Sonntag, 19. Januar 2020
Ketzerische Gedanken zur Flüchtlingsfrage und dem Umbau des Sozialstaats
Ralf Dahrendorf kam 1996 in seinem Aufsatz "Der Diskursrepublikaner", einer Besprechung des Buchs "Die Einbeziehung des Anderen" von Jürgen Habermas zu folgendem Schluss: "Es geht ihm vor allem um die benachteiligten Minderheiten und die Fremden mit ihren elementaren Bürgerrechten. Darum beschäftigt er sich im einzelnen mit dem Feminismus, dem Phänomen der Multikulturalität, den Asylanten und der ihnen geltenden Gesetzgebung. Macht er sich da die Sache zu schwer? Könnte es nicht sein, daß es keine befriedigende Begründung für die Begrenzung des Zustroms von Asylanten und Einwanderern gibt und man sie trotzdem vornehmen muß?

Vor Jahren schrieb der damalige niedersächsische Ministerpräsident Albrecht ein Buch, in dem er unter schrecklichen Verrenkungen darlegte, daß es Situationen geben kann - zum Beispiel lebensbedrohende Erpressung durch gefasste Terroristen - in denen die Folter gerechtfertigt sein kann. Dieser Denkfehler ist gefährlich. Zu rechtfertigen ist Folter nie, selbst dann nicht wenn sie in EXTREMIS nötig scheint.


Manchmal, ganz selten, muß das nicht zu Rechtfertigende getan werden; es bleibt indes immer ungerechtfertigt. Die Begrenzung der Zuwanderung gehört in dieses Kapitel. Im Prinzip müssen freie Gesellschaften für alle offen sein. In der Praxis ist das nicht durchhaltbar. Aber daß es nicht durchhaltbar ist, zeigt die Unvollkommenheiten noch der freiesten Gesellschaft in einer Welt mit Grenzen. Solange diese bestehen ist die Freiheit gestört, daran gibt es gar nichts zu deuteln."


Da stellt sich die Frage, ob der neoliberal inspirierte Umbau der Gesellschaft bereits in einem Maße konsensfähig ist, daß er die Nicht-Begründbarkeit seiner Position zur Begründung seiner Politik heranziehen kann.

Dies eingedenk gehe ich weiter und sage, daß die Einschränkung der Freiheit und Freizügigkeit für die Flüchtlinge immer auch ein Testfeld dafür ist, was anderen marginalisierten Gruppen, die dem "eigenen" Staatsvolk angehören, an Restriktionen zugemutet werden kann. In einem Deutschland, in dem der mit den Hartz-Gesetzen eingeleitete tiefgreifende Umbau von Staat und Gesellschaft, bei dem die völlige Demontage des Sozialstaats von zentraler Bedeutung erscheint möglicherweise noch lange nicht abgeschlossen ist, sollte der behördliche Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden daher die deutsche Bevölkerung alarmieren. Dies gar nicht unbedingt aus hehren humanitären Motiven heraus: Sie könnten die nächsten sein, die von der Beschädigung ihrer elementaren Rechte betroffen sind!

Die prekär beschäftigten Naziglatzen die vor dem Flüchtlingswohnheim randalieren und die sich sozial abgehängt fühlenden Pegidisten können sehr bald den gleichen staatlichen Zugriffen ausgesetzt sein denen die Geflüchteten unterworfen sind. Insofern sind ihre Aktionen ein Tritt in die eigene Fresse.


Das passende Lied hierzu:

https://www.youtube.com/watch?v=GKB2DrCjTgk

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"Im Prinzip müssen freie Gesellschaften für alle offen sein. In der Praxis ist das nicht durchhaltbar. Aber daß es nicht durchhaltbar ist, zeigt die Unvollkommenheiten noch der freiesten Gesellschaft in einer Welt mit Grenzen. Solange diese bestehen ist die Freiheit gestört, daran gibt es gar nichts zu deuteln."

Zunächst mal halte ich die Voraussetzung, die Dahrendorf macht, für falsch. Es ist dies ein abstrakter Freiheitsbegriff. Freiheit bedeutet nämlich nicht „Freiheit in jeder Hinsicht“. Auch die freieste Gesellschaft schränkt bestimmte Handlungen oder Aspekte ein, und ein demokratisches Staatswesen ist dazu da, in solchen Fragen qua Debatte, Disput und Argument für eine Position Zustimmung zu erwerben (bspw. die Freigabe von Drogen, das Verbot von Schußwaffen) oder eben Gegenargumente zu finden. Denn in der Regel teilen nicht alle Bürgerinnen und Bürger dieselbe Position. Es handelt sich also bei diesen Fragen um politische Entscheidungen. Im Detail etwa bei Hartz IV und den damit verbundenen Sanktionen kann sich freilich die Frage stellen, ob damit auch Grundrechte verletzt werden, wenn jemand wegen Sanktionen seine Wohnung verliert, und dies kann und muß dann juristisch bedeuten, daß hier ein Gesetz modifiziert wird. Weiterhin kann ein Staatswesen darüber entscheiden, wen es ins Land holen will und wen nicht. Ein Staatswesen kann darüber entscheiden, ob Autofahrer so schnell fahren dürfen, wie sie wollen, und ob sie Waffen tragen dürfen oder nicht. Viele US-Bürger empfänden eine Einschränkung des Waffentragens als einen starken Eingriff in die Freiheit. In der BRD ist dies gottlob anders.

Weiterhin ist in einer Demokratie die Frage der Zuwanderung eine Frage des politischen Konsenses und sie hängt damit zusammen,wie sich die Bewohner eines Landes ihr Land wünschen. Kreuzberg oder Marxloh sind nicht jedermanns Ideal. Auch hängt es von der Struktur eines Landes ab: die USA sind anders als die BRD und diese wieder anders als Polen. In diesem Sinne halte ich für Deutschland die Unterscheidung zwischen einem Asylrecht für solche Menschen, die aus politischen Gründen aus ihrer Heimat fliehen müssen und damit Schutz beanspruchen dürfen, sofern dies nach Prüfung der Fall ist, und einem Einwanderungsrecht, mit dem ein Staat sich Leute sucht, die er braucht, für zentral.

Grenzenlose Einwanderung kann übrigens ebenso einem neoliberalen Impetus entspringen. So steht sich nämlich auf dem Arbeitsmarkt in bestimmten Berufen plötzlich eine Vielzahl an Bewerben gegenüber, die um Arbeit konkurrieren.

Weiterhin: Asylsuchenden nicht die gleichen Leistungen wie Hartz IV-Beziehern zuzusprechen, kann rein pragmatische und auch sachliche Gründe haben. Da es aber die meisten Flüchtlinge in Europa nach Deutschland zieht, gehe ich davon aus, daß es hier also in bezug auf die Versorgung und die Möglichkeiten, die jenen Flüchtlingen offenstehen, im Vergleich zu anderen Ländern doch erheblich besser ist.

"Da stellt sich die Frage, ob der neoliberal inspirierte Umbau der Gesellschaft bereits in einem Maße konsensfähig ist, daß er die Nicht-Begründbarkeit seiner Position zur Begründung seiner Politik heranziehen kann."

Pragmatisch und aus einer bestimmten Perspektive heraus sind diese Positionen sehr wohl begründbar. Du teilst sie nur nicht, che. Das ist ein erheblicher Unterschied. Und der politische und auch parlamentarische Diskurs besteht eben darin, diese Fragen in eine Debatte zu bringen. Und mit etwas Glück und wenn eine solche Debatte gut läuft, können von dort heraus sogar neue Lösungen entwickelt werden, die unterschiedliche Aspekte berücksichtigt, Aber das ist sicherlich nur der Idealfall. Ansonsten bedeutet Politik eben auch: die Kunst des Kompromisses.

Übrigens kann es auch eine hohe Skepsis gegen unbegrenzte Einwanderung geben, ohne dabei den Sozialstaat neoliberal umbauen zu wollen und ohne eine radikale Abschottungspolitik gegenüber Einwanderung zu betreiben. Sahra Wagenknecht steht für eine solche Position. Und es täte der SPD gut, wenn sie ähnliche Konzepte entwickelte.

"…, daß die Einschränkung der Freiheit und Freizügigkeit für die Flüchtlinge immer auch ein Testfeld dafür ist, was anderen marginalisierten Gruppen, die dem "eigenen" Staatsvolk angehören, an Restriktionen zugemutet werden kann."

Das ist eine Vermutung. Genauso kann man etwas anderes vermuten. Bspw. daß Politik – ganz zu recht übrigens! – die Anreize niedrig hält, damit nicht vermehrt Leute aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland flüchten. Ich halte diese Annahme sogar für deutlich wahrscheinlicher. Das Asylrecht ist nicht zur unbegrenzten Einwanderung gedacht und ein (zu schaffendes) Einwanderungsrecht, das sich bspw. an Kanada orientiert, ist dazu da, Menschen ins Land zu holen, die die Sprache sprechen und gut ausgebildet sind, bspw. für handwerkliche Berufe.

Sicherlich gibt es in bestimmten Politikkonzepten bei bestimmten Leuten auch die Sicht, daß die eine Einschränkung die andere dann vorbereitet. Aber das ist eben nur eine Möglichkeit. Denkbar sind eben genauso auch andere, wie die oben genannte.

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Na ja, ich habe da so meine eigenen Erfahrungen. Das Mitte der Neunziger eingeführte Asylbewerberleistungsgesetz sieht nicht nur verminderte Leistungen gegenüber dem Sozialhilfesatz vor (somit Leistungen unter dem Existenzminimum) sondern ursprünglich auch Sach- vor Geldleistungen. D.h. entweder Essenspakete oder aber Einkaufsgutscheine, mit denen bestimmte Artikel, etwa Alkohol, Zigaretten und bestimmte Kosmetika, in manchen Kommunen auch Genussmittel wie Speiseis nicht eingekauft werden konnten und keine Auszahlung von Bargeld an Flüchtlinge. Diese Maßnahme sollte eigentlich flächendeckend eingeführt werden, wir machten sie allerdings zunichte durch bundesweit durchgeführte Umtauschaktionen von Wertgutscheinen gegen Bargeld und pressebegleitete Großeinkäufe von Nichtflüchtlingen mit Gutscheinen und gleichzeitigen Stornos an sämtlichen Kassen, die nach und nach so ziemlich alle deutschen Discounter dazu brachten, Bargeld von AsylbewerberInnen und Gutscheine von Deutschen zu akzeptieren oder aber Gutscheine gar nicht mehr anzunehmen. So konnte der politische Druck aufgebracht werden, die meisten Bundesländer bzw. die meisten Kommunen in den Ländern dazu zu bewegen Bargeld an Flüchtlinge auszuzahlen. Ich weiß definitiv dass, bevor diese Kampagne begann, geplant war, die Gutschein- und Fresspaketregelung, wenn sie bei den Flüchtlingen gut funktioniert und das heißt natürlich widerstandsfrei sukzessive auch bei BewohnerInnen von Übergangswohnheimen (Ex-Junkies, Obdachlosen, PsychiatriepatientInnen) einzuführen und eventuell zu einem noch späteren Zeitpunkt bei LangzeitsozialhilfeempfängerInnen an sich. Da waren die Flüchtlinge das Experimentierfeld für weit raumgreifendere staatliche Zumutungen.

Die deutsche Sozialpolitik sollte man ergänzend zu Habermas wirklich auch mal durch die Brille Foucaultscher Gouvernementalitätskritik sehen und ihre Vorgehensweise nach dem Prinzip trial and error. Ich vermute, hätte das alles reibungslos geklappt hätte man die Naturalregelung bei allen SozialhilfeempängerInnen eingeführt.


Und nach dem was ich selbst erlebt habe als ich Sozialhilfe bezog traue ich unseren Organen in der Hinsicht jede Schlechtigkeit zu.

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Mein Staatsverständnis als Immer-noch-Autonomer
Bersarin, was uns sicher ganz grundsätzlich unterscheidet ist unser Verhältnis zum Staat an sich. Ich betrachte den Staat Bundesrepublik Deutschland, auch wenn ich mich ihm selber staatsbürgerlich und zivilgesellschaft engagiere nicht in erster Linie als ein Gemeinwesen an dem ich Anteil habe, sondern in erster Linie als bürgerlichen Staat und damit als ein in der Tendenz auch feindliches und bedrohliches Gebilde.


Nach Poulantzas hat der liberale kapitalistische Staat verschiedene Ausnahmestaatsformen für den Krisenfall sozusagen als potenzielle Entfaltungsformen mit angelegt. Neben der parlamentarischen Demokratie als Normalfall sind das populistische autoritäre Präsidialrepublik (Bonapartismus), Militärdiktatur und Faschismus. Ist die Klassenherrschaft bzw. das Akkumulationsregime gefährdet kann auf eine dieser anderen Staatsformen zurückgegriffen werden. Und insofern sehe ich Dinge wie das Asylbewerberleistungsgesetz nicht nur als eine pragmatische Lösung, sondern auch als Versuchsballon für eine Herrschaftspraxis die nicht mehr demokratisch ist und dagegen gerichteten Widerstand daher nicht nur als legitim sondern als notwendig an.

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Einzelaspekte kann man immer kritisieren, nur spricht das eben nicht gegen ein Sozialsystem insgesamt. Was Hartz IV betrifft, so ist dies ein gescheiterter Ansatz. Es ändert sich an solchen Dingen nur etwas auf die evolutionäre Weise, also qua sozialem Protest und Entwicklung. Mein Lieblingsbeispiel ist hier immer die Umweltpolitik. Man sehe auf das Parteiprogramm von CDU und SPD in den 1970er und den 1980er Jahren und man schaue auf deren Programme heute. Und so wird sich auch bei Hartz IV etwas tun, sofern der gsellschaftliche Wille dazu da ist.

Foucaults Gouvernementalitätskritik ist in jenen Interpretationen (insbesondere von linker Seite) insofern problematisch, weil man mit ihr genauso den ganzen Sozialstaat abschaffen kann, der überflüssigen Putz produziert. Ich fürchte sogar, daß die wenigsten Linken Foucault in diesen Aspekten richtig verstanden haben, insbesondere von seiner Methode her. Es gibt nämlich auch einen Freiheits-Foucault von der neoliberalen Seite, und dann sieht es aus wie in den USA: die Güte der schenkenden Hand ist am Ende dafür verantwortlich, ob Menschen geholfen wird oder nicht. Denn soziale Unterstützung von Hilflosen ist Macht. Es wird durch sie hindurch aufs Individuum übergegriffen und so wird es qua monetärer Kassernierung (und teils auch der Pflicht zur Arbeit) in Abhängigkeit zum Staat gebracht. Besser also: jeder ist seines Glückes Schmidt und der Staat hält sich aus allem heraus.

Und im Sinne einer ungeregelten Freiheit kann man allerdings für eine generelle Reisefreiheit aller Menschen weltweit plädieren. Nur muß diese nicht implizieren, daß jene, die einwandern, Sozialleistungen erhalten. Jeder sei seines Glückes Schmied. Und im Sinne der Freiheit der Bewohner eines Staates, die man möglichst von allen Steuern freihalten soll, kann diese Art von Gemeinwesen dann auch so frei sein Asylsuchenden wie auch Auswanderern hineinzulassen und ihnen zugleich aus wirtschaftlichen Gründen keinen Cent zu zahlen. Wer sich über Wasser halten kann, schafft es, wer nicht, eben nicht. Auch dieses Modell ist mit solcher Gouvernementalitätskritik denkbar. Ob ein solches Gemeinwesen wünschenswert ist, darüber müssen sich deren Teilnehmer verständigen.

Davon mal ab, daß es Foucault in dieser Kritik um einen genealogischen Aspekt ging und nicht um die Abschaffung des Staates. Das Aufzeigen solcher Herrschaftsmechanismen, also bei Foucault die deskriptive Ebene, bedingt noch keine normativen Kriterien. Und irgendwelche klassenkämpferischen Positionen wären für Foucault auch eher 19. Jahrhundert. Wenn Foucault die Macht analysiert, dann tut er das aus dem jeweils herrschenden Machtsystem heraus. Und er würde dies auch machen können, wenn sich eine sozialistische Gesellschaft installierte.

In der Debatte mit Chomsky hatte Foucault ein interessantes Argument: anstatt die sozialen Kämpfe ausgehend von der Gerechtigkeit zu denken, sollte vielmehr die Gerechtigkeit ausgehend von den sozialen Kämpfen gedacht werden. Es geht hier nämlich, so Foucault, nicht darum, daß das (heutige) Proletariat diesen Krieg führt, weil es ihn für gerecht hält, sondern weil es eine andere Macht, nämlich die der Herrschenden brechen will, um gegen sie ihre eigene Macht zu setzen und erst daraus, aus der Abschaffung der Klassen entsteht so etwas wie Gerechtigkeit – was freilich eher idealtypisch gedacht ist, denn es wird qua Differenzen immer unterschiedliche Klassen oder Gruppen geben, im Sozialismus war es dann der alte Proletarieradel.

Das ist von Foucault her eine interessante Position, die die Frage nach dem Gerechten verabschiedet. Es ist aber auch eine problematische Position, weil nämlich dann eine Macht so gut wie die andere ist und das einzige Kriterium eben die Macht selbst und dazu die Subjekte, die darin involviert wären, ein Spiel von Effekten und Beziehungen, in denen unterschiedliche Machtspiele sich etablieren, sofern nicht irgendeine andere normative Ebene am Ende versteckt und als deus ex machina doch noch hervortritt.

Wenn man über den Begriff der Gerechtigkeit nicht mehr die Auseinandersetzung führt, dann ist das Kriterium am Ende nur noch das jeweilige (Macht)Interesse bzw. die Diskursspiele der Macht, die diesen und jenen Effekt hervorbringen und eben die Frage, wer das seinige am besten durchsetzen kann. Mit solcher Position wären wir wieder bei Hobbes und einem Bürgerkrieg, gleichsam ein Naturzustand, auf einer höheren Ebene nun transformiert. Hobbesʼ Staat aber, der Leviathan, trat genau gegen solches Grauen an, um den Menschen Sicherheit vor dem Bürgerkrieg zu verschaffen.

Oder eben man untersucht, quasi als fröhlicher Positivist, die Spiele der Macht, die sich in den jeweiligen Gesellschaften ausbilden:

„Die Macht ist nicht als ein Phänomen massiver und homogener Herrschaft zu nehmen - die massive und homogene Herrschaft eines Individuums über die anderen, einer Gruppe über die anderen, einer Klasse über die anderen. Kurz gesagt, man muss im Sinn haben, dass die Macht - außer man betrachtet sie ganz von oben und ganz von fern - nicht etwas ist, das sich zwischen denen, die sie haben und sie explizit innehaben, und dann denen, die sie nicht haben und sie erleiden, aufteilt. Die Macht muss, wie ich glaube, als etwas analysiert werden, das zirkuliert, oder eher noch als etwas, das nur in einer Kette funktioniert; sie ist niemals lokalisiert hier oder da, sie ist niemals in den Händen einiger, sie ist niemals angeeignet wie ein Reichtum oder ein Gut. Die Macht funktioniert, die Macht übt sich als Netz aus, und über dieses Netz zirkulieren die Individuen nicht nur, sondern sind auch stets in der Lage, diese Macht zu erleiden und auch sie auszuüben; sie sind niemals die träge oder zustimmende Zielscheibe der Macht; sie sind stets deren Überträger. Mit anderen Worten, die Macht geht durch die Individuen hindurch, sie wird nicht auf sie angewandt.“ (Foucault, Vorlesung vom 14. Januar 1776, in: Dits et Ecrits III)

Ob man mit solchen Positionen von Foucault her noch klassenkämpferisch gegen den Staat auftreten kann, wage ich zu bezweifeln. Und ich bin sowieso äußerst skeptisch, ob man sich von links her überhaupt auf Foucault berufen kann. Situativ vielleicht, aber im Sinne einer Positionierung und Fixierung ganz sicherlich nicht. Solchen politischen Festschreibungen hat sich Foucault immer entzogen.

Der Kampf sozialer Bewegungen kann und sollte sich aus jenen Gründen nur innerhalb eines Staates und damit verbunden eines Rechtswesens abspielen. Und wer mit der Machtfrage den Staat herausfordert, sollte dann auch qua Macht des Staates die Antwort akzeptieren. In der Regel führt solches nur zu einer Verhärtung der jeweiligen Perspektive, produziert unüberwindliche oder schwer zu überwindende Fronten (der deutsche Herbst ist solch ein Beispiel), und es führt dieser Kampf nicht zu langsamen, qua des öffentlichen Diskurses herbeigeführten Veränderungen, sondern dazu, daß am Ende der Stärkere gewinnt. Der Ausgang des Pariser Mai zeigte solches gut. Der Klimaprotest wird nur dann erfolgreich sein, wenn er mit phantasievollen und friedlichen Mittel eine öffentliche Debatte aufbaut. Er wird nicht erfolgreich sein, wenn er mit Gewalt oder mit moralischen Erpressungen vorgeht, sondern indem er die Notwendigkeit uns allen aufzeigt, warum gehandelt werden muß und daß es auch im ureigenen Interesse bspw. von Siemens ist, seine Wirtschaftspolitik zu überdenken. Ähnlich auch in der Sozialpolitik.

Was nun die Frage nach der Versorgung von Asylsuchenden betrifft, so sind solche Aktionen gegen Gutscheine eine völlig legitime Sache. Denn eine liberale und freiheitliche Demokratie bedeutet eben, daß über solche Fragen debattiert wird. Ich selbst würde in diesen Fragen über einerseits über den Begriff der Menschenwürde ansetzen und andererseits pragmatisch: solche Menschen, die hier mutmaßlich einen positiven Asylbescheid bekommen, sollten so schnell wie möglich sich in dieser Gesellschaft einleben. Und dazu gehört ganz sicher nicht das Herumsitzen in irgendwelchen Heimen und Lagern. Wer keine Chance hat, ist so schnell es geht wieder zurückzubringen, mit der Möglichkeit noch, qua eines Einwanderungsrechtes hier einen Aufenthaltstitel und die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben.

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„Nach Poulantzas hat der liberale kapitalistische Staat verschiedene Ausnahmestaatsformen für den Krisenfall sozusagen als potenzielle Entfaltungsformen mit angelegt.“

Daß ein Staat sich gegen seine Feinde schützt, ist nicht nur legitim, sondern auch legal. Die Frage ist, wie er es macht und ob Gesetze, die zeitweise auch bestimmte Freiheiten einschränken, zeitlich begrenzt gelten oder aber auf Dauer gestellt werden. Der demokratische Rechtsstaat hat Prinzipien der Checks and Balances eingebaut, um sich gegen solches Umkippen zu wappnen. Hier in der BRD haben wir unter anderem die Gewaltenteilung und es gibt bei Beseitigung dieser Ordnung zudem das Widerstandsrecht des Art. 20 GG. Wachsam zu sein gegenüber rechtsextremistischen (und übrigens auch linksextremistischen) Umtrieben hier in der Gesellschaft, ist das eine. Sich aber, was das Gewaltmonopol betrifft, außerhalb des Staates zu stellen, eröffnet der Willkür Tür und Tor. Es gibt unzählige Aspekte, diesen Staat und auch seine Politik zu kritisieren, doch es ist diese Form des Staates die einzige, die bisher auf diesem Planeten halbwegs funktioniert und vielen Menschen ein Auskommen in Frieden ermöglicht, und vor allem, die es vielen Menschen ermöglicht, sich mittels Kritik in Debatten einzubringen, ohne bereits für eine Meinung im Gefängnis zu landen.

Daß dieser Frieden zu einem großen Teil, nicht zum einzigen, mit Leid in anderen Teilen der Welt erkauft ist, etwa über Handelsordnungen, ist ein Aspekt, der mitzudenken ist. Und hier ist in der Tat noch viel Arbeit erforderlich. Und Flucht und damit auch Flüchtlinge aus der bloßen Not beseitigt man nur, indem westliche Länder nicht noch weitere Fluchtursachen schaffen.

„Neben der parlamentarischen Demokratie als Normalfall sind das populistische autoritäre Präsidialrepublik (Bonapartismus), Militärdiktatur und Faschismus.“

Die Bundesrepublik hat, allen Unkenrufen zum Trotz, über achtzig Jahre funktioniert. Nicht in allem prächtig, aber im meisten doch gelungen. Und mir fällt hier auf der Welt kein anderer Staat ein, der dies leistet, und seinen Bewohnern dabei auch noch materiell ein halbwegs angenehmes Leben bietet. Übrigens auch ein Grund, weshalb die meisten Asylsuchenden in die BRD fliehen. Trotzdem sie eigentlich auch in anderen Ländern Asyl beantragen können.

Was Poulantzas in diesem Sinne schreibt, ist zudem auch von der Logik her nicht konsistent. Es werden Extremfälle konstruiert, aus denen funktionierende demokratische Rechtsstaaten plötzlich umkippen sollen. Er orientiert sich hier, ein wenig Old-School, an einem alten Begriff von Klassenkampf und vor allem an Staatsgebilden des 19. Jhds oder an solchen, die keine soliden demokratischen Strukturen ausgebildet haben. Die unterschiedlichen europäischen Rechtsstaaten, und auch Länder wie Portugal, Spanien und Griechenland, die in den 1970er Jahren aus Diktaturen hervorgingen, haben diesen Übergang gemeistert. Der Putsch in Spanien 1981 wurde niedergeschlagen. Was nun die politische Theorie betrifft, geht es nicht darum ein unreflektiertes Loblied auf die bestehende Ordnung zu singen. Wer aber die bestehende Ordnung einfach abschaffen will, der muß gute Vorschläge haben, wie das geschehen soll, und was an deren Stelle tritt. Veränderungen des Rechtsstaates können nur im Rechtsstaat geschehen. Wie das vonstatten geht, zeigen uns etwa die sozialen Bewegungen in ihren politischen Kämpfen, etwa im Hinblick auf Homosexualität und sexuelle Orientierung und vor allem im Hinblick auf Umweltpolitik. Es ist nicht alles perfekt. Aber wenn man auf all die Schwachstellen und auf all die Probleme sieht, sollte man zugleich nicht dem Nirwana-Fehlschluß erliegen. Selbst ein Kritischer Theoretiker wie Adorno wußte, bei aller Kritik und Skepsis, die Vorzüge der BRD zu schätzen. In diesem Sinne kann man also in diesen Aspekten von Adorno lernen: Wachsam zu sein, ein Sensorium auszubilden und zugleich eben über diese Dinge in der Theorie nachzudenken, wie langfristig es anders laufen kann. Keine einfache Aufgabe.

In diesem Sinne halte ich übrigens von der Description her Foucault vom Denken für sehr viel interessanter, weil er die Denksysteme des 19. Jhds hinter sich läßt und die Machtfrage anders stellt.

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Und im Sinne einer ungeregelten Freiheit kann man allerdings für eine generelle Reisefreiheit aller Menschen weltweit plädieren. Nur muß diese nicht implizieren, daß jene, die einwandern, Sozialleistungen erhalten. Jeder sei seines Glückes Schmied. Und im Sinne der Freiheit der Bewohner eines Staates, die man möglichst von allen Steuern freihalten soll, kann diese Art von Gemeinwesen dann auch so frei sein Asylsuchenden wie auch Auswanderern hineinzulassen und ihnen zugleich aus wirtschaftlichen Gründen keinen Cent zu zahlen. Wer sich über Wasser halten kann, schafft es, wer nicht, eben nicht. Auch dieses Modell ist mit solcher Gouvernementalitätskritik denkbar. Ob ein solches Gemeinwesen wünschenswert ist, darüber müssen sich deren Teilnehmer verständigen.

Au ja. Das wünschen sich viele. Einwanderer sollen von den gesellschaftlichen Ressourcen komplett abgeschnitten werden und sich selbst überlassen werden. Mögen sie von Sozialleistungen und ihre Kinder von Schulbildung ausgeschlossen werden. Am besten wäre es, wenn man ihnen auch noch das Arbeiten verbieten würde, damit Alteingesessene ihren Job behalten können. Deutschland hat mit dieser Vorgehensweise reiche Erfahrungen gemacht. Wie mit den ehemals geduldeten Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon. Oder mit Zigeunern. Derartige Einwanderergruppen entwickeln aus sich heraus neue Formen des Überlebens, indem sie Resourcen für sich nutzbar machen, die Alteingesessene überhaupt nicht mehr benötigen: Auf althergebrachte Familientraditionen sich beziehende kriminelle Substrukturen zum Beispiel. Diese ersetzen Altersvorsorge, Arbeit und Sozialstaat. Besonders wirkungsvoll entfalten sich derartige Traditionen, in denen staatliche Macht mehrere Jahrhunderte lang wenig wirksam war, wie zum Beispiel Süditalien, Kurdistan, der Kaukasus etc. oder in marginalisierten Randgruppen wie unter Zigeunern.

Bersarin, der Dieter Kief, die Kemalisten, Zionisten und die übrigen Moslemhasser halten das für die Auswirkung des Kopftuches, das die Frauen tragen. Man beschwert sich darüber, daß die von der Gesellschaft ausgeschlossenen Erdlinge Parallelgesellschaften bilden, so wie sie sich sicherlich auch über Nasenbluten bei solchen beschweren würden, die auf die Fresse bekommen haben.

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Von diesen Staat einfach abschaffen wollen rede ich ja nicht, sondern von der Gefahr dass der dies in besonderen Krisenfällen selbst tun könnte bzw. gründlich mutiert (noch 1982 übten BGS-Beamte auf dem Truppenübungsplatz Sennelager das Niederschlagen von Aufständen mit der Doktrin dass Neonazis in solchen Situationen partielle Verbündete wären). Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß aber durchaus vorhanden. Poulantzas ist durchaus konsistent wenn man den Bezugsrahmen sieht in dem er sich bewegt: Da geht es um die griechische Obristendiktatur, die Türkei der Generäle, Pinochet und die Frage, wie solche Regime historisch und politökonomisch einzuordnen sind.


@"Die Bundesrepublik hat, allen Unkenrufen zum Trotz, über achtzig Jahre funktioniert. Nicht in allem prächtig, aber im meisten doch gelungen. Und mir fällt hier auf der Welt kein anderer Staat ein, der dies leistet, und seinen Bewohnern dabei auch noch materiell ein halbwegs angenehmes Leben bietet. Übrigens auch ein Grund, weshalb die meisten Asylsuchenden in die BRD fliehen. Trotzdem sie eigentlich auch in anderen Ländern Asyl beantragen können." ---- Mir fallen da schon andere Staaten ein, aber nicht so sehr viele, Schweden zum Beispiel, Norwegen, Dänemark oder Neuseeland. Und in der Tat, mein Denken bewegt sich in tradierten Formen des Klassenkampfs.


Und letztlich bewegt sich auch deutsches Asylrecht in den Bahnen des Fremdenrechts im kaiserlichen Deutschland.

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Du verstehst es, Dämel-Sack-Sozi, wieder einmal nicht, nicht einmal auf der basalen Denk-Ebene: eine Möglichkeit zu nennen, heißt nicht, sie zu favorisieren, sondern es ging hier darum, das, was etwa Dahrendorf darlegt, vermutlich in Anschluß an Kant unter Weltbürgertum faßt, zu erklären und unterschiedliche Möglichkeiten zu nennen. Auch im Hinblick auf die Freiheit: Jeder ist frei zu reisen, jeder ist auch frei, seinen Lebensunterhalt auf legale Weise zu erwerben, durch Öffnung des Arbeitsmarktes. Und es ist eben kein Staat per se gezwungen, Einreisende zu alimentieren. Davon ab, daß Deine weiter dort gesetzten Annahmen Blödsinn sind. Niemand schrieb davon, daß Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen. Hier ging es ja gerade um den Begriff der Freiheit. Und das ist ja gerade das für Neoliberale Interessante an solchen Konstruktionen: Sie sollen ja arbeiten! Deskription und Normativität zu unterscheiden, ist aber intellektuell nicht so Dein Ding.

Den restlichen Kram lasse ich so stehen, weil es mit Leuten wie Dir nicht lohnt zu debattieren. Bastel einfach weiter Deine Pappkameraden und schnüffel nicht so viel Klebstoff dabei! Für eines aber ist es oder bist Du doch gut, sozi: Du illustrierst die deutsche Bildungsmisere perfekt und auf performative Weise.

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„Von diesen Staat einfach abschaffen wollen rede ich ja nicht, sondern von der Gefahr dass der dies in besonderen Krisenfällen selbst tun könnte bzw. gründlich mutiert …“

Diese Gefahr der Demokratie ist in der Tat gegeben und deshalb sind vom Gesetzgeber Schutzmechanismen eingebaut, und es ist dabei ebenso eine Zivilgesellschaft und eine breite Öffentlichkeit wichtig und aus diesem Grunde sind auch soziale Bewegungen für eine funktionierende Demokratie bedeutsam - Aspekte übrigens, die bei Habermas Berücksichtigung finden. Und in diesem Sinne ist auch das Böckenförde-Diktum sehr interessant, zu dem ich eigentlich mal etwas schreiben wollte:

"Nach 1945 suchte man, vor allem in Deutschland, in der Gemeinsamkeit vorhandender Wertüberzeugungen eine neue Homogenitätsgrundlage zu finden. Aber dieser Rekurs auf die ‚Werte‘, auf seinen mittelbaren Inhalt befragt, ist ein höchst dürftiger und auch gefährlicher Ersatz; er öffnet dem Subjektivismus und Positivismus der Tageswertungen das Feld die, je für sich objektive Geltung verlangend, die Freiheit eher zerstören als fundieren.

Nun stellt sich die Frage nach den bindenen Kräften von neuem und in ihrem eigentlichen Kern: Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots, zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat. Die verordnete Staatsideologie ebenso wie die Wiederbelebung aristotelischer Polis-Tradition oder die Proklamierung eines ‚objektiven Wertsystems‘ heben gerade jene Entzweiung auf, aus der sich die staatliche Freiheit konstituiert. Es führt kein Weg über die Schwelle von 1789 zurück, ohne den Staat als die Ordnung der Freiheit zu zerstören." (Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: Recht, Staat, Freiheit, S. 112 f.)

In diesem Sinne ist es immer eine Frage, wie sich solche bindenden Kräfte, auch über politische Grenzen hinweg, erzeugen lassen. Einfache Werte verwirft Böckenförde aus berechtigten Gründen.

Soziale Bewegungen sind dabei ein Aspekt, um einerseits Kohäsionskräfte zu entwickeln und andererseits über politische Debatten ein Thema kontrovers zu diskutieren und von unterschiedlichen Seiten her auszuleuchten, und in diesem Sinne ist der gelungene Disput ebenfalls Bestandteil eines solchen Bewußtseins, aber auch so etwas wie Bürgersinn. Man hat über jene Leute, die 1992 um die Hamburger Alster und auch in anderen Städten Lichterketten bildeten ( https://www.spiegel.de/geschichte/kalenderblatt-6-12-1992-a-948903.html ), lachen und sich belustigen. Aber das halte ich am Ende für billig.

Daß solche Formen des symbolischen Protestes für ein Gemeinwesen wichtig sind, gerade dort, wo es immer auch auf mediale Vermittlung von Themen ankommt, geht bei solch wohlfeiler Kritik aus dem Sessel des Feuilletonisten heraus leider verloren.

Durch die neuen sozialen Medien sehe ich allerdings, bei vielem Positiven, ansonsten für demokratische Strukturen auch erhebliche Gefahren und die Foucault-Lektüre müßte man vermutlich um solche Autoren wie Shoshana Zuboff mit „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ ergänzen.

Vom Rahmen solcher Staaten wie Griechenland oder Chile mag Poulantzas‘ Theorie funktionieren. Für die BRD oder Großbritannien scheint sie mir nur bedingt zu greifen. Und ich sehe im Augenblick auch keine wirklich übergreifenden klassenkämpferischen Perspektiven. Bündnisse sind heute in der Regel situativ und soziale Bewegungen setzen sich teils aus sehr unterschiedlichen Gruppen zusammen.

„Und letztlich bewegt sich auch deutsches Asylrecht in den Bahnen des Fremdenrechts im kaiserlichen Deutschland.“

Ich wüßte nicht, daß es im Fremdenrecht des Deutschen Kaiserreiches ein Asylrecht und eben politische Verfolgung als Asylgrund gegeben hat. Selbst die GG-Änderungen haben das Asylrecht nicht ausgesetzt.

Hier zudem die Statistik der Asylanträge für Deutschland:
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/flucht/zahlen-zu-asyl/265708/asylantraege-und-asylsuchende

Und hier die Zahlen für die Anerkennungen
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/flucht/zahlen-zu-asyl/265711/entscheidungen-und-klagen

Nach einem Aussetzen des Asylrechts sieht es mir nicht aus. Und um es nochmal klarzumachen: Asylrecht ist kein Einwanderungsrecht, sondern es gilt für politisch Verfolgte! Kein Land der Welt ist gezwungen, jeden einreisen zu lassen. Wer das will, muß für seine Idee eine politische Mehrheit finden.

Dies alles bedeutet nicht, daß hier in der BRD alles gut ist und wir brauchen für Europa und für Länder wie Griechenland und Italien unbedingt eine solidarische Lösung. Was gegenwärtig in den Lagern auf den griechischen Inseln geschieht, ist für Europa erbärmlich.

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Die von mir aufgeführten Aspekte zum Asylrecht, che, bedeuten auch nicht, daß ich alles dort für politisch und gesellschaftlich gelungen halte. Die Massenkasernierung von Menschen ist nur bedingt hilfreich. Da muß man schauen, wie man es anders lösen könnte. Residenzpflicht ist eine heikle Sache, andererseits, wenn alle nach Berlin oder Frankfurt wollen, kann das auch zu Problemen der Infrastruktur führen. Und bei allen politischen Überlegungen muß man halt immer auch sehen, welche Möglichkeiten es gibt, eine Idee gesellschaftlich durchzusetzen. Das ist oft viel Detailarbeit. Aber das wirst Du, da Du selbst ja an der Basis arbeitest, am besten wissen.

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Niemand schrieb davon, daß Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen. Hier ging es ja gerade um den Begriff der Freiheit. Und das ist ja gerade das für Neoliberale Interessante an solchen Konstruktionen: Sie sollen ja arbeiten!

Aber ja doch: Schwarzarbeiten!

Der feine Herr Dahrendorf hätte bestimmt auch etwas dagegen, das Arbeiten zu verbieten. Zu seinem Glück muß man das auch nicht. Genausowenig wie man Sozialleistungen Einwanderern generell zuzusagen braucht, kann man Einwanderern ja auch Schulbildung und Ausbildung verweigern. Oder sich weigern, Zertifikate fremder Staaten anzuerkennen. Das wäre der liberale Weg, Einwanderer vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Für eine zweckmäßige Migrationspolitik halte ich das nicht. Aber das interessiert die Dahrendorf, Sarrazin, Slotterdick nicht. Die faseln stattdessen von Weltbürgertum und Freiheit von Individuen, Gesellschaften und Staaten. Das reicht hier, um sich an der öffentlichen Debatte über Migration zu beteiligen, obwohl sie substantiell überhaupt nichts zu ihr beitragen.

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Der einzige, der hier faselt, ist sozi ohne partei. Und intellektuelle Minderleister wie Du sind genau Teil des Problems. Komplexe Zusammenhänge werden von Dir aufs Parolenniveau heruntergebrochen.

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ich hätte den vätern des grundgesetzes erzählen sollen
das asylrecht wär für moslems
bedenke da waren auch kommunisten beteiligt
die hätten mich die fresse poliert
dahrendorf von 96 hat niemals an die libanon-clane gedacht
er hat auch nie daran gedacht das asyl an das gesetz der auslese gebunden is
wer gut laufen kann
wer durch die minengräben in ungarn durchkommt..

er hat doch mehr an die politisch verfolgten gedacht
oder an den ausgebommten der den schleuser nicht bezahlen kann

das asylrecht hat sich damit faktisch aufgelöst
da brauchte es keine afd es brauchte nur merkel
und wenn die grünen die kassenlage deutschlands durch endindustrialisierung in griechische verhältnisse verwandelt haben
dann gibts auch hartz 5 für asylanten

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@"und wenn die grünen die kassenlage deutschlands durch endindustrialisierung in griechische verhältnisse verwandelt haben
dann gibts auch hartz 5 für asylanten " ---- Na, nicht die Kausalitäten und Zeitabfolgen umdrehen. Die Sozialhilfekürzung bei Flüchtlingen und die Gutschein- und Naturalregelung, damit begann man 1995. Ein Pilotprojekt dieser Art hatte Ulf Fink in Berlin bereits 1984 gestartet.

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Freizügigkeit für Flüchtlinge - ist das nicht ein Widerspruch von Begriffen, die sich gegenseitig ausschließen?

Flucht ist doch immer eine Bewegung weg von einem üblen Ort an einen weniger üblen. Der Banker springt aus dem World Trade Center, weil ihm dies weniger übel erscheint, als zu verbrennen. Andere fliehen vor einem Genozid dorthin, wo keine Lebensgefahr besteht.

Und nun dies:
"Flüchtlinge! Euch soll Freizügigkeit gewährt werden!"

Mal im Ernst, ist das nicht ein Hohn?
Ein Hohn eben gerade jenen gegenüber, die der Gefahr noch nicht entkommen sind?

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Zum deutschen Asylrecht gehört die Residenzpflicht, d.,h. das Festsetzen der Geflüchteten in Lagern, und dem gegenüber verlangen sie selbst Freizügigkeit. Das ist sehr viel konkreter als Dein semantisches Spielchen hier.


Zum Anderen geht es hier aber um die Freiheit und um Menschen- und Bürgerrechte an sich, und diese stehen als Rechte an sich jedem Menschen zu, also auch Flüchtlingen.

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Wenn ich so die Diskussion verfolge ist die Tatsache, dass Sozialpolitik vom System her gesehen immer Unterdrückungspolitik bedeutet und daher Arbeitslose, Flüchtlinge und generell Arme immer eine Interessengemeinschaft haben, die Che hier mehr oder minder verzweifelt versucht zu benennen gar nicht wahrgenommen. Sagt sehr viel darüber aus, was die Herrschenden mit uns machen können. Fight the power!

Sehr gutes Lied nebenbei, sollte zum Verständnis des Textes unbedingt gehört werden.

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Wenn man das "immer" streicht und bei dieser Sache nach Hinsichten unterscheidet, stimme ich dem zu. Es ist dies eine mögliche Perspektive. So wie der Polizeieinsatz in Hamburg zu G20 und überhaupt dieser Gipfel dort auch dazu diente, die Möglichkeiten der Polizei bei einer Großgefahrenlage und für solche möglicherweise bürgerkriegsähnlichen Großeinsätze zu testen.


Was ansonsten das Gefüge von Macht, Diskurs und Staat betrifft, halte ich in dieser Hinsicht eine Lektüre-Kombination von Foucault, Habermas und Hegel für interessant.

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"...daher Arbeitslose, Flüchtlinge und generell Arme immer eine Interessengemeinschaft haben ..."

*lol* Vollkommen neben der Realität.

Worin soll das gemeinsame Interesse liegen ?
Mehr "Flüchtlinge" sind also im Sinne der "Armen und Arbeitslose". Also mehr Konkurrenz am Arbeitsmarkt, mehr Kriminalität, mehr Dystopien in den Klassenzimmern, mehr Fremdheit in den eigenen Stadtteilen ?

"... vom System her gesehen ..."
Jupp, genau so ! :-)

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Ich habe nicht geschrieben dass mehr Flüchtlinge im Interesse der Arbeitslosen oder Armen (Deutschen, EU-BürgerInnen) seien sondern dass die eine Interessengemeinschaft haben, weil sie nämlich partiell in der gleichen Lage sind: Alle dem Zugriff und in unterschiedlichem Maße, hierarchisch gegliedert, mit den Flüchtlingen unten und den Kurzzeitarbeitslosen oben den Zurichtungen und Schikanen der Behörden ausgeliefert, alle finanziell prekär und zugleich hochgradig abhängig, alle, auch das wieder graduell untergliedert, sozialer Diskriminierung ausgesetzt.


Und die Sanktionen die Behörden gegen diese Gruppen einsetzen ähneln sich sehr.

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Solche intersektionellen Rundumschläge wie sie Momorulez und solche veranstalten, wo dann ein Kollektiv People of Colour - LesbenSchwuleTransenBisexuelle - ausgegrenzte Minderheiten - Feministinnen analog dem Klassenwiderspruch dem Kollektiv "Die Normalisierer" gegenübergestellt werden, das dann von Vorgesetzten über die Polizei und Psychiater bis zum glatzköpfigen Lynchmob reicht liegen mir allerdings ausgesprochen fern.

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Na ja, herold, auch das kommt ganz auf die Perspektive an. Unter dem Prinzip der Konkurrenz magst Du recht haben. Aber wenn man es unter dem Blick betrachtet, daß sowohl Auswanderer wie auch Deutscher beide ihre Haut zu Markte tragen müssen, um ihr Dasein qua Erwerbsarbeit zu bestreiten, haben beide Seiten etwas gemeinsam: sie sind nämlich beide nicht im Besitz der Produktionsmittel. Und damit finden sie sich in der gleichen Position.

Nur um zu zeigen, daß in allen solchen Fällen unterschiedliche Blickwinkel denkbar sind, und je nachdem, welche vom öffentlichen Diskurs aktiviert und präferiert werden, schwanken dann eben auch die Darstellungen.

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Eine intersektionistische Perspektive ist ja nicht einmal per se schlecht. Wenn da aber dann solche Seltsamkeitshanseln und -hanselett_*Innen antrullern und mir irgendwas von Privilegien erzählen, für die ich mich zu rechtfertigen habe und im Brustton der Überzeugung sagen, ich müsse das reflektieren: dann sollen jene Gestalten einmal gut darüber nachdenken, wer Verbündete braucht: die oder ich. Das ganze läuft also bereits auf der kleinsten taktischen Ebene qua dieses entsetzlichen Moralspackotums völlig aus dem Ruder. Und wer da, wie netbitch es schrieb, im Rundumschlag austeilt und alles zum rechten Mob der Normalisierer zuschlägt, ohne Sinn für die spezifischen Differenzen und ausgerechnet von jenen vorgebracht, die im Dauerton ansonsten auf ihre Differenzierungen pochen, dann sollten sich jene Leute halt nicht wundern, daß sie eben alleine dastehen. Ich pflege dann immer zu sagen: Es ist gut, daß ihr eine Minderheit seid. Und wir sollten auch alles dafür tun, daß es so bleibt.

Und wer dann auch noch auf dem symbolischen Feld im Klageton und eine Opferrolle rückwärts mir einen Diskurs aufnötigen will, warum es böse und rassistisch ist, daß Dieter Hallervorden sich in einem Stück schwarz schminkt, ein Stück zudem, das Rassismus anklagt, dann drehe ich mich um und gehe weg, weil mich solche Dinge langweilen. Und so geht es den meisten. Es täte diesen Leuten, die sich hauptamtlich auf Twitter und in anderen sozialen Medien herumtreiben, einmal gut, sich wieder unter Menschen zu mischen. Quasi wie ein Fisch im Wasser.

Und dieser Irrsinn ist ja auch das, was che hier im Blog immer wieder und ganz zu recht kritisiert.

Ansonsten würde ich sagen, daß selbst die Iglo-Fischstäbchen-Werbung mit schwulen Männern mehr an Verständnis und Sinn gebracht hat, als sämtliche Vorwurfs- und Ankageschriften von Sow oder Mädchenmannschaft zusammen.

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Du sagst es. Ich wurde ja selbst von Momo ins Lager der Normalisiererinnen hineinfantasiert, nicht nur wegen meines Hinweises auf die Avantgarderolle von Bewegungslesben in der informellen Hierarchie feministischer Zusammenhänge der Neunziger, sondern weil ich für eine paar Monate kaufmännische Leiterin einer psychotherapeutischen Privatklinik war und damit für ihn zu den hauptamtlichen Normalisierern gehörte. Klar, die Kassendame eines Zentrums für Gesprächs- und Verhaltenstherapien spritzt Leute ab und wahrscheinlich kastriert und elektroschockt sie auch;-)

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Zumal solche Vorwürfe von Leuten kommen, die für die Pop-Industrie arbeiten oder Buch-Verträge bei Bertelsmann haben. Und dann kann man gerne das Privilegienquartett spielen, diesen Spieß umkehren, und das Spiel eben nach den Regeln dieser Leute zurückspielen.

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flüchtlinge arbeitslose und arme werden nie eine interessensgemeinschaft bilden
wer das glaubt is verrückt
da würd ich auch die sich für arm haltenden dazurechnen

das is ein harter verdrängungswettbewerb
rücksichtslos und brutal

wir haben in deutschland z.zt eine traumhafte kassenlage. eine bessere hat es nie gegeben.
es wird eine zeit kommen was völlig normal is das gegenteiliges passiert.

ein zitterwolf muss sich dann schwer bewaffnen

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@herold: *lol* Vollkommen neben der Realität.--- Realität heißt für Dich offensichtlich der Die-Flüchtlinge-nehmen-uns-die-Arbeitsplätze-weg-Alltagsrassismus. Ja, hätteste wohl gerne, dass das als einzige Realität angesehen würde. Leute wie Du haben einfach viel zu lange nicht mehr proletarisch auffe Fresse gekriegt.

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Ich erkläre Dir das 'mal:
Seit den 30er Jahren beruht der Arbeitsmarkt im wesentlichen auf "Ausgebildeten". Man schätzt, daß der Arbeitsmarkt in D. in der Lage ist, rd. 25% "Unausgebildete" aufzunehmen.

Durch die Einwanderung ist der Anteil der "Unausgebildeten" auf 30-35% gestiegen. GLEICHZEITIG wurde erkannt, daß die "öffentl. Verwaltung" (Staatsquote rd. 45%) nicht bereit ist, sich an der Beschäftigung der Migration wirklich zu beteiligen.

(..deshalb waren ja 2015 auf dem Höhepunkt des Wahns, die Flüchtlinge "Fachkräfte FÜR DIE WIRTSCHAFT" und AUSSCHLESSLICH Wirtschaftsverbände und Unternehmen bejubelten die neuen Hochquaifizierten)

Konsequenz: Hartz-Reformen
Die Hartz-Reformen wurden aus 2 Gründen umgesetzt:
1. Ein nicht auf einem "regulären" Arbeitsmarkt unterzubringende Größe "Unausgebildeter
2. Der weitgehende Ausfall des "öffentl. Sektors" als Arbeitgeber dieser "Unausgebildeten"

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In den Herkunftsländern der Migranten gibt es keine sozialen Sicherungssysteme (oder nur für kleine Minderheiten wie Staatsangestellte o.ä.).

In Südamerika arbeitet jeder, JEDER der physisch dazu in der Lage ist. Kinder packen den Kunden im Supermarkt die Waren in Tüten und bringen sie zum Auto. Straßenhändler gibt es eine Menge, Menschen, die an der Ampel Autoscheiben reinigen, Menschen, die ihr Handy minutenweise verleihen, Musiker, die im Bus ein Liedchen zum besten geben und dann um eine Spende bitten.

Glaubt jemand ernsthaft, die würden Hartz-IV in Deutschland als "Abhängigkeit" empfinden?

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@herold: "Die Hartz-Reformen wurden aus 2 Gründen umgesetzt:
1. Ein nicht auf einem "regulären" Arbeitsmarkt unterzubringende Größe "Unausgebildeter
2. Der weitgehende Ausfall des "öffentl. Sektors" als Arbeitgeber dieser "Unausgebildeten" " -------- Abgesehen davon dass hier Hartz 1-3 nicht so wirklich zur Geltung kommen (massiver Ausbau der Leiharbeit, Förderung der Selbstständigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus, Umbau der Arbeitsämter zu Vermittlungsagenturen) fallen mir hier noch ganz andere Gründe ein:

1. Kostenersparnis durch Wegfall der Arbeitslosenhilfe, statt Alimentierung von Langzeitarbeitslosem mit Einkommen abgeleitet aus dem letzten Gehalt Grundversorgung auf Sozialhilfeniveau, Enteignung Langzeitarbeitsloser durch Hinzuziehung von Vermögen und Immobilienbesitz zum Lebensunterhalt

und hierdurch

2. Druckaufbau sich egal zu welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu verdingen, auch als arbeitsloser Akademiker oder Meister bereit sein als Hilfsarbeiter oder Billigjobber zu arbeiten u.ä. und in Zusammenwirkung mit Hartz 1 -3

3. Etablierung eines Billiglohnsektors, der unter Beibehaltung der Tarifverträge einen zweiten entgarantierten Arbeitsmarkt schafft, der makroökonomisch gesehen die Produktionskosten senkt und die unmittelbare Ausbeutung erhöht, somit dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenwirkt und die deutsche Wirtschaft insgesamt in der Weltkonkurrenz begünstigt. Der Billiglohnsektor wird hier in ähnlicher Weise zum Standortfaktor wie in der Frühen Neuzeit der Merkantilismus, solange nur ein Staat (damals Frankreich) oder wenige ihn praktizierten. Deutschland wurde unter anderem, nicht nur, deswegen kurzfristig Exportweltmeister.

Die verwalteten, entrechteten Langzeitarbeitslosen bzw. Niedriglohnkräfte sind da in ihrer Lebenssituation nicht sooooo weit weg von den Flüchtlingen, zumindest was den behördlichen Zugriff auf ihren Lebensalltag angeht.

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@willy In DEN Herkunftsländern DER Migranten gibt es keine sozialen Sicherungssysteme (oder nur für kleine Minderheiten wie Staatsangestellte o.ä.).

In Südamerika arbeitet jeder, JEDER der physisch dazu in der Lage ist. ---- es gibt nicht DIE Herkunftsländer DER Migranten, das liest sich ja, als kämen die alle aus Migrantistan. Ich zweifle auch daran, dass Deine Erfahrungen aus Kolumbien sich umstandslos auf ganz Südamerika, z.B. Paraguay, Brasiien oder Französisch Guayana übertragen lassen.

In Ländern wie Ägypten oder Pakistan sieht "soziale Sicherung" so aus, dass Arbeitslose zu Staatsdienern gemacht werden, z.B. wurden die arbeitslosen jungen Männer ganzer Landstriche zu Polizisten oder Security-Leuten gemacht die dann alle nach Kairo geschickt wurden. Da sind dann Staatsangestellte keine kleine Minderheit.

In Brasilien war die Rentenreform einer der Gründe für die massiven Unruhen der letzten Jahre. Man kann sagen dass das dortige Rentensystem extrem ungerecht ist, man kann aber nicht sagen dass es KEIN allgemeines Rentenversicherungssystem gäbe.

https://www.standardlife.de/news/article/reforma-do-caixao-im-politischen-chaos-607/


Was machst Du mit Bürgerkriegsflüchtlingen? Die verlassen ihre Heimat nicht wegen des deutschen Sozialversicherungssystems. Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in deutschen Flüchtlingswohnheimen und Hartz4 Leute die vor unmittelbarer Lebensgefahr geflüchtet sind oder vor absolutem Elend nicht abschrecken nach Deutschland zu kommen rechtfertigt schließlich auch nicht, die gegenüber armen Deutschen schlechter zu stellen, das wäre Apartheid. Es gibt keine Menschen zweiter KLasse. Abgesehen mal davon dass viele von denen in Deutschland schwarz arbeiten zu Bedingungen die man mit "Dritte WElt in der Ersten" zutreffend bezeichnet hat. Etwa in der Gastronomie, wo die Lohngruppe 2-4 Euro schwarz intern der "Tamilen-Tarif" genannt wird.

Oder auch legale außertarifliche Billiglohnarbeit bei Firmen wie Dairy Fruit, wo keine Deutschen arbeiten.

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Mal abgesehen davon dass wir in Deutschland so unheimlich viele Migranten aus Südamerika haben. Unsere Innenstädte sind ja geradezu overcorwded von Anden-Panflöten-Bands, lol. (Das sind die einzigen Südamerikaner die ich in Deutschland wahrnehme).

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WTF is Dairy Fruit?

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Eine dänische Molkerei-Großkette, die in ihren deutschen Produktionstätten so spaßige Jobs bietet wie Molkefässer mit einer Art Rückenkiepe durch die Halle zu schleppen und in eine Zentrifuge zu kippen - in 12-Stunden-Schichten.

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che wo gibts die leute zum tamilen-tarif?
ich hab mich grad den rücken angeknackst
könnte gut 3 leute für ne woche gebrauchen

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@Che Deine Aussagen zu dem Rentensystem in Schwellen/Entwicklungsländern stimmt so nicht.
In Brasilien erhalten nur eine Minderheit eine solche Rente. Ich schlag das jetzt nicht nach, aber ich schätze um die 20%. Der Rest erhält praktisch nichts. Die sind dann auf ihre Kinder angewiesen, NGOs oder sie arbeiten irgendwie bis zum Umfallen.
Ökonomie hat gewisse quantitative Aspekte. Aussagen wie "Da werden einfach Arbeitslose zu Staatsdienern gemacht" sind hochgradig naiv.
Südamerikaner werden in Deutschland meist nicht als politisch Verfolgte akzeptiert. Sprachlich und kulturell ist für sie Spanien oder Italien einfacher. Insbesondere Uruguaschos und Argentinier können sich da oft auch die entsprechenden Staatsbürgerschaften besorgen.
In IT-Jobs gibts inzwischen einige Kolumbianer und Venezolaner. Ausserdem baggert unser Staat nach mexikanischen Krankenschwestern/Altenpflegern.

Auf Chile bezogen haben sich die Wirtschaftsmigrantenströme dramatisch gewandelt. Früher gabs da weitgehend Peruaner als Ausländer. Inzwischen siehst du viele Leute aus Haiti, dem schwarzen Osten Kolumbiens und Venezolaner ohne Ende. In Santiago sowieso und auch in Provinzstädten. Insbesondere in Zonen mit Exportlandwirtschaft sind die Felder voller gente de color (alter kubanischer Begriff für "Farbige"). Hab ich im Oktober mit eigenen Augen vom Fahrrad aus gesehen (Región de Ñuble). Auch auf Märkten als Hilfsarbeiter.
Hier Zahlen: https://es.wikipedia.org/wiki/Inmigraci%C3%B3n_en_Chile#Cifras_de_inmigraci%C3%B3n_y_de_di%C3%A1sporas_en_Chile
Immer bezogen auf eine Einwohnerzahl von nur 18 Mio.
In einem Land, das nun am Beginn eines politischen, ökonomischen und sozialen Systemwechsel steht.

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Was Brasilien angeht habe ich das oben verlinkt. Weise mir nach, dass das nicht stimmt. Dass Arbeitslose zu Staatsdienern machen bezog sich auf Ägypten und Pakistan, unter Saddam Hussein war das auch im Irak so. Das ist ein an Ostblockverhältnisse angelehntes System, in dem staatlicherseits teilweise unnütze Jobs geschaffen werden (in der DDR: Heizer auf Dieselloks oder Sekretärinnen bzw. Facharbeiterinnen für Schreibarbeiten wie das da hieß in Betrieben ohne großen Korrespondenzbedarf) um Leute formal in Arbeit zu bringen, zu Hungerlöhnen. Und gleichzeitig eine staatlich akzeptierte Schattenwirtschaft, ich kannte mal einen ägyptischen Staatsanwalt der die Hälfte seiner offiziellen Dienstzeit in seinem Reisebüro saß. Ich will das alles ja weder gutheißen noch verteidigen, ich habe nur auf Willy geantwortet und geschrieben dass das so monokausal wie er das darstellt nicht stimmt.

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Zitterwolf, die Leute zum Tamilen-Tarif bekommst Du wenn Du eine Pizzeria betreibst und kein Deutscher bist.

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@bitcoin flüchtlinge arbeitslose und arme werden nie eine interessensgemeinschaft bilden
wer das glaubt is verrückt

Die Ersten die unter Flüchtlingssolidarität kein sozialarbeiterisches Verhältnis mit wohlmeinender Bevormundung sondern Kooperation auf Augenhöhe verstanden waren Arbeitslosen-Selbsthilfegruppen. Ich kenn mich da aus, denn ich komme daher. Es geht also eher darum an etwas anzuknüpfen das es schon mal gab.

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In Lateinamerika sind ALLE Rentensystem sozial äußerst regressiv. Das gilt selbstverständlich auch für die neoliberale Version in Chile.
Zu Brasilien gibt es eine Menge gute Artikel, aber alle auf Spanisch. Wenn Du magst kannst Du das von dem spanischen El País (nicht zu verwechseln mit dem uruguayanischen) in google translate werfen -> https://elpais.com/internacional/2019/03/26/actualidad/1553629605_589314.html

Da steht, dass 2/3 998 Reais erhalten. Das sind nach aktuellem Kurs 217 Euro. UND NEIN, davon kann man nicht wirklich leben. Ich war schon mal in einem brasilianischen Supermarkt.
Die Armee, die unverheirateten Töchter von Armee-Angehörigen, die Politiker, die Richter erhalten natürlich viel, viel mehr. Sie haben sich schließlich ihr ganzes Leben angeblich für das "Gemeinwohl" gestritten.

In Chile erhalten 1,6 Mio Sozialrente (18 Mio Gesamtbev). Vor dem Oktober Aufstand erhielten die zwischen 128 und 378 Euro. Allerdings wird jetzt der Sozialanteil von 128 Euro um 50% erhöht. Für die unter 80 jährigen aber nur stufenweise über 2 Jahre.
Die durchschnittliche ebenfalls aus Steuergeldern finanzierte Rente für Armeeangehörige beträgt 1150 Euro. Fundación Sol - eine Art gemäßigt linker Think Tank - hat neulich ausgerechnet, dass der Staat für die wesentlich geringere Anzahl an Beziehern der Armee-Rente 0,9% des BIP ausgibt. Für die zahlreichen Sozialrentebezieher nur 0,8%.

Ich hab selbst 2 alte Frauen gesehen, die am Küchentisch sassen und Brot in Tee tunkten. Es war Mitte des Monats. So kann man das Hungergefühl austricksen. Viele ein wenig ältere Leute als wir in Ägypten und Pakistan werden den Trick sicher auch kennen. Altersarmut findet im Verborgenen statt. Es war eine alte Bekannte der Mutter einer guten Freundin und ihre Schwester. Paula unterstützt sie ein wenig, wie auch andere Alte. War auch schon in einem Altenheim für Arme in Chile.
Will nicht den Thread hyjacken. Wollte das nur gesagt haben. For the record.

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Ja, das stimmt. Wobei die Renten in Griechenland, Portugal oder Spanien kaum besser aussehen. Mein Text ging auch eigentlich nur gegen Willys Position, dass es in Südamerika keine sozialen Sicherungssysteme gäbe -und nicht: von Land zu Land unterschiedliche, aber jeweils völlig unzureichende. Ich bin als ausgebildeter Politikwissenschaftler da sehr sorgfältig, was die genauen Aussagen angeht. Und was Arbeitsbeschaffungsprogramme im Nahen/Mittleren Osten angeht, also die Großregion wo die hiesigen Flüchtlinge herkommen ist das ein völlig eigenes Thema.

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Der El-Pais-Artikel ist in der Tat äußerst informativ und bestätigt das was ich selber recherchiert hatte. Ein brasilianischer Kollege erzählte mir, dass das Rentensystem aufgrund der hohen Beamten- und Militärrenten nicht mehr finanzierbar sei. Wenn das stimmen sollte nimmt die Ungerechtigkeit des Systems fast surreale Züge an.

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positive sozialprognose:
"Clan-Boss Miri: Nach Abschiebung kam Tochter zur Welt"

„Herr Miri hat bereits im Juli vergangenen Jahres, also nach der ersten Abschiebung, gegen die Fristsetzung geklagt“, so Timmer. „Im Dezember 2019, einige Tage nach der zweiten Abschiebung in den Libanon, ist seine deutsche Tochter zur Welt gekommen. Er hat jetzt zwei Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, für die er auch das formelle Sorgerecht innehat.“

posthum positive sozialprognose:
Lucky Luciano
Meyer Lansky
Bugsy Siegel
muss ja mit dem german mainstream mithalten

"Der Rechtsanwalt zu FOCUS Online: „Diese Umstände, wie auch die positive Sozialprognose bei der Haftentlassung wurden nicht angemessen berücksichtigt"
Anwalt Timmer:
"Recht auf Schutz von Ehe und Familie"

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Auch Hitler wurde vorzeitig aus der Haft entlassen, weil er das Gericht überzeugen konnte dass er sich gebessert hat und nie wieder etwas Böses anstellen wird.


Aber das alles hat nichts mit dem Thema zu tun, denn Herr Miri ist kein Flüchtling. Libanese zu sein macht keinen Geflüchteten aus. Zum Thema Miri fällt mir aber ein ganz anderer Vertreter ein:

https://rebellmarkt.blogger.de/stories/259349/

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che, der miri clan sind 2500 libanon - flüchtlinge aus den 80er jahren
wobei der name miri selbstgewählt is und sowas wie: zitterwolf

und der clan is sowas wie:
freunde der italienischen oper

dank deutscher behörden haben se sich dann hier über 40 jahre integriert als miri-familie

es sind flüchtlinge lieber che

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