Donnerstag, 30. Juli 2020
Corona-Infektion: KI identifiziert 6 verschiedene Symptom-Typen, die Anhaltspunkte für zu erwartenden Verlauf liefern
Michael van den Heuvel, medscape



Mit künstlicher Intelligenz (KI) fanden Wissenschaftler in Daten von COVID-19-Patienten 6 unterschiedliche Symptomcluster. Diese stehen mit unterschiedlich hohen Risiken einer Atemunterstützung in Verbindung, berichtet Dr. Carole H. Sudre vom King's College London und Kollegen zusammen mit Kollegen [1]. Ihre Ergebnisse ihrer Analyse sind bisher nur als Preprint erschienen.

Diese Ergebnisse haben wichtige Auswirkungen auf die Überwachung und Behandlung von Menschen, die am anfälligsten für schweres COVID-19 sind. Dr. Claire Steves
„Diese Ergebnisse haben wichtige Auswirkungen auf die Überwachung und Behandlung von Menschen, die am anfälligsten für schweres COVID-19 sind“, sagt Koautorin Dr. Claire Steves vom King's College London. Sie hofft, anhand des Algorithmus vorherzusagen, wer beispielsweise 5 Tage nach Eintreten der anfänglichen Symptome starke Beschwerden entwickeln wird. „Dann hätte man Zeit, Patienten zu unterstützen und frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, z.B. die Überwachung des Blutsauerstoff- und Zuckerspiegels und die Sicherstellung einer angemessenen Flüssigkeitszufuhr (…).“

Unterschiedliche Symptome nach SARS-CoV-2-Infektionen
Obwohl anhaltender, starker Husten, Fieber und Geruchs- bzw. Geschmacksverlust bekanntlich die wichtigsten Symptome einer SARS-CoV-Infektion sind, besteht hier große Unsicherheit. Manche Patienten haben keine Beschwerden. Andere leiden mitunter an Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Durchfall oder kognitiven Problemen. Welche frühen Beschwerden prognostisch für einen schweren COVID-19-Verlauf sind, war bisher unklar.

Deshalb arbeitete Sudres Team mit einem Ansatz des maschinellen Lernens. Das geht so:

Im 1. Schritt entwickelten sie einen Algorithmus, der bestimmte Muster in Datensätzen erkennen kann, etwa Assoziationen zwischen Symptomen und dem weiteren Krankheitsverlauf.

Dieser Algorithmus wurde mit Testdaten trainiert. Er ist selbst lernend, das heißt, seine Ergebnisse verbessern sich, je mehr Trainingsdaten (hier n = 1.653) bereitgestellt worden sind.

Dann bearbeitete der Algorithmus unbekannte Daten (hier n =1.047).

6 verschiedene Symptomcluster bei COVID-19
Trainingsdaten kamen von Usern einer App aus den USA und aus Großbritannien. Zwischen März und April 2020 wurden Daten gesammelt. Mit ihrer Software identifizierten die Forscher 6 Cluster mit charakteristischen Symptomen:

Cluster 1 (grippeähnliche Beschwerden ohne Fieber): Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Muskelschmerzen, Husten, Halsschmerzen, Brustschmerzen, kein Fieber.

Cluster 2 (grippeähnliche Beschwerden mit Fieber): Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Husten, Halsschmerzen, Heiserkeit, Fieber, Appetitlosigkeit.

Cluster 3 (Magen-Darm-Beschwerden): Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Appetitlosigkeit, Durchfall, Halsschmerzen, Brustschmerzen, kein Husten.

Cluster 4 (schwere Symptome, Stufe 1): Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Husten, Fieber, Heiserkeit, Brustschmerzen, Müdigkeit.

Cluster 5 (schwere Symptome, Stufe 2): Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Appetitlosigkeit, Husten, Fieber, Heiserkeit, Halsschmerzen, Brustschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Muskelschmerzen.

Cluster 6 (schwere Symptome, Stufe 3): Kopfschmerzen, Geruchsverlust, Appetitlosigkeit, Husten, Fieber, Heiserkeit, Halsschmerzen, Brustschmerzen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Muskelschmerzen, Atemnot, Durchfall, Bauchschmerzen.

Welcher Symptom-Cluster ist mit einem schweren COVID-19-Verlauf assoziiert?
Als nächstes untersuchte das Team, ob Menschen mit bestimmten Symptom-Clustern mit größerer Wahrscheinlichkeit Atemunterstützung in Form von Beatmung oder zusätzlichem Sauerstoff benötigen.

Sie fanden heraus, dass nur 1,5% der Patienten im Cluster 1, 4,4% der Patienten im Cluster 2 und 3,3% der Patienten mit Cluster 3 COVID-19 Atemunterstützung benötigten. Für die Cluster 4, 5 und 6 waren es 8,6%, 9,9% und 19,8%.

Darüber hinaus musste knapp die Hälfte aller Patienten in Cluster 6 ins Krankenhaus, verglichen mit 16% im Cluster 1.

Patienten mit COVID-19-Symptomen des Clusters 4, 5 oder 6 waren tendenziell älter und gebrechlicher, häufiger übergewichtig und hatten bereits bestehende Erkrankungen wie Diabetes oder Lungenerkrankungen als Menschen mit Typ 1, 2 oder 3.

Unter Verwendung der ersten 5 bis 10 Tage der Symptomprotokollierung betrug die Receiver Operating Characteristic (ROC) als Maß für die Aussagekraft des neuen Tools hinsichtlich respiratorischer Unterstützung 78,8% und übertraf damit Ansätze aufgrund einzelner Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen (69,5%).

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