Dienstag, 15. Mai 2018
Zahlen zur Asylmigration, gegen den Strich gebürstet
1) bei den vielen, in der Regel beknackten AfD-Anfragen zum Thema Flucht und Migration sind mitunter auch brauchbare Informationen in den Antworten der Bundesregierung zu finden (meist geht es allerdings eher um abwegigen Kleinkram).

Dazu gehört die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD zu „Zahlen zur Asylmigration“, auf die Ulla Jelpke die Deutsche Presseagentur aufmerksam machte (siehe auch den angehangenen Vermerk zur Antwort). Deren Meldung wurde von einigen Medien aufgegriffen, z.B.:

https://www.merkur.de/politik/nur-1-5-prozent-neuen-asylbewerber-ausreisepflichtig-zr-9856244.html

http://www.tagesschau.de/inland/asylbewerber-ausreisepflicht-101.html



Kurz gesagt: Das angebliche Problem unzureichender Ausreisen / Abschiebungen abgelehnter Asylsuchender, das die Innenpolitik und die Debatten in den Medien seit langem bestimmt und rechte Demagogen von AfD bis CSU, aber auch die Bundesregierung alltäglich in rechte Münze umzuwandeln versuchen, gibt es eigentlich gar nicht!

Angesichts von 1,65 Mio. Asylsuchenden in den letzten fünf Jahren (Erstanträge von 2013 bis 2017) sind 24.000 unmittelbar vollziehbar Ausreisepflichtige aus dieser Personengruppe, die derzeit noch in Deutschland leben, jedenfalls eine nicht besonders relevante Größe (1,5 Prozent), um es mal so zu formulieren – dabei gibt es viele ganz reale Probleme in diesem Land, die z.B. mit sozialer Ungerechtigkeit zu tun haben, über die man aber offensichtlich nicht sprechen will.



Weil diese Fakten einfach nicht zur Kenntnis genommen werden und sich die Tonlage im Kampf gegen Asylsuchende und ihre UnterstützerInnen immer weiter verschärft, hat Ulla Jelpke mit einer Pressemitteilung noch einmal auf diese ganz grundlegenden Zahlen hingewiesen – und es wäre schön, wenn sie sich weiter verbreiten: https://www.ulla-jelpke.de/2018/05/verhetzende-asyldebatte-ohne-reale-zahlengrundlage/







2) Von allgemeinem Interesse dürfte der mutmaßliche Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren zur Abschaffung des Rechts auf Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten und Menschen mit nationalem Abschiebungsschutz sein (schon für den Titel sollten sie sich schämen: „Familiennachzugsneuregelungsgesetz“).



Nach mir vorliegenden Informationen steht zumindest das Enddatum im Bundesrat fest: Die zweite Beratung soll dort am 6. Juli 2018 stattfinden, damit das Gesetz in der Sommerpause in Kraft treten kann.

Ursprünglich war wohl eine Einbringung in den Bundestag bereits für diese (Haushalts-) Woche geplant, nach jetziger Planung der Tagesordnung ist dies aber nicht der Fall (und bedürfte überdies einer Ausnahmegenehmigung).

Deshalb ist davon auszugehen, dass die erste Lesung im Bundestag in der ersten Juni-Woche ab dem 6.6. erfolgen wird, eine Sachverständigen-Anhörung und Beratung im Ausschuss und Beschluss im Bundestag würden dann in der zweiten Juni-Woche ab 11.6. oder in der letzten Juni-Woche ab 25.6. erfolgen – je nachdem, ob die Koalitionäre den Sachverständigen mehr als einen Tag und ein Wochenende Zeit einräumen wollen oder nicht (da ist leider alles möglich…).

Diese Angaben zum Gesetzgebungsverfahren erfolgen wie immer „ohne Gewähr“!

Im Rahmen der Verbändebeteiligung waren den Verbänden von der Bundesregierung (erneut) nur 1,5 Werktage Zeit eingeräumt worden, um zu der verfassungsrechtlich-, völkerrechtlich-, unionsrechtlich- und menschenrechtlich sehr komplexen Thematik und zu Fragen der Integrationsverhinderung, psychischen Belastung der Betroffenen durch verweigertes Familienzusammenleben usw. Stellung zu nehmen.



Die Koalition macht also auch in dieser Wahlperiode Gesetze, wie sie es schon in der letzten getan hat: Im Eilverfahren und unter mangelhafter bis unzureichender Beachtung fachlicher Einwände von Verbänden, Sachverständigen und den Oppositionsfraktionen, siehe bereits die Kleine Anfrage der LINKEN zur Asylgesetzgebung in der 18. Wahlperiode: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/134/1813478.pdf (anbei noch mal der Vermerk dazu mit zusätzlichen Informationen und tabellarischer Übersicht).







3) Infolge einer Anfrage von Andrej Hunko (DIE LINKE.) wurde bekannt, dass die so genannte libysche „Küstenwache“ – in Wahrheit „Menschenjäger“ der übelsten Sorte – seit Sommer 2017 insgesamt etwa 30.000 auf dem Mittelmeer aufgegriffene Menschen nach Libyen zurückverbracht hat, im Auftrag der EU, sozusagen. Dorthin, wo sie Versklavung, Gewalt, Haft, Hunger, Vergewaltigung und Tod erwartete…

Die Bundesregierung bescheinigt der libyschen „Küstenwache“ in dieser Antwort eine steigende „Professionalität“. Andrej Hunko nennt das in einer Pressemitteilung „blanken Zynismus“: https://www.andrej-hunko.de/presse/4065-keine-unterstuetzung-fuer-menschenjaeger-der-libyschen-kuestenwache



Die Antwort ist hier verfügbar: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/020/1902021.pdf



Christian Jakob berichtete für die taz und stellte einen Bezug zur aktuellen Klage beim EGMR gegen diese Art der Menschenrechtsverletzungen im staatlichen Gewand her: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5501449&s=Linksfraktion/







4) Aktuelle und detaillierte Zahlen zur Visaerteilung im Jahr 2017 gibt es infolge einer regelmäßigen Anfrage von Sevim Dagdelen, Vize-Fraktionsvorsitzende der LINKEN. Die Antwort wird in Kürze hier zur Verfügung stehen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/020/1902035.pdf



Die Rheinische Post berichtete insbesondere über den Anstieg der Ablehnungsquote im Visumverfahren, von insgesamt 6,7% im Jahr 2016 auf 8,5% im Jahr 2017 bzw. von 10,6% auf 13,55% bei nationalen Visa, hier die dazugehörige Meldung: https://www.presseportal.de/pm/30621/3939965.



Darin beklagt Sevim Dagdelen: „Besonders Bürger aus ärmeren Staaten in Afrika haben es schwer, ein Visum für Deutschland zu bekommen.“ Es sei nicht nachvollziehbar, dass Besuchsvisa selbst dann verweigert würden, wenn Einladungen und verbindliche Bürgschaftserklärungen vorlägen, für sämtliche Kosten aufzukommen. „Die stete Unterstellung einer fehlenden sogenannten Rückkehrbereitschaft ist in der Praxis das große Einfallstor für die Ablehnung. Das ist ungerecht. Die Bundesregierung könnte mit einfachen Anweisungen hier Gerechtigkeit schaffen.“

Wie die Antwort ergibt, weigert sich die Bundesregierung jedoch, in praxisrelevanten Fallkonstellationen (etwa bei Visa zum „Kennenlernen“ oder bei Vorliegen einer Einladung und Verpflichtungserklärung) mit Weisungsvorgaben für eine Liberalisierung der Erteilungspraxis zu sorgen (siehe Fragen 31 und 32).



Hier noch wenige Hinweise zur Antwort:

In die Berechnung der Ablehnungsquote bei der Visumserteilung gehen die vielen Fälle nicht mit ein, in denen Betroffene wegen der strengen Prüfpraxis erst gar keinen Visumsantrag stellen oder ihren Antrag nicht weiter verfolgen. In bestimmten ärmeren Ländern oder bei Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden ist die Visumsvergabe besonders streng: Ablehnungsquoten über 40 Prozent gibt es beispielsweise in Guinea, Nigeria und Angola.



Auf Initiative der Linksfraktion hatte die EU-Kommission eine Untersuchung der deutschen Visapraxis eingeleitet, wegen zum Teil sehr langer Wartezeiten und wegen des ausgiebigen Einsatzes von privaten Dienstleistern, die die Reisenden zusätzlich Geld kosten und die nach der EU-Rechtslage eigentlich nur als letztes Mittel eingeschaltet werden dürfen (zu denken ist etwa an große Flächenländer als zusätzliches Angebot zur Vermeidung langer Anfahrtswege).

Das Verfahren ist immer noch anhängig (vgl. Frage 26), aber die Bundesregierung erfasst – anders als in der Vergangenheit – die Wartezeiten im Visumverfahren einfach nicht mehr (angeblich, vgl. Fragen 23ff), dann kann es auch keine Kritik mehr hieran geben...

Private Dienstleister kommen hingegen in immer mehr Ländern zum Einsatz (siehe Frage 7), dabei ist Deutschland nach dem Visumskodex verpflichtet, staatlicherseits ein zügiges und kundenfreundliches Visumverfahren in der Praxis sicherzustellen.



Bei der online-Terminvergabe kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass Menschen über Wochen und Monate hinweg verzweifelt vergeblich versuchen, einen Termin zu erhalten. Dubiose ‚Terminhändler‘ bereichern sich in diesen Fällen trickreich auf Kosten der Betroffenen. Hierauf hat das Auswärtige Amt immer wieder mit Leugnung und Verharmlosung reagiert, viel zu spät wurde ein neues, betrugssicheres Terminvergabesystems in besonders problematischen Ländern eingeführt, wie es DIE LINKE. seit langem gefordert hatte.

Jetzt räumt die Bundesregierung ein (Fragen 33ff), dass es immer wieder Probleme bei der online-Terminvergabe gibt und deshalb das neue Terminvergabesystem dann dort auch zum Einsatz kommt – allerdings nicht immer und häufig erst sehr spät, wie uns viele individuelle Berichte von Betroffenen zeigen. Zur Frage 37 räumt die Bundesregierung besondere Probleme in Algier und Jaunde beim Familiennachzug ein, in Kamerun wurde deshalb das Terminregistrierungssystem eingeführt, in Algerien allerdings nicht.







5) Es liegt vor eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN (Ulla Jelpke u.a.) zu Beschäftigungsvisa für Staatsangehörige aus den Westbalkanstaaten mit neuen Daten insbesondere für das zweite Halbjahr 2017: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/020/1902018.pdf.



Es stechen insbesondere die zum Teil extrem langen Wartezeiten für einen Termin zur Beantragung solcher Visa hervor (vgl. Frage 10): Bei Wartezeiten von zum Teil über einem Jahr (Pristina, Sarajewo) braucht man schon ganz besondere Arbeitgeber, die so lange auf die benötigten Arbeitskräfte warten können (keine Wartezeit gibt es hingegen in Montenegro, etwa ein halbes Jahr in den anderen Ländern).

Im Jahr 2017 sind dennoch insgesamt 25.341 Visa zur Arbeitsaufnahme nach §26 Abs. 2 BeschV an Staatsangehörige der Westbalkanländer erteilt worden, es gab weitaus mehr Zustimmungen der Bundesagentur: 75.577. Die Daten zu Zustimmungen und Ablehnungen liegen in sehr differenzierter Form vor (nach Bundesländern, Berufsbildern usw.).

Die WAZ berichtete über die Antwort der Bundesregierung und nahm Bezug auf die Zahl der über 37.000 erteilten Visa zur Arbeitsaufnahme insgesamt:

http://www.waz-online.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Mehr-als-37.000-Arbeitsvisa-fuer-Migranten







6) In einem dritten Artikel zur Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN (Ulla Jelpke u.a.) zum Einsatz von privaten Unternehmensberatern und prekärer Beschäftigung im BAMF (siehe meine Rundmail vom 7.5.2018) berichtete die Wirtschaftswoche noch über die Beschäftigung von LeiharbeiterInnen im BAMF: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/bamf-migrationsamt-zahlt-sechs-millionen-euro-fuer-leiharbeiter/21246448.html



Besonders pikant: LeiharbeiterInnen wurden auch im Bereich der „Bestandskraftüberwachung“ eingesetzt – hier war es in der Vergangenheit zu massiven Problemen und Fehlern, bis hin zur Abschiebung von Asylsuchenden gekommen, bei denen noch Rechtsmittel anhängig waren. Dies hatte die Bundesregierung auf Anfrage der LINKEN im Oktober 2017 einräumen müssen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/137/1813703.pdf - und hierauf wies Ulla Jelpke auch gegenüber der „Wirtschaftswoche“ hin.







7) Weil es immer wieder Meldungen über einen Handel und unerlaubte Einreisen mit (fremden) Flüchtlingspässen gibt, fragte Ulla Jelpke (DIE LINKE.) auch diese Zahl einmal nach (Antwort im Anhang). Und siehe da: Genauere Erkenntnisse hierzu hat die Bundesregierung nicht, aber die Bundespolizei hat im Jahr 2017 genau 25 versuchte missbräuchliche Einreisen in dieser Fallkonstellation festgestellt. 2016 waren es 12, 2015 10 Fälle. Der Anstieg auf niedrigstem Niveau dürfte mit der drastisch gestiegenen Zahl von Flüchtlingsanerkennungen in den letzten Jahren zusammenhängen.

Dass Geflüchtete angesichts der zunehmenden Abschottung der EU und der gesetzlichen Verweigerung des Familiennachzugs auf sicherem Wege mit solchen Flüchtlingspässen Dritter einzureisen versuchen, sollte niemanden verwundern. Aber über was wird sich mehr aufgeregt? Über die staatlich organisierte Menschenrechtverletzung, oder über die hierauf reagierende trickreiche Umgehung solcher Vorschriften? Eben.



Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ vermeldete die Zahlen und zitierte Ulla Jelpke mit ihrer Kritik an der zielgerichtet aufgebauschten Darstellung:

https://www.presseportal.de/pm/58964/3941519

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- 1,68 Millionen Ausländer seit 2013
- 900.000 mit Schutzstatus, Aufenthaltserlaubnis oder Duldung
= 24.212 "vollziehbar ausreisepflichtig"

Finde den Fehler !

Es ist übrigens schön, daß sich die Türkin Dagdelen so sehr für ein buntes Deutschlöands einsetzt. Es wäre schön, wenn dies auch viele Türken in der Türkei täten.

Ich sah eine Talkshow, in der Dagdelen forderte, daß D. aufgrund "deutscher Waffenlieferungen" für den Balkan "Verantwortung übernimmt".
Dumm nur, daß es keine "deutschen Waffenlieferungen" auf den Balkan gibt.

Da erfindet eine Türkin "deutsche Waffenlieferungen", damit die deutche Bevölkerung "Vrantwortung übernimmt für die muslimische Bevölkerung des Balkan, d.h. ihnen auf Wunsch das Leben finanziert.

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