Sonntag, 26. Juni 2016
Die spinnen, die Briten!
Sowas kommt von sowas bzw. thit for that - offensichtlich wollten mit dem YES zum Brexit viele Leute nur dem Establishment mal ihre Meinung sagen, aber keinesfalls die Konsequenzen tragen (die unter anderem sein werden, dass Produkte wie Bier, Wein, Fleisch und Kleidung plötzlich doppelt so viel kosten wie bisher und ganzen Branchen, die auf den Handel auf dem europäischen Binnemarkt fokussiert sind ein Massensterben bevorsteht. Finanzprodukte, Fischfang und Waffen, darauf dürfte sich die britische Wirtschaft künftig konzentrieren). Da haben Millionen Leute nach der Stammtischparole "Das wird man doch noch mal sagen dürfen!" gehandelt und bekommen jetzt die Quittung. Der größte Lumpenhund ist in dem Kontext David Cameron, der den Brexit, dessen Ergebnis er nicht wollte, aus Gründen des persönlichen Machterhalts forciert hat - eine unmittelbar Eigeninteressen-zentrierte Politik wie weiland in der Römischen Republik. Der hat gute Chancen, als schlechtester Premier aller Zeiten in die Annalen einzugehen. Und wenn demnächst Schottland sich für die Unabhängigkeit und Nordirland für die Republik Irland entscheidet, dann ist Great Britain history.

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Mich hat bei diesem ganzen Brexit-Shit vor allem gewundert (und enttäuscht und nachdenklich gemacht), dass der alte Monty-Python-Fahrensmann John Cleese sich öffentlich dafür ausgesprochen hat...

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Ja, bizarr das alles....

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@tx666: Echt? Ich könnte mir das damit erklären, dass man in einem Umfeld mit relativ homogener Meinung gerne mal den advocatus diaboli gibt.

So wie der junge Mann, der diesen Artikel hier verfasst hat. Das war jetzt auch kein glühender Nationalist und Globalisierungsverlierer, sondern ein recht eigenständig denkender junger Mensch, der überdies nicht unbedingt damit gerechnet hat, dass die Mehrheit tatächlich für den Brexit stimmt.

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Sehr guter Artikel, danke.

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Besonders zutreffend finde ich den Punkt, dass den Befürwortern einews Verbleibs außer O Gott, die Sonne wird sich verfinstern und wir werden alle sterben nicht viel eingefallen ist, keine wirklich positive Vision, wie mit dem undemokratischen und überbürokratischen Moloch in Brüssel künftig zu leben sei.

Man muss freilich auch dazusagen: Der Vater des Verfassers ist ein Ex-Investmentbanker, der auf Unternehmensberater in Sachen Merger & Acquisition umgesattelt hat. Auch wenn da jetzt ein paar Deals platzen aufgrund geänderter Rahmenbedingungen, mittelfristig wird sich dadurch der Beratungsbedarf erhöhen, und so muss sich Papa eigentlich wenig Sorgen machen. Der war auch der einzige in seinem Umfeld, der auf Brexit gewettet hat...

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Wirklich spannend finde ich da Herrn Iglesias, der für den Verbleib Spaniens in der Eurozone und eine Reform der EU an Haupt und Gliedern eintritt.

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Unter uns gesagt halte ich die EU für nicht reformierbar, solange da noch Gestalten wie Juncker und Schulz das Sagen haben. Deutschland, vertreten durch Frau M., wirkt da wahrscheinlich auch eher als Bremsklotz denn als Katalysator einer Reform.

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...und Öttinger nicht zu vergessen. Als Komiker könnte ich ihn wohl akzeptieren, aber als mächtigen Mann, der die Interessen von Europas Bürgern vertritt, so rein garnicht.

Überhaupt: Das ständige "Integrations"-Gerede der letzten Jahrzehnte, was im Kern doch noch ein Anagramm der Machtinteressen europäischer Eliten war (d.h. Polit-Eliten, aber auch konzerngebundener Eliten), das ist in meinen Augen keine positive Vision, welche das ständige Auswuchern des europäischen Macht- und Staatsapparates bzw. seinen Einfluss rechtfertigt.

Es gibt nun einmal eine Demokratielücke in der "europäischen Idee" - und so rein gar keine praktikable und vor unseren Türen stehende Idee, pardon, wie diese zu überwinden ist.

Wer es etwas böser sagen will, kann dieses politische Europa für ein Entdemokratisierungsprojekt halten. Eine andere Frage ist, ob so etwas wie ein Brexit eine wirklich gute Idee ist.

Aber vielleicht folgt das schlicht der Logik des "Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht" - mit anderen Worten, das ständige Selbstabfeiern der europäischen Eliten und ihrer ach-so-großartigen "europäischen Idee" (d.h. ständiger Machtzuwachs für die EU-Bürokratie) war brüchig - und es war nur eine Frage der Zeit, dass sich hier deutliche Risse zeigten.

So unverantwortlich, und ja, auch menschenfeindlich sich die Brexit-Befürworter aufgetreten sind - die Gegenvision eines "wir-machen-in-Europa-einfach-weiter-wie-gehabt" ist nicht so viel besser, wie es nötig wäre, um es zu verteidigen.

Interessanter Weise wird bislang noch garnicht (!) von den Konsequenzen gesprochen, welche in "Europa" (also der EU-Bürokatie) zu ziehen sind, zumal ein wesentlicher Netto-Finanzierer nunmehr ausfallen wird. Und auch die vielen anderen Konsequenzen - kaum etwas wird hier öffentlich diskutiert. Eigentlich müsste jetzt ein Ruck durch die europäischen Institutionen gehen und das Gesamtprogramm um mindestens 10 Prozent gekürzt werden. Es müsste um Demokratisierungsprojekte gehen, um bessere Einbindung der Bürger und vieles mehr.

Nichts davon.

Man geht wohl davon aus, GB einfach seine Bedingungen reindrücken zu können - und dass die Zahlungsströme unverändert bleiben.

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http://www.spiegel.de/politik/ausland/realitaetscheck-nach-dem-brexit-a-1100473.html

Diese ganzen unerträglichen lechts und rinks Populisten schwafeln so gerne von von Partizipation des "Volks" in demokratischen Entscheidungsprozessen.
Das erfordert aber sehr verantwortungsbewusste, skeptische und informierte Bürger. Nur sind die Exit Wähler offensichtlich selbst zu einfachen Opfern der populistischen Wahlversprechen von Manipulations-Profis geworden. Damit haben sie sich für für die Partizipation in demokratischeren Entscheidungsprozessen nachgewiesen disqualifiziert.

Zu Pablo Iglesias: Ich schau seit Jahren dessen Diskussions-Sendung "Fort Apache" des spanischsprachigen Fernsehsenders der Islamischen Republik in HispanTV über youtube. Iglesias Eloquenz besitzt einen hohen Unterhaltungswert. Letztlich erscheint der mir als ein Musterbeispiel für eines mega-autoriären Lenk-Demokraten. Das ist zu offensichtlich, als dass sich die PSOE jemals auf eine Koalition mit dem einlassen würde. Sollte der eines Tages in Spanien Macht erhalten, wird der in Europa sofort kaltgestellt.

Für mich hat der sich auf menschenverachtende Weise nachgewiesen in Venezuela während des Ölbooms Millionen von Euro besorgt, um sein politisches Projekt zu starten. Er trägt Mitschuld an der apokalyptischen Situation dort.

Demokratie nach Iglesias bedeutet: Die Versammlung tagt und tagt und tagt. Pablo entscheidet.

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Die Verbindung von Podemos zu den venezolanischen Chavistas ist natürlich brisant, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die spanische Rechtspresse ihm da nicht was in die Schuhe schieben will.

Zu Venezuela gibt es eine interessanten Artikel in der TAZ: http://blogs.taz.de/latinorama/2016/06/21/auf-tigerfang-in-venezuela/

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Guter Bericht. Ich denke, er schildert die Verhältnisse sehr realistisch.
Wenn Leute wie Sahrah Wagenknecht oder Ignacio Ramonet an diesem Punkt wenigstens sagen würden: "Die haben halt gut gezahlt" oder "Ich hatte eigentlich überhaupt keine Ahnung, was ich da erzählt hab. Ich fand, es klang irgendwie gut und schliesslich kam es ja auch gut an".

Zu den Beratertätigkeiten der Herrschaften von Podemos gibt es klare Belege.
Als Monedero letztes Jahr mit seiner "wissenschaftlichen" Beratertätigkeit aufgeflogen ist, hat er dann schnell noch mal seine Steuererklärung umgeschrieben.
Bei seiner "wissenschaftlichen" Studien gings um die Auswirkungen einer Währungsunion auf Venezuela, Ecuador, Nicaragua und Bolivien.
1. Ist das ein Standardthema, das zu meiner Zeit auf der Uni in Hauptseminarsarbeiten behandelt wurde.
2. Macht das sowieso keinen Sinn zwischen Ländern, die so gut wie keinen Handel miteinander haben.

Viele feine europäische und nordamerikanische Intelektuelle, Publizisten und Politiker waren als Berater oder PR Agenten an dieser größte humanitäre Katastrophe seit Maos Kulturrevolution an prominenter Stelle beteiligt. Ohne diese ausländischen Claqueure wäre wohl nie soweit gekommen. Angesichts des Ausmasses des Desasters hoffe ich, dass die Herrschaften bis an ihr Lebensende daran erinnert werden.

Für mich sind das Kriminelle in Nadelstreifen.

Wegen mir soll Corbyn oder Iglesias ruhig einfach mal gewählt werden. Dann kann man hier mal aus der Nähe zugucken.


El 27 de enero de 2015 la Hacienda española y la Universidad Complutense de Madrid iniciaron sendas investigaciones contra él por sus servicios de asesoría a los gobiernos de Venezuela, Bolivia, Ecuador y Nicaragua realizados en 2010 para la creación de una unidad monetaria en Latinoamérica, por los cuales habría percibido 425 000 euros.22 23 Posteriormente presentó una declaración complementaria de su renta como persona física, ya que en 2013 había creado la empresa Caja de Resistencia Motiva 2, sin empleados ni estructura organizativa, para facturar el dinero obtenido en estos trabajos, declarando su renta mediante el impuesto sobre sociedades.24

https://es.wikipedia.org/wiki/Juan_Carlos_Monedero

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Die Staatsanwaltschaft in Madrid hat allerdings grade die Eröffnung eines Verfahrens gegen Iglesias abgelehnt:

http://politica.elpais.com/politica/2016/06/30/actualidad/1467269276_448118.html

Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll.

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Da wird ja weniger in Abrede gestellt, daß Gelder geflossen sind, sondern lediglich, dass die Zahlung dieser Gelder - die jetzt in Venezuela für die einfachsten lebenserhaltenden Medikamente fehlen - möglicherweise nicht gegen Spanisches Recht verstossen.

Das "Forschungs"-Zentrum namens fundación CEPS aus dem Podemos entstanden ist, hatte auf jeden Fall Berater-Aufträge für die Bolibananischen. Für ein "Forschungs" Zentrum ist das formal-juristisch auch nicht weiter problematisch, für eine Partei schon.

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Na ja, die westeuropäische Linke hatte insgesamt ja mal Sympathien für Chavez (ich in begrenztem Umfang auch), weil auf dem Höhepunkt des Neoliberalismus ein demokratisch gewählter Präsident sozialreformerische mit antikapitalistischen und antiimperialistischen Positionen verband und eine putschistische bürgerliche Gegenbewegung sich exakt so benahm und aufführte wie die Leute (topfschlagende Bürgertussen) die Allende zum Fall und Pinochet an die Macht verhalfen. Was ich schon absurd fand war die Tatsache, dass linke Gruppen, die z.B. aus dem Umfeld der Autonomen Antifa (M) hervorgegangen waren wie der Arbeitskreis Neues Historisches Projekt in Teilen den Chavismus oder besser gesagt dessen Kooperation mit europäischen Linken wie den Genannten als "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" abfeierten. Andererseits: Hätte der Hauptstaat der Konterrevolution und des reaktionärsten Gesellschaftsmodells weltweit, Saudi-Arabien mit den öligen Emiren im Schlepptau nicht in der Absicht, den Iran zu schwächen die Welt mit Billigöl geflutet, mit Konvergenzeffekten auf die alternativen Energien und die sozialen Bewegungen im Trikont, dann könnte das Modell sogar noch funktionieren. Der Hauptfehler der Linkspopulisten ist indes, der Illusion anzuhängen, es könnte überhaupt eine Rückkehr zum Keynesianismus geben. Die einzige Alternative die es gibt ist forcierter Klassenkampf.

Aus meiner Sicht sind Leute wie Chavez oder Iglesias, neben persönlichen Charakterdefiziten wie extremem Narzissmus halt nicht zu radikal, sondern viel zu gemäßigt.

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Chavez war zweifellos eine charismatische Person, die mich zeitweise auch fasziniert hat, aber sein ganzes Projekt hing am hohen Ölpreis, als dieser fiel, ging es damit zu ende. Die haben einfach immer mehr Öl gefördert und auf den Markt geschmissen (teilweise sogar fast verschenkt, wie an Cuba), anstatt Geld in das eigene Land zu investieren; keynesianistische Politik haben die nie gemacht. Ich würde sagen es ginge Venezuela heute viel besser, wenn man auf eine Diversifizierung der Wirtschaft weg vom Öl und auf Ausbau der Landwirtschaft (Venezuela importiert schon immer im großen Stil Lebensmittel, anders als z.B. Kolumbien) gestzt hätte. Hat man aber nicht, man musste ja gegen den US-Imperialismus kämpfen.

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Che,

mein Eindruck ist ja, dass einer in vergleichsweise saturierten Verhältnissen lebenden westeuropäischen und nordamerikanischen "Linken" von gewissen furchtlosen Gedankenführern mundgerechte Häppchen gereicht werden, die diese dann ungeprüft in sich aufzunehmen haben.
Der Widerstand gegen Allende kann sich nicht auf ein paar ältere Frauen beschränken, wenn in einem sehr polarisierten Klima die Opposition gegen ihn die Parlamentswahl im März 1973 mit 55 zu 45% verloren haben. Und nach diesem Zeitpunkt verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage für die Bevölkerung erst richtig. Auch wenn die Anekdote dieser Frauen aus Las Condes und bestimmten Adressen aus Providencia seit 1974 tausendfach wiederholt wurde, macht es sie nicht repräsentativer für den sozio-ökonomischen Querschnitt des Unmuts mit der UP.

Beim sogenannten "Putsch gegen Chávez" im April 2002 verhielt es sich ganz ähnlich. Hier die zur Zeit ernsthafteste Kurzzusammenfassung http://www.caracaschronicles.com/2016/04/11/52633/
Und nein. Auch wenn ein irischer "Dokumentarfilm" die Ereignisse nachweislich verzerrt darstellt "mal auf Arte gelaufen" ist, macht aus Lüge keine Wahrheit. Manche selbsternannte "Linke" argumentieren so.

Der Begriff Keynesianismus wird so unscharf verwendet, dass er keinen Wert in einer ernsthaften Diskussion mehr enthält und Keynes kann sich nicht wehren. Wo hat Keynes gefordert, dass die eine Regierung mit extremen Ansprüchen der zentralisierten Entscheidung verbunden mit einer unglaublichen Neigung zur Improvisation alle wichtigen Preise der Ökonomie auf Punkt und Komma festlegt und gewohnheitsmässig bei guten Terms of Trade ein >10% Haushaltsdefizit mit der Notenpresse finanziert?

Die aktuell sehr starke Depression Venezuelas ist die stärkste Kontraktion einer Volkswirtschaft in Friedenszeiten der Menschheitsgeschichte, wenn wir von extrem letalen Massen-Epidemien wie Pest oder Amerika nach der Konquista absehen. Diese Depression begann im Sommer 2014, also 5 Monate vor dem Sinken des Ölpreises.
Hier ein paar Diskussionen mit pro chavistischen Akademikern aus westlichen Ländern.
Anfang 2015: https://www.youtube.com/watch?v=WmMUA4Bj6e4
Mai 2016 https://www.youtube.com/watch?v=RKc_EN670vY
Aktuell: http://whyy.org/cms/radiotimes/2016/06/24/venezuelas-economic-crisis/
März 2015 (spanisch) http://www.azzellini.net/node/2839
Oder der Klassiker aus dem März 2013: http://www.azzellini.net/interviews/venezuela-noch-einen-hugo-bitte

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Der größte Lumpenhund ist in dem Kontext David Cameron,

Und was ist dann Boris Johnson?

Nachtrag: Während sich die Labour Party gerade selbst zerlegt, läuft es bei den Tories auf Theresa May oder Michael Gove hinaus - den seine eigene Ehefrau für einen Idioten zu halten scheint. Aber Gove hat das Wohlwollen von Murdoch. Hybsch.

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Chavez ist durchaus radikal: "Die Welt hat genug für alle, aber es stellt sich heraus, dass einige Minderheiten, die Nachkommen derer, die Christus kreuzigten, die Nachkommen derer, die Bolívar von hier verjagten und ihn auf andere Art in Santa Marta kreuzigten, dort in Kolumbien. Eine Minderheit hat sich der Reichtümer der Welt bemächtigt. Eine Minderheit hat sich des Goldes, des Silbers, der Mineralien, des Wassers, der guten Landstücke, des Öls, der Reichtümer bemächtigt und sie haben alle Reichtümer in den Händen weniger vereint: weniger als 10 % der Weltbevölkerung besitzt mehr als die Hälfte des Reichtums der Erde…"

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Die Schwierigkeit lag nicht in der Botschaft, sondern in der Art der Umsetzung. Die Feinde im eigenen Land sind indessen in ihrer Mehrheit erbärmlich.

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Wegen genau dieser Äußerung ist Chavez übrigens des Antisemitismus vergeworfen worden (Juden = Christusmörder). Ich habe damals im spanischen Origitnaltext nachgeschaut, und da war ausdrücklich von den Reichen die Rede.

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Die "Feinde im eigenen Land" sind aber inzwischen ganz gewöhnliche Venezolaner, halt alle, die nicht direkt vom System der PSUV (Chavez-Partei) profitieren.

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Natürlich sagt er nicht direkt die Juden. "de los mismos que crucificaron a Cristo" Wenn der Text bei Wikipedia stimmt.

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Der originaltext der Ansprache ist leider nicht mehr online. Wenn ich mich recht erinnere war da ausdrücklich von den Reichen (los ricos) die Rede.

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Willy, im Originaltext (jedenfalls nach Angabe der Chavistas, bei denen ich nachgelesen habe) ist ebenfalls von "de los mismos que crucificaron a Cristo" die Rede.

Chaves (den ich schon immer für ziemlich überschätzt hielt, und dessen Nachfolger sogar für einen ausgemachten Deppen) hat aber an anderen Stellen diese latent judenfeindlichen (bzw. auf entsprechende Stereotypen hin zielenden) Andeutungen und Anschuldigungen nicht wiederholt.

Insofern würde ich die konkrete Rede von Chavez (der sich vermutlich auch von Redenschreibenr zuliefern lässt) insgesamt als "leicht antisemitisch" einstufen, den ganzen Mann hingegen nicht als antisemtisch.

Jedenfalls nach meinem jetzigen Informationsstand. Für mich ist Chavez, um es kurz zu machen, nur einer von vielen, welche die Verteilung von Reichtum ins Zentrum ihrer ökonomischen Vorstellungen gerückt haben.

So berechtigt auch sein mag - das reicht halt nicht. Darüber hinaus hat er eine parteibezogene Günstlingswirtschaft gefördert, dem es ebenfalls nicht um Leistungsprozesse ging, sondern nur ums Sichbedienen.

Das Ergebnis davon lässt sich jetzt mühelos betrachten.

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Es gibt eine unerfreuliche Tendenz, Antiimperialisten klassischen Typs pauschal Antisemitismus zu unterstellen und diesen Vorwurf nicht von einer grundsätzlichen Kritik an Israel zu trennen. Auch Antizionismus läuft nicht zwingend auf Antisemitismus hinaus. Die Feinabstimmung zwischen diesen Dingen zu trennen sollten Intellektuelle durchaus aufbringen.


Dass der venezolanische "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" ein tragischer Irrwitz ist steht auf einem ganz anderen Blatt. Schöne Chancen wurden da vertan.

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Ob Chavez selbst Antisemit ist, ist relativ egal. Die Rede, wenn so gehalten, bedient "das Gerücht, das Gerede über die Juden" klassisch. In dem Texteil sehe ich keinen Antizionismus, aber du Che tust auch immer so, als gäb es gar keine Verbindung zwischen Antisemitismus und Kritik am jüdischen Staat, der als Sinnbild der Juden herhalten muss. Dass dieser Staat sich selbst anmasst, für alle Juden zu sprechen, tut dabei nicht zwingend was zur Sache. Aber ich bin diese Diskussion leid.

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Nein, ich behaupte überhaupt nicht, dass es keine Verbindung zwischen Antisemitismus und Kritik am jüdischen Staat gäbe. Aber die Position des klassischen Antiimperialismus (die ich als Vertreter des Neuen Antiimperialismus selber überhaupt nicht vertrete) ist eine ganz Andere. Da erscheint Israel als ein Apartheid-ähnliches Staatsgebilde, das die Palis von Bürgerrechten ausschließt, ganz ähnlich, wie die Römer mit "Barbaren" umgegangen sind. In dieser Sichtweise, die z.B. vom ANC, der OAU und fast allen marxistischen Gruppen im Trikont vertreten wird gehört Israel neben den USA und allen nichtsozialistischen Staaten Lateinamerikas zu den "Siedlerregimen", die indigene Bevölkerungen als Menschen zweiter Klasse gegenüber der eingewanderten Elite ansehen. Aus dieser Sicht sind etwa Palis, First Nations wie Sioux oder Comanche oder Inuit vergleichbar: Unterworfene Ureinwohner ohne Bürgerrechte. In den 1980ern erschienen, das war damals linker Konsens, Pinochet-Chile, Apartheid-Südafrika, Generäle-Diktaturen wie El Salvador und Israel als eine zusammenhängende Front: Die reaktionären Rassistenstaaten. Wie gesagt, ich teile das nicht. Aber in der internationalen linken Debatte spielt das bis heute eine maßgebliche Rolle.

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Wobei es auch Juden gibt, die behaupten, dass es vor der Gründung Israels überhaupt keine sich als "Palästinenser" verstehende Bevölkerung in dem entsprechenden Gebiet gegeben habe und die Entstehung der Palästinenser als Volk Teil der arabischen Politik zur Vertreibung der Juden ist.

Alan Dershowitz schreibt glaube ich entsprechendes.

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Wieder Andere sind der Auffassung, die Palästinenser seien die alten Philister, und Hardliner beider Seiten begründen z.T. Gebietsansprüche mit Grenzverläufen aus biblischen Zeiten.

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Dass in dieser Rede antisemitische "Argumentations"figuren verwendet wurden, kann doch kaum bestritten werden. Schuld daran (dass dieser Quark von ach-so-tollen Chavez verwendet wurde) ist aber nicht der Antisemitismus der Chavez-Linken, sondern etwas anderes. Und das ist nämlich auch sehr traurig:

Ein zentraler (!) Wesenskern des ""Sozialismus des 21. Jahrhunderts" besteht nämlich darin, andere für Unzulänglichkeiten und Mangelsituationen verantwortlich zu machen. So sind es in dieser Rede halt die "Christusmörder", die 50 Prozent des Reichtums der Erde sich angeeignet haben etc. pp. Genauso sind es eben auch automatisch "Kontrarevolutionäre", wenn sich treue (!) Chavez-Anhänger erdreisten, die Wirtschaftskonzeption von Madura zu kritisieren oder die tatsächlich dramatischen Versorgungsmängel im Land offen anzusprechen, ohne gleich die USA als Haupttäter zu brandmarken.

Die Anhänger von Maduro pflegen einen verschwörologischen Politikstil. Inzwischen sind sie mir sogar unangenehmer (trotz der erreichten sozialen Errungenschaften) als die blindblöd neoliberale Opposition.

Allein schon das wirklich irre (!!) Wechselkurssystem, das den Staats- und Systemnahen ermöglicht, Dollar zum extrem verbilligten Vorzugspreis anzukaufen, um diesen dann sogleich mit riesigen Handelsgewinn zu verkaufen. Ich glaube, nach ausgiebiger Beratung durch linke Ökonomen dämmert den Maduristen so allmählich, dass dieses System einfach nur dämlich ist.

Aber sonst? Denen dämmert darüber hinaus so rein garnichts. Sie versuchen die allgemeine Versorgungskrise durch eine Art kollektive Subsistenzwirtschaft einzudämmen, was zwar drollig ist, aber effektiv nur wenig zur Lösung der Versorgungskrise beiträgt.

Effizientes und produktives Arbeiten organisieren, überhaupt: Produktionsbetriebe auf die Beine stellen und die produktiven Kräfte im eigenen Land zur Entfaltung bringen, durchaus auch Marktkräfte zur Entfaltung bringen - zum Wohle der Allgemeinheit (übrigens auch vorbei am Korruptionsregime der Maduristen): Davon ist nicht einmal entfernt die Rede. Stattdessen hofft man einfach auf steigende Erdölpreise.

Das, sowie ein Tanz verschiedener Kollektivformen (ohne ökonomische Basis versteht sich), das ist schon das ganze Wirtschaftskonzept der Maduristen. Und wie schön es doch sei, dass die Bevölkerung so wunderbar politisiert sei. Unter den Ergebnissen dieser Ideen leiden besonders jene Schichten, die keine besonders guten Familien- oder Staatskontakte (wie z.B. die Funktionäre und Aktivisten unter Maduro) haben.

Hunger!

Nackter Hunger ist die Lebensrealität inzwischen recht breiter Kreise der Bevölkerung (ich schätze: 20-30 Prozent). Und, was die Maduristen nicht verstehen: Genau das wird ihnen das Rückgrat zerschmetttern. Ein leerer Magen ist immer lauter als die allerlauteste Propaganda und Beschwörung der Gefahr, die der politische Gegner verkörpere.

In spätestens zwei Jahren sind sie weg. Das war es dann mit dem ""Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Vermutlich geht es sogar noch schneller.

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Ich fürchte du hast recht.

Übrigens hat man die Grenze zu Kolumbien wieder geöffnet:

http://internacional.elpais.com/internacional/2016/07/11/colombia/1468200200_093110.html

Tausende von Venezolanerinnen können jetzt in Kolumbien das einkaufen, was es in Venezuela nicht gibt.

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Dean,

die Mesa de Unidad Democratica ist ganz sicher nicht "blindblöd neoliberal". Das reicht von sozialdemokratisch bis eben auch neoliberal. Charakteristisch für Venezuela ist gerade, dass die sich in den heydays de Neoliberalismus 1985 bis 1998 nie darauf eingelassen haben. Der Versuch unter Moses Naím wurde nach dem Caracazo aufgegeben.
Ich hab das so nirgendwo gefunden, aber es mag sein, dass durch die relative ökonomische Attraktivität des Landes dank des Erdöls, zwischen 1935 und 1980 vergleichsweise viele gut ausgebildete Ausländer aus der Karibik, Lateinamerika und zeitweise auch Nordamerika und Europa ins Land kamen, die einen Aufstieg von Einheimischen möglicherweise erschwerten.

Die Wirtschaft ist nach dem nun bald 20-jährigen Experiment dermaßen am Boden, dass gar nichts anderes mehr übrig bleibt als ein brutales Konsolidierungsprogramm. Wünschen tun sich das Politiker wie Chuo Torrealba oder Henrique Capriles sicher nicht, Henry Ramos Allup oder Leopoldo López schon eher.
Beste Kurzeinblicke zur "Ökonomie" der letzten 17 Jahre liefern:
Das aus dem Japanischen übersetzte Schaubild unten im Text http://www.caracaschronicles.com/2016/02/23/the-day-caracas-chronicles-went-viral-in-japan/
und http://daniel-venezuela.blogspot.de/2016/07/ruining-venezuela-private-sector.html
(wer Wirtschaft langweilig findet, gib dem eine Chance. Das hat mehr gemein mit The Sopranos als mit Wirtschaft)

Das Ding mit der Subsistenzlandwirtschaft in Städten ist reines Bla Bla. Das reicht hinten bis vorne nicht. Kennzeichnend für die Maduro-Regierungszeit ist halt die Einstellung jedes ernsthaften Versuchs das sinkende Schiff in irgendeine Richtung zu steuern und gleichzeitig jede Woche eine neue Nebelkerze zu werfen. Schließlich verdienen die Machthaber sehr gut am Untergang. Vom Volk haben die sich vor sehr langer Zeit verabschiedet.

Für die Lateinamerikanische Linke sieht es insgesamt nicht gut aus. Die von mir trotz allem irgendwie auch geschätzte Nueva Mayoria in Chile hat nach gröbsten kommunikativen und technischen Fehlern ihrer Reformbemühungen verbunden mit unglaublichen Korruptionsskandalen außer in der mehr langfristig wirkenden aber sehr guten Energiepolitik und einem ganz guten Wirtschaftsminister in der Wählergunst völlig abgewirtschaftet. Sebastián Pinera wird wohl eine 2. Amtszeit bekommen, wobei seine Beliebtheit dann ab dem 2. Jahr wieder absacken wird.

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@"Sie versuchen die allgemeine Versorgungskrise durch eine Art kollektive Subsistenzwirtschaft einzudämmen, was zwar drollig ist, aber effektiv nur wenig zur Lösung der Versorgungskrise beiträgt." ---- Das nun ist gar nicht drollig, sondern angesichts von Hunger und Kapitalvernichtung das Einzige, was da überhaupt noch sinnvoll ist, hatte auch auf dem Höhepunkt der Argentinienkrise so um 2000 funktioniert. Für die Armen ist das Zurückgreifenkönnen auf Subsistenz eh das Einzige was übrigbleibt.

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Für die Armen und Hungernden ist Subsistenzwirtschaft eine essentielle Überlebensstrategie - das ist gar keine Frage. Nur, das was die Maduristen daraus machen, nämlich ideologisch total überhöhte, in Hinblick auf die Produktivität fehlgeleitete, komplett idiotisch aufgebaute kollektive Subsistenzprojekte, das ist schlicht unanständig. Da werden dem hungerndem Volk winzige, kollektivistische Globuli ausgereicht, und man tut ernsthaft so, als ob das Versorgungskrise überwinden helfen könnte.

Es werden also in seeliger Kollektivarbeit winzige Minigärtchen bewirtschaftet (die man den ausländischen, hoffentlich sehr links eingestellten Beobachtern stolz vorführt), die nicht einmal im Ansatz die zur Verfügung stehende Fläche, geschweige denn die landwirtschaftlichen Möglichkeiten bzw. das maximale Produktionspotential auszureizen versuchen.

Sehr hübsch zu betrachten und den von urban gardening verwöhnten europäischen bzw. us-amerikanischen Mittelschichtlern sicherlich auch sehr vetraut vorkommend. In Wahrheit ist das nur geschäftige Ideologie und pseudokollektive Selbstbeschäftigung an Stelle von echten Problemlösungen.

Venezuela ist dabei - prinzipiell - so ein reiches Land! Was hier allein im Bereich der Landwirtschaft möglich wäre! Stattdessen fingert man ständig an den Abgabepreisen herum, glaubt, damit die Versorgungskrise lösen zu können, und reibt sich dann verwundert die Augen, dass in einem solchen System Lebensmittel stattdessen z.B. nach Kolumbien (schwarz natürlich) exportiert werden.

Ich bin weit weg davon, die Devise "Der Markt ist die Lösung" für eine adäquate und universale Losung zur Überwindung sozialökonomischer Probleme zu halten, aber die Naivität und schiere Dummheit und das Zerstörungspotential der Maduristen im Bereich der Wirtschaftspolitik ist atemberaubend.

Ein wenig marktwirtschaftliches Denken würde dieser verrotteten Bewegung sicher nicht schaden.

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che: Du behauptest doch selbst, zu recht oder zu unrecht, dass Israel ein Apartheidsstaat ist, in seiner heutigen Realität und wie gesagt, in dem zitierten Teil kommt kein Antizionismus vor. Du aber so: "Wäh wäh immer bashen sie den Antimperialismus, dawei ist er nur antizonistisch!" Darum geht es dir.

Und es ist immer wieder erstaunlich, wie du den Antisemitismus vollkommen abspaltest. Wieso reicht dieser "alte" Antimperialismus, der Antizonismus nicht in den Antisemitismus rein bzw. umgekehrt? In Nationalismus, Kulturalismus reicht er ja wohl rein. Und wieso gibt es laut Che keinen Antisemitismus im Nahen Osten (leben die hinterm Mond?), sondern nur ehrlichen Hass auf Israel, als Staatsmacht? So hast du es doch gesagt.

Und dein Spott, man hätte ja den strukturellen Antisemitismus nie gefunden, zeugt von einer dümmlichen Ignoranz.

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Nö. Der alte Antiimperialismus kritisierte "Siedlerstaaten", in denen eingewanderte Oberschichten die indigene Bevölkerung unterdrücken und ausbeuten und meinte damit in erster Linie alle weißdominierten Staaten Gesamtamerikas, Apartheid-Südafrika, Israel. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich in den 1980ern, gab es ein informelles Bündnis aus Pinochet-Chile, Apartheid-Südafrika und Israel in Form von Geheimdienst-Zusammenarbeit, gegenseitigen Waffenlieferungen usw. , das von AntiimperialistInnen, nicht nur in Europa, sondern auch von der OAU oder praktisch der gesamten lateinamerikanischen Linken als vorderste Stoßfront des rassistischen Imperialismus wahrgenommen wurde und als ein gegebener Gesamtfeind gesetzt war. Ich habe das nie geteilt, der Neue Antiimperialismus ist ja eine Absetzbewegung von diesen nationalistischen Zuschreibungen zu einer unterschichtsorientierten globalen Klassenkampfperspektive, aber mit Antisemitismus hat diese globalstrategische Einordnung nichts zu tun. Da ist Floyd Westermann mit "Custer did for your sins"

https://www.youtube.com/watch?v=oY_a-HjdiOE

oder Black Power näher dran. Die Antideutschen haben diese Wahrnehmung in Deutschland sehr umgekrempelt, aber nur im deutschen Sprachraum, und sind damit wiederum sehr deutsch. Der Klassische Antiimperialismus ist noch im Welztsozialforum sehr präsent, er irrt sich dort, ist aber nicht antisemitisch.


Dass es Antisemitismus im Nahen Osten nicht gäbe habe ich im Übrigen nie behauptet, er hat bei der Hamas auch exterminatorische Züge. Aber dieser Antisemitismus der religiösen Fundamentalisten und/oder Verschwörungstheoretiker oder arabischen Nationalisten hat nichts mit marxistisch-leninistisch begründetem Antiimperialismus zu tun. Es gibt da durchaus Schnittmengen, die ergeben sich aber eher aus der Gemengelage strategischer Bündnisse.

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Ja wie jetzt? Gibt es nun im "alten" Antimperialismus antisemitische Elemente? Bei Nationalismus und Kulturalismus stimmst du mir ja zu. Ich würde sagen ja natürlich, weil da der Feind Usrael ist und man diese Bewegungen nicht vollkommen außerhalb der Geschichte und den bürgerlichen Gesellschaften denken kann, die sind ja rassistisch, antisemitisch. Ja mir ist klar, dass man die europäischen und US-amerikanischen Gesellschaften nicht überall hin absolut übertragen kann. Man kann aber auch nicht so tun, als hätte es da keine Angleichung gegeben, keine "Globalisierung", wie das ja gerne genannt wird. Ist halt ein kapitalistischer Strafplanet.

Das was du Neuen Antiimperialismus nennst, scheint mir einfach Operaismus zu sein oder Post-Operaismus. Und ob man da nicht gerne beim Thema Antisemitismus taub und blind tut, da stell ich mal ein großes Fragezeichen.

Das Weltsozialforum ist wohl eine Anspielung auf die globalisierungskritische Bewegung. Aber wir brauchen auch nicht so tun, als gäbe es diesen alten Antiimperialismus nicht. Es gibt in Deutschland Stalinos, Trotzkisten, Gegenstandpunktler, (Maoisten vielleicht nicht mehr) die in den Bahnen denken, woanders sind solche Gruppen mitunter präsenter, als Operaisten, Wertkritiker, undogmatische Linke, "Post-Leninisten" etc.

Für mich klang das anders: "Die Behauptung, der Hass der arabischen Welt auf Israel gehe auf europäischen Antisemitismus zurück ist eines der vielen falschen Ideologeme der Antideutschen. Zwar ist es richtig, dass die Nazis den Großmufti von Jerusalem indoktrinierten und auch die Gründer der Moslembruderschaft, und dass Sayed Qutb einen Islamfaschismus zur Ideologie der Hamas machte. Moslembrüder und die Hamas würden ohne die Nazis wohl nicht existieren. Dennoch ist es zu einfach, diese eher singulären Bewegungen für den arabischen Israelhass insgesamt verantwortlich zu machen, der meines Erachtens kein importierter europäischer Antisemitismus ist. Seine Grundlage ist das israelische Besatzungsregime und die Tatsache, dass Israel als Implantat amerikanischer Wirtschaftsinteressen im Nahen Osten wahrgenommen wird. Und das ja auch nicht zu Unrecht."

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@ "Das was du Neuen Antiimperialismus nennst, scheint mir einfach Operaismus zu sein oder Post-Operaismus. Und ob man da nicht gerne beim Thema Antisemitismus taub und blind tut, da stell ich mal ein großes Fragezeichen. " --- Der Neue Antimperialismus hat ja nun gerade große Verdienste sich erworben zur Aufarbeitung des Antisemitismus und seiner schlimmsten Auswüchse, Bücher wie "Revolte gegen die Vernichtung. Der Aufstand im Warschauer Ghetto" von Reuben Ainsztain und der größte Teil der Gemeinschaftswerke von Götz Aly und Susanne Heim, der ganze Ansatz der "Ökonomie der Endlösung" stehen in diesem Kontext. Denen Blindheit und Taubheit zum Thema Antisemitismus zu unterstellen ist possierlicher Unsinn.

@"Das Weltsozialforum ist wohl eine Anspielung auf die globalisierungskritische Bewegung."--- Das ist keine Anspielung, sondern ein international tätiger, von Brasilien ausgehender Zusammenhang, der genauso heißt und weltweit globalisierungskritische Aktionen koordiniert.

Dass Israel ein neokolonialistisches Besatzungsregime aufrechterhält erscheint mir unstritig, vertritt ja auch mein lieber israelischer Genosse Gadi Algazi mit Vehemenz.

https://fr.wikipedia.org/wiki/Gadi_Algazi

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Was haben Götz Aly und Susanne Heim, die Ökonomie der Endlösung mit Antiimperialismus oder Operaismus zu tun? Kann ja auch Leute mit Verdiensten nennen und dann die einer Bewegung zuschreiben. Wir sind die Schönen, die Wahren, die Guten.

Und ich habe spezifischen Leuten gar nichts unterstellt.

Und was das Weltsozialforum ist, weiß ich auch. Danke.

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Das Weltsozialforum ist eine Veranstaltung verschiedener kapitalismuskritischer Bewegungen. Das erste Weltsozialforum fand zwar in Porto Alegre statt, war aber von Anfang an global.

In unseren IT Systemen haben wir ein grundsätzliches Problem. Mit der Zeit wird man ziemlich gut darin, wie ein Computer Daten zu verarbeiten. Ich kann einfach dem Computer in einer Programmiersprache imperativ beschreiben, wie er über die Daten einzelne Prozeduren-Schritte ausführen soll, damit die Daten wie gewünscht geändert werden.
Genau das führt aber im Prozess des Wachstums des Systems zu Unwartbarkeit. Für jede Änderung müssen die vielen Prozeduren-Schritte nachvollzogen werden.

Die Lösung ist, dass man aus Sicht der fachlichen Domäne (z.B. Einrichtung eines E-Banking Kontos) eine Schicht schafft, die ein deklaratives und nicht prozedurales Beschreiben ermöglicht.
Beispiel: Zur Auswahl von Mobile Tans werden dann Sequenzen von logisch zusammenhängenden einzelnen prozeduralen Schritte hinter eine Deklaration activateMobileTan() verkappselt. Auf der Anwendungsebene steht dann ein "Was" hinter dem letztlich immer ein "Wie" (die einzelnen sehr technischen Schritte) verkappselt sind.

IT Projekte sterben in aller Regel eher an den Unzulänglichkeiten dieser "Was" Schicht.

Diese deklarative Verkappselung findet auf verschiedenen Ebenen statt und ist sehr kompliziert. Als Programmierer, der tief in der Technik ist, erfordert es auch ein sehr hohes Problembewusstsein, um zu verstehen, dass ein prozeduraler Ansatz der Weg in einen nicht mehr wartbaren Wahnsinn ist.

Problem der "Volksfronten von Judäa" ist ein bisschen umgekehrt. Die sind groß im Deklarieren des "Was", kümmern sich aber nicht um die einzelnen prozeduralen Schritte des "Wie".
Beispiel: Man deklariert Importsubstitution, blendet aber die einzelnen Schritte, WIE das umgesetzt werden soll aus.

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@lacommune: Das sozialhistorische Paradigma des Neuen Antiimperialismus ist eine spezifische Verbindung aus Operaismus, Kritischer Theorie und Geschichte von unten, die u.a. von Götz Aly, Susanne Heim, Karl Heinz Roth, Angelika Ebbinghaus und Detlef Hartmann sowie Mike Davis und Ambilavaner Sivanandan entwickelt wurde. Außer Davis und Sivanandan gehörten die alle mal zur Redaktion der Autonomie Neue Folge. Hinsichtlich der Aufarbeitung der Shoah in der Geschichtswissenschaft (vgl. z.B. die erste deutschsprachige Veröffentlichung von Augenzeugenberichten über den Aufstand im Warschauer Ghetto), aber auch der Entwicklung eines Diskurses in der radikalen Linken zum Thema IWF und Weltbank, der deren Politik in eine Kontinuität zum NS stellt waren die bahnbrechend. Und für mein Verständnis ein zentraler Maßstab für linke Gesellschaftskritik an sich. Dem Ansatz des Neuen Antiimperialismus strukturellen Antisemitismus zu unterstellen ist so, wie das gegenüber Simon Wiesenthal zu tun.


Noch die alltagshistorischen Ansätze der Reemtsma-Stiftung, der Geschichtswerkstatt Göttingen und des MPI für Geschichte sind umgesetzte autonome Theorie.

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@che: Wenn ich vom dem sprach, was du neuen Antiimperialismus nennst, dann hab ich versucht ein Gesamtbild davon zu fassen. Du redest von der deutschen Gruppe oder was du als das siehst. Dir geht es eben um Parteipolitik. In wie weit die sich jemals als Antiimperialisten gesehen haben, weiß ich nicht. Ich dachte bisher, dass Aly den NS in der Bewegung einer kapitalistischen Modernisierung sieht und ihn deutscher Imperialismus nicht so interessiert. Konserquenterweise entlastet er ja auch die Deutschen. Übrigens hat der auch schon früher fragwürdiges Zeug von sich gegeben. [So nahm er die Bombardierung Jugoslawiens während des Kosovo-Krieges zum Anlass, über den „Völkermord an den Jugoslawiendeutschen“ zu schreiben. Die zitierten Erfahrungsberichte aus der Internierung – offensichtlich ausgewählt, um den Leser an autobiographische Berichte von Holocaustüberlebenden zu erinnern – werden mit der Vorgeschichte der „vorangegangenen Massenverbrechen der Deutschen“ kontextualisiert, um hinterher mit gutem Gewissen von der „Vernichtung der Donauschwaben“ schreiben zu können (S. 201f).] http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/Gotz-Aly-Rasse-und-Klasse.html

[Der Historiker und Publizist Götz Aly versetzte sich (in der taz vom 17. April) in den Verblendungszustand der Täternation: "In Belgrad herrscht Bombenstimmung: Ein Volk, ein Großserbien, ein Führer." Unter dem Eindruck der Nato-Angriffe findet die serbische Volksgemeinschaft endgültig zu sich selbst. Gemeinschaftsstiftend sind die im Namen des Volkswohls begangenen Massenverbrechen der vergangenen zehn Jahre. Diese Taten müssen verdrängt werden. Am besten geschieht dies in der Verkehrung von Opfern und Tätern - vor allem in der Inszenierung des Selbstmitleids. Ein in Deutschland gut bekanntes Phänomen, ob es um die Selbstkonfrontation mit dem Holocaust ging oder um die Erbschaft des Stasi-Staates. In diesem geschlossenen System von Terror und millionenfacher Mitschuld gedeihen Kollektivismus und Selbstverblendung. Diese geistige Verbunkerung läßt sich nicht anders aufbrechen als durch Gewalt von außen."] http://www.zeit.de/1999/25/199925.kriegs-gedanken_.xml/seite-2

Ich mein für den ersten Golfkrieg hat er auch getrommelt.

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Du meinst den zweiten, der erste Golfkrieg war 1982-88. Ich entschuldige und rechtfertige ja auch nicht die Irrungen und Wirrungen, die er sich seit langem leistet, sondern beziehe mich auf die gemeinsamen Arbeiten mit Susanne Heim, die für die Forschung zum NS wie für die damit zusammenhängende Kapitalismuskritik - Ökonomie der Endlösung - epochal waren. Wenn ich Zeit habe erläutere ich mal ausführlicher den Connex zum Neuen Antiimperialismus, dauert etwas länger.

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Ja genau, hatte den ersten Irakkrieg im Kopf. Der erste Golfkrieg ist ja recht vergessen und schockierend - https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Golfkrieg#Einsatz_von_Kindern_und_Jugendlichen_auf_iranischer_Seite.

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Und genau hier machte sich eine Kernthese des Neuen Antiimperialismus fest: Die Fortschreibung der NS-"Rassenhygiene" nach dem Zweiten Weltkrieg in Form einer negativen Bevölkerungspolitik mit einer gezielten Vernichtung "überflüssiger Esser". In dem Kontext ist das Verheizen der Kindersoldaten Teil eines Vernichtungskriegs gegen die eigene Bevölkerung, um die Klassenherrschaft der iranischen Bourgeoisie gegen das Proletariat und Subproletariat, die soziale Trägerschicht der iranischen Revolution aufrechtzuerhalten.


@"Ich dachte bisher, dass Aly den NS in der Bewegung einer kapitalistischen Modernisierung sieht und ihn deutscher Imperialismus nicht so interessiert" ---- Der ganze Ansatz läuft darauf hinaus, dass Vernichtungskrieg und Völkermord Techniken der negativen Bevölkerungspolitik, sozusagen Mega-Eugenik sind, die von den Nazis erstmals eingeführt und in der Nachkriegszeit weltweit kopiert wurden. Nur vor diesem Hintergrund werden dann der Verlauf des Vietnamkriegs, Golf, Jugoslawien, Ruanda etc. erklärbar - die Vernichtung der "überflüssigen Esser" als Kriegsziel und zugleich als Maßnahme der vorbeugenden Aufstandsbekämpfung, weil die sozialen Forderungen der verarmten Massen die globale Herrschaftsordnung an sich in Frage stellen.

Völkermord gegen soziale Revolution.

Dieser als PERMANENTE Herrschaftspraxis des Kapitalismus unter zumindest teilweiser Einbeziehung etwa auch des früheren sowjetischen Akkumulationsregimes ist eine der Kernthesen des Neuen Antiimperialismus. Neu ist an diesem Antiimperialismus also, dass er sich nicht nur gegen imperialistische Einzelpraktiken bestimmter Staaten richtet, sondern Imperialismus als Weltsystem betrachtet und sich nicht mit bestimmten Befreiungsbewegungen oder sozialistischen Regimen im Trikont solidarisiert sondern eine allgemeine Pro-Unterschichtenperspektive einnimmt, in der auch Krankfeiern, Subsistenzwirtschaft neben der Arbeit und Diebstahl auf der Arbeit bzw. Werksabotage als legitime Formen der proletarischen Selbstbehauptung wahrgenommen werden. Also eine allgemein anarchisch-sozialrevolutionäre Haltung anstelle des alten ML-Antiimperialismus, aber nicht anarchistisch begründet, sondern durch eine Verbindung aus Marxexegese, Kritische Theorie, sozialhistorische Alltagsgeschichte, und ein gut Teil Nietzsche, Foucault und Gendertheorie sind da auch bei.

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Nur: Es nützt nichts
Ja, manchmal habe ich auch den Eindruck, dass die diversen Mängel der "Wie"-Schicht (gemeint: z.B. die Zustände in Venezuela) darauf zurückzuführen sind, dass wunderbare polittheoretische Abstraktionen und Ideologeme erschaffen wurden, die in der Summe nur leider sehr wenig bei der Füllung der hungernden Mägen helfen.

Mit anderen Worten: Die Maduristen und Chavez-Anhänger und der von ihnen erbaute institutionelle, ideologische und propagandistische Apparat sind sehr versiert darin, Verschwörungen der USA sowie ex-post Erklärungen für die aktuelle Malaise zu finden und halbwegs stimmig klingende, in Kollektiven organisierte "Lösungs"vorschläge zu konzipieren. Vielleicht sind sie darin sogar so toll, dass sie kritische Theorie, Foucault und radikalisierte Third-wave-Gendertheorie in ausreichenden Maße bei der Konstruktion ihrer Verlautbarungen und Vorschläge berücksichtigen.

Mag ja sein. Klingt auch sicher ganz hübsch. Nur, es nützt nichts. Und so sehr sie ihr Treiben auch als proletarische Selbstermächtigung beschreiben, als sozialer Durchbruch im Namen der Menschheit, der einzige tatsächlich bestehende Durchbruch besteht verschiedentlich in Hungergeschwüren, welche Magen- und Darmwände zu durchbrechen drohen.

Pardon, wenn das unappetitlich sein sollte. Ich finde es aber auch wirklich unappetitlich, wenn die hehre politische Theorie so rein garnicht zu den Verhältnissen passt - und auch nicht dazu, die Verhältnisse zu bessern.

Naja, und ob der "Neue Antiimperealismus" neben seiner simplen Mega-These auch wirklich einen echten Erklärungsbeitrag für den Kriegsverlauf im Vietnamkrieg, Golfkrieg, Jugoslawien, Ruanda etc. liefert, das möchte ich - so unhöflich das sein mag - entschieden bestreiten.

Den US-Amerikanern ging es im Vietnamkrieg nicht um die Eliminierung überflüssiger Esser und potentieller Klassenfeinde, sondern schlicht um militärische Macht, die in teils US-typischer Menschenverachtung ausgeübt wurde in der Hoffnung, damit den Krieg zu gewinnen. Mit anderen Worten: Den US-Militärs waren die zivilen und anderen Opfer des Krieges komplett egal, solange keine US-Soldaten betroffen waren - und sie hätten sich auch mit weniger Leichen zufrieden gegeben, wenn sie auf diese Weise zum Zug gekommen wären.

Im Jugoslawienkrieg haben wir, trotz diverser (und hier eben nicht von der NATO) verübter Metzeleien, keine völkermordartige "Elimination von Essern" erlebt, sondern den Ausfluss eines absurden "Rassen"hasses, der von der Kriegspropaganda angefacht wurde. Die NATO hätte das gerne alles nicht gesehen - und neben dem Motiv der gewahrten Interessensphäre war die NATO-Beteiligung im Jugoslawienkrieg tatsächlich auch vom Bestreben motiviert, dem allgemeinen Gemetzel ein Ende zu setzen.

Wie hier "linke" (pardon) Geschichtsschreibung die tatsächlichen Ereignisse immer ganz im Gusto der eigenen Ideologie umzuschreiben versucht, ist beeindruckend. Verblendung ist, so scheint mir, eine unabweisebare Primärtugend des Menschen. Wir alle sind ihr ausgeliefert, sobald Glaube/Ideologie uns antreiben. Diese muss nämlich immer gewahrt werden, egal, wie die Realität auch tatsächlich aussieht. In Ruanda gab es gar keine externen Mächte, welche diese in der Tat völkermordartigen Ereignisse aktiv befördert oder voran getrieben haben. Es gab für den Völkermord eine Reihe von Ursachen, z.B. rassenhasserische Zeitungen (z.B. Kangura) und Radiosendungen des RTLM und Rwanda (vom Diktator Habyarimana eingesetzt, um die faktisch vorhandene Bedrohung durch Tutsi-Rebellen einzudämmen), Furcht vor den anderen, Kadavergehorsam, radikale und brutale Rebellengruppen sowie eine lange Geschichte von ethnisierten Konflikten in diesem Land. Dazu kam die verheerende Miliz Impuzamugambi sowie die eliminatorische "Hutu-Power"-Bewegung. Ein anderer Faktor war der RPF und sein rassistischer ideologischer Apparat. Der Konflikt spitzte sich immer weiter zu ohne wesentliche Einflussnahme durch "Imperialisten".

Die hätten auf diese Ereignisse gewiss gerne verzichtet. Im Gegenteil, die internationale Einflussnahme (auf die letztlich siegreiche RPF zum Beispiel) ging immer in Richtung, das Morden zu beenden.

Ganz anders also, wie es "Neue Antiimps" gerne deuten möchten. 180 Grad anders.

Im ersten Golfkrieg war es noch einmal ganz anders - hier haben die westlichen "Weltmächte" geglaubt, man könne 1. schöne Geschäfte machen, 2. sich das Öl unter den Nagel reißen und 3. zwei für gefährlich erklärte Diktaturen sich gegenseitig neutralisieren lassen, sodass dann "der Westen" (gemeint vor allem: USA/GB) hinterher ein einfaches Spiel beim Kampf um Ressourcen und Einflusssphären haben kann. Dass beide Regime (besonders aber die iranische Theokratie) massenhaft Kindersoldataen eingesetzt haben, war nicht etwa Kalkül von USA/GB, sondern denen weitgehend komplett egal. Es war die - pardon - gleichermaßen souveräne wie verzweifelte Tat einer moralisch verrotteten Theokratie-Diktatur, und keineswegs vom Ursachengefüge her im dem Sinne zu verstehen, wie es die simple MEGA-VT der "Neuen Antiimps" meint.

Das Ganze (nicht: in Ruanda) hat auch viel damit zu tun, dass die militaristischen Kreise (Rüstungsindustrie und der hiermit verbundene politische Komplex) nicht schon immer Weltpolitik bevorzugt mit militärischen Mitteln gemacht haben (und zur Wahrung der eigenen Zwecke und Umsätze), sondern fast immer die Folgen ihres Handelns falsch vorher gesehen haben.

Auch hier passte die "Was-Ebene" bzw. der ideologische Überbau nur herzlich wenig zur Realität, und diverse gravierende Mängel in der "Wie-Ebene" (z.B. wie das mit dem Nation Building funktioniert etc.) führen regelmäßig zu fatalen, durchaus ungewollten Ergebnissen.

Es ist vielleicht kein schönes Bild, wenn wir glauben müssen, dass die halbgreisen, alten Säcke, welche derartige Interventionen zu verantworten haben, letzten Endes nicht nur relativ böse und menschenfeindlich sind (bis dahin, dass sie den vielhunderttausendfachen Tod von Kindern im Irak im Sinne der eigenen Machtpolitik für vollauf gerechtfertig halten), sondern schlichte Trottel, die von der komplexen Realität überfordert sind.

Ganz ähnlich im Grunde genommen wie Maduristen, Chavisten und Neue Antiimps. Alle versuchen sie sich einen Reim zu machen auf diese Welt, alle verfolgen sie die allerschönsten Ziele (auch die Kochbrüder: Öl, Umsätze, Demokratie und Vollbeschäftigung!), und scheitern doch so grausam an den eigenen Idealen, sobald sie die Hebel der Macht in der Hand halten.

Vermutlich würde sogar ich (obwohl ich natürlich gerne bereit bin, meine flexible ideologische Konzeption für anwendbar und ganz wunderbar zu halten) mit den Problemen in Venezuela unendlich überfordert sein, und im Zweifel alles nur schlimmer machen - und ich hätte in Ruanda kein Ende des Völkermordes herbei geführt, sondern diesen auch als Verantwortlicher (sagen wir: als US-Präsident) nur entsetzt betrachtet.

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@che: Gibt für den Fall eine einfachere Erklärung. Die Mienen waren im Weg und nicht einfach zu beseitigen, so hat man sie wegbekommen und das gesellschaftliche Klima hat so eine Lösung ermöglicht und ja wahrscheinlich hat der Krieg das Regime stabilisiert, auf verschiedene Art.

Den Ansatz vertritt aber genau so Aly nicht. Sonst wär er nicht begeistert gewesen, für westliche Militäreinsätze und es ist doch auffällig, wie er den NS in Serbien (oder im Irak?) sieht, während er gleichzeitig diesen in Deutschland als normale Modernisierung und später als sozial verführte Räuberbande deutet. Da rutschen Erklärungsansätze in Entlastung und Übertragung.

Macht es Sinn überhaupt, diese Position als Neuen ANTIIMPERIALISMUS zu bezeichnen, wenn es doch auf eine Herrschaftspraxis des Kapitalismus hinausläuft? Und wie diese Position angreifbar ist, dürfte dir klar sein. Das kann ich mir sparen.

@lemmy caution: Ich glaube nicht, dass du ein wirkliches Interesse am Kommunismus hast.

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@first_dr.dean: Es gibt erhebliche Zweifel dran, dass das Vorgehen serbischer Einheiten im Kosovo über normale Aufstandsbekämpfung hinaus ging und die UÇK hat sich nichts geschissen.

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@dean: Deine ganze Argumentation geht völlig daneben. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem venezolanischen Regime und dem neuen Antiimperialismus (dessen AnhängerInnen auch nicht neue Antiimps heißen sondern Sozrevs, der Begriff Antiimps bezeichnete das Umfeld der seit 1992 nicht mehr existenten Rote Armee Fraktion oder RAF), die ChavistInnen legitimieren sich meines Wissens auch nicht mit Foucault. Der Neue Antiimperialismus richtet sich ja gerade gegen die altlinke Solidarität mit solchen linksautoritären/linkspopulistischen Regimen. Also insofern: Thema verfehlt.

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@lacommune: "Den Ansatz vertritt aber genau so Aly nicht. Sonst wär er nicht begeistert gewesen, für westliche Militäreinsätze und es ist doch auffällig, wie er den NS in Serbien (oder im Irak?) sieht, während er gleichzeitig diesen in Deutschland als normale Modernisierung und später als sozial verführte Räuberbande deutet." ----- Sorry, davon weiß ich nichts. Alles, was ich von Götz Aly kenne, sind sehr umfangreiche Studien zu Shoah und Vernichtungskrieg, die er gemeinsam mit Susanne Heim und anderen Autonomie-AutorInnen bei der Reemtsma-Stiftung und im Verlag der Buchläden Rote Straße und Schwarze Risse publiziert hat. Zeitraum 1982 - 1996.

Tagespolitische Äußerungen von ihm kenne ich überhaupt nicht.

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@lacommune: "Macht es Sinn überhaupt, diese Position als Neuen ANTIIMPERIALISMUS zu bezeichnen, wenn es doch auf eine Herrschaftspraxis des Kapitalismus hinausläuft? " ----- Die Herrschaftspraxis des Kapitalismus im globalen Maßstab ist Imperialismus, und linker Mehrheitskonsens von den 1950er bis in die 1980er Jahre war (selbst bei Anarchos) ein im marxistisch-leninistischen Fahrwasser verorteter Antiimperialismus mit globalstrategischen Frontstellungen und Sympathie für "Befreiungsnationalismen", von dem der generell sozialrevolutionär-antikapitalistische Neue Antiimperialismus sich absetzt.

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Roth ist ziemlich massgeblich am Internet-Portal German-Foreign Policy beteiligt. Inzwischen haben die eine pay-wall. Vorher glaub ich nicht. Für mich sind das Verrückte.
Ich verfolge ja seit Jahren auch die Äußerungen linker Meinungsmedien zu Lateinamerika. Manche sind für mich Verrückte, andere oft gut. Im Neuen Deutschland erschien einiges schreckliche zu Venezuela... und daneben auch sehr gute Artikel.
Junge Welt kann man ganz vergessen, weil verrückt. In Jungle World erkenne ich meine Meinung noch eher bestätigt als im einzigen traditionellen deutschen Medium, die halbwegs wissen, worüber sie da schreiben, die Neue Züricher Zeitung.
Deutsche Welle en espanol ist auch oft gut, aber eben nicht auf Deutsch.

Verrückt heißt: Geostrategisches und verschwörungstheoretisches Getöse statt einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema.

Zu Venezuela könnte es nun laut dem nicht gerade billigen hinter pay wall Bericht meines Vertrauens eine Rückdrängung der Radikalen im Chavisten-Lager durch eine Gruppe von Chavisten mit so etwas wie Verantwortungsbewusstsein geben, die vielleicht endlich Gespräche mit der Opposition führt, die bekanntlich bei den letzten Wahlen 58% der Stimmen auf sich vereinen konnte und seitdem relativ weiter in der Wählergunst gewonnen hat.
Bestätigen sich diese Einschätzung, wäre dies eine sehr gute Entwicklung.

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@che: Die Herrschaftspraxis des Kapitalismus im globalen Maßstab ist vorrangig die Ausbeutung der menschlichen Arbeit, des Menschen selbst, die Produktionssphäre in der der Wert geschaffen wird und das "automatische Subjekt".

Ich hab halt meine Verlinkungen zusammengefasst und das was ich von seinen neueren Büchern gehört hab. Eigentlich offensichtlich. Kann natürlich sein, dass ich ihn falsch wiedergebe.

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