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Freitag, 21. Juni 2013
Ergänzungen zum Szene-Museum
che2001, 21:22h
Aus gegebenem Anlass fielen mir einige der alten Göttingen-Stories wieder ein. Das war damals schon eine sehr lustige Zeit.
Ein Mitbewohner begrüßte mich, als ich für meine Magisterprüfung zum Thema Sozialgeschichte der deutschen Juden im Spätmittelalter lernte mit "Hostienschänderrrr! Rrrrrritualmörderrrr!", den Tonfall Adolf Hitlers imitierend. Ansonsten schmissen wir uns regelmäßig Unsinn wie "Du hast ja nen Joghurt am Kopf!" "Du rasierst dich doch mit der Flex!" an die Köpfe, und auf der WG-Tür stand: "Restricted Area, no entry for Spacken. Mehr Sex!", in einer anderen WG hing neben allerlei surrealistischen Collagen ein von einem Truppenübungsplatz geklautes Warnschild "Swine feaver. No dismounting!", auf dem klebte eine Damenbinde, auf der stand mit schwarzem Edding "So ordinär!", darunter ein Aufkleber vom Hausmeisterservice "Halt Dein Rohr sauber!".
In Bremen hatte es eine RB-Fernsehsendung gegeben, in der sich HausbesitzerInnen aus dem Ostertorviertel, darunter viele ehemalige HausbesetzerInnen lautstark darüber beschwerten, dass die Kurdens nicht die Leute seien, die sie sich für ein multikulturelles Zusammenleben wünschten, die seien ja mit der PKK im Bunde und verkauften Drogen, und auf einem Spielplatz sei schon mal eine benutzte Fixe gefunden worden, und einem Ökometzger hätten Vegane die Scheiben eingeschmissen. Darauf erwiderte eine gute Freundin von mir: "Früher, als ihr jung wart, da habt ihr Häuser besetzt und seid ins Viertel gegangen, weil hier das Leben tobte und die action war. Jetzt habt ihr nen breiten bürgerlichen Arsch bekommen, Kinder in die Welt gesetzt und wollt das Viertel zu nem großen Kinderhort machen. Das läuft nicht, die action bleibt im Viertel", und, an den Ökometzger gewandt "Du bist doch nen kräftiger Kerl, richtig im Saft, du wirst dich mit deinen Schlachtermessern ja wohl gegen ein paar halbverhungerte Gurkenkinder zur Wehr setzen können!".
Noch heftiger war der Humor meiner kurdischen Freunde, die tanzten, als Bullen sie schikaniert hatten, um den Streifenwagen herum, klatschten rhytmisch in die Hände und skandierten "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!". Ich habe einige Zeit als einziger Deutscher in einem kurdischen Restaurant gearbeitet, und da bekam ich mit, wie ein Kollege auf dem Fußboden liegenden Döner zusammenkratzte und auf einen Teller tat. Ich fragte ihn, was er da tun würde, und er antwortete: "Der ist für einen Gast bei mir zu Hause. Er ist Kurde, und man sagt, die Kurden lassen alles mit sich machen, das will ich jetzt ausprobieren. Außerdem sagt man, die Kurden seien die Juden von heute, da muss man ja Menschenversuche machen!"(Tatsächlich war der Döner für seinen Hund). Ein Anderer erwiderte auf die Frage, wieso er immer auf und ab gehe und nie stillsäße "Das liegt daran, dass ich Kurde bin!" "Wieso?" "Immer auf der Flucht!" (tatsächlich steckten in seinem Knie inoperable Minensplitter, und er musste das Gelenk ständig in Bewegung halten, um schmerzfrei zu sein).
Dem Umstand, dass ich einer der Sprecher eines Politzusammenhangs war, der überwiegend aus Ex-Guerrillakämpfern bestand und mit verschiedenen Szenegrößen eng befreundet war, die zur Redaktionsgruppe eines hochangesehenen linksradikalen Theoriemagazins gehörten machte mich, nachdem ich vorher von den spaßbefreiten Moralmackern und Mackerinen wie ein Ausgestoßener behandelt worden war sakrosankt, ich konnte mir meinen Humor auch bei den völlig Spaßbefreiten erlauben und leistete mir Scherze wie in der veganen Volksküche Steaks zuzubereiten. Der Freund mit dem "Hostienschänder"-Spruch hielt mal so ein paar ultramoralischen PC-Gestalten eine Litanei, es müsste in der linken Szene allgemeinverbindliche moralische Normen, z.B. hinsichtlich des Sexualverhaltens geben, an die sich alle zu halten hätten nickten die bereitwillig, und er setzte hinzu: "Wie im Iran!". Als einige die Pointe noch immer nicht kapierten setzte ich hinzu: "Und es wird ein Witzbollah eingesetzt, der entscheidet, über was gelacht werden darf!".
Diese Moralspackenfraktion war im Durchschnitt jünger als wir, als ich so 30 war war das im Wesentlichen eine Angelegenheit der Generation U25 und alles Studis, die für mich maßgebenden Leute in der autonomen Szene waren hingegen so 35- 40 und berufstätig in selbstgeschaffenen Alternativjobs. Für eine sehr junge Genossin war es ein Akt der extremen Provokation, in High Heels und nabelfrei in ein autonomes Zentrum zu gehen, in dem Frauen nur im Schlabberhoodie verkehrten und aus dem Netbitch wegen dem Spruch "Ihr linken Männer seid zu verklemmt zum Ficken!" rausgeflogen war.
Der politischen Korrektheit, die ja als puritanische Zwanghaftigkeit gelebt wurde mit beißendem Verarsche-Humor zu begegnen, das war für mich selber und mein allerengstes Umfeld 15 Jahre lang Dauerzustand gewesen.
Leute wie Droste fanden wir trotzdem nicht gut, die bekamen auch ihr Fett ab.
Ein Mitbewohner begrüßte mich, als ich für meine Magisterprüfung zum Thema Sozialgeschichte der deutschen Juden im Spätmittelalter lernte mit "Hostienschänderrrr! Rrrrrritualmörderrrr!", den Tonfall Adolf Hitlers imitierend. Ansonsten schmissen wir uns regelmäßig Unsinn wie "Du hast ja nen Joghurt am Kopf!" "Du rasierst dich doch mit der Flex!" an die Köpfe, und auf der WG-Tür stand: "Restricted Area, no entry for Spacken. Mehr Sex!", in einer anderen WG hing neben allerlei surrealistischen Collagen ein von einem Truppenübungsplatz geklautes Warnschild "Swine feaver. No dismounting!", auf dem klebte eine Damenbinde, auf der stand mit schwarzem Edding "So ordinär!", darunter ein Aufkleber vom Hausmeisterservice "Halt Dein Rohr sauber!".
In Bremen hatte es eine RB-Fernsehsendung gegeben, in der sich HausbesitzerInnen aus dem Ostertorviertel, darunter viele ehemalige HausbesetzerInnen lautstark darüber beschwerten, dass die Kurdens nicht die Leute seien, die sie sich für ein multikulturelles Zusammenleben wünschten, die seien ja mit der PKK im Bunde und verkauften Drogen, und auf einem Spielplatz sei schon mal eine benutzte Fixe gefunden worden, und einem Ökometzger hätten Vegane die Scheiben eingeschmissen. Darauf erwiderte eine gute Freundin von mir: "Früher, als ihr jung wart, da habt ihr Häuser besetzt und seid ins Viertel gegangen, weil hier das Leben tobte und die action war. Jetzt habt ihr nen breiten bürgerlichen Arsch bekommen, Kinder in die Welt gesetzt und wollt das Viertel zu nem großen Kinderhort machen. Das läuft nicht, die action bleibt im Viertel", und, an den Ökometzger gewandt "Du bist doch nen kräftiger Kerl, richtig im Saft, du wirst dich mit deinen Schlachtermessern ja wohl gegen ein paar halbverhungerte Gurkenkinder zur Wehr setzen können!".
Noch heftiger war der Humor meiner kurdischen Freunde, die tanzten, als Bullen sie schikaniert hatten, um den Streifenwagen herum, klatschten rhytmisch in die Hände und skandierten "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!". Ich habe einige Zeit als einziger Deutscher in einem kurdischen Restaurant gearbeitet, und da bekam ich mit, wie ein Kollege auf dem Fußboden liegenden Döner zusammenkratzte und auf einen Teller tat. Ich fragte ihn, was er da tun würde, und er antwortete: "Der ist für einen Gast bei mir zu Hause. Er ist Kurde, und man sagt, die Kurden lassen alles mit sich machen, das will ich jetzt ausprobieren. Außerdem sagt man, die Kurden seien die Juden von heute, da muss man ja Menschenversuche machen!"(Tatsächlich war der Döner für seinen Hund). Ein Anderer erwiderte auf die Frage, wieso er immer auf und ab gehe und nie stillsäße "Das liegt daran, dass ich Kurde bin!" "Wieso?" "Immer auf der Flucht!" (tatsächlich steckten in seinem Knie inoperable Minensplitter, und er musste das Gelenk ständig in Bewegung halten, um schmerzfrei zu sein).
Dem Umstand, dass ich einer der Sprecher eines Politzusammenhangs war, der überwiegend aus Ex-Guerrillakämpfern bestand und mit verschiedenen Szenegrößen eng befreundet war, die zur Redaktionsgruppe eines hochangesehenen linksradikalen Theoriemagazins gehörten machte mich, nachdem ich vorher von den spaßbefreiten Moralmackern und Mackerinen wie ein Ausgestoßener behandelt worden war sakrosankt, ich konnte mir meinen Humor auch bei den völlig Spaßbefreiten erlauben und leistete mir Scherze wie in der veganen Volksküche Steaks zuzubereiten. Der Freund mit dem "Hostienschänder"-Spruch hielt mal so ein paar ultramoralischen PC-Gestalten eine Litanei, es müsste in der linken Szene allgemeinverbindliche moralische Normen, z.B. hinsichtlich des Sexualverhaltens geben, an die sich alle zu halten hätten nickten die bereitwillig, und er setzte hinzu: "Wie im Iran!". Als einige die Pointe noch immer nicht kapierten setzte ich hinzu: "Und es wird ein Witzbollah eingesetzt, der entscheidet, über was gelacht werden darf!".
Diese Moralspackenfraktion war im Durchschnitt jünger als wir, als ich so 30 war war das im Wesentlichen eine Angelegenheit der Generation U25 und alles Studis, die für mich maßgebenden Leute in der autonomen Szene waren hingegen so 35- 40 und berufstätig in selbstgeschaffenen Alternativjobs. Für eine sehr junge Genossin war es ein Akt der extremen Provokation, in High Heels und nabelfrei in ein autonomes Zentrum zu gehen, in dem Frauen nur im Schlabberhoodie verkehrten und aus dem Netbitch wegen dem Spruch "Ihr linken Männer seid zu verklemmt zum Ficken!" rausgeflogen war.
Der politischen Korrektheit, die ja als puritanische Zwanghaftigkeit gelebt wurde mit beißendem Verarsche-Humor zu begegnen, das war für mich selber und mein allerengstes Umfeld 15 Jahre lang Dauerzustand gewesen.
Leute wie Droste fanden wir trotzdem nicht gut, die bekamen auch ihr Fett ab.
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