Montag, 9. November 2020
Pfizer und Biontech berichten vom Erfolg ihrer mRNA-Vakzine
90% Wirksamkeit in geplanter Zwischenauswertung

Experten erwarten Wendepunkt durch Impfung

Notfallzulassung bei der FDA und EMA zum Greifen nah?

Pfizer und Biontech berichten vom Erfolg ihrer mRNA-Vakzine
Die Unternehmen Pfizer und Biontech vermelden Erfolge mit ihrem mRNA-basierten Impfstoffkandidat BNT162b2 gegen SARS-CoV-2. Er sei bei Teilnehmern ohne vorherigen Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion wirksam, berichten sie. Das externe unabhängige Data Monitoring Committee (DMC) habe am 8. November Resultate einer Zwischenanalyse übermittelt. Bislang haben sich 94 Personen infiziert.

90% Wirksamkeit in geplanter Zwischenauswertung
Die Daten deuteten auf eine Impfstoff-Wirksamkeitsrate von über 90% hin – und dies bereits 7 Tage nach der Gabe der 2. Dosis. Der Schutz werde demnach bereits 28 Tage nach der 1. Impfung erreicht. Im weiteren Verlauf der Studie kann der endgültige Prozentsatz der Impfstoffwirksamkeit jedoch noch variieren. Das DMC hat aktuell keine ernsthaften Sicherheitsbedenken gefunden und empfiehlt, dass die Studie wie geplant mit der Erhebung zusätzlicher Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten fortgeführt wird.

Experten erwarten Wendepunkt durch Impfung
„Das sind großartige und vielversprechende Daten“, kommentiert Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer gegenüber dem Science Media Center Germany. Er ist Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln. „Es ist unglaublich, dass in so kurzer Zeit dieser Fortschritt mit Entwicklung eines Impfstoffes und klinischer Prüfung innerhalb weniger Monate erzielt werden konnte.“ Die bisherigen Ergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit seien hervorragend. „Ich denke, das wird unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen, und ich hoffe, dass rasch große Mengen des Impfstoffes zur Verfügung stehen werden“, so Fätkenheuer weiter.

Von einem „Silberstreifen an dem sonst so düsteren Horizont“ spricht Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin sowie Leiter der dortigen Spezialeinheit für hochansteckende lebensbedrohliche Infektionen, München Klinik Schwabing. Die Effektivität von mehr als 90% sei „bemerkenswert“, auch deshalb, weil viele laufende Impfstudien zu COVID-19 lediglich eine Erfolgsquote von mindestens 50% voraussetzten. „Darüber hinaus ist zu betonen, dass ein scharfer Endpunkt definiert wurde – Infektion ja oder nein“, ergänzt Wendtner. Für ihn bleibt als Botschaft, dass mRNA-Vakzine als neues Wirkprinzip ihre Effektivität unter Beweis gestellt haben.

„Die Nachbeobachtungszeit ist noch sehr kurz, die seitens der FDA geforderten 60 Tage nach der zweiten Impfdosis werden aber bereits in Kürze, also in der 3. Novemberwoche erzielt sein“, berichtet der Experte. „Und natürlich müssen nicht nur Langzeitwirkungen im Sinne der Protektion beobachtet werden, auch Langzeitnebenwirkungen müssen langfristig auf dem Radarschirm bleiben.“

Wendtner rechnet noch im November 2020 mit einer Notfallzulassung bei der FDA: „Wenn dieser Schritt erfolgen wird, könnte in der Tat bereits Ende 2020 eine Impfwelle anrollen, dann stehen bereits 50 Millionen Dosen laut Hersteller zur Verfügung.“ Für 2021 habe der Hersteller 1,3 Milliarden Dosen versprochen.

Notfallzulassung bei der FDA und EMA zum Greifen nah?
Zum Hintergrund: BNT162b2 enthält Lipid-Nanopartikel mit modifizierter mRNA, welche für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 codiert. Nach der intramuskulären Verabreichung wird das Protein intrazellulär gebildet, was zur Immunreaktion führt.

Die klinische Phase-3-Studie begann am 27. Juli und hat bis heute 43.538 Teilnehmer eingeschlossen, von denen 38.955 bis zum 8. November 2020 eine 2. Dosis des Impfstoffkandidaten erhalten haben. Derzeit werden weitere Probanden rekrutiert. Bis zur abschließenden Analyse sollen 164 bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen aufgetreten sein.

Im Rahmen der Studie soll auch das Potenzial des Impfstoffkandidaten bei Personen, die zuvor mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen sind, bewertet werden. Eine weitere Fragestellung ist, ob die Vakzine gegen schwere COVID-19-Erkrankungen schützt.

Die Daten sollen nun mit Zulassungsbehörden weltweit diskutiert werden, darunter die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA und die europäische EMA; wo bereits ein „Rolling Review” des Impfstoffs läuft. Eine wissenschaftliche Publikation ist offenbar in Vorbereitung.


Update vom 6. November 2020
RKI: Mehr als 20.000 Neu-Infektionen/Tag – immer mehr Ältere

Münchner Studie in 1. Welle: Dunkelziffer 4-mal so hoch wie gemeldete Infektionen

Dänemark: Mutiertes Corona-Virus in Nerzen – über 15 Millionen Tiere werden getötet

RKI: Mehr als 20.000 Neu-Infektionen/Tag – immer mehr Ältere
Gestern waren es mit 19.990 noch knapp unter 20.000 gemeldete tägliche Neu-Infektion mit dem Corona-Virus in Deutschland gewesen – heute Morgen vermeldete das RKI dann den nächsten Höchststand mit 21.506 Neu-Infektionen. Die Zahl der Todesfälle ist um 166 auf 11.096 gestiegen. Seit Beginn der Corona-Pandemie gibt es damit 619.089 nachgewiesene Infektionen mit dem Virus in Deutschland.

Trotz immer neuer Spitzenwerte bei den täglichen Infektionsraten gibt es aber auch Anlass für (verhaltenen) Optimismus: Die Reproduktionszahl R liegt derzeit unter 1 (bei 0,8) – ein Infizierter steckt demnach im Schnitt weniger als eine weitere Person an. R muss aber mehrere Tage deutlich unter 1 liegen, um von einer Trendwende sprechen zu können.

Laut RKI liegt die Inzidenz der letzten 7 Tage deutschlandweit bei 126,8 Fällen pro 100.000 Einwohner und ist damit weiter leicht gestiegen. Seit Anfang September nehme auch der Anteil älterer Personen unter den COVID-19-Fällen wieder zu. Die 7-Tage-Inzidenz bei Personen im Alter von 60 oder höher betrage derzeit 83,8/100.000 Einwohner.

Münchner Studie in 1. Welle: Dunkelziffer 4-mal so hoch wie gemeldete Infektionen
Es wird davon ausgegangen, dass die Dunkelziffer an nicht aufgedeckten Infektionen in der Bevölkerung deutlich höher ist. Wichtige Daten dazu soll nun eine große Antikörper-Studie des Tropeninstituts der LMU liefern, die gestern vorgestellt worden ist und über die die Süddeutsche berichtet. Die Studie soll noch im November publiziert werden, ist aber derzeit noch nicht öffentlich verfügbar. Die Wissenschaftler hatten während der ersten Welle in 3.000 repräsentativ ausgewählten Haushalten in München insgesamt 5.313 Blutproben genommen und analysiert.

Sie fanden eine Antikörperrate gegen SARS-CoV-2 von 1,8% - im gleichen Zeitraum ergab sich aus den gemeldeten Infektionen für die bayrische Landeshauptstadt nur eine Infektionsrate von 0,4%. Damit sei von einer mehr als 4-fach so hohen Infektionsrate auszugehen, wie offiziell gemeldet, heißt es. Sie betonen aber auch, dass diese Daten nicht ohne Weiteres auf den derzeitigen Zeitraum und die 2. Welle übertragbar sind – da sich z.B. die allgemeine Testquote und die Testkriterien seitdem verändert haben.

Anhand ihrer Dunkelziffer und der Zahl der Corona-Toten – die sie mit der allgemeinen Übersterblichkeit im Zeitraum zwischen März und Juni abgeglichen haben und zu dem Ergebnis kamen, dass diese quasi ausschließlich den COVID-19-Fällen zuzurechnen seien – haben die Wissenschaftler eine Infection-Fatality-Rate von 0,76% berechnet. Das heißt, von 10.000 Infizierten starben 76. „Das ist um ein Vielfaches höher als die Rate bei saisonalen Grippe-Infektionen“, wird Prof. Dr. Michael Hölscher, Studienleiter und Leiter des Münchner Tropeninstituts zitiert.

Dänemark: Mutiertes Corona-Virus in Nerzen – über 15 Millionen Tiere werden getötet
In Dänemark sollen alle Nerze in den Farmen des Landes – rund 15 bis 17 Millionen Tiere – wegen Corona getötet werden. Der Grund: Bei einigen Tieren ist eine mutierte Form von SARS-CoV-2 nachgewiesen worden, die auch auf den Menschen übertragbar ist. Insgesamt 12 Übertragungen auf den Menschen soll es bereits gegeben haben.

Regierungschefin Mette Frederiksen hatte am Mittwoch angekündigt, es sei notwendig, alle Nerze zu keulen. Denn es bestehe das Risiko, dass das mutierte Virus künftige Impfungen unwirksam machen könnte.

Dänemark ist der weltweit größte Exporteur von Nerzfellen, in 207 Nerzfarmen ist das Coronavirus bereits nachgewiesen worden. In einigen Fällen habe es sich dabei um eine mutierte Variante gehandelt, die sich durch Antikörper weniger gut hemmen lasse. Es stelle damit eine besondere Bedrohung – auch für die künftige Entwicklung von Impfstoffen dar, sagte der dänische Gesundheitsminister Magnus Heunicke.

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