Montag, 19. Juli 2021
Das neueste zum Thema Covid
che2001, 18:03h
Dritte Impfung schon im Herbst?
Neues zu Schnelltests: Softdrinks beeinträchtigen Messungen
Neue Daten: Remdesivir verbessert Überleben bei COVID-19 nicht
Antikoagulation bei COVID-19: Profitieren mäßig kranke Patienten?
SARS-CoV-2 erhöht die Geburtenrate
UNAIDS: Schlimme Folgen der Pandemie für Menschen mit HIV/AIDS
Laut RKI steigen wichtige epidemiologische Parameter der SARS-CoV-2-Pandemie wieder an. Das Institut berichtet von 546 Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es noch 324. Auch die 7-Tage-Inzidenz erhöht sich auf 10,3 von 6,4 in der Vorwoche. In den letzten 24 Stunden ist 1 Patient in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben, vor 7 Tagen waren es 2. Bekanntlich sind die Montagswerte wegen eines möglichen Zeitverzugs der Gesundheitsämter weniger aussagekräftig.
3. Impfung schon im Herbst?
45,9 % der Gesamtbevölkerung wurden mittlerweile vollständig geimpft und 59,7 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Doch selbst nach 2 Dosen könnte der Schutz nicht ausreichen.
?Wie aus Real-World-Daten des israelischen Gesundheitsministeriums hervorgeht, hat die Wirksamkeit des Impfstoffs bei der Vorbeugung von Infektionen und symptomatischen Erkrankungen 6 Monate nach der Impfung abgenommen, obwohl die Wirksamkeit bei der Vorbeugung schwerer Krankheiten weiterhin hoch ist?, schreibt BioNTech in einer Mitteilung. Wie im Blog bereits berichtet, haben kürzlich BioNTech und Pfizer angekündigt, eine Version ihres mRNA-Impfstoffes auf den Markt zu bringen, die speziell gegen die Delta-Variante wirke. Zudem streben sie die Zulassung einer 3. Impfung mit ihrer mRNA-Vakzine an.
?Darüber hinaus wird die Delta-Variante in dieser Zeit zur dominierenden Variante in Israel sowie in vielen anderen Ländern.? Und weiter: ?Aus diesem Grund ? glauben wir weiterhin, dass es aufgrund der Gesamtheit der uns vorliegenden Daten wahrscheinlich ist, dass innerhalb von 6 bis 12 Monaten nach der vollständigen Impfung eine 3. Dosis erforderlich sein könnte.?
Diese Strategie ist in Deutschland offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen, wie Business Insider berichtet. Angeblich gab es im Bundesgesundheitsministerium bereits Gespräche für eine 3. Impfwelle. Im Mittelpunkt stehen ältere Menschen, Patienten mit Vorerkrankungen oder Personen, die einer hohen Viruslast ausgesetzt sein könnten, sprich Ärzte oder Pflegekräfte.
Das Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus, chronischen Nieren-Erkrankungen und Krebs durch eine 3. Impfung einen besseren Schutz erhalten, zeigt eine Studie aus Israel, die gerade publiziert worden ist. In die retrospektive multizentrische Kohortenstudie wurden 152 Patienten eingeschlossen, die vollständig mit der mRNA-Vakzine von BioNTech geimpft waren, aber mehr als 7 Tage nach der 2. Impfstoffdosis dennoch wegen COVID-19 hospitalisiert werden mussten. Ein schlechter klinischer Verlauf (mechanische Beatmung oder Tod) wurde bei 38 Patienten festgestellt; die Mortalitätsrate betrug 22% (34/152).
Bemerkenswert ist den Autoren zufolge, dass die Kohorte durch eine hohe Rate an Komorbiditäten gekennzeichnet war, die für eine schwere COVID-19 prädisponieren, darunter Bluthochdruck (108, 71 %), Diabetes (73, 48 %), Herzinsuffizienz (41, 27 %), chronische Nieren- und Lungenerkrankungen (jeweils 37, 24 %), Demenz (29, 19 %) und Krebs (36, 24 %).
Die FDA (Food and Drug Administration) und das CDC (Centers for Disease Control and Prevention) halten eine 3. Impfung bisher allerdings nicht für notwendig. Bürger, die vollständig geimpft seien, benötigten zurzeit keine Auffrischung, so die FDA und das CDC in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Neues zu Schnelltests: Softdrinks beeinträchtigen Messungen
Zur Kontrolle der Pandemie haben Schnelltests weiterhin Bedeutung. Forscher der Universität Liverpool berichten in einem Preprint über Störungen der besonderen Art. Sie tauchten handelsübliche COVID-19-Antigentests in verschiedene Softdrinks, Fruchtsäfte und zum Vergleich in Mineralwasser.
10 von 14 untersuchten Getränken ergaben ein deutlich positives oder schwach positives Ergebnis. Darunter waren verschiedene Limos oder auch Cola. 3 Getränke lieferten ungültige Ergebnisse, meist enthielten sie Frucht-Konzentrate.
Die Wissenschaftler fanden keine offensichtliche Korrelation zwischen dem pH-Wert oder dem Zuckergehalt der Getränke und dem Resultat. Künstlichen Süßstoffe ergaben negative Ergebnisse. Wie sich diese Phänomene erklären lassen, bleibt unklar. Besser sei, Tests am Morgen vor dem Frühstück zu machen, heißt es im Preprint.
Neue Daten: Remdesivir verbessert Überleben bei COVID-19 nicht
Von der Diagnostik zur Therapie. Remdesivir galt lange als großer Hoffnungsträger. Die EMA beschränkt ihre Zulassung auf Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit Pneumonie, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen, jedoch ohne invasive Maßnahmen.
Randomisierte klinische Studien haben widersprüchliche Ergebnisse über den Nutzen einer Therapie geliefert. Jetzt berichten Forscher in JAMA Network Open von Ergebnissen einer großen, retrospektiven Kohortenstudie. Sie arbeiteten mit Daten der Veterans Health Administration (VHA), um erwachsene Patienten zu identifizieren, die im Zeitraum vom 1. Mai bis 8. Oktober 2020 aufgrund von COVID-19 stationär behandelt worden waren. Dabei suchten sie vergleichbare Patienten mit und ohne Remdesivir-Gabe.
Die Kohorte umfasste 5.898 Patienten aus 123 Krankenhäusern, von denen 2.374 (40,3%) Remdesivir erhielten. Darunter waren 2.238 Männer (94,3%). Das mittlere Alter lag bei 67,8 Jahren. Als Vergleich sogen die Wissenschaftler Daten von 3.524 Patienten (59,7%) ohne Remdesivir-Therapie heran. Darunter waren 3.302 Männer. Das mittlere Alter lag bei 67,0 Jahren.
Nach dem Propensity-Score-Matching, einer paarweisen Zuordung, umfasste die Analyse 1.172 Remdesivir-Patienten und 1.172 Kontrollen. Die Remdesivir-Behandlung war nicht mit der 30-Tage-Mortalität assoziiert (143 Tote unter Remdesivir [12,2 %] versus 124 Kontrollen [10,6 %]; adjustierte Hazard Ratio [HR], 1,06; 95%-KI 0,83-1,36).
Die Ergebnisse waren ähnlich für Personen, die zu Beginn der Behandlung mit Remdesivir zusätzlich Dexamethason oder kein Dexamethason erhalten hatten (bereinigte HR 0,93; 95%-KI 0,64-1,35, versus 1,19; 95%-KI 0,84-1,69). Die mediane Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus war unter Remdesivir sogar länger als bei der Vergleichsgruppe (6 Tage versus 3 Tage, P < 0,001).
?In dieser Kohortenstudie mit US-Veteranen, die mit COVID-19 hospitalisiert wurden, war die Behandlung mit Remdesivir nicht mit einem verbesserten Überleben, aber mit einer längeren Krankenhausverweildauer assoziiert?, schreiben die Autoren. ?Der routinemäßige Einsatz von Remdesivir ist möglicherweise mit einer erhöhten Inanspruchnahme von Krankenhausbetten assoziiert, nicht aber mit einer Verbesserung der Überlebensrate.?
Antikoagulation bei COVID-19: Profitieren mäßig kranke Patienten?
Ein weiterer Baustein der therapeutischen Strategie bei COVID-19 ist die Antikoagulation, nur wer profitiert? Forscher hatten die Studien REMAP-CAP, ATTACC und ACTIV-4 mit schwerkranken Patienten wegen höherer Blutungsrisiken vorzeitig abgebrochen.
Jetzt liegen Daten von Patienten vor, die nur einen mittelschweren Verlauf bei erhöhtem D-Dimer-Spiegel hatten. Der Marker weist auf ein thrombotisches Geschehen in Blutgefäßen hin. Der primäre Endpunkt war ein Kompositum aus Tod, invasiver mechanischer Beatmung, nicht-invasiver mechanischer Beatmung oder Aufnahme auf der Intensivstation.
Nach 28 Tagen trat das primäre zusammengesetzte Ergebnis bei 37 von 228 Patienten (16,2%) auf, die therapeutisches, sprich höher dosiertes Heparin erhielten. Im Arm mit prophylaktischem, niedriger dosiertem Heparin waren es 52 von 237 Patienten (21,9%). Als Odds Ratio geben die Autoren 0,69 an (95%-KI 0,43 bis 1,10). 4 Patienten (1,8%) versus 18 Patienten (7,6%) sind gestorben (Odds Ratio 0,22; 95 %-KI, 0,07 bis 0,65).
Das Kompositum aus Gesamtmortalität oder mechanischer Beatmung trat bei 23 Patienten (10,1%) in der therapeutischen Heparin-Gruppe und 38 (16,0%) in der prophylaktischen Heparin-Gruppe auf (Odds Ratio 0,59, 95 %-KI, 0,34 bis 1,02). Größere Blutungen beobachteten Ärzte bei 2 Patienten (0,9%) unter therapeutischem Heparin versus 4 Patienten (1,7%) unter prophylaktischem Heparin (Odds Ratio 0,52; 95%-KI 0,09 bis 2,85).
?Bei mäßig kranken Stationspatienten mit COVID-19 und erhöhtem D-Dimer-Spiegel reduzierte therapeutisches Heparin den primären Endpunkt nicht signifikant, verringerte aber die Wahrscheinlichkeit des Todes nach 28 Tagen?, so die Autoren.
SARS-CoV-2 erhöht die Geburtenrate
Neben medizinischen Fragestellungen stehen auch soziodemographische Aspekte im Fokus der Wissenschaft. Das Statistische Bundesamt erfasste im Jahr 2020 genau 773.144 Neugeborene, sprich 5.000 Babys weniger als in 2019. Detailanalysen zeigen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie hat.
Im März 2021 gab es mit fast 66.000 Neugeborenen so viele Geburten wie seit 20 Jahren nicht mehr in diesem Monat. Statistiker sehen einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abflauen der 1. Corona-Welle und Lockerungen ab Anfang Mai 2020, sprich dem rechnerischen Beginn der Schwangerschaft. Schon im Februar 2021 hatte das Statistische Bundesamt einen Anstieg um 6% im Vergleich zum Vorjahresmonat bemerkt. Im März waren es dann +10%.
?Corona hat erhebliche Effekte auf das Geburtenverhalten?, sagt Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Er sieht hier 2 unterschiedliche Effekte. Vor allem in den USA und Südeuropa habe die Pandemie aufgrund der wirtschaftlich ungewissen Situation zu weniger Geburten geführt. Dem stehe der ?Cocooning-Effekt? gegenüber, etwa in Deutschland. ?In der Pandemie ist die Bedeutung von Familie und bei einigen der Wunsch nach Kindern gestiegen?, so Bujard weiter.
UNAIDS: Folgen der Pandemie für Menschen mit HIV/AIDS
Soziale Folgen können aber auch die Behandlung anderer Grunderkrankungen erschweren. In ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht zeigen Experten von UNAIDS, einem Programm der Vereinten Nationen, wie stark Patienten mit HIV/AIDS von SARS-CoV-2 beeinträchtigt werden, und zwar in doppelter Hinsicht.
Studien aus England und Südafrika haben gezeigt, dass das Risiko, an COVID-19 zu sterben, bei Menschen mit HIV-Infektion doppelt so hoch ist wie bei der Allgemeinbevölkerung. In Afrika südlich der Sahara, wo 67% aller Menschen mit HIV leben, hatten bis Juli 2021 weniger als 3% mindestens eine Dosis eines COVID-19-Impfstoffs erhalten. Gleichzeitig entziehen sich die HIV-Präventions- und Behandlungsdienste den Schlüsselgruppen sowie Kindern und Jugendlichen.
COVID-19-Impfstoffe könnten Millionen von Menschenleben in den Entwicklungsländern retten, erreichen aber die meisten Menschen nicht. ?Reiche Länder in Europa bereiten sich darauf vor, den Sommer zu genießen, da ihre Bevölkerung leichten Zugang zu COVID-19-Impfstoffen hat, während der globale Süden in einer Krise steckt?, sagt Winnie Byanyima, Exekutivdirektorin von UNAIDS. ?Wir haben es versäumt, Lehren aus HIV zu ziehen, als Millionen von Menschen lebensrettende Medikamente verweigert wurden und aufgrund von Ungleichheiten beim Zugang starben. Das ist völlig inakzeptabel.?
Der UNAIDS-Bericht zeigt auch, wie COVID-19-Lockdowns und sonstige Restriktionen Gesundheitssysteme beeinträchtigen. In vielen Ländern kam es zu einem starken Rückgang von HIV-Diagnosen, Überweisungen an Pflegedienste und HIV-Behandlungsbeginn.
Beispielsweise führte die Pandemie in KwaZulu-Natal, Südafrika, zu einem 48-prozentigen Rückgang der HIV-Tests, nachdem im April 2020 die 1. landesweite Sperre verhängt worden war. Ein wesentlicher Grund war, dass 28.000 HIV-Community Health-Care-Mitarbeiter, die zuvor HIV-Tests durchgeführt hatten, plötzlich COVID-19-Screenings durchführen mussten. Dies sei erschwerend zu bekannten Problemen wie Armut und fehlenden Strukturen im Gesundheitssystem hinzugekommen, heißt es im Report.
Update vom 15. Juli 2021
Die Impfmüdigkeit nimmt zu ? das sind die Gründe
Impfpflicht in anderen EU-Nationen: Deutschland unter Druck
Moderna-Vakzin: Eine geringere Dosis könnte ausreichenden Schutz bieten
Sputnik V: Starke Immunreaktion bereits nach 1 Dosis
DGN zum Guillain-Barré-Syndrom nach Impfungen: Kausalität nicht sicher
Schnelltests: Vor allem niedrige Sensitivität ist problematisch
Wichtige Kennzahlen der Pandemie steigen erneut an. Laut Robert Koch-Instituts (RKI) liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 8,0 Fällen pro 100.000 Menschen. Am Vortag gab das RKI noch 7,1 an. Gesundheitsämter haben dem RKI innerhalb von 24 Stunden 1.642 SARS-CoV-2-Neuinfektionen gemeldet (Vorwoche: 970). Und an COVID-19 sind innerhalb des letzten Tages sind 32 Patienten an COVID-19 gestorben (Vorwoche: 31).
Inzwischen sind 43,0% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, und 58,7% haben mindestens eine Dosis erhalten. Beherrschbar werde die Situation erst, wenn 85% der 12- bis 59-Jährigen beide Dosen bekommen hätten, so Angela Merkel bei einer Pressekonferenz. Bei Personen über 60 Jahren müsse man sogar 90% erreichen. Die Bundeskanzlerin bezieht sich dabei auf RKI-Schätzungen.
Die Impfmüdigkeit nimmt zu ? das sind die Gründe
Von solchen Werten ist Deutschland weit entfernt. Laut Dr. Prosper Rodewyk von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe seien es vor allem junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren, die sich nicht impfen lassen. ?Die arbeiten den ganzen Tag, die haben keinen Hausarzt und die haben anscheinend nicht so den Drang, sich impfen zu lassen. Die müssen wir noch aktivieren?, sagt der Internist.
Gründe für das ?Schwänzen? von Impfterminen soll Befragungen zufolge unter anderen die Vermutung sein, COVID-19 sei nicht besonders gefährlich, und das eigene Ansteckungsrisiko sei ohnehin gering. Teilweise fehlt das Vertrauen in Politik und Wissenschaft. Sorgen vor Nebenwirkungen der Impfung kommen mit hinzu.
Impfpflicht in anderen EU-Nationen: Deutschland unter Druck
Doch Impfungen per Zwang sind der Bundeskanzlerin fern. ?Es gibt keine Absicht, eine solche Pflicht einzuführen?, stellt Merkel klar.
Auf Twitter äußert sich auch Prof. Dr. Karl Lauterbach zur Impfpflicht: ?Das sollten wir nicht tun. Unsere Politik würde voll wortbrüchig, unsere Glaubwürdigkeit wäre verloren. Impfgegner würden sagen, dass es so beginnt.?
Dass solche Debatten in Deutschland an Fahrt gewinnen, liegt an europäischen Nachbarn. Frankreichs Regierung plant eine Impfpflicht für Mitarbeiter von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen. Wer sich bis 15. September nicht schützen lässt, muss laut Staatspräsident Emmanuel Macron mit Sanktionen rechnen.
Kurz zuvor hatte bereits Griechenland eine Impfpflicht für den Gesundheitssektor angekündigt. ?Wir werden das Land wegen der Haltung einiger nicht wieder schließen?, sagte Premier Kyriakos Mitsotakis. Italien hat solche Regelungen schon im Mai eingeführt.
Bedenken kommen vom Ethikrat. Im ZDF sagt die Vorsitzende Prof. Dr. Alena Buyx, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sei in Deutschland unnötig. Zwar habe der Ethikrat vorsichtig erklärt, unter bestimmten Umständen könnte man über solche berufsbezogenen, sehr eng begrenzten Impfpflichten nachdenken. ?Allerdings würde ich sagen, dass diese Umstände gar nicht zutreffen?, so Buyx weiter. Sie will ?Impfungen dorthin bringen, wo Leute sind?. Gleichzeitig warnt die Expertin vor schnellen Lockerungen: ?Ich würde sagen, wir sollten da ein Stückchen zurückhaltender sein.?
Der Humangenetiker Prof. Dr. Wolfram Henn, ebenfalls Mitglied im Ethikrat, fordert jedoch eine Impfpflicht für Lehrer und Erzieher, denn manche würden sich derzeit weigern. ?Wir brauchen eine Handhabe gegen diese wenigen renitenten Leute, die dann auch andere gefährden?, so Henn. Buyx erklärte, es handele sich seine private Meinung ? und nicht um die Sichtweise des Ethikrats.
Moderna-Vakzin: Eine geringere Dosis könnte ausreichenden Schutz bieten
In Deutschland sind Lieferengpässe derzeit nicht mehr das Problem; andere Nationen haben durchaus Schwierigkeiten, Vakzine zu beschaffen. In diesem Zusammenhang ist eine neue Studie zu betrachten.
Wissenschaftler fanden heraus, dass 2 Injektionen, die jeweils nur ein Viertel der Standarddosis des COVID-19-Impfstoffs von Moderna enthielten, bei 35 Probanden zu langanhaltenden schützenden Antikörpern und neutralisierenden T-Zellen führen. Ihre Ergebnisse weisen auf die Möglichkeit hin, Teildosen zu verabreichen, um in kurzer Zeit mehr Menschen zu schützen.
Ihre Idee ist nicht neu. Seit 2016 hat eine solche Dosisreduktionsstrategie dazu beigetragen, Millionen Menschen in Afrika und Südamerika erfolgreich gegen Gelbfieber zu impfen. Aber trotz der Impfstoffknappheit in vielen Ländern wurde bislang kein ähnlicher Ansatz bei COVID-19 untersucht.
?Es gibt eine enorme Voreingenommenheit?, sagt Alex Tabarrok von der George Mason University in Fairfax, Virginia. ?Hätten wir dies ab Januar getan, hätten wir Dutzende, vielleicht Hunderte Millionen Menschen mehr impfen können.?
Sputnik V: Starke Immunreaktion bereits nach 1 Dosis
Daten zur Dosisreduktion gibt es auch für Sputnik V. Bereits 1 Dosis kann signifikante Antikörperreaktionen gegen SARS-CoV-2 hervorrufen, berichten Forscher jetzt in Cell Reports Medicine.
Zuvor wusste man, dass 2 Dosen zu einer Impfeffektivität von 92% führen. Dass der One-Shot-Ansatz bei Sputnik V funktionieren könnte, ist nicht abwegig. Beim AstraZeneca-Vakzin führt 1 Dosis zur Wirksamkeit von 76%. Und Impfstoffe von Moderna bzw. Pfizer können bei zuvor infizierten Personen nach 1 Dosis eine ausreichende Immunität hervorrufen, ohne dass eine zusätzliche Dosis erforderlich wäre.
In der Studie verglichen Wissenschaftler die Effekte von 1 Dosis versus 2 Dosen Sputnik V auf SARS-CoV-2-spezifische Antikörperreaktionen bei 289 Beschäftigten im Gesundheitswesen in Argentinien.
Rund 3 Wochen nach der 2. Dosis hatten alle Probanden hohe Titer virusspezifischer Immunglobulin G (IgG)-Antikörper im Blut. Aber selbst innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der 1. Dosis entwickelten 94% IgG-Antikörper gegen das Virus, und 90% hatten speziell neutralisierende Antikörper im Blut. Eine 2. Dosis erhöhte die Produktion neutralisierender Antikörper in der Subgruppe zuvor infizierten Probanden nicht.
?Dies unterstreicht die robuste Reaktion auf die Impfung zuvor infizierter Personen, was darauf hindeutet, dass die natürlich erworbene Immunität durch 1 Dosis ausreichend verstärkt werden könnte, in Übereinstimmung mit neueren Studien mit mRNA-Impfstoffen?, sagt Senior-Autorin Dr. Andrea Gamarnik vom Fundación Instituto Leloir-CONICET in Buenos Aires, Argentinien.
DGN zum Guillain-Barré-Syndrom nach Impfungen: Kausalität nicht sicher
Noch ein Blick auf die Sicherheit. Am 9. Juli gab die europäische Arzneimittelagentur EMA bekannt, Produktinformationen bei Vaxzevria® (AstraZeneca) anzupassen, um Ärzte auf das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) hinzuweisen. Die EMA erfasste bis Ende Mai 2021 insgesamt 156 Fälle. Darüber hat Medscape berichtet.
Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), hat dazu ein Editorial verfasst. Wie er schreibt, liege die Inzidenz des GBS in Deutschland bei 1,6 bis 1,9 Fällen pro 100.000 Menschen. Das heißt, bundesweit ist bei 83,13 Millionen Einwohnern mit 1.300 bis 1.570 Patienten pro Jahr zu rechnen. Geht man davon aus, dass 50% aller Personen geimpft werden, sind in dieser Population zwischen 1.300 und 1.570 GBS-Erkrankungen zu erwarten.
?Es wird deutlich, dass die von der EMA erhobene Zahl keine besorgniserregende Erhöhung der GBS-Rate darstellt und es derzeit auch keinen Beleg für einen kausalen Zusammenhang gibt?, kommentiert Berlit in einer Meldung. ?Hinzu kommt, dass natürlich die Fälle des impfassoziierten GBS denen bei COVID-19-Infektion gegenübergestellt werden müssten.?
Schnelltests: Vor allem niedrige Sensitivität ist problematisch
Neben Impfungen haben Schnelltests einen festen Platz zur Kontrolle der Pandemie. Nur leisten sie im Alltag wirklich, was Hersteller versprechen, sprich eine Sensitivität von rund 90%?
Das darf laut einer Studie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bezweifelt werden. Daten kamen aus insgesamt 5.068 Untersuchungen. Bei Teilnehmern wurde neben einem ein Antigen-Schnelltest generell auch ein PCR-Test durchgeführt. Demnach liegt die Sensitivität der Antigen-Schnelltests im klinischen Praxiseinsatz mit knapp 43% signifikant unter Herstellerangaben. Die Spezifität erreichte fast 100%.
Neues zu Schnelltests: Softdrinks beeinträchtigen Messungen
Neue Daten: Remdesivir verbessert Überleben bei COVID-19 nicht
Antikoagulation bei COVID-19: Profitieren mäßig kranke Patienten?
SARS-CoV-2 erhöht die Geburtenrate
UNAIDS: Schlimme Folgen der Pandemie für Menschen mit HIV/AIDS
Laut RKI steigen wichtige epidemiologische Parameter der SARS-CoV-2-Pandemie wieder an. Das Institut berichtet von 546 Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es noch 324. Auch die 7-Tage-Inzidenz erhöht sich auf 10,3 von 6,4 in der Vorwoche. In den letzten 24 Stunden ist 1 Patient in Zusammenhang mit COVID-19 gestorben, vor 7 Tagen waren es 2. Bekanntlich sind die Montagswerte wegen eines möglichen Zeitverzugs der Gesundheitsämter weniger aussagekräftig.
3. Impfung schon im Herbst?
45,9 % der Gesamtbevölkerung wurden mittlerweile vollständig geimpft und 59,7 % haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Doch selbst nach 2 Dosen könnte der Schutz nicht ausreichen.
?Wie aus Real-World-Daten des israelischen Gesundheitsministeriums hervorgeht, hat die Wirksamkeit des Impfstoffs bei der Vorbeugung von Infektionen und symptomatischen Erkrankungen 6 Monate nach der Impfung abgenommen, obwohl die Wirksamkeit bei der Vorbeugung schwerer Krankheiten weiterhin hoch ist?, schreibt BioNTech in einer Mitteilung. Wie im Blog bereits berichtet, haben kürzlich BioNTech und Pfizer angekündigt, eine Version ihres mRNA-Impfstoffes auf den Markt zu bringen, die speziell gegen die Delta-Variante wirke. Zudem streben sie die Zulassung einer 3. Impfung mit ihrer mRNA-Vakzine an.
?Darüber hinaus wird die Delta-Variante in dieser Zeit zur dominierenden Variante in Israel sowie in vielen anderen Ländern.? Und weiter: ?Aus diesem Grund ? glauben wir weiterhin, dass es aufgrund der Gesamtheit der uns vorliegenden Daten wahrscheinlich ist, dass innerhalb von 6 bis 12 Monaten nach der vollständigen Impfung eine 3. Dosis erforderlich sein könnte.?
Diese Strategie ist in Deutschland offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen, wie Business Insider berichtet. Angeblich gab es im Bundesgesundheitsministerium bereits Gespräche für eine 3. Impfwelle. Im Mittelpunkt stehen ältere Menschen, Patienten mit Vorerkrankungen oder Personen, die einer hohen Viruslast ausgesetzt sein könnten, sprich Ärzte oder Pflegekräfte.
Das Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus, chronischen Nieren-Erkrankungen und Krebs durch eine 3. Impfung einen besseren Schutz erhalten, zeigt eine Studie aus Israel, die gerade publiziert worden ist. In die retrospektive multizentrische Kohortenstudie wurden 152 Patienten eingeschlossen, die vollständig mit der mRNA-Vakzine von BioNTech geimpft waren, aber mehr als 7 Tage nach der 2. Impfstoffdosis dennoch wegen COVID-19 hospitalisiert werden mussten. Ein schlechter klinischer Verlauf (mechanische Beatmung oder Tod) wurde bei 38 Patienten festgestellt; die Mortalitätsrate betrug 22% (34/152).
Bemerkenswert ist den Autoren zufolge, dass die Kohorte durch eine hohe Rate an Komorbiditäten gekennzeichnet war, die für eine schwere COVID-19 prädisponieren, darunter Bluthochdruck (108, 71 %), Diabetes (73, 48 %), Herzinsuffizienz (41, 27 %), chronische Nieren- und Lungenerkrankungen (jeweils 37, 24 %), Demenz (29, 19 %) und Krebs (36, 24 %).
Die FDA (Food and Drug Administration) und das CDC (Centers for Disease Control and Prevention) halten eine 3. Impfung bisher allerdings nicht für notwendig. Bürger, die vollständig geimpft seien, benötigten zurzeit keine Auffrischung, so die FDA und das CDC in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Neues zu Schnelltests: Softdrinks beeinträchtigen Messungen
Zur Kontrolle der Pandemie haben Schnelltests weiterhin Bedeutung. Forscher der Universität Liverpool berichten in einem Preprint über Störungen der besonderen Art. Sie tauchten handelsübliche COVID-19-Antigentests in verschiedene Softdrinks, Fruchtsäfte und zum Vergleich in Mineralwasser.
10 von 14 untersuchten Getränken ergaben ein deutlich positives oder schwach positives Ergebnis. Darunter waren verschiedene Limos oder auch Cola. 3 Getränke lieferten ungültige Ergebnisse, meist enthielten sie Frucht-Konzentrate.
Die Wissenschaftler fanden keine offensichtliche Korrelation zwischen dem pH-Wert oder dem Zuckergehalt der Getränke und dem Resultat. Künstlichen Süßstoffe ergaben negative Ergebnisse. Wie sich diese Phänomene erklären lassen, bleibt unklar. Besser sei, Tests am Morgen vor dem Frühstück zu machen, heißt es im Preprint.
Neue Daten: Remdesivir verbessert Überleben bei COVID-19 nicht
Von der Diagnostik zur Therapie. Remdesivir galt lange als großer Hoffnungsträger. Die EMA beschränkt ihre Zulassung auf Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit Pneumonie, die zusätzlichen Sauerstoff benötigen, jedoch ohne invasive Maßnahmen.
Randomisierte klinische Studien haben widersprüchliche Ergebnisse über den Nutzen einer Therapie geliefert. Jetzt berichten Forscher in JAMA Network Open von Ergebnissen einer großen, retrospektiven Kohortenstudie. Sie arbeiteten mit Daten der Veterans Health Administration (VHA), um erwachsene Patienten zu identifizieren, die im Zeitraum vom 1. Mai bis 8. Oktober 2020 aufgrund von COVID-19 stationär behandelt worden waren. Dabei suchten sie vergleichbare Patienten mit und ohne Remdesivir-Gabe.
Die Kohorte umfasste 5.898 Patienten aus 123 Krankenhäusern, von denen 2.374 (40,3%) Remdesivir erhielten. Darunter waren 2.238 Männer (94,3%). Das mittlere Alter lag bei 67,8 Jahren. Als Vergleich sogen die Wissenschaftler Daten von 3.524 Patienten (59,7%) ohne Remdesivir-Therapie heran. Darunter waren 3.302 Männer. Das mittlere Alter lag bei 67,0 Jahren.
Nach dem Propensity-Score-Matching, einer paarweisen Zuordung, umfasste die Analyse 1.172 Remdesivir-Patienten und 1.172 Kontrollen. Die Remdesivir-Behandlung war nicht mit der 30-Tage-Mortalität assoziiert (143 Tote unter Remdesivir [12,2 %] versus 124 Kontrollen [10,6 %]; adjustierte Hazard Ratio [HR], 1,06; 95%-KI 0,83-1,36).
Die Ergebnisse waren ähnlich für Personen, die zu Beginn der Behandlung mit Remdesivir zusätzlich Dexamethason oder kein Dexamethason erhalten hatten (bereinigte HR 0,93; 95%-KI 0,64-1,35, versus 1,19; 95%-KI 0,84-1,69). Die mediane Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus war unter Remdesivir sogar länger als bei der Vergleichsgruppe (6 Tage versus 3 Tage, P < 0,001).
?In dieser Kohortenstudie mit US-Veteranen, die mit COVID-19 hospitalisiert wurden, war die Behandlung mit Remdesivir nicht mit einem verbesserten Überleben, aber mit einer längeren Krankenhausverweildauer assoziiert?, schreiben die Autoren. ?Der routinemäßige Einsatz von Remdesivir ist möglicherweise mit einer erhöhten Inanspruchnahme von Krankenhausbetten assoziiert, nicht aber mit einer Verbesserung der Überlebensrate.?
Antikoagulation bei COVID-19: Profitieren mäßig kranke Patienten?
Ein weiterer Baustein der therapeutischen Strategie bei COVID-19 ist die Antikoagulation, nur wer profitiert? Forscher hatten die Studien REMAP-CAP, ATTACC und ACTIV-4 mit schwerkranken Patienten wegen höherer Blutungsrisiken vorzeitig abgebrochen.
Jetzt liegen Daten von Patienten vor, die nur einen mittelschweren Verlauf bei erhöhtem D-Dimer-Spiegel hatten. Der Marker weist auf ein thrombotisches Geschehen in Blutgefäßen hin. Der primäre Endpunkt war ein Kompositum aus Tod, invasiver mechanischer Beatmung, nicht-invasiver mechanischer Beatmung oder Aufnahme auf der Intensivstation.
Nach 28 Tagen trat das primäre zusammengesetzte Ergebnis bei 37 von 228 Patienten (16,2%) auf, die therapeutisches, sprich höher dosiertes Heparin erhielten. Im Arm mit prophylaktischem, niedriger dosiertem Heparin waren es 52 von 237 Patienten (21,9%). Als Odds Ratio geben die Autoren 0,69 an (95%-KI 0,43 bis 1,10). 4 Patienten (1,8%) versus 18 Patienten (7,6%) sind gestorben (Odds Ratio 0,22; 95 %-KI, 0,07 bis 0,65).
Das Kompositum aus Gesamtmortalität oder mechanischer Beatmung trat bei 23 Patienten (10,1%) in der therapeutischen Heparin-Gruppe und 38 (16,0%) in der prophylaktischen Heparin-Gruppe auf (Odds Ratio 0,59, 95 %-KI, 0,34 bis 1,02). Größere Blutungen beobachteten Ärzte bei 2 Patienten (0,9%) unter therapeutischem Heparin versus 4 Patienten (1,7%) unter prophylaktischem Heparin (Odds Ratio 0,52; 95%-KI 0,09 bis 2,85).
?Bei mäßig kranken Stationspatienten mit COVID-19 und erhöhtem D-Dimer-Spiegel reduzierte therapeutisches Heparin den primären Endpunkt nicht signifikant, verringerte aber die Wahrscheinlichkeit des Todes nach 28 Tagen?, so die Autoren.
SARS-CoV-2 erhöht die Geburtenrate
Neben medizinischen Fragestellungen stehen auch soziodemographische Aspekte im Fokus der Wissenschaft. Das Statistische Bundesamt erfasste im Jahr 2020 genau 773.144 Neugeborene, sprich 5.000 Babys weniger als in 2019. Detailanalysen zeigen, welchen Einfluss die Corona-Pandemie hat.
Im März 2021 gab es mit fast 66.000 Neugeborenen so viele Geburten wie seit 20 Jahren nicht mehr in diesem Monat. Statistiker sehen einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abflauen der 1. Corona-Welle und Lockerungen ab Anfang Mai 2020, sprich dem rechnerischen Beginn der Schwangerschaft. Schon im Februar 2021 hatte das Statistische Bundesamt einen Anstieg um 6% im Vergleich zum Vorjahresmonat bemerkt. Im März waren es dann +10%.
?Corona hat erhebliche Effekte auf das Geburtenverhalten?, sagt Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Er sieht hier 2 unterschiedliche Effekte. Vor allem in den USA und Südeuropa habe die Pandemie aufgrund der wirtschaftlich ungewissen Situation zu weniger Geburten geführt. Dem stehe der ?Cocooning-Effekt? gegenüber, etwa in Deutschland. ?In der Pandemie ist die Bedeutung von Familie und bei einigen der Wunsch nach Kindern gestiegen?, so Bujard weiter.
UNAIDS: Folgen der Pandemie für Menschen mit HIV/AIDS
Soziale Folgen können aber auch die Behandlung anderer Grunderkrankungen erschweren. In ihrem kürzlich veröffentlichten Bericht zeigen Experten von UNAIDS, einem Programm der Vereinten Nationen, wie stark Patienten mit HIV/AIDS von SARS-CoV-2 beeinträchtigt werden, und zwar in doppelter Hinsicht.
Studien aus England und Südafrika haben gezeigt, dass das Risiko, an COVID-19 zu sterben, bei Menschen mit HIV-Infektion doppelt so hoch ist wie bei der Allgemeinbevölkerung. In Afrika südlich der Sahara, wo 67% aller Menschen mit HIV leben, hatten bis Juli 2021 weniger als 3% mindestens eine Dosis eines COVID-19-Impfstoffs erhalten. Gleichzeitig entziehen sich die HIV-Präventions- und Behandlungsdienste den Schlüsselgruppen sowie Kindern und Jugendlichen.
COVID-19-Impfstoffe könnten Millionen von Menschenleben in den Entwicklungsländern retten, erreichen aber die meisten Menschen nicht. ?Reiche Länder in Europa bereiten sich darauf vor, den Sommer zu genießen, da ihre Bevölkerung leichten Zugang zu COVID-19-Impfstoffen hat, während der globale Süden in einer Krise steckt?, sagt Winnie Byanyima, Exekutivdirektorin von UNAIDS. ?Wir haben es versäumt, Lehren aus HIV zu ziehen, als Millionen von Menschen lebensrettende Medikamente verweigert wurden und aufgrund von Ungleichheiten beim Zugang starben. Das ist völlig inakzeptabel.?
Der UNAIDS-Bericht zeigt auch, wie COVID-19-Lockdowns und sonstige Restriktionen Gesundheitssysteme beeinträchtigen. In vielen Ländern kam es zu einem starken Rückgang von HIV-Diagnosen, Überweisungen an Pflegedienste und HIV-Behandlungsbeginn.
Beispielsweise führte die Pandemie in KwaZulu-Natal, Südafrika, zu einem 48-prozentigen Rückgang der HIV-Tests, nachdem im April 2020 die 1. landesweite Sperre verhängt worden war. Ein wesentlicher Grund war, dass 28.000 HIV-Community Health-Care-Mitarbeiter, die zuvor HIV-Tests durchgeführt hatten, plötzlich COVID-19-Screenings durchführen mussten. Dies sei erschwerend zu bekannten Problemen wie Armut und fehlenden Strukturen im Gesundheitssystem hinzugekommen, heißt es im Report.
Update vom 15. Juli 2021
Die Impfmüdigkeit nimmt zu ? das sind die Gründe
Impfpflicht in anderen EU-Nationen: Deutschland unter Druck
Moderna-Vakzin: Eine geringere Dosis könnte ausreichenden Schutz bieten
Sputnik V: Starke Immunreaktion bereits nach 1 Dosis
DGN zum Guillain-Barré-Syndrom nach Impfungen: Kausalität nicht sicher
Schnelltests: Vor allem niedrige Sensitivität ist problematisch
Wichtige Kennzahlen der Pandemie steigen erneut an. Laut Robert Koch-Instituts (RKI) liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 8,0 Fällen pro 100.000 Menschen. Am Vortag gab das RKI noch 7,1 an. Gesundheitsämter haben dem RKI innerhalb von 24 Stunden 1.642 SARS-CoV-2-Neuinfektionen gemeldet (Vorwoche: 970). Und an COVID-19 sind innerhalb des letzten Tages sind 32 Patienten an COVID-19 gestorben (Vorwoche: 31).
Inzwischen sind 43,0% der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft, und 58,7% haben mindestens eine Dosis erhalten. Beherrschbar werde die Situation erst, wenn 85% der 12- bis 59-Jährigen beide Dosen bekommen hätten, so Angela Merkel bei einer Pressekonferenz. Bei Personen über 60 Jahren müsse man sogar 90% erreichen. Die Bundeskanzlerin bezieht sich dabei auf RKI-Schätzungen.
Die Impfmüdigkeit nimmt zu ? das sind die Gründe
Von solchen Werten ist Deutschland weit entfernt. Laut Dr. Prosper Rodewyk von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe seien es vor allem junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren, die sich nicht impfen lassen. ?Die arbeiten den ganzen Tag, die haben keinen Hausarzt und die haben anscheinend nicht so den Drang, sich impfen zu lassen. Die müssen wir noch aktivieren?, sagt der Internist.
Gründe für das ?Schwänzen? von Impfterminen soll Befragungen zufolge unter anderen die Vermutung sein, COVID-19 sei nicht besonders gefährlich, und das eigene Ansteckungsrisiko sei ohnehin gering. Teilweise fehlt das Vertrauen in Politik und Wissenschaft. Sorgen vor Nebenwirkungen der Impfung kommen mit hinzu.
Impfpflicht in anderen EU-Nationen: Deutschland unter Druck
Doch Impfungen per Zwang sind der Bundeskanzlerin fern. ?Es gibt keine Absicht, eine solche Pflicht einzuführen?, stellt Merkel klar.
Auf Twitter äußert sich auch Prof. Dr. Karl Lauterbach zur Impfpflicht: ?Das sollten wir nicht tun. Unsere Politik würde voll wortbrüchig, unsere Glaubwürdigkeit wäre verloren. Impfgegner würden sagen, dass es so beginnt.?
Dass solche Debatten in Deutschland an Fahrt gewinnen, liegt an europäischen Nachbarn. Frankreichs Regierung plant eine Impfpflicht für Mitarbeiter von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen. Wer sich bis 15. September nicht schützen lässt, muss laut Staatspräsident Emmanuel Macron mit Sanktionen rechnen.
Kurz zuvor hatte bereits Griechenland eine Impfpflicht für den Gesundheitssektor angekündigt. ?Wir werden das Land wegen der Haltung einiger nicht wieder schließen?, sagte Premier Kyriakos Mitsotakis. Italien hat solche Regelungen schon im Mai eingeführt.
Bedenken kommen vom Ethikrat. Im ZDF sagt die Vorsitzende Prof. Dr. Alena Buyx, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sei in Deutschland unnötig. Zwar habe der Ethikrat vorsichtig erklärt, unter bestimmten Umständen könnte man über solche berufsbezogenen, sehr eng begrenzten Impfpflichten nachdenken. ?Allerdings würde ich sagen, dass diese Umstände gar nicht zutreffen?, so Buyx weiter. Sie will ?Impfungen dorthin bringen, wo Leute sind?. Gleichzeitig warnt die Expertin vor schnellen Lockerungen: ?Ich würde sagen, wir sollten da ein Stückchen zurückhaltender sein.?
Der Humangenetiker Prof. Dr. Wolfram Henn, ebenfalls Mitglied im Ethikrat, fordert jedoch eine Impfpflicht für Lehrer und Erzieher, denn manche würden sich derzeit weigern. ?Wir brauchen eine Handhabe gegen diese wenigen renitenten Leute, die dann auch andere gefährden?, so Henn. Buyx erklärte, es handele sich seine private Meinung ? und nicht um die Sichtweise des Ethikrats.
Moderna-Vakzin: Eine geringere Dosis könnte ausreichenden Schutz bieten
In Deutschland sind Lieferengpässe derzeit nicht mehr das Problem; andere Nationen haben durchaus Schwierigkeiten, Vakzine zu beschaffen. In diesem Zusammenhang ist eine neue Studie zu betrachten.
Wissenschaftler fanden heraus, dass 2 Injektionen, die jeweils nur ein Viertel der Standarddosis des COVID-19-Impfstoffs von Moderna enthielten, bei 35 Probanden zu langanhaltenden schützenden Antikörpern und neutralisierenden T-Zellen führen. Ihre Ergebnisse weisen auf die Möglichkeit hin, Teildosen zu verabreichen, um in kurzer Zeit mehr Menschen zu schützen.
Ihre Idee ist nicht neu. Seit 2016 hat eine solche Dosisreduktionsstrategie dazu beigetragen, Millionen Menschen in Afrika und Südamerika erfolgreich gegen Gelbfieber zu impfen. Aber trotz der Impfstoffknappheit in vielen Ländern wurde bislang kein ähnlicher Ansatz bei COVID-19 untersucht.
?Es gibt eine enorme Voreingenommenheit?, sagt Alex Tabarrok von der George Mason University in Fairfax, Virginia. ?Hätten wir dies ab Januar getan, hätten wir Dutzende, vielleicht Hunderte Millionen Menschen mehr impfen können.?
Sputnik V: Starke Immunreaktion bereits nach 1 Dosis
Daten zur Dosisreduktion gibt es auch für Sputnik V. Bereits 1 Dosis kann signifikante Antikörperreaktionen gegen SARS-CoV-2 hervorrufen, berichten Forscher jetzt in Cell Reports Medicine.
Zuvor wusste man, dass 2 Dosen zu einer Impfeffektivität von 92% führen. Dass der One-Shot-Ansatz bei Sputnik V funktionieren könnte, ist nicht abwegig. Beim AstraZeneca-Vakzin führt 1 Dosis zur Wirksamkeit von 76%. Und Impfstoffe von Moderna bzw. Pfizer können bei zuvor infizierten Personen nach 1 Dosis eine ausreichende Immunität hervorrufen, ohne dass eine zusätzliche Dosis erforderlich wäre.
In der Studie verglichen Wissenschaftler die Effekte von 1 Dosis versus 2 Dosen Sputnik V auf SARS-CoV-2-spezifische Antikörperreaktionen bei 289 Beschäftigten im Gesundheitswesen in Argentinien.
Rund 3 Wochen nach der 2. Dosis hatten alle Probanden hohe Titer virusspezifischer Immunglobulin G (IgG)-Antikörper im Blut. Aber selbst innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der 1. Dosis entwickelten 94% IgG-Antikörper gegen das Virus, und 90% hatten speziell neutralisierende Antikörper im Blut. Eine 2. Dosis erhöhte die Produktion neutralisierender Antikörper in der Subgruppe zuvor infizierten Probanden nicht.
?Dies unterstreicht die robuste Reaktion auf die Impfung zuvor infizierter Personen, was darauf hindeutet, dass die natürlich erworbene Immunität durch 1 Dosis ausreichend verstärkt werden könnte, in Übereinstimmung mit neueren Studien mit mRNA-Impfstoffen?, sagt Senior-Autorin Dr. Andrea Gamarnik vom Fundación Instituto Leloir-CONICET in Buenos Aires, Argentinien.
DGN zum Guillain-Barré-Syndrom nach Impfungen: Kausalität nicht sicher
Noch ein Blick auf die Sicherheit. Am 9. Juli gab die europäische Arzneimittelagentur EMA bekannt, Produktinformationen bei Vaxzevria® (AstraZeneca) anzupassen, um Ärzte auf das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) hinzuweisen. Die EMA erfasste bis Ende Mai 2021 insgesamt 156 Fälle. Darüber hat Medscape berichtet.
Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), hat dazu ein Editorial verfasst. Wie er schreibt, liege die Inzidenz des GBS in Deutschland bei 1,6 bis 1,9 Fällen pro 100.000 Menschen. Das heißt, bundesweit ist bei 83,13 Millionen Einwohnern mit 1.300 bis 1.570 Patienten pro Jahr zu rechnen. Geht man davon aus, dass 50% aller Personen geimpft werden, sind in dieser Population zwischen 1.300 und 1.570 GBS-Erkrankungen zu erwarten.
?Es wird deutlich, dass die von der EMA erhobene Zahl keine besorgniserregende Erhöhung der GBS-Rate darstellt und es derzeit auch keinen Beleg für einen kausalen Zusammenhang gibt?, kommentiert Berlit in einer Meldung. ?Hinzu kommt, dass natürlich die Fälle des impfassoziierten GBS denen bei COVID-19-Infektion gegenübergestellt werden müssten.?
Schnelltests: Vor allem niedrige Sensitivität ist problematisch
Neben Impfungen haben Schnelltests einen festen Platz zur Kontrolle der Pandemie. Nur leisten sie im Alltag wirklich, was Hersteller versprechen, sprich eine Sensitivität von rund 90%?
Das darf laut einer Studie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bezweifelt werden. Daten kamen aus insgesamt 5.068 Untersuchungen. Bei Teilnehmern wurde neben einem ein Antigen-Schnelltest generell auch ein PCR-Test durchgeführt. Demnach liegt die Sensitivität der Antigen-Schnelltests im klinischen Praxiseinsatz mit knapp 43% signifikant unter Herstellerangaben. Die Spezifität erreichte fast 100%.
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