Montag, 9. Juli 2007
40 Jahre Sechstagekrieg - Vergangenheit, die nicht vergeht
Zum Sechstagekrieg habe ich ein zwiespältiges Verhältnis. Im Unterschied zum Vietnamkrieg, dessen Fernseh- und Zeitungsbilder überdeutlich zu meinen frühesten Kindheitserinnerungen gehören, habe ich vom Sechstagekrieg als er sich ereignete nichts mitbekommen, allerdings wenige Jahre später als Thema in der Grundschule. Für mich gehört der Sechstagekrieg auch noch auf der subjektiven Erlebnisebene in den Horizont unserer Zeit. Das ist erstaunlich, denn der Spanische Bürgerkrieg, zum Zeitpunkt des Sechstagekriegs nicht so weit von uns entfernt wie der Sechstagekrieg heute gehörte 1967 in eine definitiv abgeschlossene Epoche. Der Sechstagekrieg aber ist Bestandteil eines immer noch virulenten Dauerkonflikts. Gleichzeitig stellt er ein Fanal dar und einen Wendepunkt in der Geschichte der israelisch-arabischen Beziehungen, aber auch in der Geschichte Israels selbst, ja, einen totalen Paradimgmenwechsel. Man muss nicht in solche Extreme verfallen wie der damalige Mainstream der antiimperialistischen Linken, die, nachdem vorher begeistert proisraelisch, plötzlich in einen undifferenzierten Antizionismus und Proarabismus verfielen und auch nicht, wie Antideutsche, aber auch andere heutige Linke es tun, dieses Umkippen in einer eigenartigen Küchenpsychologie mit verdrängter deutscher Schuld an der Shoah erklären (tatsächlich standen dahinter außen-und innenpolitische Interessen der Sowjetunion, und der daraus abgeleitete Paradigmenwechsel des Ostblocks wurde auch von der moskauunabhängigen antiimperialistischen Linken unreflektiert übernommen). Aber es lohnt doch, darauf zu schauen, was dieser Paradigmenwechsel für die israelische Gesellschaft selbst bedeutet. Israel wurde nicht über Nacht von der antifaschistischen und antirassistischen realen Utopie zum faschistoiden Apartheidstaat - aber jenseits solcher Klischeevorstellungen bleibt zumindest festzuhalten, dass sich in the long run die israelische Gesellschaft nicht zuletzt durch die Besatzungspolitik in eine Richtung entwickelte, die aus linker Sicht bedenklich stimmt. 1967 war Israel die egalitärste Gesellschaft unter allen westlichen Demokratien. Mit einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von 80% und einem Anteil der Genossenschaftsbetriebe an der Gesamtwirtschaft zu einem Drittel, darunter viele Kibbuzzim als im Grunde urkommunistische Lebensform stellte Israel das Modell eines Dritten Weges zwischenKapitalismus und Sozialismus dar, oder eher noch ein Experiment eines dezentralen, marktwirtschaftlichen Sozialismus mit erlaubtem Privateigentum. Das heutige Israel ist so ziemlich die am wenigsten egalitäre Gesellschaft unter den entwickelten Staaten der westlichen Welt. 40 Jahre Krieg-in-Sicht-Situation, Terror und Besatzung haben den Militärisch-industriellen Komplex zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor gemacht und den Siegeszug des Kapitalismus in der israelischen Gesellschaft durchgesetzt. 75% der israelischen Wirtschaft werden von 18 Familienclans kontrolliert, von denen die Begins einer der Mächtigsten sind.Wurde einstmals jede jüdische Familie, die aus der Fremde einwanderte, wenn sie keine Beschäftigung fand, großzügig durch die Sozialsysteme alimentiert, ist es heute üblich geworden, Neuankömmlinge zwangsweise in Sonderproduktionszonen entlang des Zaunes anzusiedeln, wo Sweatshopproduktion zu Niedrigstlöhnen läuft, während die Reichsten des Landes in abgeschirmten Wohngebieten hinter Stahlzäunen und Flutlichtmasten residieren. Gleichzeitig zieht sich eine extreme regionale Spaltung durch das Land: Tel Aviv hat mit Marbella, St. Tropez oder Rimini mehr gemein als mit einer typischen Metropole des Nahen Ostens, Jerusalem erscheint auch in den jüdischen Vierteln als eine Hochburg religiöser Fundamentalisten, und man hat mitunter den Eindruck, sich im Mittelalter zu befinden. Moshe Dajan sagte einmal, nicht nur die Palästinenser, auch die Israelis, gerade die Israelis müssten sich von der Besatzung befreien. Heute, wo ein Großteil der besetzten Gebiete geräumt ist, stellt sich die Frage, wie hoch der Kollateralschaden der Besatzungszeit in der israelischen Gesellschaft selber ist.

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Nun ja,
warum sollte das Land auch nicht von Globalisierung, Gouvernementalität & Neoliberalismus beeinflußt worden sein, wie alle anderen westlichen Länder auch? Aber für manche Linke (und Rechte) sicher lehrreich.

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Nicht wie alle anderen westlichen Länder, sondern aufgrund eines überproportional hohen Militärhaushalts, zu dem es einstweilen keine alternative Perspektive gibt, in einem besonders hohen Maße und auf eine sehr spezifische Weise. Vor 1967 war Israel im Übrigen ein Schwellenland. Die technologische und ökonomische Entwicklung hat sich in rasanter Geschwindigkeit vollzogen, wobei aber gleichzeitig vormoderne Strukturen erhalten geblieben sind, mit allen Anpassungsproblemen, die das beinhaltet. Es ist ein Land, das gerademal doppelt so groß ist wie Schleswig-Holstein, innerhalb dessen eigener Grenzen sich ein Gefälle wie zwischen Westeuropa und Dritter Welt befindet.

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Hallo Che,

mal 'ne off-topic-Frage: Der Großteil der besetzten Gebiete ist geräumt? Meinst du damit die 67 besetzten Gebiete inklusive des Sinai? Dann wäre es richtig, das zu sagen, aber das gesamte Westjordanland (ca. 5860 qkm) ist noch immer besetzt und wird durch immer mehr Siedlungen zersiedelt und de facto annektiert. Und auch der Gazastreifen ist nicht wirklich geräumt. Die Siedler wurden ins Westjordanland umgesiedelt und ansonsten macht Israel da noch immer, was es will: Erschießungen al gusto, Verbringung in Gefängnisse ohne Gerichtsverhandlungen, die gute alte Belagerungsmethode inklusive Aushungern der Bevölkerung, Sonic Bombs zu jeder Tages- und Nachtzeit etc. Unter Räumung stelle ich mir jedenfalls was anderes vor. Den "freien" Südlibanon hat Israel gerade letztes Jahr mal wieder in Schutt und Asche gelegt und dass die Golan-Höhen und die Sheeba-Farmen geräumt wurden, ist mir auch entgangen.

Israel wird weiter den Preis der Besatzung zahlen und angesichts der vornerum liebevoll-besorgten und hintenrum hämisch-destruktiven Unterstützung dieser nicht nur sozial korrumpierenden Maßnahme besteht auch nicht viel Hoffnung, dass es die Kurve noch kriegt. Im Grunde müssen die Palästinenser nur durchhalten - die israelische Gesellschaft selbst rüttelt an ihren Fundamenten stärker, als jeder Angriff von außen es könnte.

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Danke für die konstruktive Kritik, ich hätte es präziser ausdrücken sollen. Ich meinte die 1967 geräumten Gebiete in ihrer Gesamtheit,schließlich ging es ja um die Kontinuitätslinie seit dem Sechstagekrieg, bezog mich dann aber primär auf die jetzige Situation. Insofern schadet es nicht, das zu präzisieren. Von den 5 633 Quadratkilometern (wie kommst Du auf 5860?) sind Teile unter vollständiger palästinensischer Selbstverwaltung, Teile sind dies nicht, die Westbanks sind ein Flickenteppich palästinensischer Selbstverwaltungsenklaven. Vor der Eskalation 2001/2002 waren 40% der Westbanks unter palästinensischer Selbstverwaltung, dabei aber teilweise noch von Israel militärisch besetzt. Nach dem Wiedereinmarsch der Zahal als Reaktion auf die Selbstmordattentate von 2000-2002 sind außer Jericho und dem Hauptteil des Gaza-Streifens diese Gebiete wiederbesetzt worden, wie lange sie dies bleiben werden, ist zurzeit völlig unklar.

Was Deine Schlussfolgerung angeht, so sehe ich das ähnlich.

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@laraxy
zum Glück gibt's »die Palästinenser« nicht. Ist schon lustig, wer sich alles so seine Sorgen um Isarael macht.

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Wenn "Die Palästinenser" sich selber über Klassenzugehörigkeit definieren würden (das Uranliegen von DFLP und Fida) sähe die Angelegenheit schon anders aus, wie auch in Israel. Da es Völker aber überhaupt nicht gibt, sondern nur ethnisierte soziale Konstrukte, ist dies nur eine Facette eines Weltproblems. Oder auch-gegen Volk, Nation und Rasse-Klasse gegen Klasse!

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so isses

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>"Und auch der Gazastreifen ist nicht wirklich geräumt. Die Siedler wurden ins Westjordanland umgesiedelt und ansonsten macht Israel da noch immer, was es will: Erschießungen al gusto, Verbringung in Gefängnisse ohne Gerichtsverhandlungen, die gute alte Belagerungsmethode inklusive Aushungern der Bevölkerung, Sonic Bombs zu jeder Tages- und Nachtzeit etc"<


Geil!

Die Israelis machen mit der Hamas gemeinsame Sache.

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venceremos
hab ich vergessen ...

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Ganz genau. Die Palis waren schon immer Klassenkämpfer. Die puren Kommis sind das.

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