Samstag, 19. November 2005
Westlinks und Ostabweichler
Während Schröder sich in aller Öffentlichkeit den Zapfen streicheln lässt, mache ich mir so meine Gedanken über das Verhältnis zwischen westlichen Linken und Ex-DDR-Dissidenten. Beim Don hatten wir eine fetzige Debatte http://rebellmarkt.blogger.de/stories/349359/#comments,

bei der ich das Gefühl hatte, es wird pausenlos aneinander vorbei geredet. Wie schwer ist es eigentlich, bestimmten Leuten mit harter DDR-Biografie klar zu machen, dass ein relevanter Teil der westdeutschen Linken mit dem Kasernenhofkommunismus einfach absolut gar nichts am Hut hat? Es ist und bleibt schwierig: Die Tatsache, dass die DDR eine Diktatur mit widerwärtigem Gesicht war, und dass gleichzeitig einige der scheußlichsten Diktaturen mit weitaus schlimmeren Praktiken als die Ostblockdiktaturen zur gleichen Zeit die Verwertungsinteressen des westlichen Imperialismus in Lateinamerika und der arabischen-orientalischen Welt durchsetzten, wir westlichen undogmatischen Linken in der Solidaritätsarbeit mit den Opfern dieser Ausbeutungsregime partiell am gleichen Strang zogen wie die Anhänger des Ostsozialismus (die wir dennoch "Die Stalinisten" oder "Revis" nannten und nicht mochten), bleibt schwer auflösbar. Etliche Regimegegner aus der DDR sind problemlos ins autonome Lager gewechselt, auch in meinem Freundeskreis. Aber ich muss in Gesprächen mit "sonstigen" oppositionellen Ossis immer wieder konstatieren, dass ein Großteil von ihnen um die eigene Geschichte und eigenen Befindlichkeiten kreist und für unser Engagement für Menschenrechte in der "Dritten" Welt wenig Verständnis hat, auch der Auffassung ist, Elend und Unterdrückung seien nirgendwo so schlimm gewesen wie im Ostblock (ein Äthiopier, der 1989 Ost- und Westberlin bereiste, konnte keinen Unterschied an Lebensstandard feststellen, so übermäßig reich erschienen ihm beide Gesellschaften, verglichen mit dem Staatsterror in Irak, Iran, Syrien, praktisch ganz Südamerika in den 70er und 80er Jahren war der Ostblock fast zurückhaltend, eine Mitstreiterin hatte das in der Diskussion bei rebellmarkt an einigen drastischen Beispielen deutlich gemacht). Vielleicht liegt dies dran, dass man einerseits in einem sehr kleinen und provinziellen Land eingesperrt war, andererseits Internationalismus als Ideologie von Staats wegen verordnet wurde. Schwer vermittelbar scheint auch, dass unser Linkssein sich zwar gegen den Kapitalismus richtete, aber nicht mit einem autoritären Staatsmodell, sondern mit individueller Emanzipation und teilweise sogar einer Liebe zum Chaos zu tun hatte, für uns osteuropäischer Kasernenhofkommunismus und westlicher Liberalkapitalismus äquidistant waren. Irgendwie bin ich da etwas ratlos.

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