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Donnerstag, 28. April 2022
Die Regel, nicht die Ausnahme: 75% aller ehemals stationären COVID-Patienten leiden nach 1 Jahr noch an Long-COVID
che2001, 19:03h
Michael van den Heuvel, Medscape
Selbst 1 Jahr nach stationären COVID-19-Therapien fühlten sich 75% aller Patienten immer noch nicht vollständig genesen. Ähnlich hoch war der Prozentsatz 5 Monate nach der Entlassung. Das hat die Post-Hospitalisation-COVID-19-Studie, eine prospektive Beobachtungsstudie aus Großbritannien, gezeigt. Ergebnisse der Untersuchung wurden jetzt in The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht.
Weibliches Geschlecht und starkes Übergewicht waren mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit der vollständigen Rekonvaleszenz verbunden. Gleichzeitig fanden Wissenschaftler erhöhte Spiegel an Entzündungsmediatoren bei Personen mit den schwersten körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen im Vergleich zu Personen mit leichteren Beeinträchtigungen.
Eine der wichtigsten Arbeiten zu Long-COVID: Deutliche Einschränkung der Lebensqualität selbst nach 1 Jahr. Physisch und psychisch Prof. Dr. Christian Karagiannidis
?Eine der wichtigsten Arbeiten zu Long-COVID: Deutliche Einschränkung der Lebensqualität selbst nach 1 Jahr. Physisch und psychisch?, twittert Prof. Dr. Christian Karagiannidis von der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Die Entzündungsmarker CRP und IL-6 seien nach langer Zeit zum Teil noch erhöht; ein ?Hinweis auf mögliche therapeutische Ansätze?.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kommentiert: ?Die Langzeitwirkungen von COVID werden unserer Gesundheitssystem noch lange sehr viel Geld kosten.? Deshalb fordert er: ?Die Forschung für Long-COVID muss dringend ausgebaut werden.?
Offene Fragen zu Long-COVID
Zum Hintergrund: Trotz zahlreicher Forschungsprojekte weltweit gibt es keine evidenzbasierten pharmakologischen oder nicht-pharmakologischen Interventionen bei Long-COVID. Auch zu Risikofaktoren und zur Häufigkeit finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben.
Die Forschung für Long-COVID muss dringend ausgebaut werden. Prof. Dr. Karl Lauterbach
Deshalb haben Forscher der PHOSP-COVID Collaborative Group eine Kohorte aufgebaut und Probanden nach Ende der stationären Therapie weiter untersucht. Außerdem wollten sie mehr über Entzündungsprofile bestimmter Patientengruppen erfahren.
Kohorte mit 2.320 genesenen COVID-19-Patienten
Die Post-Hospitalisation-COVID-19-Studie PHOSP-COVID wurde als prospektive, longitudinale Kohortenstudie konzipiert. Forscher haben Erwachsene im Alter von mindestens 18 Jahren eingeschlossen, die im Vereinigten Königreich nach einer COVID-19-Therapie virologisch genesen aus dem Krankenhaus entlassen worden sind.
Der Gesundheitszustand wurde anhand von Patientenangaben, anhand der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Organfunktionen 5 Monate sowie 1 Jahr nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bewertet. Außerdem haben die Forscher bei der 5-monatigen Nachuntersuchung Entzündungsproteinprofile anhand von Plasmaproben erstellt.
An der Studie nahmen 2.320 ehemalige COVID-19-Patienten teil, die zwischen 7. März 2020 und 18. April 2021 das Krankenhaus verlassen hatten. Die Probanden wurden 5 Monate später untersucht. 807 Teilnehmer (32,7%) absolvierten sowohl die 5-Monats- als auch die 1-Jahres-Nachuntersuchung. 279 (35,6%) dieser 807 Patienten waren Frauen und 505 (64,4%) Männer, mit einem Durchschnittsalter von 58,7 Jahren. 224 Personen (27,8 %) hatten eine invasive mechanische Beatmung erhalten.
Nur minimale Besserung der Beschwerden
Der Anteil der Patienten mit vollständiger Genesung zwischen 5 Monaten (25,5%) und 1 Jahr (28,9%) war nahezu unverändert, wie die Autoren berichten. Faktoren, die mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Genesung nach 1 Jahr in Verbindung standen, waren weibliches Geschlecht (Odds Ratio: 0,68; 95%-Konfidenzintervall: 0,46-0,99), Übergewicht/Adipositas (OR: 0,50; 95%-KI: 0,34-0,74) und eine invasive mechanische Beatmung (OR: 0,42; 95%-KI: 0,23-0,76).
Die Analyse von Subgruppen mit Daten von insgesamt 1.636 Probanden ermöglichte es Forschern, Teilnehmer 4 Clustern zuzuweisen: sehr schweres, schweres, mittelschweres mit kognitiver Beeinträchtigung und leichtes Long-COVID. Die Beschreibung bezieht sich auf die körperliche Beeinträchtigung, die psychischen Gesundheit und die kognitiven Beeinträchtigung nach 5 Monaten.
Als häufigste Symptome nennen die Autoren Fatigue (60%), Muskelschmerzen (54%), eine generell schlechtere körperliche Leistungsfähigkeit (52%), Schlafstörungen (52%), Atemnot (51%), Gelenkschmerzen (47%) und kognitive Einschränkungen (46%).
Sie fanden erhöhte Entzündungsmediatoren für Gewebeschäden und -reparaturen sowohl in den sehr schweren als auch in den mittelschweren Clustern mit kognitiver Beeinträchtigung im Vergleich zu den leichten Clustern, einschließlich der IL-6-Konzentration, die bei Betroffenen erhöht war (n = 626 Teilnehmer).
?Die Folgen einer Krankenhauseinweisung mit COVID-19 waren 1 Jahr nach der Entlassung in einer Reihe von Bereichen erheblich, wobei sich die Minderheit in unserer Kohorte vollständig erholt fühlte?, fassen die Autoren zusammen. Systematische Entzündungen und Übergewicht seien jedoch behandelbar, was weitere Untersuchungen in klinischen Studien rechtfertige.
Studie bestätigt frühere Veröffentlichungen
Kurz zuvor hatten Wissenschaftler im Journal of General Internal Medicine Resultate einer weiteren Studie mit unterschiedlichen COVID-19-Patienten veröffentlicht (Medscape.com berichtete). Sie untersuchten 1.038 Personen, die zwischen April 2020 und Februar 2021 im UCLA COVID Ambulatory Program eingeschrieben waren, einem Programm der University of California, Los Angeles (ULCA). Darunter befanden sich ambulante und stationäre Patienten. 309 von ihnen entwickelten Long-COVID entwickelten.
Zu den häufigsten Symptomen zählten Müdigkeit (31%) und Kurzatmigkeit (15%) bei stationären Teilnehmern. 16% der ambulanten Patienten gaben an, den Geruchssinn verloren zu haben. Menschen mit stationärer COVID-19-Therapie, mit Diabetes oder mit einem höheren Body-Mass-Index entwickelten am ehesten Long-COVID.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4911111?uac=389796AZ&faf=1&sso=true&impID=4198102&src=WNL_mdplsfeat_220428_mscpedit_de#vp_2
Selbst 1 Jahr nach stationären COVID-19-Therapien fühlten sich 75% aller Patienten immer noch nicht vollständig genesen. Ähnlich hoch war der Prozentsatz 5 Monate nach der Entlassung. Das hat die Post-Hospitalisation-COVID-19-Studie, eine prospektive Beobachtungsstudie aus Großbritannien, gezeigt. Ergebnisse der Untersuchung wurden jetzt in The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht.
Weibliches Geschlecht und starkes Übergewicht waren mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit der vollständigen Rekonvaleszenz verbunden. Gleichzeitig fanden Wissenschaftler erhöhte Spiegel an Entzündungsmediatoren bei Personen mit den schwersten körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen im Vergleich zu Personen mit leichteren Beeinträchtigungen.
Eine der wichtigsten Arbeiten zu Long-COVID: Deutliche Einschränkung der Lebensqualität selbst nach 1 Jahr. Physisch und psychisch Prof. Dr. Christian Karagiannidis
?Eine der wichtigsten Arbeiten zu Long-COVID: Deutliche Einschränkung der Lebensqualität selbst nach 1 Jahr. Physisch und psychisch?, twittert Prof. Dr. Christian Karagiannidis von der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Die Entzündungsmarker CRP und IL-6 seien nach langer Zeit zum Teil noch erhöht; ein ?Hinweis auf mögliche therapeutische Ansätze?.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) kommentiert: ?Die Langzeitwirkungen von COVID werden unserer Gesundheitssystem noch lange sehr viel Geld kosten.? Deshalb fordert er: ?Die Forschung für Long-COVID muss dringend ausgebaut werden.?
Offene Fragen zu Long-COVID
Zum Hintergrund: Trotz zahlreicher Forschungsprojekte weltweit gibt es keine evidenzbasierten pharmakologischen oder nicht-pharmakologischen Interventionen bei Long-COVID. Auch zu Risikofaktoren und zur Häufigkeit finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben.
Die Forschung für Long-COVID muss dringend ausgebaut werden. Prof. Dr. Karl Lauterbach
Deshalb haben Forscher der PHOSP-COVID Collaborative Group eine Kohorte aufgebaut und Probanden nach Ende der stationären Therapie weiter untersucht. Außerdem wollten sie mehr über Entzündungsprofile bestimmter Patientengruppen erfahren.
Kohorte mit 2.320 genesenen COVID-19-Patienten
Die Post-Hospitalisation-COVID-19-Studie PHOSP-COVID wurde als prospektive, longitudinale Kohortenstudie konzipiert. Forscher haben Erwachsene im Alter von mindestens 18 Jahren eingeschlossen, die im Vereinigten Königreich nach einer COVID-19-Therapie virologisch genesen aus dem Krankenhaus entlassen worden sind.
Der Gesundheitszustand wurde anhand von Patientenangaben, anhand der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Organfunktionen 5 Monate sowie 1 Jahr nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bewertet. Außerdem haben die Forscher bei der 5-monatigen Nachuntersuchung Entzündungsproteinprofile anhand von Plasmaproben erstellt.
An der Studie nahmen 2.320 ehemalige COVID-19-Patienten teil, die zwischen 7. März 2020 und 18. April 2021 das Krankenhaus verlassen hatten. Die Probanden wurden 5 Monate später untersucht. 807 Teilnehmer (32,7%) absolvierten sowohl die 5-Monats- als auch die 1-Jahres-Nachuntersuchung. 279 (35,6%) dieser 807 Patienten waren Frauen und 505 (64,4%) Männer, mit einem Durchschnittsalter von 58,7 Jahren. 224 Personen (27,8 %) hatten eine invasive mechanische Beatmung erhalten.
Nur minimale Besserung der Beschwerden
Der Anteil der Patienten mit vollständiger Genesung zwischen 5 Monaten (25,5%) und 1 Jahr (28,9%) war nahezu unverändert, wie die Autoren berichten. Faktoren, die mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Genesung nach 1 Jahr in Verbindung standen, waren weibliches Geschlecht (Odds Ratio: 0,68; 95%-Konfidenzintervall: 0,46-0,99), Übergewicht/Adipositas (OR: 0,50; 95%-KI: 0,34-0,74) und eine invasive mechanische Beatmung (OR: 0,42; 95%-KI: 0,23-0,76).
Die Analyse von Subgruppen mit Daten von insgesamt 1.636 Probanden ermöglichte es Forschern, Teilnehmer 4 Clustern zuzuweisen: sehr schweres, schweres, mittelschweres mit kognitiver Beeinträchtigung und leichtes Long-COVID. Die Beschreibung bezieht sich auf die körperliche Beeinträchtigung, die psychischen Gesundheit und die kognitiven Beeinträchtigung nach 5 Monaten.
Als häufigste Symptome nennen die Autoren Fatigue (60%), Muskelschmerzen (54%), eine generell schlechtere körperliche Leistungsfähigkeit (52%), Schlafstörungen (52%), Atemnot (51%), Gelenkschmerzen (47%) und kognitive Einschränkungen (46%).
Sie fanden erhöhte Entzündungsmediatoren für Gewebeschäden und -reparaturen sowohl in den sehr schweren als auch in den mittelschweren Clustern mit kognitiver Beeinträchtigung im Vergleich zu den leichten Clustern, einschließlich der IL-6-Konzentration, die bei Betroffenen erhöht war (n = 626 Teilnehmer).
?Die Folgen einer Krankenhauseinweisung mit COVID-19 waren 1 Jahr nach der Entlassung in einer Reihe von Bereichen erheblich, wobei sich die Minderheit in unserer Kohorte vollständig erholt fühlte?, fassen die Autoren zusammen. Systematische Entzündungen und Übergewicht seien jedoch behandelbar, was weitere Untersuchungen in klinischen Studien rechtfertige.
Studie bestätigt frühere Veröffentlichungen
Kurz zuvor hatten Wissenschaftler im Journal of General Internal Medicine Resultate einer weiteren Studie mit unterschiedlichen COVID-19-Patienten veröffentlicht (Medscape.com berichtete). Sie untersuchten 1.038 Personen, die zwischen April 2020 und Februar 2021 im UCLA COVID Ambulatory Program eingeschrieben waren, einem Programm der University of California, Los Angeles (ULCA). Darunter befanden sich ambulante und stationäre Patienten. 309 von ihnen entwickelten Long-COVID entwickelten.
Zu den häufigsten Symptomen zählten Müdigkeit (31%) und Kurzatmigkeit (15%) bei stationären Teilnehmern. 16% der ambulanten Patienten gaben an, den Geruchssinn verloren zu haben. Menschen mit stationärer COVID-19-Therapie, mit Diabetes oder mit einem höheren Body-Mass-Index entwickelten am ehesten Long-COVID.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4911111?uac=389796AZ&faf=1&sso=true&impID=4198102&src=WNL_mdplsfeat_220428_mscpedit_de#vp_2
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Große Übersicht zur 4. Corona-Impfung: Wem Experten einen weiteren Booster empfehlen und in welchem Abstand
che2001, 19:00h
Ute Eppinger, Medscape
Je mehr Booster, desto besser? Daten aus Israel zeigen, dass bei älteren Menschen nach einer 4. Dosis der Immunschutz noch einmal verstärkt wird. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hatte unlängst für einen 2. Booster ab 18 Jahren plädiert und auf eine EU-weite Empfehlung gedrängt. Durchsetzen konnte er sich damit bislang nicht: Nach wie vor empfiehlt die STIKO den 2. Booster nur für Menschen ab 70 Jahren, die EMA empfiehlt die 4. Impfung für alle ab 80 Jahren, und die USA haben die allgemeine Altersgrenze bei 50 Jahren festgelegt.
Fachleute bleiben im Hinblick auf eine Ausweitung des 2. Boosters sehr skeptisch. ?Aus immunologischer Sicht brauchen immungesunde unter 70-Jährige diese 4. Impfung nicht?, stellte Prof. Dr. Christiane Falk, Leiterin des Instituts für Transplantationsimmunologie der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, auf einem Press Briefing des Science Media Center (SMC) klar.
Aus immunologischer Sicht brauchen immungesunde unter 70-Jährige diese 4. Impfung nicht. Prof. Dr. Christiane Falk
Junge gesunde Menschen seien aus immunologischer Sicht bereits nach der 2. Impfung ausreichend gegen einen schweren Krankheitsverlauf geschützt. Die STIKO-Empfehlung stuft Falk als praktikabel ein, damit lasse sich arbeiten. Vor allem Menschen in Pflegeeinrichtungen oder Menschen mit verschiedenen zusätzlichen Grunderkrankungen kämen für eine 4. Impfung in Betracht, erklärte Falk.
Kompletter Infektionsschutz unrealistisch
Das Erreichen eines kompletten Infektionsschutzes durch mehrmaliges Aufboostern sei nicht realistisch, stellte Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin klar, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg. Man solle dieses Ziel beim Thema Boostern deshalb nicht weiterverfolgen. ?Ziel der Booster-Impfung sollte es sein, die verschiedenen Personengruppen vor schweren Infektionsverläufen zu schützen?, sagte Neumann-Haefelin.
Neutralisierende Antikörper, die nur einige Wochen nach der Infektion oder der Impfung in hohen Konzentrationen vorhanden sind, können teilweise die Infektion selbst verhindern. Das Immungedächtnis der B- und T-Zellen, das für einen langanhaltenden Schutz vor schweren Krankheitsverläufen sorgt, ist Studien zufolge bereits nach 2 Dosen auf einem hohen Niveau, eine 3. Dosis verstärkt den Schutz noch einmal.
Ziel der Booster-Impfung sollte es sein, die verschiedenen Personengruppen vor schweren Infektionsverläufen zu schützen. Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin
Während Menschen mit einer Immunschwäche deutlich mehr Impfungen in einem kürzen Abstand brauchten, um den gleichen Impfschutz zu erhalten, sind zu viele Booster-Impfungen gegen SARS-CoV-2 für junge gesunde Menschen nicht sinnvoll.
Sättigungseffekt des Immunsystems
Eine aktuelle Studie an Makaken zeigt, dass ein angepasster Omikron-Booster im Vergleich zum herkömmlichen Booster nicht zu höheren Antikörpertitern führt. Die EMA warnte schon im Januar vor zu häufig hintereinander folgenden Boostern, die möglicherweise nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen.
Wird zu früh geboostert, kann ein Sättigungseffekt eintreten, warnte Prof. Dr. Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin. ?Das wissen wir aus vielen experimentellen Arbeiten, aber auch von vielen anderen Impfungen: Man kann sich z.B. nicht im Abstand von 3, 4 Wochen zweimal gegen Tetanus impfen lassen, beim 2. Mal würde dann gar nichts passieren?, erklärte Radbruch.
Wird immer wieder das gleiche Antigen in der gleichen Dosis appliziert, fährt das Immunsystem schnell so hoch, dass das Antigen direkt abgefangen wird und erst gar nicht neu auf das Immunsystem einwirken könne. Dieser Mechanismus sei schon lange bekannt, so Radbruch.
Auswirkungen der Antigenerbsünde ? bei SARS-CoV-2 nicht beobachtet
Eine zu frühe Boosterung könne im Wettlauf zwischen der Immunantwort und dem Virus sogar ein Handicap sein, sagte Radbruch. Das spielt auf das Prinzip der Antigenerbsünde an: Ist das Immunsystem bereits einmal in Kontakt mit einem Virus gekommen, bildet es bei Kontakt mit einer neuen Virusvariante vor allem Antikörper gegen diejenigen Epitope, die bereits in dem ursprünglichen Virus vorhanden waren. Das könnte dazu führen, dass zu viele Booster den Schutz gegen verschiedene Varianten verschlechtern.
Alle Varianten, die es bisher gibt, werden abgedeckt durch ein affinitätsgereiftes Immunsystem mit einer zwei- bis dreimaligen Immunisierung. Prof. Dr. Andreas Radbruch
?Wir haben das bei SARS-CoV-2 aber eigentlich nicht beobachtet. Die Immunität ist immer extrem breit; alle Varianten, die es bisher gibt, werden abgedeckt durch ein affinitätsgereiftes Immunsystem mit einer zwei- bis dreimaligen Immunisierung?, erklärte Radbruch.
Das bestätigte auch Neumann-Haefelin und ergänzte, dass sich alle Virusmutanten, auch Omikron, zwar in den Epitopen unterschieden, die die Antikörperantwort betreffen, nicht aber in der T-Zellantwort.
Radbruch berichtete, dass der Impfschutz vermutlich über Jahrzehnte anhalten werde. Nach einer Infektion oder Impfung sei die Konzentration an Antikörpern im Knochenmark ähnlich wie die nach einer Masern- oder Tetanus-Impfung. ?Die Impfung ist schon extrem effizient. Man hat in der gleichen Größenordnung wie bei anderen Infektionskrankheiten oder Impfungen einen Schutz, der voraussichtlich auch über Jahrzehnte anhalten wird?, sagte Radbruch.
Er stellte auch klar, dass der Abfall der Antikörper nach Impfung und Infektion normal ist und keinen Anhaltspunkt dafür liefert, dass der Schutz nachlässt. ?Man darf dabei nicht Quantität mit Qualität verwechseln: Es ist nur weniger Masse da, die Klasse der verbleibenden Antikörper nimmt aber zu.?
Man hat ? einen Schutz, der voraussichtlich auch über Jahrzehnte anhalten wird. Prof. Dr. Andreas Radbruch
In der Konkurrenz um die Virusantigene ? Affinitätsreifung genannt ? entstehen Antikörper, die 10- bis 100-mal besser binden und besonders wirksam gegen das Virus schützen. Das Immunsystem arbeite da sehr nachhaltig.
Welche Patienten in welchem Abstand boostern?
Weil die Immunantwort auch altersabhängig ist, ist es bei älteren Menschen sinnvoller als bei jungen Menschen, ein wiederholtes Mal zu boostern. In diese Gruppe fallen aber auch die Menschen, deren Immunsystem nach einer 2. oder auch nach einer 3. Impfung noch nicht den gleichen Schutz aufweist, wie es bei jüngeren Gesunden der Fall ist.
Radbruch wies daraufhin, dass 4% der über 70-Jährigen Autoantikörper gegen Interferone aufwiesen. Die Auswirkungen sind groß: ?Auf einer Intensivstation sind das 20% der Patienten ? und die haben alle eine sehr schlechte Prognose?, sagte Radbruch. Gerade diese Menschen seien durch das Virus extrem gefährdet, für sie seien mehrere Impfungen sinnvoll.
Auch Menschen mit einer Immunschwäche profitieren von mehreren Impfungen, bestätigte Neumann-Haeferlin: ?Wir sehen hier die Antikörperantworten, die wir bei jungen immungesunden Personen sehen, teils erst nach der 3. oder nach der 4. Impfung.?
Während es bei jungen Gesunden besonders wichtig ist, einen ausreichenden Abstand zwischen den Impfungen zu gewährleisten, um die Affinititätsreifung nicht zu beeinträchtigen, könne diese Gruppe bereits nach 3 Monaten erneut geimpft werden.
Als ?optimalen Mindestabstand? für immungesunde Personen nannte Neumann-Haeferlin 6 Monate. ?Das gilt für alle Menschen, bei denen man mit einem ordentlichen Ansprechen rechnet.? Wahrscheinlich halte der Impfschutz deutlich länger an, deshalb werde eine häufige Boosterung in Zukunft wohl nicht notwendig sein, meint der Immunologe. Der Abstand gilt auch für medizinisches Personal, für das das RKI ebenfalls einen 2. Impfbooster empfiehlt.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4911100?uac=389796AZ&faf=1&sso=true&impID=4198102&src=WNL_mdplsfeat_220428_mscpedit_de#vp_3
Je mehr Booster, desto besser? Daten aus Israel zeigen, dass bei älteren Menschen nach einer 4. Dosis der Immunschutz noch einmal verstärkt wird. Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hatte unlängst für einen 2. Booster ab 18 Jahren plädiert und auf eine EU-weite Empfehlung gedrängt. Durchsetzen konnte er sich damit bislang nicht: Nach wie vor empfiehlt die STIKO den 2. Booster nur für Menschen ab 70 Jahren, die EMA empfiehlt die 4. Impfung für alle ab 80 Jahren, und die USA haben die allgemeine Altersgrenze bei 50 Jahren festgelegt.
Fachleute bleiben im Hinblick auf eine Ausweitung des 2. Boosters sehr skeptisch. ?Aus immunologischer Sicht brauchen immungesunde unter 70-Jährige diese 4. Impfung nicht?, stellte Prof. Dr. Christiane Falk, Leiterin des Instituts für Transplantationsimmunologie der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, auf einem Press Briefing des Science Media Center (SMC) klar.
Aus immunologischer Sicht brauchen immungesunde unter 70-Jährige diese 4. Impfung nicht. Prof. Dr. Christiane Falk
Junge gesunde Menschen seien aus immunologischer Sicht bereits nach der 2. Impfung ausreichend gegen einen schweren Krankheitsverlauf geschützt. Die STIKO-Empfehlung stuft Falk als praktikabel ein, damit lasse sich arbeiten. Vor allem Menschen in Pflegeeinrichtungen oder Menschen mit verschiedenen zusätzlichen Grunderkrankungen kämen für eine 4. Impfung in Betracht, erklärte Falk.
Kompletter Infektionsschutz unrealistisch
Das Erreichen eines kompletten Infektionsschutzes durch mehrmaliges Aufboostern sei nicht realistisch, stellte Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin klar, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Virusimmunologie an der Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg. Man solle dieses Ziel beim Thema Boostern deshalb nicht weiterverfolgen. ?Ziel der Booster-Impfung sollte es sein, die verschiedenen Personengruppen vor schweren Infektionsverläufen zu schützen?, sagte Neumann-Haefelin.
Neutralisierende Antikörper, die nur einige Wochen nach der Infektion oder der Impfung in hohen Konzentrationen vorhanden sind, können teilweise die Infektion selbst verhindern. Das Immungedächtnis der B- und T-Zellen, das für einen langanhaltenden Schutz vor schweren Krankheitsverläufen sorgt, ist Studien zufolge bereits nach 2 Dosen auf einem hohen Niveau, eine 3. Dosis verstärkt den Schutz noch einmal.
Ziel der Booster-Impfung sollte es sein, die verschiedenen Personengruppen vor schweren Infektionsverläufen zu schützen. Prof. Dr. Christoph Neumann-Haefelin
Während Menschen mit einer Immunschwäche deutlich mehr Impfungen in einem kürzen Abstand brauchten, um den gleichen Impfschutz zu erhalten, sind zu viele Booster-Impfungen gegen SARS-CoV-2 für junge gesunde Menschen nicht sinnvoll.
Sättigungseffekt des Immunsystems
Eine aktuelle Studie an Makaken zeigt, dass ein angepasster Omikron-Booster im Vergleich zum herkömmlichen Booster nicht zu höheren Antikörpertitern führt. Die EMA warnte schon im Januar vor zu häufig hintereinander folgenden Boostern, die möglicherweise nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen.
Wird zu früh geboostert, kann ein Sättigungseffekt eintreten, warnte Prof. Dr. Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin. ?Das wissen wir aus vielen experimentellen Arbeiten, aber auch von vielen anderen Impfungen: Man kann sich z.B. nicht im Abstand von 3, 4 Wochen zweimal gegen Tetanus impfen lassen, beim 2. Mal würde dann gar nichts passieren?, erklärte Radbruch.
Wird immer wieder das gleiche Antigen in der gleichen Dosis appliziert, fährt das Immunsystem schnell so hoch, dass das Antigen direkt abgefangen wird und erst gar nicht neu auf das Immunsystem einwirken könne. Dieser Mechanismus sei schon lange bekannt, so Radbruch.
Auswirkungen der Antigenerbsünde ? bei SARS-CoV-2 nicht beobachtet
Eine zu frühe Boosterung könne im Wettlauf zwischen der Immunantwort und dem Virus sogar ein Handicap sein, sagte Radbruch. Das spielt auf das Prinzip der Antigenerbsünde an: Ist das Immunsystem bereits einmal in Kontakt mit einem Virus gekommen, bildet es bei Kontakt mit einer neuen Virusvariante vor allem Antikörper gegen diejenigen Epitope, die bereits in dem ursprünglichen Virus vorhanden waren. Das könnte dazu führen, dass zu viele Booster den Schutz gegen verschiedene Varianten verschlechtern.
Alle Varianten, die es bisher gibt, werden abgedeckt durch ein affinitätsgereiftes Immunsystem mit einer zwei- bis dreimaligen Immunisierung. Prof. Dr. Andreas Radbruch
?Wir haben das bei SARS-CoV-2 aber eigentlich nicht beobachtet. Die Immunität ist immer extrem breit; alle Varianten, die es bisher gibt, werden abgedeckt durch ein affinitätsgereiftes Immunsystem mit einer zwei- bis dreimaligen Immunisierung?, erklärte Radbruch.
Das bestätigte auch Neumann-Haefelin und ergänzte, dass sich alle Virusmutanten, auch Omikron, zwar in den Epitopen unterschieden, die die Antikörperantwort betreffen, nicht aber in der T-Zellantwort.
Radbruch berichtete, dass der Impfschutz vermutlich über Jahrzehnte anhalten werde. Nach einer Infektion oder Impfung sei die Konzentration an Antikörpern im Knochenmark ähnlich wie die nach einer Masern- oder Tetanus-Impfung. ?Die Impfung ist schon extrem effizient. Man hat in der gleichen Größenordnung wie bei anderen Infektionskrankheiten oder Impfungen einen Schutz, der voraussichtlich auch über Jahrzehnte anhalten wird?, sagte Radbruch.
Er stellte auch klar, dass der Abfall der Antikörper nach Impfung und Infektion normal ist und keinen Anhaltspunkt dafür liefert, dass der Schutz nachlässt. ?Man darf dabei nicht Quantität mit Qualität verwechseln: Es ist nur weniger Masse da, die Klasse der verbleibenden Antikörper nimmt aber zu.?
Man hat ? einen Schutz, der voraussichtlich auch über Jahrzehnte anhalten wird. Prof. Dr. Andreas Radbruch
In der Konkurrenz um die Virusantigene ? Affinitätsreifung genannt ? entstehen Antikörper, die 10- bis 100-mal besser binden und besonders wirksam gegen das Virus schützen. Das Immunsystem arbeite da sehr nachhaltig.
Welche Patienten in welchem Abstand boostern?
Weil die Immunantwort auch altersabhängig ist, ist es bei älteren Menschen sinnvoller als bei jungen Menschen, ein wiederholtes Mal zu boostern. In diese Gruppe fallen aber auch die Menschen, deren Immunsystem nach einer 2. oder auch nach einer 3. Impfung noch nicht den gleichen Schutz aufweist, wie es bei jüngeren Gesunden der Fall ist.
Radbruch wies daraufhin, dass 4% der über 70-Jährigen Autoantikörper gegen Interferone aufwiesen. Die Auswirkungen sind groß: ?Auf einer Intensivstation sind das 20% der Patienten ? und die haben alle eine sehr schlechte Prognose?, sagte Radbruch. Gerade diese Menschen seien durch das Virus extrem gefährdet, für sie seien mehrere Impfungen sinnvoll.
Auch Menschen mit einer Immunschwäche profitieren von mehreren Impfungen, bestätigte Neumann-Haeferlin: ?Wir sehen hier die Antikörperantworten, die wir bei jungen immungesunden Personen sehen, teils erst nach der 3. oder nach der 4. Impfung.?
Während es bei jungen Gesunden besonders wichtig ist, einen ausreichenden Abstand zwischen den Impfungen zu gewährleisten, um die Affinititätsreifung nicht zu beeinträchtigen, könne diese Gruppe bereits nach 3 Monaten erneut geimpft werden.
Als ?optimalen Mindestabstand? für immungesunde Personen nannte Neumann-Haeferlin 6 Monate. ?Das gilt für alle Menschen, bei denen man mit einem ordentlichen Ansprechen rechnet.? Wahrscheinlich halte der Impfschutz deutlich länger an, deshalb werde eine häufige Boosterung in Zukunft wohl nicht notwendig sein, meint der Immunologe. Der Abstand gilt auch für medizinisches Personal, für das das RKI ebenfalls einen 2. Impfbooster empfiehlt.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4911100?uac=389796AZ&faf=1&sso=true&impID=4198102&src=WNL_mdplsfeat_220428_mscpedit_de#vp_3
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