56,
Freitag, 26. Februar 2010, 15:18
Wie kann man denn zwischen positiven und negativen Machtwirkungen unterscheiden, wenn jeder Maßstab selber wieder Ausdruck von Machtstreben sein kann? Irgendwo sagt Foucault ja: "Wahrheit ist, was sich durchsetzt."
Nietzsche zieht daraus nur die Konsequenz, die Foucault nicht ausspricht.
Nietzsche zieht daraus nur die Konsequenz, die Foucault nicht ausspricht.
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momorules,
Freitag, 26. Februar 2010, 16:52
@Willy:
Das stimmt so nicht.
Mal ab davon, dass das Werk Foucaults in sich ja äußerst facettereich ist und man auch sich widersprechende Formulierungen finden wird, sagt er zum einen
- dass jede "Gesellschaft" ihre Ordnung hat, die festlegt, was jeweils als wahr oder falsch gilt und verweist hier auf Grenziehungen wie jene zwischen Vernunft und Wahnsinn und andere Ausschließungsprozeduren.
- Zum zweiten sagt er, dass Wissensproduktion (!!!) in humanwissenschaftler (!!!), was immer auch heißt sozialwissenschaftlicher Hinsicht in Machtprozeduren gründet und Machtwirkungen hervor bringt. Da muss man sich schon die Mühe machen, in die Bücher reinzugucken und nicht nur die große These adaptieren, weil: Was er da meint und wie das unter spezifisch modernen Bedingungen sich vollzogen hat, das führt er in "Überwachen und Strafen" mittels vielfältiger, historischer Quellenanalysen durch. Z.B. im "Panoptismus", abgeleitet aus einem Gefängnisentwurf Jeremey Benthams, ausgerechnet, der Ober-Utilitarist, in dem eine anonyme, weil nicht an Personen wie einen konkreten Herrscher gebundene, aber stets präsente, beobachtende Macht Verhalten reguliert, indem als Beobachteter man auf Sanktionen eingestellt ist, wenn man sich deren Verhaltensvorstellungen nicht fügt (z.B. der austauschbare Polizist, der dieser Macht in seiner Rolle genau so unterworfen ist wie der, der besoffen bei rot über die Ampel fährt und erwischt wird). Deshalb "Macht wirkt in den Beziehungen", ist also relational. Ebenso macht er das aber auch durch angelernte Bewegungsabläufe z.B. beim Miltär oder in einer Fabrik klar, wie Verhalten geformt wird - auch das als Machtwirkung.
- Was zu einer dritten These überleitet: Macht wirkt normalisierend, indem Humanwissenschaften durch Analyse der Abweichung - Delinquenz, hysterische Frau, masturbierendes Kind, "Homosexualität" - die Norm PRODUZIERT. Das ist zentrale These: Macht ist produktiv, sie bringt etwas hervor und unterdrückt nicht etwas vorher Dagewesenes. Zementierte Machtzustände begreift er als Herrschaft, solche, die "im flow sind", sind die Allgegenwart von Macht in ihrer dynamischen Form.
Sein Gegenprogramm ist dann: Jenen als ausgegrenzt Produzierten eine eigene Wissensproduktion ermöglichen (seine Gefangeneninitiativen und auch das Konzept des "spezifischen Intellektuellen") und so Gegenmacht erzeugen. Das ist ja etwas, wo Che dann sehr viel mehr zu sagen kann, wie das in den Geschichtswissenschaften aufgenommen und weiter gedacht wurde.
Selbstbestimmung und Selbstkonzepte denken, die sich nicht humanwissenschaftlich, sondern praktisch-ethisch definieren (das Spätwerk; die Antike bezeichnet er übrigens als schrecklich, eine Sklavenhaltergesellschaft, die Frau unterdrückt).
Und die Zerstreuung und Dezentrierung von Macht, so dass Normalisierung unmöglich wird.
Das ist jetzt alles sehr plakativ aber der "Wille zur Macht" mutiert ja bei ihm nicht zufällig zum "Willen zum Wissen" Mitte der 70er.
Und seine Nietzsche-Rezeption in den 60er Jahren leitet eher über zu einer nicht-linearen, auch nicht-teleologischen Geschichtsauffassung, die auf jedes Ursprungsdenken verzichtet und eher an Brüchen, Diskontinuitäten und einzelnen Entwicklungssträngen ansetzte und mit dem Fortschrittsgedanken in einer bestimmten Hinsicht aufräumte - aber auch mit der Vorstellung des großen Plans hinter den Prozessen.
Da war Macht noch gar nicht das zentrale Thema. Da ging es um eine Zertrümmerung der überlieferten, großen Geschichtserzählungen, um das Spezfische und Andere denken zu können. Dem Motiv ist er auch treu geblieben.
Ist jetzt alles sehr grob, das ist ja ein Dissertationsthema.
Das stimmt so nicht.
Mal ab davon, dass das Werk Foucaults in sich ja äußerst facettereich ist und man auch sich widersprechende Formulierungen finden wird, sagt er zum einen
- dass jede "Gesellschaft" ihre Ordnung hat, die festlegt, was jeweils als wahr oder falsch gilt und verweist hier auf Grenziehungen wie jene zwischen Vernunft und Wahnsinn und andere Ausschließungsprozeduren.
- Zum zweiten sagt er, dass Wissensproduktion (!!!) in humanwissenschaftler (!!!), was immer auch heißt sozialwissenschaftlicher Hinsicht in Machtprozeduren gründet und Machtwirkungen hervor bringt. Da muss man sich schon die Mühe machen, in die Bücher reinzugucken und nicht nur die große These adaptieren, weil: Was er da meint und wie das unter spezifisch modernen Bedingungen sich vollzogen hat, das führt er in "Überwachen und Strafen" mittels vielfältiger, historischer Quellenanalysen durch. Z.B. im "Panoptismus", abgeleitet aus einem Gefängnisentwurf Jeremey Benthams, ausgerechnet, der Ober-Utilitarist, in dem eine anonyme, weil nicht an Personen wie einen konkreten Herrscher gebundene, aber stets präsente, beobachtende Macht Verhalten reguliert, indem als Beobachteter man auf Sanktionen eingestellt ist, wenn man sich deren Verhaltensvorstellungen nicht fügt (z.B. der austauschbare Polizist, der dieser Macht in seiner Rolle genau so unterworfen ist wie der, der besoffen bei rot über die Ampel fährt und erwischt wird). Deshalb "Macht wirkt in den Beziehungen", ist also relational. Ebenso macht er das aber auch durch angelernte Bewegungsabläufe z.B. beim Miltär oder in einer Fabrik klar, wie Verhalten geformt wird - auch das als Machtwirkung.
- Was zu einer dritten These überleitet: Macht wirkt normalisierend, indem Humanwissenschaften durch Analyse der Abweichung - Delinquenz, hysterische Frau, masturbierendes Kind, "Homosexualität" - die Norm PRODUZIERT. Das ist zentrale These: Macht ist produktiv, sie bringt etwas hervor und unterdrückt nicht etwas vorher Dagewesenes. Zementierte Machtzustände begreift er als Herrschaft, solche, die "im flow sind", sind die Allgegenwart von Macht in ihrer dynamischen Form.
Sein Gegenprogramm ist dann: Jenen als ausgegrenzt Produzierten eine eigene Wissensproduktion ermöglichen (seine Gefangeneninitiativen und auch das Konzept des "spezifischen Intellektuellen") und so Gegenmacht erzeugen. Das ist ja etwas, wo Che dann sehr viel mehr zu sagen kann, wie das in den Geschichtswissenschaften aufgenommen und weiter gedacht wurde.
Selbstbestimmung und Selbstkonzepte denken, die sich nicht humanwissenschaftlich, sondern praktisch-ethisch definieren (das Spätwerk; die Antike bezeichnet er übrigens als schrecklich, eine Sklavenhaltergesellschaft, die Frau unterdrückt).
Und die Zerstreuung und Dezentrierung von Macht, so dass Normalisierung unmöglich wird.
Das ist jetzt alles sehr plakativ aber der "Wille zur Macht" mutiert ja bei ihm nicht zufällig zum "Willen zum Wissen" Mitte der 70er.
Und seine Nietzsche-Rezeption in den 60er Jahren leitet eher über zu einer nicht-linearen, auch nicht-teleologischen Geschichtsauffassung, die auf jedes Ursprungsdenken verzichtet und eher an Brüchen, Diskontinuitäten und einzelnen Entwicklungssträngen ansetzte und mit dem Fortschrittsgedanken in einer bestimmten Hinsicht aufräumte - aber auch mit der Vorstellung des großen Plans hinter den Prozessen.
Da war Macht noch gar nicht das zentrale Thema. Da ging es um eine Zertrümmerung der überlieferten, großen Geschichtserzählungen, um das Spezfische und Andere denken zu können. Dem Motiv ist er auch treu geblieben.
Ist jetzt alles sehr grob, das ist ja ein Dissertationsthema.
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che2001,
Freitag, 26. Februar 2010, 17:09
Danke dafür
Ich übernehme dann mal den zweiten Teil und erzähle, wie das in den Geschichtswissenschaften rezipiert wurde bzw. diese selbst auch umformte (Stichworte Alltagsgeschichte, Körpergeschichte, Mikrohistorie). Kommt im Verlauf des Wochenendes.
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willy56,
Donnerstag, 11. März 2010, 13:48
Sorry
"dass jede "Gesellschaft" ihre Ordnung hat, die festlegt, was jeweils als wahr oder falsch gilt" - das ist genau der Relativismus, den ich kritisiere. Menschen existieren nur in Gesellschaften, die sie prägen und damit auch festlegen, was sie für wahr halten. Wie kann es da einen Metadiskurs über wahr und falsch geben?
Es ist mir auch neu, dass in den Humanwissenschaften andere Erkenntnisstandards gelten als sonst.
Es ist mir auch neu, dass in den Humanwissenschaften andere Erkenntnisstandards gelten als sonst.
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momorules,
Donnerstag, 11. März 2010, 17:01
"Es ist mir auch neu, dass in den Humanwissenschaften andere Erkenntnisstandards gelten als sonst."
Dann informier Dich doch mal darüber, bevor Du hier den Stammtisch-Positivisten gibst - z.B. indem Du Foucault einfach mal liest. Natürlich gelten da je eigene Standards, das liegt am Gegenstandsbereich.
Das hat man davon, wenn man sich mal Mühe gibt ... irgendjemand kommt und brüllt pro Normalisierung. Du kritsierst doch gar nix, Du behauptest irgendwas. Erzähl mir mal, wie Du eine einzelne Aussage über Tatsachen oder Sachverhalte ohne "Metadiskurs", also begrifflichen Bezugsrahmen, von dem ausgehend diese überhaupt verständlich sind, als wahr erweisen willst.
Dann informier Dich doch mal darüber, bevor Du hier den Stammtisch-Positivisten gibst - z.B. indem Du Foucault einfach mal liest. Natürlich gelten da je eigene Standards, das liegt am Gegenstandsbereich.
Das hat man davon, wenn man sich mal Mühe gibt ... irgendjemand kommt und brüllt pro Normalisierung. Du kritsierst doch gar nix, Du behauptest irgendwas. Erzähl mir mal, wie Du eine einzelne Aussage über Tatsachen oder Sachverhalte ohne "Metadiskurs", also begrifflichen Bezugsrahmen, von dem ausgehend diese überhaupt verständlich sind, als wahr erweisen willst.
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che2001,
Donnerstag, 11. März 2010, 17:12
Nebenbei gesagt hat dieses Problem auch die Naturwissenschaft, der Werturteilsstreit ist überhaupt nichts genuin sozialwissenschaftliches. Die theoretische Physik laboriert damit seit den Zwanzigern und ist längst zu der Position gekommen, dass alleine der Versuchsaufbau darüber entscheidet, was als Realität anzusehen ist und was nicht. Es gibt Physiker, die ernsthaft davon ausgehen, dass alles, was denkbar ist auch geschieht und alle paar Minuten ein neues Paralleluniversum entsteht. In der Anthropologie wird heute die Biomacht als konstitutiv für die Fachgeschichte angesehen, was eine ganze Wissenschaft vor das Problem stellt, sich zu entschlacken und selbst neu zu erfinden, weil es nämlich nicht einfach damit getan ist, sich von offenkundigen Rassismen zu verabschieden.
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willy56,
Sonntag, 14. März 2010, 00:16
Also ich habe mit dem Metadiskurs kein Problem, ich frage mich nur, wie er unter foucaultschen Voraussetzungen möglich sein kann? Und dazu habe ich hier noch nichts erklärendes gehört, es wird nur behauptet (mit einer ziemlich großkotzigen Attitüde, "Lies erstmal Foucault"), man hätte längst alles erklärt.
Ich sag´s mal mit Habermas (Konzeptionen der Moderne, Surhkamp 1998, S. 222 f..): "Die Behauptung der Inkommensurabilität der verschiedenen Paradigmen und der darin eingelassenen "Rationalitäten" ist schwer mit der hyperkritischen Einstellung der postmodernen Theoretiker selbst zu vereinbaren. ... Wenn es keine Vernunft gibt, die ihren eigenen Kontext übersteigen kann, wird auch der Philosoph, der dieses Bild vorschlägt, keine Perspektive für sich in Anspruch nehmen können, die ihm einen solchen Überblick erlaubt. ... Die Behauptung einer relativistischen Position muss, um den Selbstbezug zu unterbrechen, den mit dieser Aussage vollzogenen Akt der Behauptung selbstvon der behaupteten Aussage ausnehmen."
Genau das meine ich auch, und ich kenne bisher keinen Postmodernisten, der sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt hat.
Ich sag´s mal mit Habermas (Konzeptionen der Moderne, Surhkamp 1998, S. 222 f..): "Die Behauptung der Inkommensurabilität der verschiedenen Paradigmen und der darin eingelassenen "Rationalitäten" ist schwer mit der hyperkritischen Einstellung der postmodernen Theoretiker selbst zu vereinbaren. ... Wenn es keine Vernunft gibt, die ihren eigenen Kontext übersteigen kann, wird auch der Philosoph, der dieses Bild vorschlägt, keine Perspektive für sich in Anspruch nehmen können, die ihm einen solchen Überblick erlaubt. ... Die Behauptung einer relativistischen Position muss, um den Selbstbezug zu unterbrechen, den mit dieser Aussage vollzogenen Akt der Behauptung selbstvon der behaupteten Aussage ausnehmen."
Genau das meine ich auch, und ich kenne bisher keinen Postmodernisten, der sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt hat.
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bersarin,
Sonntag, 14. März 2010, 17:02
Theoriedesign
Daß Foucault aufgewärmter Nietzsche sei, ist natürlich zu kurz gedacht. Einen derart vielschichtigen Philosophen wie Foucault auf ein bis zwei Positionen festzunageln, zeugt entweder von Unkenntnis seiner Theorie oder ist der Polemik geschuldet. Momorulez hat hierzu bereits einiges geschrieben und Foucault gut zusammengefaßt.
Was das Habermas-Zitat von willy 56 im 15. Kommentar anbelangt, so kann ich die Quelle nicht finden. Es gibt kein Buch gleichen Namens. Wenn es kein ausgedachter Zitierspaß ist, nehme ich an, daß sich der Text in „Wahrheit und Rechtfertigung“ befindet.
Die Frage zum Metadiskurs sowie die des Relativismus ist ein altes philosophisches Spiel, daß zur schlechten Unendlichkeit gerät, wenn man nicht vermittelnd eingreift oder es abbricht. (Ich formuliere hier ein paar Zeilen um, die ich in anderem Zusammenhang auf „Kritik und Kunst“ schrieb.) Denn zur Beobachtung gesellt sich die der zweiten Ordnung und eine der dritten Ordnung, so daß der den Beobachtenden betrachtende Beobachter wiederum in den Blick genommen wird. Und so weiter. Dies ist das Problem jeder Metatheorie; man kann immer noch eine Stufe höher steigen. Und hier gerät dann auch Habermas‘ Satz in Schwierigkeiten.
Es handelt sich hierbei um ein logisches Problem, welches sich durch die Figur des Paradoxons (mit dem man leben muß) und einer damit einhergehenden Entparadoxierungsstrategie im Sinne des Soziologen Niklas Luhmann erläutern läßt. Und es läßt sich in einem anderen Referenzrahmen darstellen, wenn man beim Bezug auf komplexe Theorien sich von dem Begriff einer lediglich zweiwertigen Logik verabschiedet.
Der Beobachter kann sich nicht als Beobachtetes selbst enthalten, dies ist ein theorieimmanentes Problem. Es ist dies jener von Luhmann konstatierte „blinde Fleck“ des Beobachtens, von dem aus gesehen wird ohne das man ihn selber sieht:
„Die Unterscheidung wahr/unwahr kann nicht selber nur entweder wahr oder unwahr sein; sie kann sich nicht selbst beobachten; sie ist ihr eigener blinder Fleck“ Luhmann, Wissenschaft der Gesellschaft, S. 520 (WdG)
Deshalb sind Metadiskurse sogar nötig. In der Beobachtung zweiter Ordnung kann dieser blinde Fleck in den Blick genommen werden. Bei den Beobachtungen zweiter oder höherer Ordnung handelt es sich aber nicht um externe Positionen. Denn es gibt, um etwas abzukürzen, in der Luhmannschen (genauso wie in der Hegelschen) Theorie keine Außenposition im Sinne einer außerhalb liegenden Metaebene oder einer Reflexionshierarchie (siehe etwa WdG, S. 85 f.). Schon gar nicht geht es der Theorie um Letztantworten (siehe etwa WdG, S. 97 f.). Es bleibt bei Luhmann nur der Zusammenhang eines Geschlossenen oder, wenn man so will, der Immanenzzusammenhang: Zunächst gibt es Beobachter eines Feldes (eines Systems), der Soziologe beobachtet die Gesellschaft, der Wirtschaftswissenschaftler die Wirtschaft, der Kunsttheoretiker die Kunst und so fort. Und diesen Beobachter wiederum kann man beim Beobachten beobachten, eben in der Position jener Beobachtung zweiter Ordnung. Diese Unterscheidung nun beruht auf einer zeitliche Operation: man kann nicht im selben Augenblick beides sein, nämlich zugleich Beobachter zweiter Ordnung und Beobachter einer Unterscheidung: das Überschreiten der gezogenen Grenze geschieht in der Zeit. Und diese Differenz in der Zeit dient zur Entparadoxierung der Paradoxie, innen und außen zugleich sein zu müssen. Insofern werden „Objekt- und Metaebene“ bei Luhmann nicht in eins gesetzt, denn in der Tat kann man nicht zur selben Zeit zugleich an Ort A und Ort B sein. Daß es sich hierbei aber nicht um ein hierarchisch höher strukturiertes Wissen handelt, zeigt sich eben daran, daß auch diese Beobachtung zweiter Ordnung ihren blinden Fleck hat, der wiederum beobachtet werden kann und so fort. Es ist dies ein rekursiver Prozeß: Jede Unterscheidung ist dekonstruierbar, und zwar immer innerhalb des Systems samt seinen Subsysteme. Dies eben ist nicht abschlußhaft gedacht, und der Prozeß läßt sich nicht sistieren. Er findet im Sinne einer unendlichen Verschiebung innerhalb des Systems statt. (Dazu Luhmann WdG S. 94 ff.) Aufgrund dieses Aspektes schreibt Derrida, freilich in anderem Zusammenhang, daß es kein Draußen des Textes gibt. (Und die Philosophie Derridas ist, nebenbei gesagt, an vielen Stellen eine Auseinandersetzung mit dem von willy 56 festgestellten Widerspruch.)
Aber reicht dieser Aspekt aus und besteht nicht womöglich auch bei Luhmann die Gefahr, daß solches Prozedere dennoch auf die von Hegel bezüglich der Romantik konstatierte schlechte Unendlichkeit der Reflexion hinausläuft? Erst einmal würde ich formulieren, nein: etwa durch den Begriff der re-entry bei Luhmann ergibt sich eine Form von Geschlossenheit, die jedoch nicht abschlußhaft im Sinne des Definitiven ist. Das Hegelsche System kann diese schlechte Unendlichkeit auffangen - ich verkürze hier, weil nicht mehr Raum dafür ist - durch einen Begriff von Vermittlung, welcher in der „Wissenschaft der Logik“ entfaltet wird. Diese Form der spekulativen Dialektik nimmt Luhmann für seine Argumentation freilich nicht in Anspruch, wenngleich beide einen nich-abschlußhaften Holismus, der die Differenz und den Widerstreit zum Motor hat, als Theorie setzen.
Es lassen sich im Rahmen von Luhmanns Theorie nun die von Habermas konstatierten Widerspüche der sogenannten Postmodernen auffangen: Es gibt unterschiedliche Ebenen, verschiedene Paradigmen, aber es existiert kein draußen und keine holistische, alles überwachende Vernunft im Sinne einer beherrschbaren Metaebene oder eines beherrschbaren Zentrums. (Die Aspekte eines solchen phantasmagorischen Narzißmus, die mit dem Gedanken einer solchen Präsenz einhergehen, hat Lacan in seiner Variante der Psychoanalyse und der Subjektkonstitution aufgezeigt. Bei Derrida geschieht dies auf eine andere Weise.) So sind die Paradigmen zwar einerseits inkommensurabel. Es liegt der von Lyotard konstatierte „Widerstreit“ vor. Dieser ist zwangsläufig, trotz Metaebene, und trotzdem ist der Widerstreit beobachtbar, ohne daß sich der Beobacher in Aporien verstrickt. Er muß nur lernen, mit ein paar Paradoxien zu leben, insofern er sie nicht logisch entschärfen kann.
Dies läßt sich dann natürlich auch auf Foucault applizieren. Und man muß bei ihm schauen, auf welcher Ebene der Theorie er sich in seiner Aussage gerade befindet. Es handelt sich bei Foucault jedoch kaum um relativistische Positionen, ganz im Gegenteil. Allerdings liegen Aussagen über den Bereich X, Y oder Z immer relativ zu einer Epoche, und das Subjekt kann, wie Foucault das in seinem bekannten Bild konstatiert, eben verschwinden, wie das Gesicht im Sand, weil es keine Invariante ist. Dies hat aber nichts mit Relativismus zu tun.
Nebenbei: Mit diesem Problem des Widerstreits sowie seiner Vermittlung auf der Metaebene mußte sich schon Kant herumschlagen: Wie überhaupt die Einheit einer Vernunft noch zu konzipieren sei, wenn es zwei so gegensätzliche Bereiche wie die theoretische und die praktische Vernunft gibt. Die „Kritik der Urteilskraft“ versuchte da seinerzeit eine Antwort zu geben und die Vermittlungsleistung zu erbringen. Ob das gelang, ist ja einer der großen philosophischen Diskussionen, die bis in die Gegenwart hineinragt.
Nun habe ich aber gar nichts zu Hartmanns Nietzsche-Text geschrieben, den ich, um es höflich zu sagen, für mißlungen halte. Nietzsche ist derart vielschichtig, daß eine Lesart, welche nur eine Richtung im Auge hat, in die Irre gehen muß. Daß sich Nietzsches Text für den Faschismus als kompatibel erwies, läßt sich nicht leugnen. Aber es funktioniert genauso die Gegenlektüre. Eine differenzierte Betrachtung wäre hier hilfreicher gewesen. Und schon Adorno stellte bezüglich Lukács‘ „Zerstörung der Vernunft“ fest, daß hier wohl eher Lukács‘ Vernunft zerstört sei. Ich will einmal schauen, ob ich eine solche Lektüre zu Nietzsche zeitlich bei mir drüben schaffe. Hegel/Derrida steht ja auch noch aus, und es schreibt sich ein solcher Text nicht nebenher.
Was das Habermas-Zitat von willy 56 im 15. Kommentar anbelangt, so kann ich die Quelle nicht finden. Es gibt kein Buch gleichen Namens. Wenn es kein ausgedachter Zitierspaß ist, nehme ich an, daß sich der Text in „Wahrheit und Rechtfertigung“ befindet.
Die Frage zum Metadiskurs sowie die des Relativismus ist ein altes philosophisches Spiel, daß zur schlechten Unendlichkeit gerät, wenn man nicht vermittelnd eingreift oder es abbricht. (Ich formuliere hier ein paar Zeilen um, die ich in anderem Zusammenhang auf „Kritik und Kunst“ schrieb.) Denn zur Beobachtung gesellt sich die der zweiten Ordnung und eine der dritten Ordnung, so daß der den Beobachtenden betrachtende Beobachter wiederum in den Blick genommen wird. Und so weiter. Dies ist das Problem jeder Metatheorie; man kann immer noch eine Stufe höher steigen. Und hier gerät dann auch Habermas‘ Satz in Schwierigkeiten.
Es handelt sich hierbei um ein logisches Problem, welches sich durch die Figur des Paradoxons (mit dem man leben muß) und einer damit einhergehenden Entparadoxierungsstrategie im Sinne des Soziologen Niklas Luhmann erläutern läßt. Und es läßt sich in einem anderen Referenzrahmen darstellen, wenn man beim Bezug auf komplexe Theorien sich von dem Begriff einer lediglich zweiwertigen Logik verabschiedet.
Der Beobachter kann sich nicht als Beobachtetes selbst enthalten, dies ist ein theorieimmanentes Problem. Es ist dies jener von Luhmann konstatierte „blinde Fleck“ des Beobachtens, von dem aus gesehen wird ohne das man ihn selber sieht:
„Die Unterscheidung wahr/unwahr kann nicht selber nur entweder wahr oder unwahr sein; sie kann sich nicht selbst beobachten; sie ist ihr eigener blinder Fleck“ Luhmann, Wissenschaft der Gesellschaft, S. 520 (WdG)
Deshalb sind Metadiskurse sogar nötig. In der Beobachtung zweiter Ordnung kann dieser blinde Fleck in den Blick genommen werden. Bei den Beobachtungen zweiter oder höherer Ordnung handelt es sich aber nicht um externe Positionen. Denn es gibt, um etwas abzukürzen, in der Luhmannschen (genauso wie in der Hegelschen) Theorie keine Außenposition im Sinne einer außerhalb liegenden Metaebene oder einer Reflexionshierarchie (siehe etwa WdG, S. 85 f.). Schon gar nicht geht es der Theorie um Letztantworten (siehe etwa WdG, S. 97 f.). Es bleibt bei Luhmann nur der Zusammenhang eines Geschlossenen oder, wenn man so will, der Immanenzzusammenhang: Zunächst gibt es Beobachter eines Feldes (eines Systems), der Soziologe beobachtet die Gesellschaft, der Wirtschaftswissenschaftler die Wirtschaft, der Kunsttheoretiker die Kunst und so fort. Und diesen Beobachter wiederum kann man beim Beobachten beobachten, eben in der Position jener Beobachtung zweiter Ordnung. Diese Unterscheidung nun beruht auf einer zeitliche Operation: man kann nicht im selben Augenblick beides sein, nämlich zugleich Beobachter zweiter Ordnung und Beobachter einer Unterscheidung: das Überschreiten der gezogenen Grenze geschieht in der Zeit. Und diese Differenz in der Zeit dient zur Entparadoxierung der Paradoxie, innen und außen zugleich sein zu müssen. Insofern werden „Objekt- und Metaebene“ bei Luhmann nicht in eins gesetzt, denn in der Tat kann man nicht zur selben Zeit zugleich an Ort A und Ort B sein. Daß es sich hierbei aber nicht um ein hierarchisch höher strukturiertes Wissen handelt, zeigt sich eben daran, daß auch diese Beobachtung zweiter Ordnung ihren blinden Fleck hat, der wiederum beobachtet werden kann und so fort. Es ist dies ein rekursiver Prozeß: Jede Unterscheidung ist dekonstruierbar, und zwar immer innerhalb des Systems samt seinen Subsysteme. Dies eben ist nicht abschlußhaft gedacht, und der Prozeß läßt sich nicht sistieren. Er findet im Sinne einer unendlichen Verschiebung innerhalb des Systems statt. (Dazu Luhmann WdG S. 94 ff.) Aufgrund dieses Aspektes schreibt Derrida, freilich in anderem Zusammenhang, daß es kein Draußen des Textes gibt. (Und die Philosophie Derridas ist, nebenbei gesagt, an vielen Stellen eine Auseinandersetzung mit dem von willy 56 festgestellten Widerspruch.)
Aber reicht dieser Aspekt aus und besteht nicht womöglich auch bei Luhmann die Gefahr, daß solches Prozedere dennoch auf die von Hegel bezüglich der Romantik konstatierte schlechte Unendlichkeit der Reflexion hinausläuft? Erst einmal würde ich formulieren, nein: etwa durch den Begriff der re-entry bei Luhmann ergibt sich eine Form von Geschlossenheit, die jedoch nicht abschlußhaft im Sinne des Definitiven ist. Das Hegelsche System kann diese schlechte Unendlichkeit auffangen - ich verkürze hier, weil nicht mehr Raum dafür ist - durch einen Begriff von Vermittlung, welcher in der „Wissenschaft der Logik“ entfaltet wird. Diese Form der spekulativen Dialektik nimmt Luhmann für seine Argumentation freilich nicht in Anspruch, wenngleich beide einen nich-abschlußhaften Holismus, der die Differenz und den Widerstreit zum Motor hat, als Theorie setzen.
Es lassen sich im Rahmen von Luhmanns Theorie nun die von Habermas konstatierten Widerspüche der sogenannten Postmodernen auffangen: Es gibt unterschiedliche Ebenen, verschiedene Paradigmen, aber es existiert kein draußen und keine holistische, alles überwachende Vernunft im Sinne einer beherrschbaren Metaebene oder eines beherrschbaren Zentrums. (Die Aspekte eines solchen phantasmagorischen Narzißmus, die mit dem Gedanken einer solchen Präsenz einhergehen, hat Lacan in seiner Variante der Psychoanalyse und der Subjektkonstitution aufgezeigt. Bei Derrida geschieht dies auf eine andere Weise.) So sind die Paradigmen zwar einerseits inkommensurabel. Es liegt der von Lyotard konstatierte „Widerstreit“ vor. Dieser ist zwangsläufig, trotz Metaebene, und trotzdem ist der Widerstreit beobachtbar, ohne daß sich der Beobacher in Aporien verstrickt. Er muß nur lernen, mit ein paar Paradoxien zu leben, insofern er sie nicht logisch entschärfen kann.
Dies läßt sich dann natürlich auch auf Foucault applizieren. Und man muß bei ihm schauen, auf welcher Ebene der Theorie er sich in seiner Aussage gerade befindet. Es handelt sich bei Foucault jedoch kaum um relativistische Positionen, ganz im Gegenteil. Allerdings liegen Aussagen über den Bereich X, Y oder Z immer relativ zu einer Epoche, und das Subjekt kann, wie Foucault das in seinem bekannten Bild konstatiert, eben verschwinden, wie das Gesicht im Sand, weil es keine Invariante ist. Dies hat aber nichts mit Relativismus zu tun.
Nebenbei: Mit diesem Problem des Widerstreits sowie seiner Vermittlung auf der Metaebene mußte sich schon Kant herumschlagen: Wie überhaupt die Einheit einer Vernunft noch zu konzipieren sei, wenn es zwei so gegensätzliche Bereiche wie die theoretische und die praktische Vernunft gibt. Die „Kritik der Urteilskraft“ versuchte da seinerzeit eine Antwort zu geben und die Vermittlungsleistung zu erbringen. Ob das gelang, ist ja einer der großen philosophischen Diskussionen, die bis in die Gegenwart hineinragt.
Nun habe ich aber gar nichts zu Hartmanns Nietzsche-Text geschrieben, den ich, um es höflich zu sagen, für mißlungen halte. Nietzsche ist derart vielschichtig, daß eine Lesart, welche nur eine Richtung im Auge hat, in die Irre gehen muß. Daß sich Nietzsches Text für den Faschismus als kompatibel erwies, läßt sich nicht leugnen. Aber es funktioniert genauso die Gegenlektüre. Eine differenzierte Betrachtung wäre hier hilfreicher gewesen. Und schon Adorno stellte bezüglich Lukács‘ „Zerstörung der Vernunft“ fest, daß hier wohl eher Lukács‘ Vernunft zerstört sei. Ich will einmal schauen, ob ich eine solche Lektüre zu Nietzsche zeitlich bei mir drüben schaffe. Hegel/Derrida steht ja auch noch aus, und es schreibt sich ein solcher Text nicht nebenher.
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che2001,
Sonntag, 14. März 2010, 17:56
@"Ich kenne bisher keinen Postmodernisten, der sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt hat" ---- Hier wird es schwammig mit den Begrifflichkeiten. Postststrukturalismus ist nämlich nicht bedeutungsgleich mit Postmoderne. Bourdieu und Baudrillard zum Bleistift zählen zu den Poststrukturalisten, aber nicht zu den Postmodernen, für die das dekonstruktivistische Denken typisch ist. Foucault ist zwar Dekonstruktivist, aber in ganz anderer Weise als die postmoderne Hauptlinie um Lyotard. Ihn könnte mal also postmodern nennen, trotzdem ist der ein Solitär.
http://www.cpw-online.de/lemmata/postmoderne.htm
Um die Verwirrung zu vergrößern, skizziere ich mal wie versprochen die Bedeutung Foucaults für die Geschichtswissenschaft;-)
Nach Foucault vollzieht sich seit langer Zeit, forciert aber seit der Aufklärung eine „Biologisierung“ sozialer Machtverhältnisse und zugleich auch ein Zugriff der Eliten auf die Körper der Beherrschten. Biologisierung bedeutet einerseits die Rechtfertigung von Herrschaft als „Naturnotwendigkeit“ im Sinne vererbbarer Eigenschaften in Verhalten, Intelligenz usw., wo der Sozialdarwinismus und die Rassismen als historische Herrschaftspraxis angelegt sind, das greift aber auch noch darüber hinaus. Einerseits historisch zurück von Hobbes über Malthus und Darwin, andererseits gehören Homophobie und Normalisierungsdiskurse, die gesellschaftspolitische Dimension des Gesundheitsbegriffs, Gentechnik- und Bioethik-Diskurse da auch noch mit rein. Die historische Forschung zum NS hat der Biomacht-Perspektive unendlich viel zu verdanken, und die Alltagsgeschichte (das ist nicht, wie oft gedacht wird, die Geschichte des Alltags, sondern ein Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft, der historische Prozesse aus den Alltagserfahrungen der Zeitzeugen erschliesst) ist ohne diesen Ansatz gar nicht denkbar. Und die von mir so geschätzte linke Zeitschrift "Materialien für einen Neuen Antiimperialismus" überträgt dann eine solche Perspektive auf die internationale Politik, bevorzugt die Entwicklungspolitik. Zentral ist in allen diesen Themenfeldern die Dekonstruktion eines vorgegebenen Wahrnehmungsmusters, was in der Anthropologie zum Beispiel auf die Aufgabe der eigenen Fachgeschichte hinausläuft.
http://www.cpw-online.de/lemmata/postmoderne.htm
Um die Verwirrung zu vergrößern, skizziere ich mal wie versprochen die Bedeutung Foucaults für die Geschichtswissenschaft;-)
Nach Foucault vollzieht sich seit langer Zeit, forciert aber seit der Aufklärung eine „Biologisierung“ sozialer Machtverhältnisse und zugleich auch ein Zugriff der Eliten auf die Körper der Beherrschten. Biologisierung bedeutet einerseits die Rechtfertigung von Herrschaft als „Naturnotwendigkeit“ im Sinne vererbbarer Eigenschaften in Verhalten, Intelligenz usw., wo der Sozialdarwinismus und die Rassismen als historische Herrschaftspraxis angelegt sind, das greift aber auch noch darüber hinaus. Einerseits historisch zurück von Hobbes über Malthus und Darwin, andererseits gehören Homophobie und Normalisierungsdiskurse, die gesellschaftspolitische Dimension des Gesundheitsbegriffs, Gentechnik- und Bioethik-Diskurse da auch noch mit rein. Die historische Forschung zum NS hat der Biomacht-Perspektive unendlich viel zu verdanken, und die Alltagsgeschichte (das ist nicht, wie oft gedacht wird, die Geschichte des Alltags, sondern ein Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft, der historische Prozesse aus den Alltagserfahrungen der Zeitzeugen erschliesst) ist ohne diesen Ansatz gar nicht denkbar. Und die von mir so geschätzte linke Zeitschrift "Materialien für einen Neuen Antiimperialismus" überträgt dann eine solche Perspektive auf die internationale Politik, bevorzugt die Entwicklungspolitik. Zentral ist in allen diesen Themenfeldern die Dekonstruktion eines vorgegebenen Wahrnehmungsmusters, was in der Anthropologie zum Beispiel auf die Aufgabe der eigenen Fachgeschichte hinausläuft.
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momorules,
Montag, 15. März 2010, 10:55
Also, Willy, dass Du bisher "nichts erklärendes" gehört hättest, das finde ich jetzt aber, gelinde gesagt, gar nicht nett, das zu behaupten.
Und wenn man die Postmodernen über Habermas vermittelt sich aneignet, kommt man natürlich auf die Relativismus-Nummer.
"Genau das meine ich auch, und ich kenne bisher keinen Postmodernisten, der sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt hat."
Das haben sie allesamt. Das ist so nicht richtig. Auf Habermas bezogen hat Foucault z.B. entgegnet, dass es seiner Ansicht nach unergiebig sei, von Rationalität im Allgemeinen zu reden, man doch lieber spezifische, historisch situierte Rationalitäten untersuchen solle - bzw. dass das sein Thema sei.
Die Biomacht ist eine solche, die Gouvernementalität eine andere. Das impliziert schlicht, dass z.B. ein Habermas auf einer Ebene ansetzte, die empirisch untauglich ist (ich teile diese These nicht, aber man kann sie ja zur Kenntnis nehmen). Weil sie von ganz realen Machtmechanismen unterlaufen würde, nicht von DIE MACHT.
Das ist bei Lyotard gar nicht anders: Wenn man mit der großen Erzählung der Emanzipation rum werkelt, kann man damit jeden Scheiß rechtfertigen, z.B. den Irakkrieg. Und als Großerzählung ist das auch falsch, wenn man sich die spezifisch-zersplitterte Weltgeschichte anschaut. Die verläuft nicht teleologisch.
Deshalb ist "lies Foucault" nicht großkotzig, sondern ein Hinweis darauf, dass die allzu große These aus dem gar nicht heraus zu lesen ist.
"Rationalitäten" heißt zum Beispiel, dass im Zeitalter der Klassik der begriff der Repräsentation für Foucault der Entscheidende war - dass man also Welt repräsentieren wollte bzw. das tat in Formen des Wissens. So z.B. die Enzeklopädisten oder auch Hume, dessen Sinneseindrücke als Repräsentation der Außenwelt aufgefasst werden können. oder auch "ich denke, also bin ich", in dem das Denken als Repräsentation des (göttlichen) Seins aufgefasst wird.
Das brach nach Kant zusammen, und daraufhin traten - Rationalitäten - Denkfiguren wie die transzendental/empirische-Doublette, die Suche nach Ursprüngen usw. auf den Plan, und der, der das machte und in dem sich das zeigte, war der Mensch. Und Foucault selbst sah sich zu dem Zeitpunkt, da er "Die Ordnung der Dinge" schrieb, als Teil einer Bewegung, die mit der Wiederkehr der Sprache dann den Mensch als Subjekt und Objekt des Wissens hinter sich lassen würde.
Das impliziert natürlich die These, dass es überhistorische, ewige Wahrheiten nicht gibt. Und eben je unterschiedlich historisch situierte Rationalitäten. Das ist aber kein performativer Widerspruch, weil er ja in diesem Fall den Ort angibt, von dem er spricht.
In "Überwachen und Strafen" untersucht Foucault die Frage, wie es kommen konnte, dass das System der öffentlichen Hinrichtung durch die des Gefängnisses ersetzt wurde. Seine Antwort ist, dass die "Institutionen", Schulen, Fabriken, Krankenhäuser allesamt ganz ähnlich funktionieren wie Gefängnisse - und dass solche "Instituionen" es auch sind, in denen anhand von Verfahren wie der Prüfung das humanwissenschaftliche Wissen erzeugt wird. Und das nicht, um lediglich festzustellen, wie die Welt so ist, sondern um sanktionieren und normieren zu können. Mit dem Effekt, dass letztlich sogar die Rechtsprechung an Gutachter und die Gefangenenbetreuung an Sozialarbeiter deligiert wird.
Auf all das erhebt er einen klaren Wahrheitsanspruch. Das hat mit Relativismus nix zu tun.
PS: Bersarin, ich fand Deinen Luhmann-Exkurs spitze! Nur das auch "Beobachtung" für Foucault immer das spezifische Procedere des Panoptismus wäre ... ich bin mir nicht so sicher, ob man das so ohne weiteres mit Foucault verbinden kann, ohne zuvor die Habermas-Perspektive eingenommen zu haben.
Und wenn man die Postmodernen über Habermas vermittelt sich aneignet, kommt man natürlich auf die Relativismus-Nummer.
"Genau das meine ich auch, und ich kenne bisher keinen Postmodernisten, der sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt hat."
Das haben sie allesamt. Das ist so nicht richtig. Auf Habermas bezogen hat Foucault z.B. entgegnet, dass es seiner Ansicht nach unergiebig sei, von Rationalität im Allgemeinen zu reden, man doch lieber spezifische, historisch situierte Rationalitäten untersuchen solle - bzw. dass das sein Thema sei.
Die Biomacht ist eine solche, die Gouvernementalität eine andere. Das impliziert schlicht, dass z.B. ein Habermas auf einer Ebene ansetzte, die empirisch untauglich ist (ich teile diese These nicht, aber man kann sie ja zur Kenntnis nehmen). Weil sie von ganz realen Machtmechanismen unterlaufen würde, nicht von DIE MACHT.
Das ist bei Lyotard gar nicht anders: Wenn man mit der großen Erzählung der Emanzipation rum werkelt, kann man damit jeden Scheiß rechtfertigen, z.B. den Irakkrieg. Und als Großerzählung ist das auch falsch, wenn man sich die spezifisch-zersplitterte Weltgeschichte anschaut. Die verläuft nicht teleologisch.
Deshalb ist "lies Foucault" nicht großkotzig, sondern ein Hinweis darauf, dass die allzu große These aus dem gar nicht heraus zu lesen ist.
"Rationalitäten" heißt zum Beispiel, dass im Zeitalter der Klassik der begriff der Repräsentation für Foucault der Entscheidende war - dass man also Welt repräsentieren wollte bzw. das tat in Formen des Wissens. So z.B. die Enzeklopädisten oder auch Hume, dessen Sinneseindrücke als Repräsentation der Außenwelt aufgefasst werden können. oder auch "ich denke, also bin ich", in dem das Denken als Repräsentation des (göttlichen) Seins aufgefasst wird.
Das brach nach Kant zusammen, und daraufhin traten - Rationalitäten - Denkfiguren wie die transzendental/empirische-Doublette, die Suche nach Ursprüngen usw. auf den Plan, und der, der das machte und in dem sich das zeigte, war der Mensch. Und Foucault selbst sah sich zu dem Zeitpunkt, da er "Die Ordnung der Dinge" schrieb, als Teil einer Bewegung, die mit der Wiederkehr der Sprache dann den Mensch als Subjekt und Objekt des Wissens hinter sich lassen würde.
Das impliziert natürlich die These, dass es überhistorische, ewige Wahrheiten nicht gibt. Und eben je unterschiedlich historisch situierte Rationalitäten. Das ist aber kein performativer Widerspruch, weil er ja in diesem Fall den Ort angibt, von dem er spricht.
In "Überwachen und Strafen" untersucht Foucault die Frage, wie es kommen konnte, dass das System der öffentlichen Hinrichtung durch die des Gefängnisses ersetzt wurde. Seine Antwort ist, dass die "Institutionen", Schulen, Fabriken, Krankenhäuser allesamt ganz ähnlich funktionieren wie Gefängnisse - und dass solche "Instituionen" es auch sind, in denen anhand von Verfahren wie der Prüfung das humanwissenschaftliche Wissen erzeugt wird. Und das nicht, um lediglich festzustellen, wie die Welt so ist, sondern um sanktionieren und normieren zu können. Mit dem Effekt, dass letztlich sogar die Rechtsprechung an Gutachter und die Gefangenenbetreuung an Sozialarbeiter deligiert wird.
Auf all das erhebt er einen klaren Wahrheitsanspruch. Das hat mit Relativismus nix zu tun.
PS: Bersarin, ich fand Deinen Luhmann-Exkurs spitze! Nur das auch "Beobachtung" für Foucault immer das spezifische Procedere des Panoptismus wäre ... ich bin mir nicht so sicher, ob man das so ohne weiteres mit Foucault verbinden kann, ohne zuvor die Habermas-Perspektive eingenommen zu haben.
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bersarin,
Montag, 15. März 2010, 18:22
Danke für Dein Lob, das ich aber auch zurückgeben möchte für Deine Ausführung zu Foucault.
Nein, auf Foucault kann man diesen Aspekt der Beobachtung zweiter, dritter usw. Ordnung nicht eins zu eins anwenden. Ich habe ganz bewußt einen Erklärungsansatz gewählt, der die Aspekte Metatheorie und Relativismus aus der Ecke der Wissenschaftstheorie (im Sinne des Strukturfunktionalismus Luhmannscher Prägung) bzw. der Kybernetik erläutert. Ob sich das zu Foucault hin bauen läßt, müßte man noch einmal extra untersuchen. Ich habe da momentan keine schlüssige Antwort. Wenn man aber statt Beobachtung einen anderen Terminus wählte, käme dort vielleicht etwas heraus.
Nein, auf Foucault kann man diesen Aspekt der Beobachtung zweiter, dritter usw. Ordnung nicht eins zu eins anwenden. Ich habe ganz bewußt einen Erklärungsansatz gewählt, der die Aspekte Metatheorie und Relativismus aus der Ecke der Wissenschaftstheorie (im Sinne des Strukturfunktionalismus Luhmannscher Prägung) bzw. der Kybernetik erläutert. Ob sich das zu Foucault hin bauen läßt, müßte man noch einmal extra untersuchen. Ich habe da momentan keine schlüssige Antwort. Wenn man aber statt Beobachtung einen anderen Terminus wählte, käme dort vielleicht etwas heraus.
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