Sonntag, 9. Juli 2006
Vom Neoliberalismus zur Vernichtung der überflüssigen Esser - eine nötige Klarstellung
Als Milton Friedman sein Konzept einer sogenannten Angebotsökonomie formulierte, basierend auf Stabilität des Währungskurses und Kontrolle über die zirkulierende Geldmenge (Monetarismus) sowie Abbau der Staatsquote
und bürokratischer Hemmnisse für die Wirtschaft, aber auch sozialer Leistungen (Deregulierung), da waren keineswegs alle Folgen, die aus einem solchen Konzept resultierten, von ihm intendiert. Im Gegensatz zu vielen Praktikern, die die Rezepte der Chicago Boys umsetzten, ist Milton Friedman ein Liberaler. Nicht das, was man in den USA liberal nennt (und bei uns Sozialdemokrat heißen würde), sondern ein Wirtschaftsliberaler und politisch Liberaler, der auch zum Beispiel die Legalisierung von Marihuana forderte. Einige Male, so bei der Reform der Federal Reserve Bank und des Bretton Woods Systems, intervenierte er direkt in die Politik, aber die Beispiele, in denen Rezepte der Chicago Boys zur Praxis diktatorischer Regime wurden, wie auch ihre Adaption an die Kreditvergabepolitik des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank sind nicht das persönliche Produkt Milton Friedmans. Er sollte dafür also auch nicht verantwortlich gemacht werden.

Eine 1 zu 1 - Umsetzung Friedman´scher Rezepte nach dem Lehrbuch ist zumeist in der Praxis gar nicht möglich, da denen zu viele Hemmnisse in der Politik, Widerstand von Gewerkschaften und Interessengruppen etc. im Wege stehen. Diese idealtypische Umsetzung ist vielleicht ursprünglich gar nicht babsichtigt, die Theorie zeichnet zunächst einmal ein kristallklareres Bild, als es in der Wirklichkeit überhaupt umgesetzt werden kann. So gesehen, ist Hartz IV die Umsetzung Friedman´scher Vorstellungen unter den besonderen Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland. Die idealtypische Umsetzung ohne jede Kompromisse geht hingegen nur in einer Diktatur, wie Büchi (Chile) und Özal (Türkei), beide selber Chicago Boys, eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Eine gewisse Parallele zur Rassenhygiene drängt sich auf: sozialdarwinistische Modelle zur scheinbaren biologischen Menschheitsverbesserung durch Sterilisierung angeblich "erbkranken" Nachwuchses und Förderung der Geburt von Menschen mit erwünschten Eigenschaften waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von rassistischem Geist durchdrungene und von falschen Annahmen über die Genetik irregeführte, aber weltweit die damalige Anthropologie und Humanbiologie dominierende Entwürfe. Zur vorherrschenden und bruchlos umgesetzten Leitlinie staatlichen Handelns in Form der mörderischen "Rassenhygiene" wurden sie nur im NS-Staat, weil der demokratische Staat ihre Umsetzung nur in begrenztem Rahmen zuließ und ein Ineinsfallen mit dem Antisemitismus nicht im Diskurs der demokratisch-liberalen Eugenik lag. In ähnlicher Weise scheint mir die nicht mehr am politisch Möglichen und Sinnvollen orientierte, sondern totalitäre Umsetzung der Friedman´schen Thesen ein Wesensmerkmal des Spätfaschismus des ausgehenden 20. Jahrhunderts zu sein, also von Regimen wie Pinochet oder Evren.
Das hat dann auch nichts Liberales mehr, sondern eine Übertreibung wirtschaftsliberaler Politik wird zum Wesenselement diktatorisch-totalitärer und damit antiliberaler Praxis.

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Totaler Unsinn!
Hallo che,

ich lese hier schon seit einiger Zeit mit und möchte mich vorerst zu deinem Namen äußern:
Ich hoffe, dir ist bewusst, dass Che Guevara ein äußert machtgieriger Mörder war, der Kuba nicht von der Diktatur befreite, sondern sie weiterführte. Politische Gegener werden inhaftiert bzw. getötet. Von Freiheit und Demokratie kann dort nicht die Rede sein.
Ich werte ihre Namenswahl einfach mal als Unwissenheit über die Zustände.

Was haben Büchi(wer ist das bitte?), Özal, Pinochet und Evren mit dem Liberalismus am Hut? Gar nichts.
Vielleicht solltest du dich, bevor du hier schreibst, erstmal informieren! Wäre nicht schlecht.

Mit dem Liberalismus verbindet man den Minimalstaat, der den Menschen größtmögliche Freiheit gibt. Parallelen zu einer Diktatur herzustellen, sind einfach unpassend.

Ebenso schließen sich Liberlaismus und Faschismus aus. Soweit ich das sehe, sind sie Anhänger der Linken, sodass ihre Ideologie mit der des Faschismus verwandt ist.

Schönen Gruß

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Ich bin Historiker, Politik- und Sozialwissenschaftler und kenne mich mit den Dingen, über die ich schreibe bestens aus. Che2001 nenne ich mich, weil mein soziales Umfeld mich mit Che anredet, dies aufgrund einer linken Biografie, die mit dem historischen Che Guevara nichts zu tun hat. Che stand für eine ganze Generation nun einmal für linke Inhalte im Allgemeinen, teils auch für Romantik und Abenteuer, Che als Popikone sogar für den Typus des Latin Lovers, meine Schwester hatte sein Poster an der Wand, weil das ein Mann war, mit dem sie gerne gevögelt hätte, obwohl sie seine politischen Positionen ablehnte, etc.

Ich kam zu dem Spitznamen Che einfach, weil ich bei einer Vorbesprechung zu einer Anti-AKW-Demo, bei der viele der Beteiligten ziemliche Panik schoben, darauf hinwies, dass, wer der Meinung ist, das Atomprogramm gefährde sehr viele Menschenleben, wer weiterhin der Meinung ist, sich dagegen empören zu wollen auch bereit sein müsste, die eigene körperliche Unversehrtheit zu riskieren.Während ich das mit einem wohl sehr entschlossenen Gesichtsausdruck sagte, trug ich eine Baskenmütze, einen Schnurrbart, schulterlange Haare, einen Dreitagebart und demotauglichen Räuberzivil, und irgendjemand meinte, ich sei so eine Art Che Guevara für Arme, und ich hatte einen Spitznamen weg, der mir bis heute treu geblieben ist.




Hernan Büchi und Turgut Özal waren beide Schüler Milton Friedmans an der Chicago School of Economy und gestalteten die Wirtschafts-und Sozialpolitik Chiles unter Pinochet und der Türkei unter den Generälen. Dass die nichts mit Liberalismus zu tun haben, habe ich oben selber geschrieben.
Wobei Büchi noch differenziert gesehen werden müsste, er machte nämlich viele der schlimmsten Fehler der ersten Generation der Chicago Boys wieder rückgängig, widersetzte sich den IWF-Auflagen und rettete damit die chilenische Wirtschaft vor dem Zusammenbruch. Was natürlich auch etwas über den angeblichen Erfolg der neoliberalen Wirtschaftsweise aussagt.
Ich habe keine Parallelen zwischen Liberalismus und einer Diktatur hergestellt, sondern dargelegt, wie ein eigentlich in wirtschaftsliberalem Umfeld entstandenes Modell zur Herrschaftspraxis in Diktaturen wurde. Wer schon rein verbal nicht mehr in der Lage ist, mir zu folgen und, was die Einschätzung "der Linken" angeht,
nur so von eigenen Vorurteilen strotzt, sollte den Mund halten.

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Von Büchi hab ja sogar ich schon gehört und die Wirtschaftsliberalen der Welt preisen u.a den Umbau des traditionell am Europäisch-Konservativen Modell orientierte Alterssicherungssystem als einen der größten Erfolge. Erfolg für wen, wenn man bedenkt, dass dieses auf Kapitaldeckung basierende System mit Verwaltungskosten von bis zu 33% verbunden sind - der arme fondmanager und sene Kumpels wollen ja auch was verdienen.

Informieren ist 'ne feine Sache - einen Artikel lesen tut's manchmal auch - oder sind Sie vielleicht der Kapitalist von der FTD? Dann sind Sie natürlich entschuldigt.

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Marx im Himmel, watten Schwachfug!
@Soweit ich das sehe, sind sie Anhänger der Linken, sodass ihre Ideologie mit der des Faschismus verwandt ist. - Wer so etwas schreibt, sollte erstmal politische Grundbegriffe büffeln, da ihm das koordinatensystem abhanden gekommen ist.

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nein, held der arbeiterklasse, kapitalist ist in seinem koordinatensystem nur folgerichtig.

angenommen, der staat, genauer, der staatseingriff in entscheidungen des einzelnen, wäre die wurzel allen übels, dann sind alle gesellschaftsformen, die den staat, und diesen möglichst noch als uneingeschränkte herrschaft einer partei ausgestaltet, höher stellen als die rechte des einzelnen, gleichermassen scharf abzulehnen.

von daher lässt sich auch eine verwandtschaft zwischen liberalismus und anarchismus begründen.


der denkfehler liegt woanders:

"Mit dem Liberalismus verbindet man den Minimalstaat, der den Menschen größtmögliche Freiheit gibt."

da eine gesellschaft aus individuen, nicht aber aus monaden besteht, ist eine grenzenlose freiheit nicht denkbar, wenn das gleichheitsgebot nicht verletzt werden soll.

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Rein logisch oder meinetwegen auch hermeneutisch hast du ja recht. Aber aus einer bestimmten Ecke wird seit vielen Monaten gebetsmühlenartig wiederholt, alle Linken seien Faschisten oder diesen ähnlich, ein zur Gottheit verklärter Markt soll angeblich sämtliche Bedürfnisse, auch die emotionalen, regeln, zwischendurch gibt es Outingversuche und Mordaufrufe gegen Blogger etc. Und sorry, aber der Tonfall kommt uns doch bekannt vor, oder?

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Ich kann dem Herrn gerne ein paar größere Areale in Afrika nennen, wo sein Ideal des Minimalstaats bis hin zum Nullstaat erfüllt ist.
Er kann dann von dort die lustigen Anekdoten bloggen, die er erleben wird.

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Das könnte in bestimmten Fällen am mangelnden Strom scheitern, wiewohl der Webauftritt der Stadt Timbuktu recht gelungen sein soll. Im Übrigen war das ja Inhalt meines Kongo-Artikels. Die gelehrigen Schüler Friedmans haben nämlich Millionen Menschenleben auf dem Gewissen. Falls sie eins haben.

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Schön, dass Du es wieder auf den Punkt zurüch geführt hast: "... Die gelehrigen Schüler Friedmans haben nämlich Millionen Menschenleben auf dem Gewissen." daraus ergibt sich zwangsläufigt die Gleichsetzung von Faschismus und linken Ideologien - befreit entgültig vom Zwang sich damit befassen zu müssen, weder mit den Folgen des Marktradikalismus noch mit seinen Kritikern. Die Diskussion wird dann durch beschönigte Statistiken ersetzt.

Kapitalist geht wohl von einem sehr eingeschränkten Freiheitsbegriff aus, in meinen Augen reduziert er den Begriff der Freiheit auf den Besitz, die freie verfügbarkeit und der Staat ist lediglich dazu da diese spezielle Freiheit zu schützen.

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Dazu noch zwei Links:


http://de.wikipedia.org/wiki/Pinochet


http://de.wikipedia.org/wiki/Chicago_Boys

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So, so, der Herr Professor Hayek ist Pinochet-Fan. Interessant.

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wen wundert's?

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Der bücherwurmende Semiotizistische Salon-Marxologe, wenn er bisweilen von seinen Folianten aufschaut, ist dann doch erstaunt, daß die Welt tatsächlich so ist, wie die alten Schriften es künden.

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hier
http://www. sueddeutsche.de/,tt2m3/deutschland/artikel/356/80276/

kommentiert peter fahrenholz den derzeitigen zustand der fdp unter dem eingängigen titel: "Das Problem heisst Westerwelle".

zitat:
"Inhaltlich hat Westerwelle seine Partei auf einen fatalen Kurs geführt, er hat sie in einen neoliberalen Käfig gesperrt und zur Ein-Thema-Partei gemacht. Alle Bemühungen, die verschütteten fortschrittlichen Traditionen des Liberalismus wieder aufzugreifen und die FDP breiter aufzustellen, sind bisher Lippenbekenntnisse geblieben. Die FDP unter Westerwelle verströmt egoistische Kühle, gepaart mit Selbstgerechtigkeit."

und: "Damit Debatten über neue politische Optionen einen Sinn machen, muss die FDP ihre thematische Verengung überwinden und für das aufgeklärte Bürgertum wieder attraktiv werden. Eine Lobbygruppe für Unternehmensberater und artverwandte Berufe braucht keiner als Regierungspartner."

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Die beiden Alternativen, die sich bisher abzeichnen, nämlich noch expliziter wirtschaftsliberal, in Richtung Hayek-Mises-Friedman oder aber nationalliberal sind beide noch schlechter. In einem Fall würde aus der "Lobbygruppe für Unternehmensberater und artverwandte Berufe" ein fast esoterisch zu nennender Intellektuellenzirkel aus Anhängern rein akademischer Ansätze neoliberaler Volkswirtschaftslehre, im anderen Fall würde sie sich nach rechts öffnen und quasi den Haider machen. Die FDP täte gut daran, sich ihrer Wurzeln zu erinnern und etwa Popper und Dahrendorf wieder auszubuddeln oder sich als Bildungspartei zu profilieren, und damit meine ich nicht: Eliteunis und Bildungssparen.

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ja, die f.d.p. täte wirklich gut daran, sich auf ihre wurzeln zu besinnen, und die verfolgung der unmittelbaren eigeninteresses wieder zugunsten des aufgeklärten eigeninteresses zurückzustellen.

überhaupt, was gebe ich dem dreipunkteverein ratschläge, die haben doch selber leute, die besser bezahlt sind -

- eben, und das könnte auch der grund für den fahrenholz-kommentar sein.

also weiter beobachten.
denn wenn die frau dr. neuwahlen will (und die muss sie wollen, wenn sie weiter im amt bleiben will, um den derzeitigen - gefühlten - boom auszunutzen, der spätestens mit der ust-erhöhung zum 01.01.07 vorbei sein wird. spätestens dann sind sie wieder da, die rivalen im eigenen verein, und werden dann mit jedem tag stärker...), dann muss sie sich damit beeilen, den koalitionspartner in die aufkündigung der koalition zu treiben. die aussage, eine schwarz-grün-gelbe ampel anzustreben, wäre ein schritt in diese richtung, die spd abzumeiern. das geht aber nicht mit hayekisten oder stahl(helm)isten.
natürlich kann alles auch ganz anders kommen...

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somalia?
vielleicht möchte der herr kapitalist mit seinen minimalstaatlichen vorstellungen nach somalia übersiedeln? bitteschön, dort ist er verwirklicht, der minimalstaat. und tschüss!

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Ein ausgezeichnetes Beispiel für das, was Anarchokapitalismus in der wirklichen Praxis bedeutet. Und dass Liberalismus eben etwas völlig Anderes ist.
Auch laizistische oder atheistische Liberale tun gut daran, die Kirche im Dorf zu lassen ;-)

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Zumindest in Beziehung auf die Waehlergunst ist vom gefuehlten Boom nichts mehr uebrig.

http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=5&idart=1899

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