Dienstag, 28. Mai 2019
Haft ohne Straftat – Strafe ohne Verbrechen Ausstellung – Vortrag – Film
Im Rahmen des Festival Contre le Racisme

20.06.2019, 16 bis 22 Uhr
Kulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, 30161 Hannover
Die Abschiebehaft in Deutschland begeht dieses Jahr ein trauriges Jubiläum: Die rassistische Tradition wird 100 Jahre alt. Eingeführt in der Weimarer Republik, um vor allem Jüd_innen aus Osteuropa einzusperren und anschließend abzuschieben, wurde sie durch das Naziregime weiter verschärft und von der BRD nahtlos übernommen. Nunmehr sollen die Regelungen zur Abschiebehaft erneut ausgeweitet werden.
Die Veranstaltung veranschaulicht das Unrecht der Abschiebehaft aus unterschiedlicher Perspektive und auf verschiedene Weise.
16:00 – 18:00: Ausstellung: „Die Unmündigen“
Die Ausstellung der Berliner Künstlerin Marie Radtke zeigt auf eindrückliche Weise Portraits und Schicksale von Abschiebegefangenen, die im zentralen niedersächsischen Abschiebegefängnis in Langenhangen inhaftiert waren und versucht auf diese Weise, den „Unsichtbaren“ ein Gesicht zu geben.
18:00 – 19:30: Vortrag: Abschiebungshaft in Deutschland – Ein Überblick
Der Vortrag gibt einen Überblick über die Geschichte und den Status Quo der Abschiebehaft in Deutschland. Zudem stellt er das Leben im Abschiebegefängnis dar und bietet Raum für Fragen und Gespräche. Gleichzeitig werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man als Einzelne*r aktiv werden kann.
20:00 – 22:00: Dokumentarfilm: „Vol Spécial“ (CH 2011, 103 Min., franz. OmdU)
Fernand Melgar zeigt intime Portraits der Inhaftierten im Abschiebegefängnis Frambois bei Genf, ihre Verzweifelung und eine Gefängnisrealität, in der die Menschlichkeit zu einer Farce verkommt.
Im Anschluss besteht Gelegenheit für Fragen und Gespräche.
Muzaffer Öztürkyilmaz und Johanna Lal arbeiten beim Flüchtlingsrat Niedersachsen und beraten tagtäglich Gefangene in der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen.

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Erneuter Polizeiübergriff in betreutem Jugendwohnen in Berlin – Kein Schutzraum für junge Geflüchtete?
Pressemitteilung,
Flüchtlingsrat Berlin und Bundesfachverband umF, 27. Mai 2019



In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai gegen 4 Uhr verschafften sich drei PolizistInnen - offenbar auf Veranlassung der Berliner Ausländerbehörde - Zutritt zu einer Jugendhilfewohnung in Berlin-Lichtenberg, um zu prüfen, ob der dort gemeldete jugendliche Flüchtling Hamid F. [1] aus Afghanistan auch tatsächlich dort wohnt.

Als auf ihr Klingeln an der Tür niemand reagierte, klopften die PolizistInnen von draußen an die Fenster der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung und verlangten Einlass. Hamid F. ist traumatisiert und in psychiatrischer Behandlung, was auch der Ausländerbehörde bekannt sein müsste. Er benötigt starke Medikamente, um schlafen zu können.

Hamid F. verstand nicht, was die PolizistInnen wollten. Er öffnete die Tür. Hamid F. hatte Angst. Er wusste nicht, dass er die Polizei nur mit einem Durchsuchungsbeschluss - den sie nicht hatte - in die Wohnung hätte einlassen müssen. Die PolizistInnen betraten die Wohnung, gingen direkt in Hamid F.‘s Zimmer und ließen sich sein Ausweisdokument zeigen. Daraufhin befragten sie ihn zu seinen Fluchtgründen und seinem Fluchtweg. Er reagierte auf Grund der Medikamente und des Traumas sehr verzögert. Sie erklärten ihm, er müsse Deutschland verlassen und am nächsten Tag bei der Ausländerbehörde vorsprechen. Sonst würde man ihn abholen und abschieben. Hamid F. zeigte ihnen an der Pinnwand im Flur die Telefonnummer des diensthabenden Bereitschaftsbetreuers der Jugendhilfeeinrichtung, der jedoch nicht benachrichtigt wurde.

Hamid F. befindet sich noch im Asylverfahren. Er kann deshalb gar nicht abgeschoben werden. Berlin schiebt erwachsene abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan nur in Ausnahmefällen bei schweren Straftaten ab, was auf Hamid F. nicht zutrifft. Die Polizei ist auch in keinster Weise zuständig für Befragungen zu den Fluchtgründen und Fluchtwegen, erst recht nicht unangekündigt nachts um 4 Uhr. Hamid F. geht es seit dem Vorfall psychisch deutlich schlechter.

„Dass die Berliner Polizei mitten in der Nacht in eine Jugendhilfeeinrichtung eindringt, um einen dort wohnenden schwer traumatisierten Jugendlichen zu den traumatischen Fluchtereignissen zu befragen, ist ein ungeheuerlicher Skandal“, so Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin. „Dies liegt nicht im Verantwortungs- und Kompetenzbereich der Polizei. Ihm dann auch noch entgegen der Rechtslage zu erzählen, er würde abgeschoben, kann nur als rechtwidrige Bedrohung und Nötigung verstanden werden.“

Das rechtswidrige Eindringen Berliner PolizistInnen in die Wohnräume Geflüchteter ohne Durchsuchungsbeschluss unter systematischem Verstoß gegen den in Artikel 13 Grundgesetz gewährleisteten Schutz der Wohnung und die Maßgaben der Berliner Gerichte hat der Berliner Flüchtlingsrat bereits in mehreren Pressemitteilungen thematisiert [2]. Das Eindringen der Polizei in eine betreute Jugend-WG zur Überprüfung der Meldeadresse mitten in der Nacht, verbunden mit rechtswidrigen Befragungen und Bedrohungen ist unter keinen Umständen rechtlich zulässig.

„Ein überfallartiges nächtliches Eindringen in Jugendhilfeeinrichtungen ist in jedem Fall rechtswidrig. Sinn und Zweck der Jugendhilfe ist es, einen sicheren Ort zu bieten“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Solche Einsätze machen natürlich die Runde unter den Jugendlichen und erzeugen Angst. Diese Angst ist Gift für die Stabilisierung der Jugendlichen und ihre Lernerfolge. Und die Angst nimmt derzeit massiv zu – nicht nur in Berlin. Damit werden die Erfolge der Jugendhilfe torpediert.“

Betreute Wohnungen der Jugendhilfe sind nicht nur ein geschützter Wohnraum nach Art 13 Grundgesetz. Sie sind auch nach ihrer Zweckbestimmung besonders geschützte Räume. Unter den dort lebenden und betreuten Kindern und Jugendlichen haben viele vor oder während der Flucht Gewalt und Missbrauch erleben müssen und leiden unter schweren psychischen Belastungen.

Im Berliner Koalitionsvertrag wurde deshalb festgelegt, dass keine Abschiebungen aus Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen und Krankenhäusern mehr stattfinden. Dennoch gab es bereits zwei Fälle in 2017 und 2018, in denen Abschiebungen aus Berliner Jugendhilfeeinrichtung heraus erfolgten [3].

Wir fordern Innensenator Geisel auf, den aktuellen Fall lückenlos aufzuklären und dienstrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen PolizistInnen zu veranlassen. Wir fordern den Innensenator Geisel auf, die BeamtInnen der Berliner Polizei anzuweisen, den besonderen Schutzzweck von Jugendhilfeeinrichtungen zu respektieren. Die Polizei darf dort allenfalls bei Gefahr im Verzug oder mit Durchsuchungsbeschluss eindringen. Klärungen von Sachverhalten und Befragungen im Zusammenhang mit dem Asylverfahren dürfen ausschließlich bei den dafür zuständigen Behörden stattfinden.

Pressekontakt für Rückfragen zu der Berliner Situation:
Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel.: 030 224 76 311, E-Mail: buero@fluechtlingsrat-berlin.de

Pressekontakt für Rückfragen zur bundesweiten Situation:
Bundesfachverband umF e.V., Tel.: 030 820 97 431, E-Mail: t.klaus@b-umf.de

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