Donnerstag, 15. Juli 2021
Delta-Gefahr: Bald 3. Impfung oder warten auf neues Vakzin?
Long-COVID schlimmer als Krebs; Gute Daten zu chinesischem CoronaVac

Gemischte Infos von der Medscape-Redaktion

Israel: BioNTech-Vakzin nur zu 64% gegen Infektionen mit Delta wirksam

Delta-Variante: Auffrischungsimpfungen und neue Vakzine in der Planung

3. Dosis: Skepsis bei Wissenschaftlern, Aktionismus bei Politikern

CoronaVac: Impfstoff erzielt hohe Schutzwirkung

COVID-19: Mehr als 4 Millionen Todesfälle weltweit

Reha: Long-COVID oft schwerwiegender als Krebs



Die Zahlen steigen wieder an: Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 324 neue SARS-CoV-2-Infektionen gemeldet. Das sind 112 mehr als am Montag vor einer Woche. Und die 7-Tage-Inzidenz steigt weiter auf 6,4 (Vorwoche: 5,0). 2 Menschen starben im Zusammenhang mit COVID-19 (Vorwoche: 1). Montagswerte sind oft weniger aussagekräftig, weil Daten von manchen Gesundheitsämtern wegen es Wochenendes fehlen.

Bislang wurden 42,6 % aller Einwohner Deutschlands vollständig geimpft und 58,5 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Doch die Delta-Variante sorgt für Gesprächsstoff.

Israel: BioNTech-Vakzin nur zu 64% gegen Infektionen mit Delta wirksam
Auf seiner Website hat das israelische Gesundheitsministerium neue Daten veröffentlicht. Epidemiologische Analysen zeigen, dass seit 6. Juni 2021 die Wirksamkeit des BioNTech-Pfizer-Vakzins auf 64% gesunken ist. Endpunkte waren die Verhinderung einer Infektion bzw. die Vermeidung einer symptomatischen Erkrankung.

?Dieser Rückgang wurde gleichzeitig mit der Ausbreitung der Delta-Variante in Israel beobachtet?, schreibt das Ministerium. ?Dennoch wird die Wirksamkeit des Impfstoffs bei der Verhinderung von schweren Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten auf 93% geschätzt.? Die Wirksamkeit wird bei Personen ab 16 Jahren bestimmt, da keine Daten über geimpfte Personen im Alter von 12 bis 15 Jahren vorliegen.

Delta-Variante: Auffrischungsimpfungen und neue Vakzine in der Planung
Die Entwicklung kommt für forschende Hersteller nicht überraschend. BioNTech/Pfizer berichten über Daten einer laufenden Booster-Studie mit einer 3. Dosis des aktuellen BNT162b2-Impfstoffs erhalten. Bislang gibt es nur eine Pressemeldung dazu; eine Publikation soll folgen.

Daten aus der Studie zeigen, dass eine Auffrischungsdosis, die 6 Monate nach der 2. Dosis verabreicht wird, gut verträglich ist. Neutralisationstiter gegen den Wildtyp und die Beta-Variante sind 5- bis 10-fach höher als nach 2 Dosen.

Darüber hinaus berichten Forscher in Nature , dass Immunseren, die kurz nach der 2. Dosis beim 2-Dosen-Schema von BNT162b2 gewonnen wurden, in Labortests starke Neutralisationstiter gegen die Delta-Variante aufweisen. Die Unternehmen gehen davon aus, dass eine 3. Dosis diese Antikörpertiter noch weiter erhöhen wird, ähnlich wie die 3. Dosis bei der Beta-Variante.

Um diese Hypothese zu bestätigen, laufen derzeit weitere präklinische und klinische Tests. Daten zur Booster-Impfung in den nächsten Wochen bei der EMA, der FDA und bei weiteren Zulassungsbehörden eingereicht werden.

Gleichzeitig entwickeln die beiden Unternehmen eine aktualisierte Version ihres Vakzins mit vollständigen Erbinformationen des Spike-Protein der Delta-Variante. Eine 1. Charge der mRNA wurde bereits in Mainz hergestellt. Im August sollen Studien beginnen, vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen.

3. Dosis: Skepsis bei Wissenschaftlern, Aktionismus bei Politikern
Wie geht es weiter? ?Die Bürger können sicher sein, dass Bund und Länder sich vorbereiten auf das, was vorbereitet werden muss, nämlich dass nach einer ersten Immunisierungswelle Impfstoff und Impfungen zur Auffrischung zur Verfügung stehen und auch verfügbar gemacht werden?, das bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn hätten über dieses Thema bereits gesprochen. Für eine konkrete Empfehlung gebe es noch zu wenig Daten.


Hingegen erklärte die europäische Arzneimittelbehörde (EMA), es sei noch nicht klar, ob mehr als 2 Impfdosen pro Person benötigt würden. Bisher gehe man davon aus, dass die gegenwärtige Impfpraxis ausreichenden Schutz biete. Für eine Entscheidung über Auffrischungsimpfungen gebe es noch nicht genug Daten.

Auch die US Food and Drug Administration (FDA) und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) halten eine 3. Impfung nicht für notwendig. Bürger, die vollständig geimpft seien, benötigten derzeit keine Auffrischung, heißt es in einer Stellungnahme.

Der US-Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape Eric Topol befürwortet diese Argumentation. ?Es geht nicht nur um neutralisierende Antikörper?, so Topol. Vielmehr müsse der gesamte Immunschutz berücksichtigt werden ? einschließlich der Gedächtniszellen.

CoronaVac: Impfstoff erzielt hohe Schutzwirkung
Neue Daten gibt es auch zum Impfstoff CoronaVac des chinesischen Herstellers Sinovac. Bei der Herstellung vermehren Wissenschaftler Viren in Vero-Zellen und inaktivieren sie chemisch. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt das Vakzin seit Juni. In The Lancet berichten Forscher jetzt von Ergebnissen einer Phase-3-Studie aus der Türkei.

Für die Untersuchungen wurden 20.214 Erwachsene im Verhältnis 2 zu 1 auf 2 Dosen CoronaVac im Abstand von 2 Wochen oder Placebo randomisiert. Bei 6.646 Geimpften traten 9 symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen auf, verglichen mit 32 von 3.470 Teilnehmern im Placebo-Arm. Dies ergibt eine Wirksamkeit von 83,5% (95-%-Konfidenzintervall 65,4 % bis 92,1%).

Insgesamt wurden 6 Patienten mit COVID-19 hospitalisiert; alle hatten Placebo erhalten. Daraus errechnen die Autoren eine Wirksamkeit gegen schwere Verläufe von 100%, allerdings bei großer statistischer Unsicherheit (95%-KI 20,4% bis 100 %).

CoronaVac wird bereits in 22 Ländern eingesetzt. Die EMA setzt auf eine fortlaufende Überprüfung (Rolling Review) aller Daten.

COVID-19: Mehr als 4 Millionen Todesfälle weltweit
In den letzten Monaten haben Vakzine unzählige Todesfälle verhindert. Doch die gesamte Bilanz der Pandemie bleibt verheerend.

Laut USA Today sind weltweit mehr als 4 Millionen Patienten in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. Das entspricht der Anzahl an Menschen, die seit 1982 in allen Kriegen der Welt getötet worden sind ? oder die pro Jahr weltweit bei Verkehrsunfällen sterben.

Die 1. Million Tote sei nach von 9 Monaten erreicht worden, berichtete die Zeitung. 2 Millionen waren es 3,5 Monate später, 3 Millionen nach weiteren 3 Monaten und 4 Millionen nach zusätzlichen 2,5 Monaten.


Gesundheitsbehörden vermuten, dass die Gesamtzahl an Opfern noch höher sein könnte. Nicht überall würden Zahlen laut USA Today korrekt erfasst, teilweise sogar absichtlich verschwiegen.

Die USA stehen mit mehr als 606.000 Todesfällen an der Spitze, gefolgt von Brasilien (528.500 Todesfälle) und Indien (405.000 Todesfälle). Laut RKI sind in Deutschland bislang mehr als 91.000 Menschen in Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Infektionen gestorben.

Vor allem Ländern mit niedrigem Einkommen in Afrika, Asien und Südamerika ist der stärkste Anstieg zu bemerken. Mehr als zwei Dutzend Länder haben ?epidemische Kurven, die im Moment fast vertikal sind?, sagte Maria Van Kerkhove, die technische Leiterin von COVID-19 bei der WHO, während einer Pressekonferenz.

Reha: Long-COVID oft schwerwiegender als Reha nach Krebs
Auch die Rekonvaleszenz kann zum langen Weg werden. Einigen Menschen, die sich von COVID-19 erholen, geht es schlechter als manchem Krebspatienten, berichten die Centers of Disease Control and Prevention (CDC). Long-COVID führe häufiger zu einem ?wesentlich schlechteren Gesundheitszustand? als bei Menschen, die wegen einer Krebserkrankung eine Rehabilitation benötigten.

Die CDC-Forscher erfassten physische und psychische Beschwerden, aber auch die Ausdauer und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen anhand von Selbstauskünften. Diese Gruppe umfasste 1.295 ambulanten Patienten mit COVID-19 in der Vorgeschichte. Als Kontrollgruppe kamen 2.395 ambulanten Patienten hinzu. Sie nahmen aufgrund früherer oder aktueller Krebserkrankungen an Rehas teil, waren aber nie an COVID-19 erkrankt.

Im Vergleich zu Patienten, die zur Krebs-Rehabilitation überwiesen wurden, hatten virologisch genesene Patienten mit COVID-19-Symptomen 2,3-mal wahrscheinlicher Schmerzen, 1,8-mal wahrscheinlicher einen generell schlechten Gesundheitszustand und 1,6-mal wahrscheinlicher Einschränkungen bei körperlichen Aktivitäten.

Die COVID-19-Rehabilitationsgruppe schnitt etwa bei einem 6-Minuten-Gehtest signifikant schlechter ab, was auf eine geringere körperliche Ausdauer hindeutet als Menschen, die sich von einer Krebserkrankung erholen. Außerdem nahmen sie insgesamt mehr Rehabilitationsleistungen in Anspruch als die Kontrollgruppe.

Die Forscher leiten aus ihrer Studie ab, dass speziell auf die körperlichen und psychischen Bedürfnisse von Patienten nach einer COVID-19-Behandlung zugeschnittene Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich sein könnten.

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