Freitag, 14. Juli 2006
Fnords of War
che2001, 14:24h
So sehr ich nachempfinden kann, wie das israelische Volk unter den permanenten Terroranschlägen und Raketenattacken leidet, der Zwei-Fronten-Feldzug der Zahal besorgt mich doch sehr. Ist das das Ende des Nahost-Friedensprozesses? Dem Anlass ist ein solches Vorgehen eher unangemessen. Um einen bzw. zwei entführte Soldaten zurückzuholen mit Kampfhubschraubern, Panzerverbänden und schweren Haubitzen vorzugehen macht eher wenig Sinn, für so etwas gibt es normalerweise Sonderkommandos, aber die Stellungen von Kassam- und Katiuza-Raketen im Gaza-Streifen und Südlibanon auszuschalten ist durchaus legitim. Die massive Vorgehensweise im Augenblick erinnert allerdings fatal an den Libanon-Krieg von 1982, und eine Eskalation, die den Iran auf den Plan treten lässt ist durchaus denkbar - vielleicht sogar beabsichtigt.
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Samstag, 17. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus - Teil III
che2001, 21:32h
Das Jahrzehnt der Entwicklung markiert zugleich Höhepunkt und Ende einer Phase, in der mit keynesianischen Rezepten Weltsozialpolitik betrieben wurde. Mit dem Ende des Kolonialismus hört ja der Imperialismus nicht auf. Die hohen sozialen Standards in den keynesianischen Wohlstandsgesellschaften der Triade waren nur finanzierbar durch hohe Werttransfers aus dem Trikont, insbesondere niedrige Rohstoffpreise. Während ein Teil der Nach-68er die Idiotie beging, Revival-Vereine für historisch längst überlebte kommunistische Parteien zu gründen, stellte ein eher avantgardistischer Flügel der westlichen Linken, die Antiimperialisten, einen Blickwinkel her, aus dem der Klassenwiderspruch einen geopolitischen Charakter annahm.
(Nicht grundfalsch, aber extrem verkürzt und schematisierend)
Demzufolge sei die Arbeiterschaft der Industriemetropolen kein Proletariat mehr, da es in sehr hohem Maße von der Ausbeutung der Menschen des Trikont profitiere. Ein sowohl objektives als auch subjektives Proletariat, d.h., sowohl verelendet als auch für die kapitalistische Wertschöpfung wichtiges Proletariat gäbe es nur noch im Trikont. Der schwarze südafrikanische Minenarbeiter in der Apartheid habe demzufolge ein anderes Klasseninteresse als der Ruhrpottkumpel, die Triade insgesamt sei die „imperialistische Bestie“. Linke „im Herzen der Bestie“ könnten demnach kein Interesse an Sozialpolitik oder Arbeiterkämpfen in den Metropolen haben („Abschied vom Proletariat“), sondern nur daran, den Militärisch-Industriellen Komplex, den Repressionsapparat und das Militär selber zu bekämpfen, um so den Handlungsspielraum des Imperialismus einzuschränken, was je nach persönlicher Geschmackslage dann von Engagement in der Friedensbewegung bis Unterstützung der RAF reichen konnte.
Diese Art “Klassenanalyse“ beinhaltet zwar ein Fünkchen Wahrheit, verkürzt aber gesellschaftliche Komplexität holzschnittartig, von den teilweise mörderischen Konsequenzen mal ganz abgesehen.
Wie alle reduktionistischen Ansätze erschlug dieses Denken die sich emanzipierenden Subjekte (was bei Leuten, die teilweise ganz real Andere erschiessen wollten, nicht so sehr verwundert ;-) ), es korrespondiert aber mit einer Denkhaltung höchster militärischer Führungsebenen in den USA. Wollte auf der einen Seite die Stadtguerrilla den Staat mit quasi militärischen Mitteln bekämpfen, sah man im Pentagon für sozioökonomische Probleme militärische Lösungen vor. Che Guevara (dessen Positionen ich in keiner Weise folge, ich sagte ja schon, dass es sehr spezielle Gründe gibt, weshalb ich diesen Spitznamen trage) mit seiner Focus-Theorie (die Avantgarde schafft sich selbst, Guerrillakämpfe können revolutionäre Prozesse auslösen, solange die Revolutionäre nur entschlossen genug sind) und die US-Adminstration mit ihrer Domino-Theorie (wird ein Staat, z.B. Vietnam, kommunistisch, wird ein Nachbarstaat nach dem Anderen das früher oder später auch, das muss mit militärischen Mitteln verhindert werden) sagten im Grunde das Gleiche: Politische und soziale Prozesse werden auf militärische Auseinandersetzungen reduziert, die Weltrevolution, von den Einen herbeigesehnt, von den Anderen befürchtet, könne mit militärischen Mitteln herbeigeführt bzw. verhindert werden. Mit dieser Logik führte man dann auch in Vietnam einen Vernichtungskrieg gegen ein armes Bauernvolk, was allerdings gründlich nach hinten losging.
Zur Finanzierung des Krieges verschuldete sich die US-Regierung, man gab die Golddeckung des Dollars auf und verkaufte Teile des Schatzes von Fort Knox, schließlich wurde die Notenpresse angeworfen. Die Finanzierung des Krieges führte zu einer Hyperinflation mit dem Resultat einer Talfahrt des Dollars. Da dieser die Weltleitwährung war, im damaligen Bretton-Woods-System aber zugleich alle Währungen über stabile Wechselkurse fest miteinander verrechnet wurden, drohte der Zusammenbruch des Weltwährungssystems. Die neoliberalen Konzepte Milton Friedmans waren ursprünglich entwickelt worden, um diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Dazu muss noch ein Blick auf die Weltkonjunkturlage insgesamt geworfen werden.
Der Nachkriegsaufschwung der westlichen Wirtschaft ist teilweise erklärbar aus der Tatsache, dass man nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs quasi von Stunde Null aus startete, teils durch die Anschubfinanzierung des Marshallplans, durch den Boom, den der Koreakrieg für die westliche Wirtschaft bedeutete, und überhaupt zu einem großen Teil durch die Bedeutung der Rüstungsindustrie in Zeiten des Kalten Krieges: Garantierte Abnahme absolut hochwertiger Produkte zu Hochpreisen und deren garantierte Ausmusterung und Ablösung in kurzen Zeiträumen schuf natürlich für das Kapital in der Rüstungsindustrie und allen ihr zuliefernden Bereichen (also praktisch die gesamte Rohstoff- und metallverarbeitende sowie Elektronik- und Anlagentechnik-Industrie) traumhafte Bedingungen.
Dennoch holte Ende der 60erJahre das eigentliche Principium Movens der Weltwirtschaftsentwicklung allmählich diese künstlich angeheizte Dauerkonjunktur wieder ein: Der Tendenzielle Fall der Profitrate.
Das akkumulierte Weltkapital hatte eine quasi natürliche Expansiongrenze erreicht, der Nachkriegsaufbau mit seiner Dauerkonjunktur in fast allen Branchen der produzierenden Industrie und des produzierenden Gewerbes hatte einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Das bedeutete, das weitere profitable Wertschöpfung nur noch durch Einschnitte beim variablen Kapital, d.h. der menschlichen Arbeitskraft möglich waren – Entlassungen, Verlängerung der Arbeitszeit, Lohnpausen etc. Der stark korporatistische Charakter der meisten keynesianischen Wohlfahrtstaaten mit ihren starken Gewerkschaften ließ dies zunächst kaum zu. Auf der anderen Seite bedeuteten die Wohlfahrtsprogramme steigende Staatsschulden, die bei nachlassender Konjunktur und zugleich auftretender Finanzkrise zu einer ernsten Belastung wurden. Vor diesem Hintergrund entwickelten Friedman und Kollegen an der Chicago School of Economy ihr Konzept der Angebotsökonomie.
Seit Ende der 50er hatte Friedman den Keynesianismus kritisiert. Ihm zufolge sei nicht der Faktor der Nachfrage entscheidend, sondern der der zirkulierenden Geldmenge und die Stabilität der Währung (Monetarismus). Entsprechend empfahl Friedman zur Lösung der Dollarkrise die Aufgabe der festen Wechselkurse. Diesem Rat wurde gefolgt, und tatsächlich führte die Freigabe der Kurse (Währungen konnten damit wie Papiere an der Börse gehandelt werden, was beim Bretton-Woods-System als unsinnig erschienen wäre) zu einer Gesundung des Dollarkurses, wobei allerdings auch in Rechnung gestellt werden sollte, dass die gleichzeitige Deeskalation des Vietnamkriegs und die Entspannung in der Ost-West-Politik das Vertrauen in den Dollar zeitgleich stärkten.
In der Folge wurden von der Chicagoer Schule stammende Ansätze auf Entwicklungs- und Sozialpolitik angewandt. Für die Entwicklungspolitik bedeutet dies beispielsweise, dass Kredite nach dem Prinzip des Return of Investment vergeben werden. Schon im Jahrzehnt der Entwicklung war Entwicklungspolitik auch mit Massenmord, Vertreibung und Pauperisierung verbunden gewesen – die gleichermaßen von Regimen im Trikont wie westlichen Entwicklungshelfern vorangetriebene Grüne Revolution mit ihrer Ausrichtung auf die Produktion von Cash Crops, von Pflanzen für den Weltmarkt, bedeutete in vielen Fällen notwendigerweise die Enteignung und Vertreibung von Subsistenzbauern, die in den neuen urbanen Zentren des Trikont gigantische Armenghettos füllten. Die jetzt (d.h. im Verlauf der 70er und 80er) erfolgende Umstellung auf Entwicklungshilfe nach den Effizienzprinzip ist zwar angesichts der gigantischen Investitionsruinen und reinen Beschäftigungsprogramme, für die Entwicklungsgelder bisher verschwendet wurden verständlich, angesichts der sozialen Verhältnisse in den Ländern bedeutete sie für die ärmsten Länder und die ärmsten Bevölkerungsteile dort aber nichts Anderes als die Vernichtung der überflüssigen Esser.
(Nicht grundfalsch, aber extrem verkürzt und schematisierend)
Demzufolge sei die Arbeiterschaft der Industriemetropolen kein Proletariat mehr, da es in sehr hohem Maße von der Ausbeutung der Menschen des Trikont profitiere. Ein sowohl objektives als auch subjektives Proletariat, d.h., sowohl verelendet als auch für die kapitalistische Wertschöpfung wichtiges Proletariat gäbe es nur noch im Trikont. Der schwarze südafrikanische Minenarbeiter in der Apartheid habe demzufolge ein anderes Klasseninteresse als der Ruhrpottkumpel, die Triade insgesamt sei die „imperialistische Bestie“. Linke „im Herzen der Bestie“ könnten demnach kein Interesse an Sozialpolitik oder Arbeiterkämpfen in den Metropolen haben („Abschied vom Proletariat“), sondern nur daran, den Militärisch-Industriellen Komplex, den Repressionsapparat und das Militär selber zu bekämpfen, um so den Handlungsspielraum des Imperialismus einzuschränken, was je nach persönlicher Geschmackslage dann von Engagement in der Friedensbewegung bis Unterstützung der RAF reichen konnte.
Diese Art “Klassenanalyse“ beinhaltet zwar ein Fünkchen Wahrheit, verkürzt aber gesellschaftliche Komplexität holzschnittartig, von den teilweise mörderischen Konsequenzen mal ganz abgesehen.
Wie alle reduktionistischen Ansätze erschlug dieses Denken die sich emanzipierenden Subjekte (was bei Leuten, die teilweise ganz real Andere erschiessen wollten, nicht so sehr verwundert ;-) ), es korrespondiert aber mit einer Denkhaltung höchster militärischer Führungsebenen in den USA. Wollte auf der einen Seite die Stadtguerrilla den Staat mit quasi militärischen Mitteln bekämpfen, sah man im Pentagon für sozioökonomische Probleme militärische Lösungen vor. Che Guevara (dessen Positionen ich in keiner Weise folge, ich sagte ja schon, dass es sehr spezielle Gründe gibt, weshalb ich diesen Spitznamen trage) mit seiner Focus-Theorie (die Avantgarde schafft sich selbst, Guerrillakämpfe können revolutionäre Prozesse auslösen, solange die Revolutionäre nur entschlossen genug sind) und die US-Adminstration mit ihrer Domino-Theorie (wird ein Staat, z.B. Vietnam, kommunistisch, wird ein Nachbarstaat nach dem Anderen das früher oder später auch, das muss mit militärischen Mitteln verhindert werden) sagten im Grunde das Gleiche: Politische und soziale Prozesse werden auf militärische Auseinandersetzungen reduziert, die Weltrevolution, von den Einen herbeigesehnt, von den Anderen befürchtet, könne mit militärischen Mitteln herbeigeführt bzw. verhindert werden. Mit dieser Logik führte man dann auch in Vietnam einen Vernichtungskrieg gegen ein armes Bauernvolk, was allerdings gründlich nach hinten losging.
Zur Finanzierung des Krieges verschuldete sich die US-Regierung, man gab die Golddeckung des Dollars auf und verkaufte Teile des Schatzes von Fort Knox, schließlich wurde die Notenpresse angeworfen. Die Finanzierung des Krieges führte zu einer Hyperinflation mit dem Resultat einer Talfahrt des Dollars. Da dieser die Weltleitwährung war, im damaligen Bretton-Woods-System aber zugleich alle Währungen über stabile Wechselkurse fest miteinander verrechnet wurden, drohte der Zusammenbruch des Weltwährungssystems. Die neoliberalen Konzepte Milton Friedmans waren ursprünglich entwickelt worden, um diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Dazu muss noch ein Blick auf die Weltkonjunkturlage insgesamt geworfen werden.
Der Nachkriegsaufschwung der westlichen Wirtschaft ist teilweise erklärbar aus der Tatsache, dass man nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs quasi von Stunde Null aus startete, teils durch die Anschubfinanzierung des Marshallplans, durch den Boom, den der Koreakrieg für die westliche Wirtschaft bedeutete, und überhaupt zu einem großen Teil durch die Bedeutung der Rüstungsindustrie in Zeiten des Kalten Krieges: Garantierte Abnahme absolut hochwertiger Produkte zu Hochpreisen und deren garantierte Ausmusterung und Ablösung in kurzen Zeiträumen schuf natürlich für das Kapital in der Rüstungsindustrie und allen ihr zuliefernden Bereichen (also praktisch die gesamte Rohstoff- und metallverarbeitende sowie Elektronik- und Anlagentechnik-Industrie) traumhafte Bedingungen.
Dennoch holte Ende der 60erJahre das eigentliche Principium Movens der Weltwirtschaftsentwicklung allmählich diese künstlich angeheizte Dauerkonjunktur wieder ein: Der Tendenzielle Fall der Profitrate.
Das akkumulierte Weltkapital hatte eine quasi natürliche Expansiongrenze erreicht, der Nachkriegsaufbau mit seiner Dauerkonjunktur in fast allen Branchen der produzierenden Industrie und des produzierenden Gewerbes hatte einen hohen Sättigungsgrad erreicht. Das bedeutete, das weitere profitable Wertschöpfung nur noch durch Einschnitte beim variablen Kapital, d.h. der menschlichen Arbeitskraft möglich waren – Entlassungen, Verlängerung der Arbeitszeit, Lohnpausen etc. Der stark korporatistische Charakter der meisten keynesianischen Wohlfahrtstaaten mit ihren starken Gewerkschaften ließ dies zunächst kaum zu. Auf der anderen Seite bedeuteten die Wohlfahrtsprogramme steigende Staatsschulden, die bei nachlassender Konjunktur und zugleich auftretender Finanzkrise zu einer ernsten Belastung wurden. Vor diesem Hintergrund entwickelten Friedman und Kollegen an der Chicago School of Economy ihr Konzept der Angebotsökonomie.
Seit Ende der 50er hatte Friedman den Keynesianismus kritisiert. Ihm zufolge sei nicht der Faktor der Nachfrage entscheidend, sondern der der zirkulierenden Geldmenge und die Stabilität der Währung (Monetarismus). Entsprechend empfahl Friedman zur Lösung der Dollarkrise die Aufgabe der festen Wechselkurse. Diesem Rat wurde gefolgt, und tatsächlich führte die Freigabe der Kurse (Währungen konnten damit wie Papiere an der Börse gehandelt werden, was beim Bretton-Woods-System als unsinnig erschienen wäre) zu einer Gesundung des Dollarkurses, wobei allerdings auch in Rechnung gestellt werden sollte, dass die gleichzeitige Deeskalation des Vietnamkriegs und die Entspannung in der Ost-West-Politik das Vertrauen in den Dollar zeitgleich stärkten.
In der Folge wurden von der Chicagoer Schule stammende Ansätze auf Entwicklungs- und Sozialpolitik angewandt. Für die Entwicklungspolitik bedeutet dies beispielsweise, dass Kredite nach dem Prinzip des Return of Investment vergeben werden. Schon im Jahrzehnt der Entwicklung war Entwicklungspolitik auch mit Massenmord, Vertreibung und Pauperisierung verbunden gewesen – die gleichermaßen von Regimen im Trikont wie westlichen Entwicklungshelfern vorangetriebene Grüne Revolution mit ihrer Ausrichtung auf die Produktion von Cash Crops, von Pflanzen für den Weltmarkt, bedeutete in vielen Fällen notwendigerweise die Enteignung und Vertreibung von Subsistenzbauern, die in den neuen urbanen Zentren des Trikont gigantische Armenghettos füllten. Die jetzt (d.h. im Verlauf der 70er und 80er) erfolgende Umstellung auf Entwicklungshilfe nach den Effizienzprinzip ist zwar angesichts der gigantischen Investitionsruinen und reinen Beschäftigungsprogramme, für die Entwicklungsgelder bisher verschwendet wurden verständlich, angesichts der sozialen Verhältnisse in den Ländern bedeutete sie für die ärmsten Länder und die ärmsten Bevölkerungsteile dort aber nichts Anderes als die Vernichtung der überflüssigen Esser.
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Freitag, 16. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus – Fortsetzung
che2001, 22:00h
Ich greife den letzten Absatz des ersten Beitrags noch einmal auf.
Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.
Diese Entwicklung macht sehr deutlich, dass die Verelendungstheorien, wie sie von Trotzkisten bis zur RAF viele linksversprengte Gruppierungen vertraten ins Leere gehen, eine Erkenntnis, die übrigens bei Gramsci und Poulantzas schon angelegt ist (sorry, der musste sein, ich halte mich ansonsten mit Theoretiker-Namedropping zurück). Nicht Unerträglichkeit der eigenen Situation führte zu weltweiten Rebellionen und Emanzipationsbewegungen, sondern Blochs Prinzip Hoffnung im Zusammenwirken mit vorhandenen Missständen. Von den Metropolen bis zum Trikont (Sonderfälle wie Vietnam spielten hier eine Rolle, auf die ich gleich zu sprechen komme), eines hatten die Bewegungen in den 60ern weltweit gemein: Sie spielten sich in einer Zeit ab, in der die Perspektive der Menschen im Fortschreiten bestand, das generelle Lebensgefühl war „die Gegenwart ist besser als die Vergangenheit, und die Zukunft wird noch besser sein.“, aber das war nicht mit Zufriedenheit verbunden, sondern mit dem Anspruch auf mehr: „We don´t want just one cake, we want the whole fucking bakery!“. Parallelen zur Französischen Revolution zeichnen sich ab, wo eine Krise nach einer Hochblüte der barocken Zivilisation und der bürgerlichen Aufklärung Ausgangspunkt der Bewegung war, nicht hingegen eine Situation absoluten Elends. Auf die Rebellion, in den Metropolen wie im Trikont, wie auch auf das gestiegene Selbstbewusstsein der Öl- und Schwellenländer, reagierten die Eliten auf sehr verschiedene Weise. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Reaktionsmuster teils aus Integration, teils aus Repression bestanden, teils auch aus der Kombination von Beidem. Beispiel für eine fast ausschließlich integrative Lösung ist Dänemark. Anders als in Deutschland, gelangten die 68er hier nicht erst Ende der 90er Jahre an die Hebel der Staatsmacht, sondern schon in den 70ern. Dies bedeutete zwar keine Revolution, aber gründlichere und unbürokratische Reformen als in Deutschland, wobei gesagt werden muss, dass die gesellschaftlichen Widersprüche in Dänemark von Vornherein weniger ausgeprägt waren als in Westdeutschland. Sozialen Frieden durch staatliche Wohlfahrtsprogramme einzukaufen hat in Dänemark seit 1848 Tradition, und die Generation der jungen Protestler setzte sich nicht mit Nazi-Tätern in Amt und Würden auseinander, zwei Ausgangspunkte, die die ganze Sache weitaus konfliktärmer machten als die Situation in der BRD. Die Entwicklung, die Dänemark in den 70ern nahm, war die zu einem Sozialstaat, der weitaus üppigere soziale Leistungen zu bieten hatte als Deutschland bei vergleichbar weniger Bürokratie und mehr Demokratie (siehe die plebiszitären Elemente im politischen Geschäft Dänemarks). Zwei Beispiele exemplifizieren ganz gut, dass der dänische Linksliberalismus einen völlig anderen Charakter hatte als der westdeutsche Betonstaat der rot-gelben Koalition: Als Hausbesetzer ein leerstehendes riesiges Marinekasernengelände besetzten und dort die „Freie Sadt Kristiania“ ausriefen, schenkte ihnen der Staat das Gelände einfach. Es kommt auch von, dass ein Punk, der sich arbeitslos meldet, vom Sachbearbeiter auf dem Arbeitsamt so angesprochen wird: „Du bist doch Punk, hast Du da keine Lust, Punk-Musik zu machen, um Dir den Lebensunterhalt zu verdienen? Du kannst von uns ein Existenzgründungsdarlehen für die Gründung einer Band bekommen, und das Arbeitsamt vermittelt Dir einen Plattenvertrag.“ Die Revolution war gestorben, doch alle hatten sich schrecklich lieb.
In Deutschland hingegen gab es Integration und Repression im Kombipack: Bildungsoffensive, „mehr Demokratie wagen“, neue Ostpolitik, Ausbau des Sozialstaats (auf eine typisch preußisch bürokratische Art und Weise), Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen, zugleich aber auch Notstandsgestze, Berufsverbote, Antiterrorgesetze, Militarisierung der Polizei. Letztlich kamen klare materielle Vorteile für die breite Mehrheit der Bevölkerung heraus, aber aus „mehr Demokratie wagen“ wurde eher „mehr Bürokratie wagen“. In den USA schließlich bestand Nixons Gegenrevolution hauptsächlich aus Repression – Streichung der großzügigen Sozialprogramme Johnsons, COINTELPRO, das Counterinsurgency Intelligence Program, das aus einer Welle von Desinformation, Geheimdienstaktivitäten, politisch willkürlichen Verurteilungen bis hin zur vom FBI lancierten Einschleusung harter Drogen in die Ghettos der Afroamerikaner bestand und Black Power erfolgreich zerschlug. Unter dem gleichen Horizont ist auch der vom CIA herbeigeführte Putsch in Chile zu sehen. Wenn wir jetzt noch einmal die Voraussetzungen der weltweiten Revolte rekapitulieren – steigende Ansprüche bei steigendem Wohlstand, zugleich aber überaus grausame postkoloniale Kriege, Wettrüsten und die Verschränkung von Ost-West- und Nord-Süd-Konflikt, dann stellt sich die Frage, ob der Neoliberalismus, d.h. die Rezepte der Chicago Boys, nichts Anderes waren als der Versuch, die steigenden Ansprüche zu suspendieren, indem die Lebenschancen der Unterprivilegierten und der Arbeiterklasse systematisch beschränkt werden. Dies muss noch nicht einmal in denAbsichten Friedmans gelegen haben, sondern kann eine objektive Funktion der Angelegenheit sein, die sich unter den eben genannten sonstigen Zeitumständen und den strategischen Interessen der Herrschenden als historische Notwendigkeit ergibt.
So, und jetzt bitte nicht wild draufloskommentieren, ich mache hier wieder einen Cut, um keine Bleiwüste entstehen zu lassen, der dritte Teil folgt also in Kürze. Also bitte spart Euch Eure Kommentare bis zum dritten Teil, Es lässt sich auch beim Bau des Schiffsrumpfs niemand über die Segeleigenschaften einer Yacht aus.
Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.
Diese Entwicklung macht sehr deutlich, dass die Verelendungstheorien, wie sie von Trotzkisten bis zur RAF viele linksversprengte Gruppierungen vertraten ins Leere gehen, eine Erkenntnis, die übrigens bei Gramsci und Poulantzas schon angelegt ist (sorry, der musste sein, ich halte mich ansonsten mit Theoretiker-Namedropping zurück). Nicht Unerträglichkeit der eigenen Situation führte zu weltweiten Rebellionen und Emanzipationsbewegungen, sondern Blochs Prinzip Hoffnung im Zusammenwirken mit vorhandenen Missständen. Von den Metropolen bis zum Trikont (Sonderfälle wie Vietnam spielten hier eine Rolle, auf die ich gleich zu sprechen komme), eines hatten die Bewegungen in den 60ern weltweit gemein: Sie spielten sich in einer Zeit ab, in der die Perspektive der Menschen im Fortschreiten bestand, das generelle Lebensgefühl war „die Gegenwart ist besser als die Vergangenheit, und die Zukunft wird noch besser sein.“, aber das war nicht mit Zufriedenheit verbunden, sondern mit dem Anspruch auf mehr: „We don´t want just one cake, we want the whole fucking bakery!“. Parallelen zur Französischen Revolution zeichnen sich ab, wo eine Krise nach einer Hochblüte der barocken Zivilisation und der bürgerlichen Aufklärung Ausgangspunkt der Bewegung war, nicht hingegen eine Situation absoluten Elends. Auf die Rebellion, in den Metropolen wie im Trikont, wie auch auf das gestiegene Selbstbewusstsein der Öl- und Schwellenländer, reagierten die Eliten auf sehr verschiedene Weise. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Reaktionsmuster teils aus Integration, teils aus Repression bestanden, teils auch aus der Kombination von Beidem. Beispiel für eine fast ausschließlich integrative Lösung ist Dänemark. Anders als in Deutschland, gelangten die 68er hier nicht erst Ende der 90er Jahre an die Hebel der Staatsmacht, sondern schon in den 70ern. Dies bedeutete zwar keine Revolution, aber gründlichere und unbürokratische Reformen als in Deutschland, wobei gesagt werden muss, dass die gesellschaftlichen Widersprüche in Dänemark von Vornherein weniger ausgeprägt waren als in Westdeutschland. Sozialen Frieden durch staatliche Wohlfahrtsprogramme einzukaufen hat in Dänemark seit 1848 Tradition, und die Generation der jungen Protestler setzte sich nicht mit Nazi-Tätern in Amt und Würden auseinander, zwei Ausgangspunkte, die die ganze Sache weitaus konfliktärmer machten als die Situation in der BRD. Die Entwicklung, die Dänemark in den 70ern nahm, war die zu einem Sozialstaat, der weitaus üppigere soziale Leistungen zu bieten hatte als Deutschland bei vergleichbar weniger Bürokratie und mehr Demokratie (siehe die plebiszitären Elemente im politischen Geschäft Dänemarks). Zwei Beispiele exemplifizieren ganz gut, dass der dänische Linksliberalismus einen völlig anderen Charakter hatte als der westdeutsche Betonstaat der rot-gelben Koalition: Als Hausbesetzer ein leerstehendes riesiges Marinekasernengelände besetzten und dort die „Freie Sadt Kristiania“ ausriefen, schenkte ihnen der Staat das Gelände einfach. Es kommt auch von, dass ein Punk, der sich arbeitslos meldet, vom Sachbearbeiter auf dem Arbeitsamt so angesprochen wird: „Du bist doch Punk, hast Du da keine Lust, Punk-Musik zu machen, um Dir den Lebensunterhalt zu verdienen? Du kannst von uns ein Existenzgründungsdarlehen für die Gründung einer Band bekommen, und das Arbeitsamt vermittelt Dir einen Plattenvertrag.“ Die Revolution war gestorben, doch alle hatten sich schrecklich lieb.
In Deutschland hingegen gab es Integration und Repression im Kombipack: Bildungsoffensive, „mehr Demokratie wagen“, neue Ostpolitik, Ausbau des Sozialstaats (auf eine typisch preußisch bürokratische Art und Weise), Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen, zugleich aber auch Notstandsgestze, Berufsverbote, Antiterrorgesetze, Militarisierung der Polizei. Letztlich kamen klare materielle Vorteile für die breite Mehrheit der Bevölkerung heraus, aber aus „mehr Demokratie wagen“ wurde eher „mehr Bürokratie wagen“. In den USA schließlich bestand Nixons Gegenrevolution hauptsächlich aus Repression – Streichung der großzügigen Sozialprogramme Johnsons, COINTELPRO, das Counterinsurgency Intelligence Program, das aus einer Welle von Desinformation, Geheimdienstaktivitäten, politisch willkürlichen Verurteilungen bis hin zur vom FBI lancierten Einschleusung harter Drogen in die Ghettos der Afroamerikaner bestand und Black Power erfolgreich zerschlug. Unter dem gleichen Horizont ist auch der vom CIA herbeigeführte Putsch in Chile zu sehen. Wenn wir jetzt noch einmal die Voraussetzungen der weltweiten Revolte rekapitulieren – steigende Ansprüche bei steigendem Wohlstand, zugleich aber überaus grausame postkoloniale Kriege, Wettrüsten und die Verschränkung von Ost-West- und Nord-Süd-Konflikt, dann stellt sich die Frage, ob der Neoliberalismus, d.h. die Rezepte der Chicago Boys, nichts Anderes waren als der Versuch, die steigenden Ansprüche zu suspendieren, indem die Lebenschancen der Unterprivilegierten und der Arbeiterklasse systematisch beschränkt werden. Dies muss noch nicht einmal in denAbsichten Friedmans gelegen haben, sondern kann eine objektive Funktion der Angelegenheit sein, die sich unter den eben genannten sonstigen Zeitumständen und den strategischen Interessen der Herrschenden als historische Notwendigkeit ergibt.
So, und jetzt bitte nicht wild draufloskommentieren, ich mache hier wieder einen Cut, um keine Bleiwüste entstehen zu lassen, der dritte Teil folgt also in Kürze. Also bitte spart Euch Eure Kommentare bis zum dritten Teil, Es lässt sich auch beim Bau des Schiffsrumpfs niemand über die Segeleigenschaften einer Yacht aus.
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Donnerstag, 15. Juni 2006
Brief eines Genossen
che2001, 10:41h
Ich möchte aus einem Brief zitieren, den ich gerade erhielt:
"Ich habe schon häufig davon gesprochen, daß die Exekutoren, unsere Politiker,
des Willens jener, welche in den Schlüsselpositionen der Wirtschaft Macht
ausüben, uns auf deren Geheiß, in Zeiten zurückführen werden, die noch vor
der Zeit anzusiedeln sind, in welcher der Kanzler des Deutschen Reiches, Otto
von Bismarck, aus lauter Angst vor dem Zorn des Proletariats, Segnungen, wie
die Sozialversicherung, über selbes ergoß, um die Revolution in Deutschland
zu verhindern. Dies ist scheinbar nicht mehr notwendig, Alternativen haben
sich mit dem Scheitern des Kommunismus in Osteuropa erledigt, eine Analyse
desselben ist eher störend und nun frönt man der Restauration, wie einst der
Metternich auf dem Wiener Kongress, als der Code Zivil der Französischen
Revolution, als etwas für die dummen Menschen schädliches deklariert wurde
und Menschen deshalb als anständig eingestuft wurden, weil sie die
"natürliche von Gott gegebene Ordnung" nicht in Frage stellten.
1848/1849 gab es noch eine Revolution, weil die Fabrikbesitzer der Ansicht
waren, daß der Adel gar kein Recht hatte das Bürgertum in der Ausübung seiner
Geschäfte zu stören. Nun, da brauchte man auch das Proletariat. Aber nur für
den Kampf gegen die Monarchie. Später arrangierte das Bürgertum sich mit dem
Adel und eine Art Restauration feierte fröhliche Urständ. Speziell in
Deutschland, in Frankreich behielt man bis zur Etablierung des Kaisers
Napoleon III die Republik bei. Nutzte dem Proletariat aber auch nichts. Im
Sommer 1849 protestierte es gegen die Erhöhung der Brotpreise und ein paar
andere Nickeligkeiten. Dann kam, von der bürgerlichen Regierung
herbeigerufen, die gleiche Armee, gegen die vornehmlich die Arbeiter auf den
Barrikaden des Jahres 1848 gekämpft hatte, um die Arbeiter im Auftrag der
bürgerlichen Regierung mit Kartätschenfeuer davon zu überzeugen, daß ihr
Protest ungerechtfertigt ist, es gelang.
Na ja, seid den erfolgreichen Protesten der Franzosen gegen den CPE, der
gesetzlichen Regelung, welche Firmen erlauben sollte, junge Menschen 2 Jahre
auf Probe einzustellen, so ähnlich hätte man es hier in Deutschland auch
gerne, sehnt sich einige Widerständler nach französischen Verhältnissen. Nun,
bitte sehr, bekommen wir doch, wie im 49Jahr im 19. Jahrhundert.
Tja, Bismarck wird auch abgeschafft, wer jetzt Assoziationen zu diversen
Sicherheitspacketen, zum Schutz der Bevölkerung, natürlich, zieht, dem wird
sicherlich jovial, hm, vielleicht auch anders, mitgeteilt das er fehlgeleitet
ist, von linker Demagogie, zum Beispiel. Anderseits, wenn die
Wirtschaftsmagnaten, in der Regel konservativ, nicht mal mehr ihren Bismarck
hochhalten, muß man doch mit dem Schlimmsten rechnen.
Mal sehen, was als nächstes kippen soll, ich hätte ein Vorschlag, vielleicht
sollte man Amerika analysieren, also noch konsequenter als es bisher getan
wird. Der Herr Koch, seines Zeichens Ministerpräsident des Bundeslandes
Hessen, ist ja sehr rührig Vorschläge zu konzepieren, die etwas mir der
sozialen Struktur der USA zu tun haben. Es gäbe da noch das Vorbild der
Konföderierten Staaten von Amerika, ja, die Bevölkerung hier ist weiss, also
überlegen, aber letztendlich muß man doch nicht so pingelig sein. Errichten
wir ein Sklavensystem und die Kosten für Arbeit verringern sich drastisch und
Unfälle während der Arbeit sind die Folge der Dummheit der Sklaven und von
denen gibt es genug.
Die Demokratie ließe sich auch aufrecht erhalten, ist dann wie im antiken
Griechenland Sache der Oberschicht, also der richtigen Menschen."
"Ich habe schon häufig davon gesprochen, daß die Exekutoren, unsere Politiker,
des Willens jener, welche in den Schlüsselpositionen der Wirtschaft Macht
ausüben, uns auf deren Geheiß, in Zeiten zurückführen werden, die noch vor
der Zeit anzusiedeln sind, in welcher der Kanzler des Deutschen Reiches, Otto
von Bismarck, aus lauter Angst vor dem Zorn des Proletariats, Segnungen, wie
die Sozialversicherung, über selbes ergoß, um die Revolution in Deutschland
zu verhindern. Dies ist scheinbar nicht mehr notwendig, Alternativen haben
sich mit dem Scheitern des Kommunismus in Osteuropa erledigt, eine Analyse
desselben ist eher störend und nun frönt man der Restauration, wie einst der
Metternich auf dem Wiener Kongress, als der Code Zivil der Französischen
Revolution, als etwas für die dummen Menschen schädliches deklariert wurde
und Menschen deshalb als anständig eingestuft wurden, weil sie die
"natürliche von Gott gegebene Ordnung" nicht in Frage stellten.
1848/1849 gab es noch eine Revolution, weil die Fabrikbesitzer der Ansicht
waren, daß der Adel gar kein Recht hatte das Bürgertum in der Ausübung seiner
Geschäfte zu stören. Nun, da brauchte man auch das Proletariat. Aber nur für
den Kampf gegen die Monarchie. Später arrangierte das Bürgertum sich mit dem
Adel und eine Art Restauration feierte fröhliche Urständ. Speziell in
Deutschland, in Frankreich behielt man bis zur Etablierung des Kaisers
Napoleon III die Republik bei. Nutzte dem Proletariat aber auch nichts. Im
Sommer 1849 protestierte es gegen die Erhöhung der Brotpreise und ein paar
andere Nickeligkeiten. Dann kam, von der bürgerlichen Regierung
herbeigerufen, die gleiche Armee, gegen die vornehmlich die Arbeiter auf den
Barrikaden des Jahres 1848 gekämpft hatte, um die Arbeiter im Auftrag der
bürgerlichen Regierung mit Kartätschenfeuer davon zu überzeugen, daß ihr
Protest ungerechtfertigt ist, es gelang.
Na ja, seid den erfolgreichen Protesten der Franzosen gegen den CPE, der
gesetzlichen Regelung, welche Firmen erlauben sollte, junge Menschen 2 Jahre
auf Probe einzustellen, so ähnlich hätte man es hier in Deutschland auch
gerne, sehnt sich einige Widerständler nach französischen Verhältnissen. Nun,
bitte sehr, bekommen wir doch, wie im 49Jahr im 19. Jahrhundert.
Tja, Bismarck wird auch abgeschafft, wer jetzt Assoziationen zu diversen
Sicherheitspacketen, zum Schutz der Bevölkerung, natürlich, zieht, dem wird
sicherlich jovial, hm, vielleicht auch anders, mitgeteilt das er fehlgeleitet
ist, von linker Demagogie, zum Beispiel. Anderseits, wenn die
Wirtschaftsmagnaten, in der Regel konservativ, nicht mal mehr ihren Bismarck
hochhalten, muß man doch mit dem Schlimmsten rechnen.
Mal sehen, was als nächstes kippen soll, ich hätte ein Vorschlag, vielleicht
sollte man Amerika analysieren, also noch konsequenter als es bisher getan
wird. Der Herr Koch, seines Zeichens Ministerpräsident des Bundeslandes
Hessen, ist ja sehr rührig Vorschläge zu konzepieren, die etwas mir der
sozialen Struktur der USA zu tun haben. Es gäbe da noch das Vorbild der
Konföderierten Staaten von Amerika, ja, die Bevölkerung hier ist weiss, also
überlegen, aber letztendlich muß man doch nicht so pingelig sein. Errichten
wir ein Sklavensystem und die Kosten für Arbeit verringern sich drastisch und
Unfälle während der Arbeit sind die Folge der Dummheit der Sklaven und von
denen gibt es genug.
Die Demokratie ließe sich auch aufrecht erhalten, ist dann wie im antiken
Griechenland Sache der Oberschicht, also der richtigen Menschen."
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Mittwoch, 14. Juni 2006
AFP-Tickermeldung zu Guantanamo
che2001, 16:43h
Alle laufenden Verfahren würden bis auf weiteres gestoppt, erklärte das US-Verteidigungsministerium. Begründet wurde die Entscheidung zunächst nicht. Der Oberste Gerichtshof der USA berät derzeit über die Rechtmäßigkeit der Militärtribunale. Bisher wurden nur zehn von 460 Insassen vor den Sondergerichten angeklagt. Die Tribunale sind umstritten, weil die Regierung als Ankläger, Geschworene und Richter auftreten kann.
Nach den drei Todesfällen in Guantánamo auf Kuba war US-Präsident George W. Bush auch in den eigenen Reihen stark unter Druck geraten: Der Vorsitzende des Justizausschusses des Senats, der Republikaner Arlen Specter, sagte, die Häftlinge müssten endlich vor Gericht gestellt werden. Einige von ihnen würden aufgrund "der windigsten Art von Hörensagen" festgehalten. Auch die Demokraten, Menschenrechtsorganisationen, die UNO und viele europäische Regierungen fordern die Schließung der Einrichtung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besucht das US-Lager auf Kuba diese Woche.
"Sie sollten die Einrichtung so schnell wie möglich schließen", sagte der demokratische Senator Jack Reed. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, forderte die Europäische Union auf, bei dem Gipfel mit den USA in zehn Tagen in Wien von Bush die Schließung des Lagers zu fordern. Am Samstag hatten Gefängniswärter in Guantánamo drei Häftlinge erhängt vorgefunden. Es handelt sich nach US-Angaben um die ersten Todesfälle seit Nutzung des Lagers als Gefängnis im Januar 2002. Amtlichen US-Angaben zufolge gab es in dem Lager bislang 41 Selbstmordversuche unter den Häftlingen.
Nach den drei Todesfällen in Guantánamo auf Kuba war US-Präsident George W. Bush auch in den eigenen Reihen stark unter Druck geraten: Der Vorsitzende des Justizausschusses des Senats, der Republikaner Arlen Specter, sagte, die Häftlinge müssten endlich vor Gericht gestellt werden. Einige von ihnen würden aufgrund "der windigsten Art von Hörensagen" festgehalten. Auch die Demokraten, Menschenrechtsorganisationen, die UNO und viele europäische Regierungen fordern die Schließung der Einrichtung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) besucht das US-Lager auf Kuba diese Woche.
"Sie sollten die Einrichtung so schnell wie möglich schließen", sagte der demokratische Senator Jack Reed. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, forderte die Europäische Union auf, bei dem Gipfel mit den USA in zehn Tagen in Wien von Bush die Schließung des Lagers zu fordern. Am Samstag hatten Gefängniswärter in Guantánamo drei Häftlinge erhängt vorgefunden. Es handelt sich nach US-Angaben um die ersten Todesfälle seit Nutzung des Lagers als Gefängnis im Januar 2002. Amtlichen US-Angaben zufolge gab es in dem Lager bislang 41 Selbstmordversuche unter den Häftlingen.
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Sonntag, 11. Juni 2006
Im Geist der Offensive?
che2001, 17:26h
Folgender Beitrag erschien in der Jungen Welt zum Thema NATO_Auslandseinsätze:
NATO stürmt voran
Militärallianz will künftig zwei große und sechs kleine Kriege gleichzeitig
führen – auch mit Wehrpflichtigen
Rainer Rupp
Bis zu 300000 Soldaten will die NATO künftig gleichzeitig in Kriege schicken.
Dabei will die Allianz bis zu acht Kampfeinsätze parallel führen können –
rund um die Welt. Das beschlossen die Verteidigungsminister des Bündnisses am
Donnerstag in Brüssel, wo sie entsprechende Richtlinien für die militärische
Planung verabschiedeten.
Den Plänen zufolge will die Allianz künftig imstande sein, parallel zwei
größere Kampfeinsätze mit jeweils bis zu 60000 Soldaten und sechs weitere,
kleinere »Missionen« mit jeweils bis zu 30000 Soldaten durchzuführen. Nach
Auskunft der NATO sind diese Vorhaben schon dadurch gedeckt, daß die
Mitgliedstaaten bei der Verteidigungsplanung zusammen 1,4 Millionen Soldaten
angemeldet haben. Mit dem Beschluß seiner Kollegen wäre
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seinem Ziel, für US-Interessen mehr
Truppen aus Europa rund um die Welt einzubinden, einen wesentlichen Schritt
näher gekommen. Weil aber nur ein Bruchteil der geplanten NATO-Streitmacht
mit Berufssoldaten abgedeckt werden kann, bedeuten die Pläne auch, daß
künftig auch wehrpflichtige Soldaten aus Europa für das transatlantische
Bündnis in gefährliche Kampfeinsätze geschickt werden.
Bei ihrem Treffen in Brüssel forderten die NATO-Minister zudem, die
Rüstungshaushalte auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
erhöhen. Der deutsche Militäretat liegt laut NATO-Angaben derzeit bei etwa
1,6 Prozent. Eine Aufstockung auf die geforderte Rate würde allein in
Deutschland fast neun Milliarden Euro jährlich mehr verschlingen. So äußerte
sich der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon mal
dahingehend, daß die Bundesregierung mittelfristig wieder »etwas mehr Mittel
für den Verteidigungsetat vorsehen« müsse.
Derweil unterstrich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die
Entschlossenheit des Bündnisses, seinen Einsatz in Afghanistan trotz
zunehmender Sicherheitsrisiken bis spätestens November auf ganz Afghanistan
auszudehnen, den gefährlichen Süden und Osten des Landes eingeschlossen. Jung
zeigte sich besorgt darüber, daß es in diesem Jahr bereits so viele Anschläge
gegeben habe wie im gesamten Vorjahr. Dennoch betonte er: »Wir haben jetzt
die Aufgabe, Gesamtafghanistan zu stabilisieren«. Deshalb hatte er sich wohl
dafür eingesetzt, daß deutschen Soldaten bei Bedarf kurzfristig auch
außerhalb ihres Einsatzgebietes im derzeit noch ruhigen Norden und in der
Hauptstadt Kabul in den Süden und Osten des Landes entsandt werden können.
In einer ersten Reaktion auf das NATO-Treffen erklärte Paul Schäfer,
verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, »die
Eskalation der Gewalt in Afghanistan« habe gezeigt, daß das Einsatzkonzept
der NATO »gescheitert« sei. Die weitere Ausweitung des Truppeneinsatzes führe
nur zu weiteren Opfern unter der Bevölkerung. Dies habe auch »das US-Massaker
in Haditha im Irak gezeigt«. Statt dessen fordert die Linksfraktion den
»sofortigen Abzug der deutschen ISAF-Einheiten aus Afghanistan«.
NATO stürmt voran
Militärallianz will künftig zwei große und sechs kleine Kriege gleichzeitig
führen – auch mit Wehrpflichtigen
Rainer Rupp
Bis zu 300000 Soldaten will die NATO künftig gleichzeitig in Kriege schicken.
Dabei will die Allianz bis zu acht Kampfeinsätze parallel führen können –
rund um die Welt. Das beschlossen die Verteidigungsminister des Bündnisses am
Donnerstag in Brüssel, wo sie entsprechende Richtlinien für die militärische
Planung verabschiedeten.
Den Plänen zufolge will die Allianz künftig imstande sein, parallel zwei
größere Kampfeinsätze mit jeweils bis zu 60000 Soldaten und sechs weitere,
kleinere »Missionen« mit jeweils bis zu 30000 Soldaten durchzuführen. Nach
Auskunft der NATO sind diese Vorhaben schon dadurch gedeckt, daß die
Mitgliedstaaten bei der Verteidigungsplanung zusammen 1,4 Millionen Soldaten
angemeldet haben. Mit dem Beschluß seiner Kollegen wäre
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seinem Ziel, für US-Interessen mehr
Truppen aus Europa rund um die Welt einzubinden, einen wesentlichen Schritt
näher gekommen. Weil aber nur ein Bruchteil der geplanten NATO-Streitmacht
mit Berufssoldaten abgedeckt werden kann, bedeuten die Pläne auch, daß
künftig auch wehrpflichtige Soldaten aus Europa für das transatlantische
Bündnis in gefährliche Kampfeinsätze geschickt werden.
Bei ihrem Treffen in Brüssel forderten die NATO-Minister zudem, die
Rüstungshaushalte auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
erhöhen. Der deutsche Militäretat liegt laut NATO-Angaben derzeit bei etwa
1,6 Prozent. Eine Aufstockung auf die geforderte Rate würde allein in
Deutschland fast neun Milliarden Euro jährlich mehr verschlingen. So äußerte
sich der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon mal
dahingehend, daß die Bundesregierung mittelfristig wieder »etwas mehr Mittel
für den Verteidigungsetat vorsehen« müsse.
Derweil unterstrich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer die
Entschlossenheit des Bündnisses, seinen Einsatz in Afghanistan trotz
zunehmender Sicherheitsrisiken bis spätestens November auf ganz Afghanistan
auszudehnen, den gefährlichen Süden und Osten des Landes eingeschlossen. Jung
zeigte sich besorgt darüber, daß es in diesem Jahr bereits so viele Anschläge
gegeben habe wie im gesamten Vorjahr. Dennoch betonte er: »Wir haben jetzt
die Aufgabe, Gesamtafghanistan zu stabilisieren«. Deshalb hatte er sich wohl
dafür eingesetzt, daß deutschen Soldaten bei Bedarf kurzfristig auch
außerhalb ihres Einsatzgebietes im derzeit noch ruhigen Norden und in der
Hauptstadt Kabul in den Süden und Osten des Landes entsandt werden können.
In einer ersten Reaktion auf das NATO-Treffen erklärte Paul Schäfer,
verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, »die
Eskalation der Gewalt in Afghanistan« habe gezeigt, daß das Einsatzkonzept
der NATO »gescheitert« sei. Die weitere Ausweitung des Truppeneinsatzes führe
nur zu weiteren Opfern unter der Bevölkerung. Dies habe auch »das US-Massaker
in Haditha im Irak gezeigt«. Statt dessen fordert die Linksfraktion den
»sofortigen Abzug der deutschen ISAF-Einheiten aus Afghanistan«.
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Samstag, 10. Juni 2006
Von der Dekade der Entwicklung zum Neoliberalismus –eine Gesamtschau
che2001, 21:04h
Vorbemerkung: Wenn hier von Neoliberalismus die Rede ist, dann ist dieser Begriff so gemeint, wie er von entwicklungspolitischen Arbeitskreisen und Zusammenhängen verwendet wird. In diesem Sinne ist Neoliberalismus die Bezeichnung für eine Wirtschaftsweise, Entwicklungs- und Sozialpolitik, die auf den Modellen der Chikago Boys basiert. Nicht gemeint ist hingegen Neoliberalismus als Strömung innerhalb liberaler politischer Philosophie. Insofern braucht sich auch kein mitlesender Liberaler einen Schuh anzuziehen.
Insgesamt gesehen können die 60er Jahre als die Dekade der Entwicklung betrachtet werden. Aus den antikolonialen Befreiungskämpfen waren junge Nationalstaaten hervorgegangen, die innerhalb des Koordinatensystems des Kalten Krieges bei gleichzeitiger friedlicher Koexistenz einerseits und des gewaltigen Reichtumsgefälles zwischen Nord und Süd und den fortbestehenden postkolonialen Abhängigkeiten (Dependenzen) andererseits ihren Weg suchten. Der Westen verfolgte zu dieser Zeit eine im Großen und ganzen keynesianisch inspiririerte Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auch maßstabgebend für den Umgang mit der nun so genannten Dritten Welt wurde, man könnte auch sagen, das in Europa erfolgreiche Konzept des Marshallplans wurde auf den Umgang mit der Dritten Welt übertragen. Die Weltbank finanzierte gewaltige Industrialisierungsprojekte, und insgesamt hoffte man im Westen, auf diese Weise möglichst viele Staaten dazu zu bringen, sich für den westlichen way of life zu entscheiden. In gleicher Weise verfuhr die Sowjetunion mit den sozialistisch ausgerichteten jungen Nationalstaaten Nordafrikas sowie Kuba und Venezuela. Entwicklungspolitik erfolgte grundsätzlich nicht aus humanitären Erwägungen, sondern aus wirtschaftlichem Interesse: Der Norden brauchte die Rohstoffe des Südens, umgekehrt sollte der Süden durch Entwicklung als Absatzmarkt für die Produkte des Nordens inwertgesetzt werden; später kam die Funktion der „verlängerten Werkbank“, d.h. der Billiglohnproduktion hinzu.
Der Ost-West-Dualismus (mit dem damals ultralinks, zugleich antisowjetisch und antiwestlich ausgerichteten China war es eigentlich ein Trialismus) bot für die Länder des Trikont (die drei Kontinente Südamerika, Afrika und Asien südlich der Sowjetunion/Chinas) eine gewisse Bandbreite an politischen Entwicklungsoptionen, die auch wahrgenommen wurden. Man kann sagen, dass die Modelle westlicher Kapitalismus und östlicher Staatssozialismus wetteifernde Angebote waren, manche Entwicklungsländer kombinierten auch beides zu einem Dritten Weg (Nasserismus, Destour-Sozialismus, Afrikanischer Sozialismus nach Nkrumah) oder suchten völlig eigene Wege, so Nyurere in Tansania oder später dann Thomas Sankara, der Liebling des jungen Afrika, der ermordet wurde, nachdem er in Burkina Faso die Privilegien der Staatsbediensteten abgeschafft hatte und die Dienstwagen der Regierungsmitglieder durch Renault R5 und Fahrräder ersetzte. Ganz dreist trieb es Maltas Dom Mintoff, der abwechselnd mit der Sowjetunion, den USA, China und Libyen sympathisierte –jeder dieser Mächte musste in Malta irgendetwas bauen, sei es eine Raffinerie, Krankenhäuser, ein Containerterminal, was gerade gebraucht wurde, hatte man das, suchte man sich einen neuen politischen –ismus als Investor.
Von westlicher Seite lag das Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit natürlich in erster Linie darin, die kolonialen Ausbeutungsstrukturen in gemilderter Form fortzusetzen, sich schrittweise die neuen Ansatzmärkte auszubauen, gegenüber der Sowjetunion Containment zu betreiben und generell ein informal empire aufrechtzuerhalten. Das aber ging gründlich schief.
Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.
So, aus Gründen der Lesbarkeit hier einen Gap, es geht bald weiter.
Insgesamt gesehen können die 60er Jahre als die Dekade der Entwicklung betrachtet werden. Aus den antikolonialen Befreiungskämpfen waren junge Nationalstaaten hervorgegangen, die innerhalb des Koordinatensystems des Kalten Krieges bei gleichzeitiger friedlicher Koexistenz einerseits und des gewaltigen Reichtumsgefälles zwischen Nord und Süd und den fortbestehenden postkolonialen Abhängigkeiten (Dependenzen) andererseits ihren Weg suchten. Der Westen verfolgte zu dieser Zeit eine im Großen und ganzen keynesianisch inspiririerte Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auch maßstabgebend für den Umgang mit der nun so genannten Dritten Welt wurde, man könnte auch sagen, das in Europa erfolgreiche Konzept des Marshallplans wurde auf den Umgang mit der Dritten Welt übertragen. Die Weltbank finanzierte gewaltige Industrialisierungsprojekte, und insgesamt hoffte man im Westen, auf diese Weise möglichst viele Staaten dazu zu bringen, sich für den westlichen way of life zu entscheiden. In gleicher Weise verfuhr die Sowjetunion mit den sozialistisch ausgerichteten jungen Nationalstaaten Nordafrikas sowie Kuba und Venezuela. Entwicklungspolitik erfolgte grundsätzlich nicht aus humanitären Erwägungen, sondern aus wirtschaftlichem Interesse: Der Norden brauchte die Rohstoffe des Südens, umgekehrt sollte der Süden durch Entwicklung als Absatzmarkt für die Produkte des Nordens inwertgesetzt werden; später kam die Funktion der „verlängerten Werkbank“, d.h. der Billiglohnproduktion hinzu.
Der Ost-West-Dualismus (mit dem damals ultralinks, zugleich antisowjetisch und antiwestlich ausgerichteten China war es eigentlich ein Trialismus) bot für die Länder des Trikont (die drei Kontinente Südamerika, Afrika und Asien südlich der Sowjetunion/Chinas) eine gewisse Bandbreite an politischen Entwicklungsoptionen, die auch wahrgenommen wurden. Man kann sagen, dass die Modelle westlicher Kapitalismus und östlicher Staatssozialismus wetteifernde Angebote waren, manche Entwicklungsländer kombinierten auch beides zu einem Dritten Weg (Nasserismus, Destour-Sozialismus, Afrikanischer Sozialismus nach Nkrumah) oder suchten völlig eigene Wege, so Nyurere in Tansania oder später dann Thomas Sankara, der Liebling des jungen Afrika, der ermordet wurde, nachdem er in Burkina Faso die Privilegien der Staatsbediensteten abgeschafft hatte und die Dienstwagen der Regierungsmitglieder durch Renault R5 und Fahrräder ersetzte. Ganz dreist trieb es Maltas Dom Mintoff, der abwechselnd mit der Sowjetunion, den USA, China und Libyen sympathisierte –jeder dieser Mächte musste in Malta irgendetwas bauen, sei es eine Raffinerie, Krankenhäuser, ein Containerterminal, was gerade gebraucht wurde, hatte man das, suchte man sich einen neuen politischen –ismus als Investor.
Von westlicher Seite lag das Interesse an der Entwicklungszusammenarbeit natürlich in erster Linie darin, die kolonialen Ausbeutungsstrukturen in gemilderter Form fortzusetzen, sich schrittweise die neuen Ansatzmärkte auszubauen, gegenüber der Sowjetunion Containment zu betreiben und generell ein informal empire aufrechtzuerhalten. Das aber ging gründlich schief.
Ende der 60er setzte weltweit ein neuer Zyklus von Klassenkämpfen und allgemeinen sozialen Aneigungs- Emanzipations- und Umschichtungsprozessen ein. Es ist modisch geworden, heute 68 als reine westliche Studentenbewegung zu sehen, das wird dem Wesen der vielfältigen Bewegungen aber nicht gerecht. Dazu gehören ebenso wie der Pariser Mai, der mit seinem Generalstreik für einige Tage eine Revolution als an der Tagesordnung erscheinen ließ (ein gründlicher Irrtum) die Ghettoaufstände in den USA, zu denen Eldridge Cleaver gesagt haben soll: „Nicht Vietnam, Newark, Harlem, Bronx, das ist der wahre Krieg, ein Krieg, in dem Klasse gegen Klasse steht“, die Gründung der PLO, der Beginn der Guerrillakämpfe in Südamerika und Afrika, das Aufflammen bürgerkriegsartiger Unruhen in Nordirland, all dies bildet einen Gesamthorizont, der die bestehende Gesellschafts- und Weltordnung in Frage stellte. Als sich die Niederlage der USA in Vietnam abzeichnete, der Kurs des Dollar ins Bodenlose stürzte und die OPEC die Ölpreise erhöhte, da zeichnete sich ab, dass die Vorherrschaft der Triade (USA, Japan, EG-Europa) über den Trikont nicht mehr aufrechtzuerhalten war.
So, aus Gründen der Lesbarkeit hier einen Gap, es geht bald weiter.
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Freitag, 9. Juni 2006
Karte der Schande
che2001, 15:07h
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Nochmal was zu den Landlosen Brasiliens
che2001, 14:42h
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Mittwoch, 7. Juni 2006
Ach(madinedschad), noch mal was zum (U)Iran
che2001, 17:58h
Die Sache mit der Urananreicherung in Russland finde ich lustig. Das Angebot soll ja darauf hinaus laufen, das Iran die Atomenergie nur friedlich nutzen kann, da das Land über keinen Brennstoffkreislauf verfügen soll. Also wenn Urananreicherung außerhalb des Iran dann Iran keine A-Bombengefahr. Wie gesagt, putzige Idee. Denn was wird aus angereichertem Uran, wenn es sich einige Jahre in einem aktiven Reaktor befindet? Hauptspaltprodukt ist Plutonium, das viel schönere Bomben hergibt.
Wie beruhigend, dass die internationale Diplomatie nichts von Physik versteht.
Das heißt nicht, dass ich einem Militärschlag gegen den Iran das Wort reden will (warum spricht eigentlich niemand von einem Öl- und Waffenembargo oder davon, iranische Konten einzufrieren? Zur Schwächung des heroisch kriegsgeil säbelrasselnden Präsidenten wahrscheinlich wirksamer als eine Kriegsdrohung), nur muss Eines unmissverständlich klar sein: Wenn man gegen Atomenergie in Deutschland ist, kann man nicht das Recht des Iran auf ihre friedliche Nutzung verteidigen. Wenn man den Standpunkt vertritt, dass es aus naheliegenden physikalischen Gründen keine ausschließliche zivile Nutzungsmöglichkeit ohne Mißbrauchsgefahr gibt, dann gilt das immer und überall. Gegen militärische Aggression und gegen die imperialistische Grundausrichtung der USA sein, heißt nicht, für den wirren Präsidenten des Iran Partei zu ergreifen. Die Der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund-Logik ist ein geistiger Hilter-Stalin-Pakt, den kein linker oder aufgeklärter Mensch unterschreiben darf.
Wie beruhigend, dass die internationale Diplomatie nichts von Physik versteht.
Das heißt nicht, dass ich einem Militärschlag gegen den Iran das Wort reden will (warum spricht eigentlich niemand von einem Öl- und Waffenembargo oder davon, iranische Konten einzufrieren? Zur Schwächung des heroisch kriegsgeil säbelrasselnden Präsidenten wahrscheinlich wirksamer als eine Kriegsdrohung), nur muss Eines unmissverständlich klar sein: Wenn man gegen Atomenergie in Deutschland ist, kann man nicht das Recht des Iran auf ihre friedliche Nutzung verteidigen. Wenn man den Standpunkt vertritt, dass es aus naheliegenden physikalischen Gründen keine ausschließliche zivile Nutzungsmöglichkeit ohne Mißbrauchsgefahr gibt, dann gilt das immer und überall. Gegen militärische Aggression und gegen die imperialistische Grundausrichtung der USA sein, heißt nicht, für den wirren Präsidenten des Iran Partei zu ergreifen. Die Der-Feind-meines-Feindes-ist-mein-Freund-Logik ist ein geistiger Hilter-Stalin-Pakt, den kein linker oder aufgeklärter Mensch unterschreiben darf.
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