Dienstag, 24. November 2020
75 Jahre Nürnberger Prozess
Ich fragte meinen Vater, der ja Zeitzeuge ist, wie er das damals erlebt hatte.

Er sagte: "Gar nicht. Wir waren mit Überleben beschäftigt."

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Das WHO-Leitlinienteam empfiehlt kein Remdesivir bei COVID-19 – haben Behörden ähnliche Fehler wie bei Tamiflu® gemacht?
Michael van den Heuvel, Medscape



Remdesivir werde bei Patienten, die aufgrund von COVID-19 stationär behandelt werden, nicht mehr empfohlen – unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Derzeit gebe es keine Belege dafür, dass das Medikament die Überlebenschancen oder die Chance auf Vermeidung einer Beatmungspflicht verbessere, schreibt ein Gremium internationaler Experten der WHO-Leitlinien-Entwicklungsgruppe im BMJ [1].

Einen hohen Preis für Remdesivir zu zahlen, ohne gute Evidenz für eine niedrigere Sterblichkeit zu haben, ist ein Glücksspiel. Prof. Dr. Robin Ferner
„Einen hohen Preis für Remdesivir zu zahlen, ohne gute Evidenz für eine niedrigere Sterblichkeit zu haben, ist ein Glücksspiel“, sagt Prof. Dr. Robin Ferner, ein klinischer Pharmakologe an der University of Birmingham. Er war an der Publikation nicht beteiligt.

Große Erwartungen zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie
Remdesivir hat als potenziell wirksame Behandlung für schweres COVID-19 weltweite Aufmerksamkeit erhalten und wird zunehmend zur Behandlung von Patienten im Krankenhaus eingesetzt. Seine Relevanz in der klinischen Praxis ist jedoch unklar.

Noch im Oktober 2020 deuteten Ergebnisse der ACTT-1-Studie darauf hin, dass Remdesivir die Morbidität und die Mortalität günstig beeinflusst, aber nur bei bestimmten Subgruppen (wie Medscape berichtete). Laut europäischer Zulassung profitieren Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren, die zusätzlichen Sauerstoff erhalten, vom Arzneistoff – also weder beatmungspflichtige Patienten noch Patienten mit sehr mildem Verlauf. Doch Empfehlungen können sich aufgrund neuer Daten ändern.

Neue Daten ausgewertet
Die aktuelle Empfehlung basiert auf 4 randomisierten Studien mit über 7.000 Patienten, die wegen COVID-19 stationär behandelt worden sind. Sie erhielten verschiedene Therapien. Das Expertengremium kam zum Schluss, dass Remdesivir keinen signifikanten Einfluss auf die Mortalität oder auf andere wichtige Endpunkte für Patienten hat, wie die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung oder die Zeit bis zur klinischen Besserung der Symptome.

Die Autoren relativieren, man könne derzeit nicht sagen, dass Remdesivir generell keinen Nutzen habe. Vielmehr gebe es auf der Grundlage der verfügbaren Daten keinen Beleg dafür, dass es wichtige Endpunkte beeinflusse. Weitere Studien seien erforderlich.

Die Qualität der Evidenz sei „moderat“, heißt es im Artikel. Bei leichtem Verlauf wird von dieser Pharmakotherapie abgeraten. Grundlage ist die RECOVERY-Studie, über die Medscape berichtet hat.

Wiederholt sich die Tamiflu®-Geschichte?
In einem begleitenden Editorial geht Jeremy Hsu, ein US-amerikanischer Wissenschaftsjournalist, der Frage nach, welche Folgen der Einsatz von Remdesivir unter gesundheitsökonomischen Aspekten hat [2]. Er zieht Parallelen zu einem anderen Arzneistoff.

„Seit Anfang der 2000er-Jahre haben Regierungen in Erwartung von Grippe-Pandemien Milliarden von Dollar für die Lagerung des antiviralen Medikaments Oseltamivir (Tamiflu®) ausgegeben“, schreibt Hsu. „Jahre später erhielten unabhängige Forscher Zugang zu unveröffentlichten klinischen Studien, die zeigten, dass das Medikament nur eine bescheidene Wirkung auf die Verringerung der Dauer der Symptome hatte, viele Nebenwirkungen aufwies und nicht genügend Daten vorlagen, um daraus zu schließen, ob es die schwerwiegendsten Komplikationen der Grippe verhindern könnte.“

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: „Spätestens im Jahr 2020 haben wir Remdesivir, ein teures, experimentelles, antivirales Medikament, eines der ersten und damit gehypten Medikamente, die für COVID-19 entwickelt wurden“, kommentiert der Editorialist. Bekanntlich geht Remdesivir auf gemeinsame Forschungsprojekte der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und des US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID) zurück. Man war auf der Suche nach Ebola-Therapien. Doch der Durchbruch blieb aus. Umso größer war die Hoffnung, COVID-19-Patienten helfen zu können.

„Keine der bisher veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien hat jedoch gezeigt, dass Remdesivir wesentlich mehr Leben rettet als die medizinische Standardbehandlung“, fasst der Wissenschaftsjournalist zusammen. „Stattdessen konzentrieren sich die Forscher jetzt auf mäßig kranke Patienten, die noch von dem Medikament profitieren könnten, wenn es frühzeitig verabreicht würde“, so Hsu. „Aber was ist angesichts des hohen Preises, der begrenzten Vorräte und des jetzt wohl begrenzten Nutzens für Remdesivir zu empfehlen? Sollten Ärzte die Anwendung des Medikaments in Betracht ziehen?“ Daran bleiben aufgrund der ausgewerteten Daten Zweifel.


Welchen Wert Remdesivir bei der COVID-19-Therapie hat, lässt sich erst beantworten, wenn der Hersteller Gilead alle Daten zu klinischen Studien veröffentlicht, so wie es Roche mit Tamiflu® im Jahr 2013 getan hat.

Keine der bisher veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Studien hat gezeigt, dass Remdesivir wesentlich mehr Leben rettet als die medizinische Standardbehandlung. Jeremy Hsu
„Erst als wir uns das Ganze ansahen, stellten wir fest, dass die Vorteile von Tamiflu® darin bestanden, dass die Krankheitsdauer [bei Influenza] um einige Stunden verkürzt wurde“, so Prof. Dr. Tom Jefferson von der Cochrane Collaboration. Er hat damals Roche unter Berufung auf den US False Claims Act verklagt. Dieses Bundesgesetz macht Personen und Firmen haftbar, falls sie aufgrund von Falschaussagen Gewinne erwirtschaften.

Hsu jedenfalls hofft, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird. Auch er verweist auf Kortikoide als Therapie bei COVID-19. Es gebe gute Daten und das Arzneimittel sei preisgünstig.

Derivat von Remdesivir als neuer Hoffnungsträger
Gilead hat jedoch noch einen anderen Trumpf im Ärmel: Das antivirale Molekül GS-441524, ein Derivat von Remdesivir. Es wird derzeit im Rahmen von Tierversuchen untersucht und hätte einige Vorteile. GS-441524 kann in Tablettenform verabreicht werden und damit früher als das intravenös zu applizierende Remdesivir zum Einsatz kommen.

Außerdem ist die Herstellung deutlich preisgünstiger. Remdesivir war zu Beginn der Pandemie der bevorzugte Kandidat, weil es schon toxikologische Studien aus Ebola-Zeiten gab.

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Weiterer Verlauf der Covid19-Krise
Drohen strengere Maßnahmen?
Michael van den Heuvel, Sonja Boehm, Dr. Thomas Kron, Medscape



Der Herbst hat begonnen – und die Zahl der SARS-VoV-2-Infektionen steigt nicht nur in Deutschland drastisch an. Wir informieren Sie in unserem Corona-Blog über aktuelle Entwicklungen, Studien und wissenschaftliche Dispute.

Blog-Update 23. November 2020
Drohen strengere Maßnahmen?

Besser keine Familienbesuche

Zwischenauswertung zu AstraZeneca-Impfstoff

ZI: Bei Engpässen Kontakt-Nachverfolgung priorisieren

ECDC: Neue europäische Teststrategie

Mindestens 6 Monate Immunität nach SARS-CoV-2-Infektion

929.133 SARS-CoV-2-Infektionen (+10.864 im Vergleich zum Vortag) und 14.112 Todesfälle durch COVID-19 (+90) – von diesen Trends berichtet das Robert Koch-Institut auf seinem Dashboard (23. November 2020, 08:00 Uhr). Das sind weniger Neuinfektionen als noch vor 1 Woche; Grund zur Sorge besteht aber weiterhin.

Drohen strengere Maßnahmen?
Es gebe „keine Aussicht auf Lockerungen und keine Entwarnung“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Um ein schönes Weihnachten verbringen zu können, müssen wir den Lockdown verlängern und sicher auch vertiefen.“ Seine Warnung: „Wenn wir jetzt auf diesem hohen Niveau der Infektionszahlen den Lockdown abbrechen und die Geduld verlieren, dann geht alles wieder von vorne los und wir landen am Ende bei noch härteren Maßnahmen als jetzt in Tschechien oder Österreich.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht noch einen Schritt weiter. Er kann sich SARS-CoV-2-Schneltests an Schulen vorstellen. Bei Auftreten einer Infektion solle umgehend die betroffene Klasse in die häusliche Isolation geschickt werden. „Nach negativen Schnelltests am 5. Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule zurückkehren“, so der Minister.

Entscheidungen wird es frühestens am Mittwoch bei der nächsten Schaltkonferenz von Bund und Ländern geben. Viel spricht aber dafür, dass Ländervertreter weitere Maßnahmen wie eine strengere Maskenpflicht befürworten.


Besser keine Familienbesuche
Als besonders kritisch gelten die Feiertage mit traditionellen Besuchen im Familienkreis – in den USA schon zu Thanksgiving, dem 26. November. Die Centers of Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, raten davon ab.

„Die exponentielle Zunahme der Fälle und die Möglichkeit, die Krankheit von einem Teil des Landes in einen anderen zu verlagern, führt zu unserer Empfehlung, zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu reisen“, sagt Dr. Henry Walke, COVID-19 Incident Manager bei der Behörde. Er empfiehlt nur, mit Personen aus dem eigenen Haushalt zu feiern, definiert als diejenigen, die in den 14 Tagen vor der Feier im selben Haus wohnen. Wer sich dennoch entscheidet, andere Menschen einzuladen, sollte laut CDC Masken tragen, im Freien feiern oder Stühle weit auseinanderstellen.


Kommentare bei Medscape:


Dr. Bernd Langmack| Innere Medizin
Eine gute Möglichkeit, die nicht aussagefähige Relativzahl der Wirksamkeit von 90-95% des Covid-Impfstoffes hinter sich zu lassen, besteht in der Berechnung der Number needed to treat (NNT), also die Berechnung der Zahl von Patienten, die geimpft werden müssen, um eine (1) Covid-Erkrankung durch den Impfstoff zu verhindern. Es wird dann sehr schnell deutlich, dass 90%ige Wirksamkeit nicht bedeutet, dass 90% der Geimpften von der Maßnahme profitieren, was ja offenbar oft angenommen wird – woher sonst die Euphorie?



Berechnet man die Number needed to treat (NNT) mit den in diesem Artikel veröffentlichten neuen Daten der Pfizer/Biontech-Impfstudie (43.000 Probanden, gleichgroße Verum- und Placebogruppen von je 21.500; 170 Covidfälle insgesamt, davon 8 in der Verumgruppe, 162 in der Placebogruppe), so kommt man zu folgendem Ergebnis:



1. Die absolute Risikoreduktion beträgt: 0,00716

2. Die Number needed to treat (NNT) beträgt 139



D. h.: Mit dem Impfstoff müssen 139 Patienten geimpft werden, um einen (1) Covid-Fall zu verhindern.

138 von den 139 Patienten hätten auch ohne Impfung keine Covid-Erkrankung erlitten.



Die Wahrscheinlichkeit, durch die Impfung eine Coviderkrankung zu vermeiden beträgt also 1/139 (i. Worten: ein hundertneununddreißigstel).

Da ist es doch viel werbewirksamer zu vermelden, die Wirksamkeit des Impfstoffes betrage mehr als 90%



Josef Seidel| Apotheker11
@Dr. Bernd Langmack Die Studie läuft erst seit Ende Juli, eine Immunität der Teilnehmer gibt es also frühestens seit Ende August. Die Betrachtung bezieht sich also auf ungefähr zwei Monate. Wenn man längere Zeiträume betrachtet, wird die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung für jeden Studienteilnehmer natürlich noch zunehmen. Wenn man annimmt, dass sich prinzipiell 20 % der Bevölkerung (ca. 16 Mio.) irgendwann anstecken würden, wäre mit davon 2 - 3 % (320.000 - 480.000) Krankenhausaufnahmen zu rechnen. Wenn man davon 90 % vermeiden könnte, wäre das schon eindrucksvoll und die NNT würde dann auch wesentlich besser aussehen (NNT 30 - 50 für die Vermeidung einer Krankenhausaufnahme, NNT 20 - 30 für die Vermeidung eines schweren Verlaufs). Alles ein bisschen hypothetisch, natürlich.

Sie als Internist sind, nebenbei, es doch gewohnt, Patienten mit Arzneimitteln zu behandeln, von denen auch nach mehrjähriger Therapie weniger als 1/100 profitiert.


Josef Seidel| Apotheker
@Dr. Bernd Langmack Sorry, hier habe ich mich verrechnet, wenn man alle impft sind natürlich die NNT viel höher. Entscheidender ist aber, dass eine Überlastung der Krankenhäuser vermieden wird. Das ist aktuell eine sehr reale Gefahr."

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