Freitag, 31. Mai 2013
Rentenversicherung wollte Invalidenrente eines NS-Opfers auf Leistungsanspruch anrechnen
Vor dem Sozialgericht Hannover wurde ein Urteil gefällt in der Sache 15.4.13 –S 62 SO 52/11-, die vielleicht von Interesse ist.



In der Sache geht es um die Anrechnung einer russischen Rente für Überlebende des belagerten Leningrads auf Leistungen nach dem SGB XII.

Die Beklagte meinte, dem 1937 geborenen Kläger, der mit dem Ehrenzeichen „Überlebender des belagerten Leningrads“ ausgezeichnet war, die aus Russland für die Belagerung gezahlte Invaliditätsrente als Einkommen auf seinen Leistungsanspruch anzurechnen. Dem hat das Sozialgericht nach mehrjähriger Verfahrensdauer einen Riegel vorgeschoben. Es führt aus, dass die gezahlte Invaliditätsrente an von der Belagerung Leningrads betroffene Menschen eine Entschädigung für die Qualen und gesundheitlichen Schäden, die entsprechende Personen -zumeist im Kindesalter- infolge des durch das nationalsozialistische Deutschland verübten Unrechts der Blockade erlitten hätten, darstelle. Eine solche Entschädigungszahlung müsse ebenso wie zB Leistungen, die an im Konzentrationslager inhaftierte Menschen gezahlt wird, anrechnungsfrei bleiben.



Das vom Sozialgericht gerügte Vorgehen des Leistungsträgers macht angesichts der zugrundeliegenden geschichtlichen Ereignisse doch einigermaßen sprachlos. Bekanntermaßen wollte das NS-Regime mit der Blockade gezielt die Zivilbevölkerung Leningrads dem Hungertod überantworten. Wer sich hier weiter informieren möchte lese zB im 3. Teil von Walter Kempowskis Echolot nach, wo die leidende Leningrader Bevölkerung zu Wort kommt und in bedrückender Weise die unfassbaren Zustände im belagerten Leningrad geschildert werden. Dass und warum Überlebende Leningrads, die zur Zeit der Belagerung ja Kinder (!) waren, überdurchschnittlich häufig an schwersten physischen und psychischen Erkrankungen leiden, wird nach dem Studium dieser Aufzeichnungen für jedermann verständlich.

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No lager, no nation, stop deportation! Oder: KZ 2.0
Am 28.05. hat sich ein junger Mann aus dem Tschad, der seit zwei Monaten in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Eisenhüttenstadt leben musste, das Leben genommen.
Andere Flüchtlinge aus dem Lager berichten, dass sich der 21 jährige kaum aus seinem Zimmer bewegt hat, insbesondere da ihm die notwendige medizinische Betreuung vorenthalten wurde.

In Eisenhüttenstadt befindet sich die "Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber" in Brandenburg. Das bedeutet, dass jeder Flüchtling, der in Brandenburg einen Asylantrag stellt, ins Lager in Eisenhüttenstadt geschickt wird, wo er oder sie während des Asylverfahrens leben muss, bis er oder sie entweder in ein anderes Brandenburger Lager umverteilt oder aber abgeschoben wird. Teil des Lagers ist ein Abschiebegefängnis, wo abgelehnte Asylbewerber_innen eingesperrt werden, um sie direkt abzuschieben.

Unter der Trägerschaft einer Sicherheits- und Wachschutzfirma namens B.O.S.S. ist die Situation im Lager zunehmend schlecht: die Räumlichkeiten sind überfüllt, die Toiletten- und Duschräume sind zu knapp und schmutzig. Den Flüchtlingen werden nötige Informationen vorenthalten. Security-Mitarbeiter sind überall. Die Flüchtlinge sind isoliert im Lager, für viele von ihnen ist es - wegen der "Residenzpflicht" - nicht erlaubt, nach Frankfurt oder Berlin zu fahren, um etwa eine Anwältin oder eine Beratungsstelle aufzusuchen, ohne dafür eine spezielle Erlaubnis zu beantragen. Die Flüchtlinge können nicht wählen, was sie essen möchten, da es jeden Tag das gleiche, schlechte Essen in der Heimkantine gibt. Menschen werden direkt aus ihren Zimmern abgeschoben, vor den Augen der anderen, Abschiebungen können jederzeit stattfinden. Das erzeugt eine Atmosphäre der Angst im ganzen Lager.

Kranke Flüchtlinge werden von einer der beiden Krankenschwestern, "Schwester Sabine", angeschrien, warum sie kein Deutsch sprechen würden. Wer sich über diese rassistische Behandlung beschwert, bekommt Besuch von Lagermitarbeiter_innen, die sagen, dass sie sich beschweren sollen. Erst vor wenigen Tagen wurde eine Frau unter Druck gesetzt, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, indem ihr gesagt wurde, sie habe doch schon drei Kinder und das seien genug, und sie sei doch nur schwanger geworden, um eine Abschiebung zu verhindern.

Am 28.05.13 hat es einer der Insassen nicht mehr ertragen und sich das Leben genommen!!!

Aufgrund all dieser Tatsachen rufen wir zu einer Demonstration in Eisenhüttenstadt auf und fordern:

- Abschiebungen stoppen! Den Abschiebeknast abschaffen!

- Bessere Gesundheitsversorgung und Sanitäranlagen!

- Zugang zu notwendigen unabhängigen Informationen! / Keine Infos vorenthalten!

- Bewegungsfreiheit - Residenzpflicht (ganz) abschaffen!

- Keine Polizeikontrollen um das Lager herum!

- Besseres Essen - oder Geld, so dass die Flüchtlinge sich ihr Essen selbst kaufen können!


Kein Mensch ist illegal !!!

Wandelt Wut in Widerstand !!!


siehe auch:
http://thecaravan.org/node/3793
http://papiere-fuer-alle.org/node/821

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