Donnerstag, 13. Mai 2010
Von Festen und Zeiten
Dieser Beitrag hier spiegelt einerseits wieder, wie es in meiner eigenen Jugend war, andererseits liest es sich an einigen Stellen auch schon nach einer bedenklichen mainstreamigen medialen Verwurstung.

http://www.zeit.de/2009/08/Ostrock-Westrock


Ich kann gar nicht so genau sagen wieso, es ist eine Frage des Tonfalls. Was mich ja wundert ist die Verwendung des Begriffs "Klammerblues", den ich zum ersten Mal 2010 gehört habe, kürzlich erst in einem Hörfunkbeitrag, der mir vorkam wie eine unfreiwillige Parodie auf die Feiergewohnheiten meiner Jugend. Da hieß es, 1985 wäre nach Disco und Neuer Deutscher Welle der nächste große Feier- und Tanztrend die romantische Fete mit Engtanz, auch Klammerblues genannt gewesen, ausgelöst durch langsamen französischen Softpop wie "Oui, je t´aime". Bis dahin hätte man von Parties gesprochen, nun wurde dieser Ausdruck verpönt, und es hieß "Fete". Wenn das so war ist das zumindest in meiner Lebenswirklichkeit alles etwas anders gelagert gewesen, mir kam das Ganze aber vor wie der Beitrag einer jungen Redakteurin, die mit deutlichen Lücken versucht, eine Zeit zu rekonstruieren, die sie nicht selbst erlebt hat, und dann behauptet authentisch zu sein. Das, was hier "Klammerblues" oder "Engtanz" genannt wird hieß bei uns "Schwoof" und kam auch nicht 1985 auf, sondern wurde getanzt, seit ich auf Feten ging, also seit Ende der 70er. Es war auch kein Trend, der irgend etwas ablöste, normalerweise wurde auf jeder Fete phasenweise zu schnellerer Musik abgehottet, zu härterer Musik geheadbangt, eine Pogo-Einlage gehörte auch dazu und am Schluss wurde geschwooft, schließlich war der Sinn und Zweck einer Fete ja, miteinander zu liegen zu kommen. Und dazu brauchte es nicht "Oui, je t´aime", unser Standardschwoof war "Dark side of the Moon". Klar gab es einen Unterschied zwischen Party und Fete. Der lag aber darin, dass die Party eine eher seltene, gehobenere Veranstaltung in einem etwas schickeren Rahmen war. Parties gab es zum 15., 18. und 20. Geburtstag, zum Abi und zum Gesellenbrief, Feten so oft wir konnten. Auf Feten wurde Bowle, Bier, Cuba Libre und solch fürchterliche Mixgetränke wie Vurguzz getrunken, auf Parties Sekt und Rotwein, auf Feten gab es Plastikbecher, auf Parties Gläser, auf Feten wurde die Sau rausgelassen, Parties wurden zelebriert - bis alle breit genug waren, um die Sau rauszulassen, und phasenweise war dann auch Haschisch wichtiger als Alk. In den medialen Beschreibungen der damaligen Festtagsbräuche finde ich mich jedenfalls nicht wieder.

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