Mittwoch, 19. April 2017
Respektverweigerung. Warum wir andere Kulturen nicht achten sollten - und die eigene auch nicht
Noch vor wenigen Jahrzehnten bedeutete Weltoffenheit
gegenüber einem Fremden, dass man ihm signalisierte, er sei
ungeachtet seiner Herkunft in unserer Gesellschaft willkommen.
Fremdenfeindliche Ressentiments hingegen waren immer mit
der Betonung der Herkunft des Angefeindeten verknüpft.
Heute scheint aber auch der Weltoffene, wenn es um
Fremde geht, nicht ohne ausdrückliche Betonung von deren
Zugehörigkeit zu einer „anderen Kultur“ auszukommen. Mehr
noch: Als Mensch mit Migrationshintergrund wird der Fremde
seine Zugehörigkeit zu einer „fremden Kultur“ auch in den
Folgegenerationen nicht los.
Welches Konzept von Gesellschaft steckt hinter der Inflation
des Begriffs „Kultur“ in der aktuellen Debatte („fremde Kultur“,
„unsere Kultur“, „Leitkultur“, „Multikulturalität“ etc.)? Welche
Art Unterschiede sollen „kulturelle“ Unterschiede denn sein?
Und welche Konsequenzen haben sie? Gelten für Angehörige
„anderer Kulturen“ andere Maßstäbe hinsichtlich Demokratie,
Freiheit und Recht? Was wurde aus der Idee der Gleichheit aller
Menschen?
Wie kommt es, dass wir die Ablehnung des Islams als
„rassistisch“ wahrnehmen – nicht jedoch die Ablehnung des
Christentums? Warum waren die DemonstrantInnen des
arabischen Frühlings für uns in erster Linie Moslems die
DemonstrantInnen der Occupy-Bewegung in New York aber nicht
christlich? Warum reden wir, wenn wir vorgeben über den Islam
zu reden, über alles Mögliche andere (Terrorismus, Migration,
„Integration“) – nur nicht über die Religion des Islam? Und: Was
hat unser (Nicht-)Reden über den Islam mit unserer eigenen
Beziehung zur Religion zu tun?)
Sama Maani arbeitet als Schriftsteller und Psychoanalytiker.


Vortrag von Sama Maani, Wien, am 25.04.2017. 19 Uhr in der Üstra-Remise,
Goethestr. 19, Hannove

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