Dienstag, 24. November 2020
Weiterer Verlauf der Covid19-Krise
Drohen strengere Maßnahmen?
Michael van den Heuvel, Sonja Boehm, Dr. Thomas Kron, Medscape



Der Herbst hat begonnen – und die Zahl der SARS-VoV-2-Infektionen steigt nicht nur in Deutschland drastisch an. Wir informieren Sie in unserem Corona-Blog über aktuelle Entwicklungen, Studien und wissenschaftliche Dispute.

Blog-Update 23. November 2020
Drohen strengere Maßnahmen?

Besser keine Familienbesuche

Zwischenauswertung zu AstraZeneca-Impfstoff

ZI: Bei Engpässen Kontakt-Nachverfolgung priorisieren

ECDC: Neue europäische Teststrategie

Mindestens 6 Monate Immunität nach SARS-CoV-2-Infektion

929.133 SARS-CoV-2-Infektionen (+10.864 im Vergleich zum Vortag) und 14.112 Todesfälle durch COVID-19 (+90) – von diesen Trends berichtet das Robert Koch-Institut auf seinem Dashboard (23. November 2020, 08:00 Uhr). Das sind weniger Neuinfektionen als noch vor 1 Woche; Grund zur Sorge besteht aber weiterhin.

Drohen strengere Maßnahmen?
Es gebe „keine Aussicht auf Lockerungen und keine Entwarnung“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Um ein schönes Weihnachten verbringen zu können, müssen wir den Lockdown verlängern und sicher auch vertiefen.“ Seine Warnung: „Wenn wir jetzt auf diesem hohen Niveau der Infektionszahlen den Lockdown abbrechen und die Geduld verlieren, dann geht alles wieder von vorne los und wir landen am Ende bei noch härteren Maßnahmen als jetzt in Tschechien oder Österreich.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht noch einen Schritt weiter. Er kann sich SARS-CoV-2-Schneltests an Schulen vorstellen. Bei Auftreten einer Infektion solle umgehend die betroffene Klasse in die häusliche Isolation geschickt werden. „Nach negativen Schnelltests am 5. Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule zurückkehren“, so der Minister.

Entscheidungen wird es frühestens am Mittwoch bei der nächsten Schaltkonferenz von Bund und Ländern geben. Viel spricht aber dafür, dass Ländervertreter weitere Maßnahmen wie eine strengere Maskenpflicht befürworten.


Besser keine Familienbesuche
Als besonders kritisch gelten die Feiertage mit traditionellen Besuchen im Familienkreis – in den USA schon zu Thanksgiving, dem 26. November. Die Centers of Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, raten davon ab.

„Die exponentielle Zunahme der Fälle und die Möglichkeit, die Krankheit von einem Teil des Landes in einen anderen zu verlagern, führt zu unserer Empfehlung, zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu reisen“, sagt Dr. Henry Walke, COVID-19 Incident Manager bei der Behörde. Er empfiehlt nur, mit Personen aus dem eigenen Haushalt zu feiern, definiert als diejenigen, die in den 14 Tagen vor der Feier im selben Haus wohnen. Wer sich dennoch entscheidet, andere Menschen einzuladen, sollte laut CDC Masken tragen, im Freien feiern oder Stühle weit auseinanderstellen.


Kommentare bei Medscape:


Dr. Bernd Langmack| Innere Medizin
Eine gute Möglichkeit, die nicht aussagefähige Relativzahl der Wirksamkeit von 90-95% des Covid-Impfstoffes hinter sich zu lassen, besteht in der Berechnung der Number needed to treat (NNT), also die Berechnung der Zahl von Patienten, die geimpft werden müssen, um eine (1) Covid-Erkrankung durch den Impfstoff zu verhindern. Es wird dann sehr schnell deutlich, dass 90%ige Wirksamkeit nicht bedeutet, dass 90% der Geimpften von der Maßnahme profitieren, was ja offenbar oft angenommen wird – woher sonst die Euphorie?



Berechnet man die Number needed to treat (NNT) mit den in diesem Artikel veröffentlichten neuen Daten der Pfizer/Biontech-Impfstudie (43.000 Probanden, gleichgroße Verum- und Placebogruppen von je 21.500; 170 Covidfälle insgesamt, davon 8 in der Verumgruppe, 162 in der Placebogruppe), so kommt man zu folgendem Ergebnis:



1. Die absolute Risikoreduktion beträgt: 0,00716

2. Die Number needed to treat (NNT) beträgt 139



D. h.: Mit dem Impfstoff müssen 139 Patienten geimpft werden, um einen (1) Covid-Fall zu verhindern.

138 von den 139 Patienten hätten auch ohne Impfung keine Covid-Erkrankung erlitten.



Die Wahrscheinlichkeit, durch die Impfung eine Coviderkrankung zu vermeiden beträgt also 1/139 (i. Worten: ein hundertneununddreißigstel).

Da ist es doch viel werbewirksamer zu vermelden, die Wirksamkeit des Impfstoffes betrage mehr als 90%



Josef Seidel| Apotheker11
@Dr. Bernd Langmack Die Studie läuft erst seit Ende Juli, eine Immunität der Teilnehmer gibt es also frühestens seit Ende August. Die Betrachtung bezieht sich also auf ungefähr zwei Monate. Wenn man längere Zeiträume betrachtet, wird die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung für jeden Studienteilnehmer natürlich noch zunehmen. Wenn man annimmt, dass sich prinzipiell 20 % der Bevölkerung (ca. 16 Mio.) irgendwann anstecken würden, wäre mit davon 2 - 3 % (320.000 - 480.000) Krankenhausaufnahmen zu rechnen. Wenn man davon 90 % vermeiden könnte, wäre das schon eindrucksvoll und die NNT würde dann auch wesentlich besser aussehen (NNT 30 - 50 für die Vermeidung einer Krankenhausaufnahme, NNT 20 - 30 für die Vermeidung eines schweren Verlaufs). Alles ein bisschen hypothetisch, natürlich.

Sie als Internist sind, nebenbei, es doch gewohnt, Patienten mit Arzneimitteln zu behandeln, von denen auch nach mehrjähriger Therapie weniger als 1/100 profitiert.


Josef Seidel| Apotheker
@Dr. Bernd Langmack Sorry, hier habe ich mich verrechnet, wenn man alle impft sind natürlich die NNT viel höher. Entscheidender ist aber, dass eine Überlastung der Krankenhäuser vermieden wird. Das ist aktuell eine sehr reale Gefahr."

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