Montag, 20. Februar 2012
Also, hier kommt jetzt die Auflösung
che2001, 01:08h
Ich gehe in der Tat davon aus, dass die hierzulande universitär gelehrte Philosophie im Schwerpunkt eurozentrisch und männerdominiert ist. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass sie unbedingt spezifisch "weißmännliche" Positionen äußern würde, weil bestimmte Axiome allgemeingültig sind. Das hatte der Nörgler schon gut erkannt. Ebenso wie die Tatsache, dass Übereinstimmungen zwischen vorsokratischem und altchinesischem Gedankengut der Tatsache geschuldet sind, dass sie beide frühantiken Gesellschaften entstammen. In verschiedenen Kontexten hatte ich wiederholt erlebt, dass die Forderung, nicht eurozentrische, feministische usw. Positionen in die Wissenschaft einzubringen zu einer Art Wildwuchs führten: Hauptsache außereuropäisch, Hauptsache Frauenanliegen usw. Das führte dann dazu, dass gar nicht mehr geguckt wurde, ob diese Perspektiven denn auch emanzipativ und weiterführend seien. Und genau das habe ich oben gemacht: Einen Philosophen, der Moslem war und einen arabischen Namen hatte, aber zur europäischen Geistesgeschichte gehört dem außereuropäischen Denken zugeschlagen, weibliche Denkerinnen praktischer, utilitaristischer Ethik und mystische asiatische Philosophen männlichen westlichen Erkenntnistheoretikern gegenübergestellt, nach dem von Netbitch schon gut erkanntem Motto: Frauen sind für Moral und Asiaten für Tiefsinn zuständig, die Dinge auf den Begriff bringen aber immer noch weiße Männer. Denn genau so funktioniert die Teile- und -Herrsche Logik in Teilen des Wissenschaftsbetriebs. Alltagsgeschichte ist auch keine Geschichte des Alltags, sondern eine perspektivische Geschichtsauffassung,die davon ausgeht, wie Lieschen Müller und Egon Klein aus dem Arbeiterviertel die Geschichte erlebt haben und nicht die Herrscher-und Diplomatiegeschichte des Historismus oder die Partei-und Gewerkschaftsgeschichte der Arbeiterbewegungssozialhistorie.
Genau das begreifen viele Leute, die sich heute mit Alltagsgeschichte befassen nicht.
Genau das begreifen viele Leute, die sich heute mit Alltagsgeschichte befassen nicht.
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avantgarde,
Montag, 20. Februar 2012, 10:04
Naja, wenn es selbst Wikipedia begreift: "In der Alltagsgeschichte geht es um die Frage, wie Menschen im Alltag lebten und ihr Leben und die Geschichte erlebten."
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entdinglichung,
Montag, 20. Februar 2012, 11:49
wobei anzumerken ist, dass kaum ein abendländischer Philosoph so wirkungsmächtig war wie der Oberobskurant (und Protofaschist) Platon, der zu Unrecht (wenn eine Trennung da überhaupt sinnvoll ist: http://entdinglichung.wordpress.com/2009/07/15/junge-kommunistinnen-an-der-uni-hamburg-juko-fur-eine-drogenfreie-uni-1996/ :-)) mehr Gegenstand der akademischen Philosophie als der Theologie ist ... wohingegen die klassischen chinesischen Denker (DenkerInnen) vergleichsweise rational und wenig metaphysisch argumentierten, Taoismus und Konfuzianismus dennoch tendenziel eher unter Religion verbucht werden
p.s.: Che, erinnerst du dich noch an die peinliche Losung "Wir brauchen Euren Mut und Ihr unsere Schlauheit"?
p.s.: Che, erinnerst du dich noch an die peinliche Losung "Wir brauchen Euren Mut und Ihr unsere Schlauheit"?
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che2001,
Montag, 20. Februar 2012, 12:52
Nein, diese Losung kenne ich nicht. Aber es stimmt schon: Der Konfuzianismus (eigentlich Kungfutsenismus) ist eine Staatsrechtslehre, Platons Höhlengleichnis hingegen Gnosis pur. Das aber ist einer der Splitter oder Riesenbalken im Auge der europäischen Geistesgeschichte, rationale fernöstliche Philosophie der Religion, vorzugsweise mystischer Religion, antike Theologie in der Tradition von Mysterienkulten hingegen der rationalen Philosophie zuzuschlagen. Aristoteles war der wahrscheinlich bedeutenste Logiker der Antike; dessen Größe wird dann auf seine Vorgänger Platon und Sokrates quasi rückübertragen. Dass Platon einer der 30 Tyrannen, Gegner der Demokratie und Befürworter einer Intellektuellendiktatur war bleibt dabei ebenso auf der Strecke wie die Demokratie- und Unterschichtenfeindlichkeit des Sokrates. Sophisten wie Protagoras hingegen werden gering geschätzt, weil die Sokratiker die Philosophiegeschichte prägten. Die sokratische Sicht ist die einer aristokratischen Elite, die die Oligarchie zurükwünschte und in den Königreichen des hellenismus arrivieren sollte, die Sophisten waren bürgerliche Lehrer, die die Demokratie unterstützten, ihr Relativismus war einer des Ausgleichs und der subjektiven Freiheiten.
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entdinglichung,
Montag, 20. Februar 2012, 13:11
"Wir brauchen Euren Mut und Ihr unsere Schlauheit": soll auf einem Nachbereitungsplenum nach der Hoyerswerda-Demo 1991 gefallen sein, Wir = Autonome, Ihr = migrantische Jugendliche ... passt irgendwie zu der vorherigen Diskussion
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che2001,
Montag, 20. Februar 2012, 13:39
Da fällt mir ja spontan jene Aktion in Uslar ein, als Göttinger Autonome in der Erwartungshaltung, die großen Retter zu sein zu einem von Naziskins bedrohten Flüchtlingswohnheim eilten und dort blutende und jammernde Nazis vorfanden, die von den Flüchtlingen, alten PLO-Kämpen, mit den Holzlatten des zerlegten Jägerzauns rund um das Wohnheim zusammengelattet worden waren. Auf die Frage, ob die Flüchtlinge Angst gehabt hätte zeigte ein alter Mann auf ein Arafat-Foto und sagte "Mit dem haben wir zusammengekämpft, und da fragt ihr, ob wir Angst vor ein paar 17jährigen Neonazis hätten."
Klasse dann auch die Szene, wo die Palis für die Antifas ein Schaf schlachteten, und die aßen dann nichts, weil sie überwiegend VegetarierInnen waren;-)
Klasse dann auch die Szene, wo die Palis für die Antifas ein Schaf schlachteten, und die aßen dann nichts, weil sie überwiegend VegetarierInnen waren;-)
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willy56,
Montag, 20. Februar 2012, 23:14
Um mal auf die asiatischen Denker zurückzumommen würde ich empfehlen, sich mal mit diesem zu beschäftigen: http://de.wikipedia.org/wiki/V._S._Ramachandran
Ist zwar
kein Philosoph, aber man sollte Philosophen generell nicht soch wichtig nehmen. Er schreibt:
"Als ein Mensch, der in Indien geboren und in der Tradition des Hinduismus erzogen wurde, hat man mich gelehrt, dass der Begriff des Selbst - des "Ich" in mir, das jenseits des Universums existiert und von dort herab in die Btrachtung der Welt vertieft ist - eine Illusion ist, ein Scleier namens Maya. Die Suche nach Erleuchtung bestehe darin, hat man mir gesagt, den Scleier zu lüften und zu erkennen, dass man in Wirklichkeit "eins mit dem Kosmos" sei. Merkwürdigerweise bin ich nach einer umfassenden Ausbildung in westlicher Medizin und eine rmehr als fünfzehnjährigen Forschungstätigkeitan neurologischen Patienten zu der Erkenntnis gelangt, dass an dieser Auffassung viel Wahres ist."
(V.S. Ramchandran, Die blinde Frau die sehen kann, S. 364)
Und sein fazit ist: "Die naturwissenschaften - Kosmologie, Evolutionstheorie und vor allem Neurologie - teilen uns mit, dass wir keine Sonderstellung im Universum innehaben und dass unser Gefühl, wir hätten eine private, nichtstoffliche Seele, die die Welt "beobachtet", in wirklichkeit eine Illusion ist (wie es die mystischen Traditionen des Ostens, etwa der Hinduismus und der Zen-Buddhismus, schon lange lehren). Sobald ihnen klar geworden ist, dass sie keineswegs Zuschauer sind, sondern vielmehr Teil des ewigen gezwitenstroms der kosmischen Ereignisse, wirkt diese Erkenntnis sehr befreiend. Letztlich verhilft sie auch zu einer gewissen Demut." (a.a.O., S 409)
Dem ist nichts hinzu zu fügen, Sehr angenehm gegenüber der Subjektivitätshuberei der neuzeitlichen westlichen Philosophie.
Ist zwar
kein Philosoph, aber man sollte Philosophen generell nicht soch wichtig nehmen. Er schreibt:
"Als ein Mensch, der in Indien geboren und in der Tradition des Hinduismus erzogen wurde, hat man mich gelehrt, dass der Begriff des Selbst - des "Ich" in mir, das jenseits des Universums existiert und von dort herab in die Btrachtung der Welt vertieft ist - eine Illusion ist, ein Scleier namens Maya. Die Suche nach Erleuchtung bestehe darin, hat man mir gesagt, den Scleier zu lüften und zu erkennen, dass man in Wirklichkeit "eins mit dem Kosmos" sei. Merkwürdigerweise bin ich nach einer umfassenden Ausbildung in westlicher Medizin und eine rmehr als fünfzehnjährigen Forschungstätigkeitan neurologischen Patienten zu der Erkenntnis gelangt, dass an dieser Auffassung viel Wahres ist."
(V.S. Ramchandran, Die blinde Frau die sehen kann, S. 364)
Und sein fazit ist: "Die naturwissenschaften - Kosmologie, Evolutionstheorie und vor allem Neurologie - teilen uns mit, dass wir keine Sonderstellung im Universum innehaben und dass unser Gefühl, wir hätten eine private, nichtstoffliche Seele, die die Welt "beobachtet", in wirklichkeit eine Illusion ist (wie es die mystischen Traditionen des Ostens, etwa der Hinduismus und der Zen-Buddhismus, schon lange lehren). Sobald ihnen klar geworden ist, dass sie keineswegs Zuschauer sind, sondern vielmehr Teil des ewigen gezwitenstroms der kosmischen Ereignisse, wirkt diese Erkenntnis sehr befreiend. Letztlich verhilft sie auch zu einer gewissen Demut." (a.a.O., S 409)
Dem ist nichts hinzu zu fügen, Sehr angenehm gegenüber der Subjektivitätshuberei der neuzeitlichen westlichen Philosophie.
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bersarin,
Montag, 20. Februar 2012, 23:35
Unterbietungsphantasien
Ich dachte bisher, daß den El_Mocho subjektivitätsmäßig keiner unterbieten kann. Aber der Willy, der schafft das: mit seinem Schleier der Biene Maya.
Ganz reizend-rührender Titel: "Die blinde Frau, die sehen kann". Was kommt als nächstes? "Der Frisör, der sich sein Haar spaltet - Mikrophysik der Macken"?
Was die Orthographie betrifft und um einen weiteren Schleier der Maya zu lüften: es gibt bei blogger.de eine Funktion, in welcher Schreiberin oder Schreiber die Texte sogar nachträglich korrigieren können.
Wenn einem soviel Weisheit widerfährt, ist das nicht einen Asbach Uralt wert?
(Wobei die Wendung "zurückzumommen" einer gewissen poetischen Qualität nicht enträt, die ich dem Willy gar nicht zugetraut hätte.)
Ganz reizend-rührender Titel: "Die blinde Frau, die sehen kann". Was kommt als nächstes? "Der Frisör, der sich sein Haar spaltet - Mikrophysik der Macken"?
Was die Orthographie betrifft und um einen weiteren Schleier der Maya zu lüften: es gibt bei blogger.de eine Funktion, in welcher Schreiberin oder Schreiber die Texte sogar nachträglich korrigieren können.
Wenn einem soviel Weisheit widerfährt, ist das nicht einen Asbach Uralt wert?
(Wobei die Wendung "zurückzumommen" einer gewissen poetischen Qualität nicht enträt, die ich dem Willy gar nicht zugetraut hätte.)
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willy56,
Dienstag, 21. Februar 2012, 16:42
Typische Antwort eines Ignoranten; zieht sich am Titel eines Buches hoch, das er nicht kennt. Da erübrigt sich dann auch das Eingehen auf den Inhalt, logisch.
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noergler,
Dienstag, 21. Februar 2012, 21:45
Platon als „Oberobskurant und Protofaschist“ – ersteres sagt Nietzsche, letzteres sagt Popper. Protofaschist ist Blödsinn. „Faschismus“ auch als Proto ist im Griechenland des 5. und 4. Jhdts. v.u.Z. sowieso kein anwendbarer Begriff.
Platons Idealstaat beruhte auf Kollektiveigentum (deshalb paßt's dem Popper nicht, haha!), radikaler Gleichberechtigung der Frau, Abschaffung erblicher Privilegien, Zuordnung des Einzelnen zu den Berufen nach Eignung/Leistung, wobei der Staat die Chancengerechtigkeit durch gleiche Erziehung garantiert.
Mit dabei bei den 30 Tyrannen war, meine ich, ein Verwandter Platons. Ich war damals nicht anwesend, aber zu dem was Platon schreibt, hätte das nicht gepaßt, dass er bei sowas mitmacht.
Richtig ist, dass die Künste hart reglementiert werden sollten. Das ist aber nichts, wozu einem die Ausstellung „Entartete Kunst“ einfallen darf. Es hat einen völlig anderen Grund. Wie so oft wird auch von entdinglichung die historische Differenz nicht beachtet, die es verbietet, Heutiges einfach rückzuprojezieren. Sog. „historische“ Spielfilme machen das gern, und dann reden, fühlen und handeln die Personen wie heute, nur in 500 Jahre alten Kostümen. Aber „bürgerlich“ war nicht schon immer.
Grund der Reglementierung ist, dass 500 vuZ historisch gesehen das „progressive Menschenpack“(Marx) gerade eben aus der Barbarei des Naturzustandes, dem Mythos, sich herausgearbeitet hatte. Das war noch zu nahe. Da galt es sich abzugrenzen. Platons Denken, seine Erkenntniskritik, steht selber noch mit einem Bein im Mythos: daher die Dialogform, die metaphorischen Gleichnisse, der ständige Rückgriff auf Mythen, um eigenes Denken zu verdeutlichen (und zugleich scharfe Ablehnung von Homer). Das ist nicht religiös oder obskurant, sondern eine Stufe der Erkenntniskritik, in der der Geist seine selbständige Form noch nicht gefunden hat. Das macht dann Aristoteles, dessen Hauptwerk erst mal mit der Kritik der Unzulänglichkeiten und Widersprüche der platonischen Philosophie beginnt. Aristoteles hat dann auch mit der Kunst kein Problem mehr.
Für Platon war die Herkunft der Tragödien und Komödien aus dem Dionysos-Kult noch zu nah. Platon fürchtet den Rückfall in die Barbarei und meint daher, die Gefahr durch Reglementierung der Künste bannen zu müssen. Platon hat Angst vor den Leidenschaften, die zB durch schädliche musikalische Harmonien erzeugt werden könnten. Das ist aber nicht etwa autoritäre Sexualunterdrückung, sondern der Versuch der Bewahrung der fragilen Zivilisation gegen die Gewalt des Naturzustands.
Richtig ist, dass er die Sophisten nicht leider konnte, denn die waren Konkurrenz zu seiner Akademie. Außerdem war es für den Aristokraten Platon einfach Bäh, als Lehrender Geld von den Schülern zu nehmen, ein Verbot, das natürlich die Funktion hatte, die Bildung bei den Aristokraten zu belassen, denn die konnten sich es leisten, gratis zu unterrichten.
Deshalb lag auch Hartmut mit seinem Sophistenbashing neulich so grotesk daneben. Diese Sache erinnert übrigens an die Verteufelung der Pharisäer durch Jesus. Das waren auch nicht die Oberarschlöcher, als die man sie uns verkaufen will, und auch da geht es um Bildung für viele.
„Befürworter einer Intellektuellendiktatur“ bin ich allerdings auch, unter der Voraussetzung, dass ich bestimmen kann, wer Intellektueller ist. (Dass man die Deppen nicht ranlassen kann, sehen wir doch jeden Tag.)
Bei Che habe ich da keine Bedenken, aber bei entdinglichung, na, ich weiß nicht. Ich glaube, Dich müssen wir vor die KÜSS – Kommission zur Überprüfung des Intellektuellenstatus – vorladen. Da werden Dir dann, damit Du Dich schonmal drauf einstellen kannst, Fragen gestellt wie:
„Sie gehen nachts durch den Park, zusammen mit der Transzendentalen Einheit der Apperzeption. Sie haben ein Maschinengewehr dabei. Eine Horde von Anhängern der Analytischen Philosophie bedroht Sie und Ihre Begleiterin. Was machen Sie?“
Aber Vorsicht, entdinglichung! Antworten wie „Ich habe kein Maschinengewehr dabei, wenn ich spazieren gehe, ich besitze nichtmal eins“ werden als Ausflüchte und Intellektualverweigerung gewertet.
Platons Idealstaat beruhte auf Kollektiveigentum (deshalb paßt's dem Popper nicht, haha!), radikaler Gleichberechtigung der Frau, Abschaffung erblicher Privilegien, Zuordnung des Einzelnen zu den Berufen nach Eignung/Leistung, wobei der Staat die Chancengerechtigkeit durch gleiche Erziehung garantiert.
Mit dabei bei den 30 Tyrannen war, meine ich, ein Verwandter Platons. Ich war damals nicht anwesend, aber zu dem was Platon schreibt, hätte das nicht gepaßt, dass er bei sowas mitmacht.
Richtig ist, dass die Künste hart reglementiert werden sollten. Das ist aber nichts, wozu einem die Ausstellung „Entartete Kunst“ einfallen darf. Es hat einen völlig anderen Grund. Wie so oft wird auch von entdinglichung die historische Differenz nicht beachtet, die es verbietet, Heutiges einfach rückzuprojezieren. Sog. „historische“ Spielfilme machen das gern, und dann reden, fühlen und handeln die Personen wie heute, nur in 500 Jahre alten Kostümen. Aber „bürgerlich“ war nicht schon immer.
Grund der Reglementierung ist, dass 500 vuZ historisch gesehen das „progressive Menschenpack“(Marx) gerade eben aus der Barbarei des Naturzustandes, dem Mythos, sich herausgearbeitet hatte. Das war noch zu nahe. Da galt es sich abzugrenzen. Platons Denken, seine Erkenntniskritik, steht selber noch mit einem Bein im Mythos: daher die Dialogform, die metaphorischen Gleichnisse, der ständige Rückgriff auf Mythen, um eigenes Denken zu verdeutlichen (und zugleich scharfe Ablehnung von Homer). Das ist nicht religiös oder obskurant, sondern eine Stufe der Erkenntniskritik, in der der Geist seine selbständige Form noch nicht gefunden hat. Das macht dann Aristoteles, dessen Hauptwerk erst mal mit der Kritik der Unzulänglichkeiten und Widersprüche der platonischen Philosophie beginnt. Aristoteles hat dann auch mit der Kunst kein Problem mehr.
Für Platon war die Herkunft der Tragödien und Komödien aus dem Dionysos-Kult noch zu nah. Platon fürchtet den Rückfall in die Barbarei und meint daher, die Gefahr durch Reglementierung der Künste bannen zu müssen. Platon hat Angst vor den Leidenschaften, die zB durch schädliche musikalische Harmonien erzeugt werden könnten. Das ist aber nicht etwa autoritäre Sexualunterdrückung, sondern der Versuch der Bewahrung der fragilen Zivilisation gegen die Gewalt des Naturzustands.
Richtig ist, dass er die Sophisten nicht leider konnte, denn die waren Konkurrenz zu seiner Akademie. Außerdem war es für den Aristokraten Platon einfach Bäh, als Lehrender Geld von den Schülern zu nehmen, ein Verbot, das natürlich die Funktion hatte, die Bildung bei den Aristokraten zu belassen, denn die konnten sich es leisten, gratis zu unterrichten.
Deshalb lag auch Hartmut mit seinem Sophistenbashing neulich so grotesk daneben. Diese Sache erinnert übrigens an die Verteufelung der Pharisäer durch Jesus. Das waren auch nicht die Oberarschlöcher, als die man sie uns verkaufen will, und auch da geht es um Bildung für viele.
„Befürworter einer Intellektuellendiktatur“ bin ich allerdings auch, unter der Voraussetzung, dass ich bestimmen kann, wer Intellektueller ist. (Dass man die Deppen nicht ranlassen kann, sehen wir doch jeden Tag.)
Bei Che habe ich da keine Bedenken, aber bei entdinglichung, na, ich weiß nicht. Ich glaube, Dich müssen wir vor die KÜSS – Kommission zur Überprüfung des Intellektuellenstatus – vorladen. Da werden Dir dann, damit Du Dich schonmal drauf einstellen kannst, Fragen gestellt wie:
„Sie gehen nachts durch den Park, zusammen mit der Transzendentalen Einheit der Apperzeption. Sie haben ein Maschinengewehr dabei. Eine Horde von Anhängern der Analytischen Philosophie bedroht Sie und Ihre Begleiterin. Was machen Sie?“
Aber Vorsicht, entdinglichung! Antworten wie „Ich habe kein Maschinengewehr dabei, wenn ich spazieren gehe, ich besitze nichtmal eins“ werden als Ausflüchte und Intellektualverweigerung gewertet.
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che2001,
Dienstag, 21. Februar 2012, 23:11
Wäre ich die Weltregierung, sagte ich jetzt "Grinsregierung".
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entdinglichung,
Mittwoch, 22. Februar 2012, 14:58
@noergler:
ich konvertiere zur Monadologie und schlage die Horde damit in die Flucht
habe mich ansonsten eher auf die Nomoi und nicht die Politeia bezogen
ich konvertiere zur Monadologie und schlage die Horde damit in die Flucht
habe mich ansonsten eher auf die Nomoi und nicht die Politeia bezogen
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