Freitag, 13. Januar 2006
Du bist Rebell ohne Markt
Du hast in den späten 80ern und frühen 90ern Wirtschaftsinformatik, Grafikdesign oder IT-Kaufmann studiert. Du empfandest die 68er-Ästhetik und deren Dominanz in Feuilletons und Szeneblättern ätzend und meintest, dagegen zu rebellieren, indem Du Dir den Versace-Dolce-Gucci-Daniel-Hechter-Calvin-Klein-Look zulegtest und der Meinung warst, der Anblick von Rucksackträgern und Turnschuhmenschen sei unerträglich. Du wolltest Chef werden, und Deine Vorstellung von der Arbeit eines Chefs war es, mit der Moet & Chandon-Flasche und dem Humidor auf dem Schreibtisch VCs das Blaue vom Himmel zu erzählen und dafür bezahlt zu werden. Sehr gut bezahlt. Reich. Du bist auf den harten Duschraumfliesen der Realität aufgeprallt. Dotcomtod hat die Verlogenheit Deiner ganzen Branche öffentlich gemacht. Die Sentinels, die kritische Öffentlichkeit hergestellt haben, als die Wirtschaftspresse, deren Aufgabe es gewesen wäre, über die Hintergründe des Niedergangs der New Economy zu berichten, jämmerlich versagte, sind für Dich bösartige Zerstörer. Du verstehst nicht, dass Du Dich selbst zerstört hast und siehst die Bericherstatter als Ursache des Übels. Du stellst öffentlich Mutmaßungen über die Identität der Sentinels, über die diese schenkelklopfend lachen. Du nennst Don und seine engeren Kommentatoren auf rebellmarkt die Rebellen ohne Markt, weil Du zu dämlich bist, das Grußwort und das Manifesto zu lesen und zu checken, dass die Rebellen ohne Markt diejenigen sind, über die Don und Freunde sich lustig machen.

Du hast es geschafft: Vom Fast-Millionär zum Tellerwäscher.
Du bist die ökonomische Hoffnung der 90er Jahre, 2000 und nochwas redux.

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Donnerstag, 12. Januar 2006
Du bist Neoconnerd
Du hast zu Hypezeiten BWL, Marketing oder Wirtschaftsinformatik studiert und geglaubt, dass sich damit das große Geld machen ließe. Nach dem Studium wartete nur die Stütze auf Dich. Du nennst Dich liberal und vertrittst Ansichten der US-amerikanischen Rechten, die den Begriff "liberal" als Schimpfwort gebraucht. Du bist genauso ein Modernisierungsverlierer wie die Stiefelnazis, hast aber nicht den Mumm, das offen zu zeigen.
Du pflegst einen Philosemitismus, der nur ein umgedrehter Antisemitismus ist, der sich gegen den Islam richtet, und wunderst Dich, dass kaum ein Jude etwas mit Dir zu tun haben will.
Du bist ein Stück armes Deutschland.

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Unser täglich Teuerung gib uns heute
Microsoft sorgt mal wieder dazu, dass der User, in diesem Fall der Firmenkunde, so richtig Geld ausgeben muss http://www.testticker.de/it/strategie/article20060110024.aspx. Leute wie netbitch, die vom Verkauf der Systeme leben, dürfte es freuen, für die große Masse der Kunden bedeutet es einen Riesenärger.

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Mittwoch, 11. Januar 2006
Radio für alle
Der Konsument als Produzent, das war einmal die Parole von uns Adorno-geschulten PUKs, die wir mit Reality-Hörspielen und Piratensendern glaubten, libertär gegen die Medienindustrie anstinken zu können, eine Art Same des späteren Bürgerfunks. Jetzt aber, so man der Gerüchteküche glauben mag, soll Apple in der Lage sein, die alte Utopie mit technischen Mitteln zu verwirklichen. Es wäre das Ende des Radios, wie wir es kennen. Nicht, dass ich so etwas gleich glaube, wahrscheinlich reines Rumgehype zum Platzieren eines neuen Produkts, aber eine interessante Idee allemal, von den anders denkenden Apfelköpfen.

http://news.com.com/iPod+to+get+built-in+iTrip/2100-1041_3-6025543.html

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Montag, 9. Januar 2006
Schweizer Geheimdienst: CIA-Gefängnisse existieren
Eine aktuelle AFP-Meldung legt nahe, dass die CIA seit Langem in mehreren europäischen Ländern geheime Gefängnisse betreibt.

"Die Wochenzeitung "SonntagsBlick" druckte ein Fax des ägyptischen Außenministers Ahmed Abu Gheit ab, in dem von Gefangenen-Verhören der USA in mehreren osteuropäischen Ländern die Rede ist. Der Kommandeur eines rumänischen Militärstützpunktes, auf dem sich angeblich ein Gefängnis des US-Geheimdienstes CIA befindet, wies den Bericht kategorisch zurück.

Das an die ägyptische Botschaft in London gesendete Dokument soll laut "SonntagsBlick" von Spezialisten des Schweizer Geheimdienstes abgefangen worden sein. In dem Schreiben heißt es dem Bericht zufolge unter anderem, 23 irakische und afghanische Gefangene seien auf dem rumänischen Militärstützpunkt Mihail Kogalniceanu am Schwarzen Meer verhört worden. Ähnliche Verhöre hätten auch in der Ukraine, im Kosovo, in Mazedonien und in Bulgarien stattgefunden. Der ägyptische Geheimdienst habe dabei nicht öffentlich zugängliche Quellen wie Zeitungen, sondern eigene Quellen ausgewertet. Erkenntnisse ägyptischer Geheimdienste würden generell als "hochprofessionell" eingestuft, berichtet das Blatt unter Berufung auf nicht namentlich genannte Experten.

Das Schweizer Verteidigungsministerium wollte sich zum Inhalt des Berichts nicht äußern. Das Papier sei als geheim eingestuft worden, hieß es auf der Internet-Seite des Ministeriums zur Begründung. Das Ministerium kündigte Ermittlungen zu der Frage an, wie die Informationen an die Öffentlichkeit gelangen konnten.

Der Kommandeur des rumänischen Militärstützpunkts Mihail Kogalniceanu, Dan Buciuman, sagte der AFP, er arbeite seit 1995 dort und habe nie etwas Derartiges bemerkt. Der Stützpunkt stehe jedem offen, der dort ermitteln wolle, betonte Buciuman. Die Militärbasis wird bereits seit dem Irak-Krieg von den USA genutzt.

Bisher hatten nur Menschenrechtsorganisationen und Medien über die Existenz von geheimen Gefängnissen der CIA in Osteuropa berichtet. Laut dem US-Nachrichtensender ABC hat der US-Geheimdienst Ende vergangenen Jahres kurz vor dem Europa-Besuch von US-Außenministerin Condoleezza Rice die Häftlinge von Osteuropa nach Nordafrika verlegt. Staatliche Stellen hatten die Existenz von Geheimgefängnissen bisher stets abgestritten."

© AFP

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Sonntag, 8. Januar 2006
Musketiere
Ständig muss ich mir im Radio Werbung für das Musical "Die drei Musketiere" anhören und wie romantisch das alles sei. Sicher, Alexandre Dumas war ja schließlich ein Vertreter der französischen Romantik. Ich hingegen bin eher ein Freund des wahrheitsnahen historischen Romans, wenn schon Romantik, dann gleich Fiction oder Fantasy, aber keine Geschichtsfälschung. Oder gab es etwa den romantischen Dreißigjährigen Krieg??

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Die Zeitmaschine
Zwei populäre Wissenschaftsmagazine haben sich in letzter Zeit mit der von einigen Quantenphysikern für möglich gehaltenen Frage einer Zeitmaschine auf Basis von interferierenden Ringlasern beschäftigt, nämlich PM und Bild der Wissenschaft. PM, irgendwo ein klein wenig immer noch in der Tradition des an sensationellen Themen interssierten Naturwissenschaftsblatts für große Jungen, kommt erwartungsgemäß zu dem Schluss, dass dies wahrscheinlich möglich wäre, B d W, ebenso ein klein wenig noch in der Tradition des etwas konservativ ausgerichteten Wissenschaftsmagazins, das es in den 70ern eindeutig war, verneint diese Frage ebenso erwartungsgemäß, hält aber noch einige Schlupflöcher offen. Hauptargument für die skeptische Perspektive ist die Annahme, dass Zeitparadoxone unmöglich seien, und es wird das Standardargument angeführt, es sei unmöglich, dass jemand den eigenen Vater vor der eigenen Zeugung tötet, und deshalb seien Zeitreisen entweder unmöglich, oder es gäbe ein Naturgesetz, dass die Entstehung von Zeitparadoxonen verbiete. Nimmt man letztere Position ernst, müsste man ein moralischs Universum annehmen, und alles, was wir wissen, sagt uns, dass es das sicher nicht gibt. Ich persönlich hielte es ja fiür viel wahrscheinlicher, dass sich bei jedem Zeitparadoxon ein zweites, paralleles Universum abspaltet und es also unzählige parallel existierende Daseinsebenen gibt. Mich wundert und nervt auch die fantasielose, stereotype Wiederholung immer gleicher Paradoxa-Muster wg. die eigene Geburt verhindern. Viel interessanter wäre doch ein ganz anders Zeitparadoxon: Man reist in die Vergangenheit und baut Rohstoffe ab, die wir heute bereits ausgebeutet haben, zu einem Zeitpunkt, bevor wir mit ihrer Ausbeute begonnen hatten. Erstens erkennt man am Resultat ganz schnell, ob das funktioniert oder nicht - beim Paralleluniversum-Modell könnte es klappen, weil das eigene Universum zu einem anderen wird und also eine neue Vergangenheit entsteht - und zum Anderen wäre das ein gutes Modell, um geldgierige Investoren und leichtgläubige Politiker dafür zu gewinnen, in die Zeitreiseforschung Geld zu pumpen und einen interessanten neuen Hype anzuheizen. Wenn man denn so weit ist, sollte man die Zeitmaschine allerdings besser auf die Grundfesten der Wirklichkeit weniger massiv angreifende Weise kommerziell nutzen, z.B. im Mesozoikum Actionfilme mit Dinosauriern drehen.

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Samstag, 7. Januar 2006
Zur Lage in Israel/Palästina
Ob er nun überlebt oder nicht, mit dem Ausscheiden Sharons aus der Politik und dem Anheizen von Unruhen in Gaza durch Hamas werden die Chancen auf Frieden in Nahost mal wieder geringer. Die nächsten Wahlen dürften das Gewicht zugunsten von Hamas verschieben. Schade eigentlich, denn Äußerungen des Spitzenkandidaten der DFLP (Demokratische Front für die Befreiung Palästinas) in einem Interview mit dem ASTA der TU Hannover lassen erkennen, dass es im palästinensischen Lager auch ganz andere Kräfte gibt, als diejenigen, die gerade besonders wirkungsmächtig sind. Hier Auszüge:

Wie sieht für Tysir Khaled der ideale palästinensische Staat aus ?

„Das ist ein laizistischer Staat, mit einer fortschrittlichen sozialen Gesetzgebung, in dem die Trennung von Politik und Religion klar und deutlich ist. Damit wir uns richtig verstehen: Ich will nicht, dass der palästinensische Staat auf einem theokratischen Regime beruht.“

Deshalb lehnen Sie jede Beziehung zur Hamas ab ?

„Zusammen mit der Hamas befinden wir uns in den Volkskomitees der Intifada. Wir sind Teil desselben Widerstandes gegen die zionistische Besatzung, aber in Bezug auf die Politik, den Staat, die individuellen und kollektiven Rechte, die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Politik sind unsere Positionen einander diametral entgegengesetzt.“

Welche interne Plage würden Sie sofort beseitigen ?

„Das ist die Plage der Korruption. Ein Übel, das sich auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung Palästinas einnistet. Dazu hätte ich von Abu Mazen klare Worte und präzise Verpflichtungen hören wollen. Dem war nicht so und das beunruhigt mich etwas.“

Tysir Khaled und Naif Hawatmeh standen immer für eine Zwei Nationen - zwei Staaten-Lösung, auch zu Zeiten, als der Restr der Palästinenser sich darin einig war, die Juden ins Meer treiben zu wollen. Die linkssozialistische DFLP hattte das Zustandekommen des Abkommens von Oslo durch ihre jahrelangen Kontakte zur israelischen Linken erst ermöglicht. Gedankt hat es ihr niemand.

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Freitag, 6. Januar 2006
Es herrscht Frieden im Land
Während der Islamismus als schwerste Bedrohung des Inneren Friedens auch in Deutschland betrachret wird, obwohl der islamische Terrorismus im Land selber bisher nicht spektakulär in Erscheinung getreten ist, gerät eine andere Gefahrenquelle mehr und mehr aus dem Focus der öffentlichen Wahrnehmung. Die Rede ist von der deutschesten aller Bedrohungen:

186 ANTISEMITISCHE STRAFTATEN UND KEIN HAFTBEFEHL IM DRITTEN QUARTAL 2005

Berlin: Im dritten Quartal 2005 wurden insgesamt 186 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet, die dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" zugeordnet wurden. In den Angaben sind 10 Gewalttaten und 36 Propagandadelikte enthalten.
Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (16/168) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/103). Laut Aufstellung wurden insgesamt 106 Tatverdächtigte ermittelt und 12 Personen vorläufig festgenommen.
Ein Haftbefehl wurde in keinem Fall erlassen, heißt es weiter. Die Zahl der geschädigten Personen wird mit sechs angegeben, über Art und Umfang dieser Schäden liegen der Bundesregierung aber keine Angaben vor.

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Mittwoch, 4. Januar 2006
Susanne Osthoff nimmt Stellung
Manchmal bringt ja auch der Stern Online sinnvolle Sachen. "Ich wollte mich eigentlich nur bedanken, und jetzt bin ich der Buhmann. Ich glaube, die Deutschen hassen mich.Keiner steht an meiner Seite, alle versuchen, mich als arme Irre darzustellen, die zwischen Bomben und Minen planlos durch den Irak hüpft." - diese Äußerungen spiegeln wieder, welche Auswirkungen eine informelle Medienkampagne hatte
http://rebellmarkt.blogger.de/stories/363979/#364391, http://bz.berlin1.de/aktuell/news/051230/osthoff.html,

gewürzt durch eine eigentümliche Mischung aus Hochhalten der Werte "Familie" und "Christliches Abendland" mit Zynismus http://www.bild.t-online.de/BTO/news/2005/12/28/wagner/wagner.html.

Während also deutsche Hinrichtenkanäle für freies Hinterland für Grabraubprofiteure sorgen, denn längst ist das Thema komplett personalisiert und entpolitisiert, räumt Susanne Osthoff mit einigen Fehlinformationen auf, die sich auf ihre Person beziehen, z.B. mit der Behauptung, sie wolle zurück in den Irak. Tja, da wurde schon in aller Öffentlichkeit diskutiert, exklusiv für Frau Osthoff ein Bürgerrecht aufzuheben, das sie in der behaupteten Form gar nicht wahrnehmen will. Noch nicht mal mit der Rabenmutter kann man den Bild-Lesern dienen, watten Pech aber auch...

http://www.stern.de/presse/vorab/:Susanne-Osthoff-Ich-Irre/552468.html

FAZ zum gleichen Thema:

"Präsentation eines pathologischen Falles

Frau Slomka erläuterte, nach welchen Kriterien die Redaktion das Rohmaterial sendefertig gemacht hat. Frau Osthoff habe „das Bedürfnis” gehabt, „eine Vielzahl von Themen anzusprechen, bei denen man ihr inhaltlich nur folgen kann, wenn man über ein großes Hintergrundwissen verfügt”. Man habe sich daher „entschlossen, dieses Gespräch zu bearbeiten und hier im ,heute-journal' nur jene Passagen zu senden, die für deutsche Fernsehzuschauer inhaltlich nachvollziehbar und auch von öffentlichem Interesse sind”.

Nun ist es Alltag, ein Interviewband zu bearbeiten, das heißt zu kürzen, zumal um Versprecher oder Momente der Sprachlosigkeit, wie sie den vor Kameras ungeübten Menschen heimsuchen, auch wenn er nicht gerade aus drei Wochen Todesangst erlöst worden ist. Indem das ZDF die Selbstverständlichkeit herausstellte, weckte es den Verdacht, das nicht gezeigte Material müsse wohl für das Bild Frau Osthoffs noch ungünstiger sein, als was man sehen und hören durfte.

Vom ersten Wort an präsentierte Frau Slomka einen pathologischen Fall: „Psychisch” stehe Frau Osthoff „unter großer Anspannung”, auch der „öffentliche Wirbel” habe „tiefe Spuren” hinterlassen. Wollte das ZDF den Wirbel eindämmen? Der Sprecher des Senders gab an, man habe „das Gefühl” gehabt, „daß wir Frau Osthoff vor sich selbst schützen mußten”.

Kritik an der deutschen Botschaft unterschlagen

Auch Frau Slomka gab ihr ungutes Gefühl zu erkennen. Aber nicht Mitleid, sondern das Selbstmitleid des um das Interview des Jahres betrogenen Profis sprach aus ihren Worten, „in der konkreten Gesprächssituation” sei es „nicht ganz leicht” gewesen, „Zugang zu Frau Osthoff zu finden”. Den Zugang hatten die arabischen Kollegen geschaffen, in deren Studio Frau Osthoff sich befragen ließ. Frau Slomkas Aufgabe wäre gewesen, Antworten zu erwirken.

Das Bild der bis auf einen Sehschlitz verschleierten Deutschen mußte den Eindruck bestimmen, den Frau Osthoffs Botschaften an die ungeliebte, im bayerischen Akzent freilich überdeutlich nachklingende Heimat machten. Die „heute”-Redaktion hat mit ihren Strichen alles getan, um diesen Eindruck zu verstärken.

Das Ergebnis, die vom ZDF bearbeitete Susanne Osthoff, in der Zusammenfassung der „Bild”-Zeitung: „Redete wirres Zeug, ohne Zusammenhang, reagierte kaum auf die Fragen.” Der Wortlaut widerlegt die stillschweigend zur Stützung der Diagnose der Verwirrtheit geäußerte Behauptung, Frau Osthoff habe viele Themen angesprochen. Ein Thema dominiert, von dem das ZDF jede Spur getilgt hat: Frau Osthoffs Kritik an ihrer Behandlung durch die deutsche Botschaft vor der Entführung.

Keine Vorbereitung, keine Nachfragen

Daß sie aufgefordert worden sein soll, ihr Jahresbudget bis Ende Januar des Folgejahres auszugeben, daß man ihr gesagt habe: „Frau Osthoff, wir brauchen hier keinen Arabisten, wir brauchen hier eine Abrechnungsstelle” - wer, der mit deutschen Bürokraten zu tun hatte, könnte das nicht nachvollziehen? Was triftig erscheint an diesen Vorwürfen, das zu ermitteln wäre ja wohl die Arbeit der Nachrichtenredaktion einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, die im Zweifelsfall mitteilen könnte, das Auswärtige Amt verweigere eine Stellungnahme, man werde auf die Sache zurückkommen.

Marietta Slomka, Inbild der Smartness unter den moderierenden und ach so gefährlichen Frauen, blieb die simpelste Nachfrage schuldig. Natürlich wurde Frau Osthoffs schnippische Rüge herausgeschnitten, Frau Slomka hätte sich wenigstens durch Anhören des Interviews mit Al Dschazira vorbereiten können.

Medienkritik als Zeichen eines verwirrten Geistes

Just zu dem Zeitpunkt, da in der deutschen Presse, auch in dieser Zeitung, Zweifel an der Seriosität von Susanne Osthoffs archäologischem und humanitärem Engagement artikuliert wurden, verweigerten ihr die Therapeuten vom ZDF die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Man ließ ihr den Appell, die Deutschen sollten sich einmal „Gedanken über den Hintergrund machen, daß sie nicht weit von dem Ganzen entfernt sind”.

Es klingt wie eine Weltverschwörungstheorie, wenn sie anfügt: „Irak ist auch bei uns, ich habe ja erwähnt warum”, aber dieses vorher Erwähnte ist der Bearbeitung zum Opfer gefallen - die hohe Zahl irakischer Emigranten in Deutschland. „Die Leute schauen ja viel Fernsehen”, denen muß man nicht groß erklären, wie eine Entführung abläuft. Diese sarkastische Medienkritik zieht sich durch das Interview und dürfte den ZDF-Bearbeitern als untrügliches Zeichen eines verwirrten Geistes erschienen sein. Das verstörende Zeichen der Vermummung deutet sich von selbst: Susanne Osthoff wußte vorher, daß sie im deutschen Fernsehen nur bloßgestellt werden konnte."

F.A.Z., 30.12.2005, Nr. 304 / Seite 31

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Dienstag, 3. Januar 2006
Niedersächsischer Innenminister mit fesselnden neuen Ideen
Niedersachsens Innenminister Schünemann verhebt sich, so scheint´s, gerade an präventiven Zwangsmaßnahmen. Aus einer Pressemitteilung der niedersächsischen PDS-Die Linke:

Innenminister Schünemanns Gewaltphantasien stoppen!

Pünktlich "zum Fest der Liebe" startete der christlich-demokratisch
firmierende nds.Innenminister Schünemann seine Aktion "Elektronische
Fußfesseln für gewaltbereite und hasspredigende Asylbewerber".

Diese Schünemann-Aktion stellt einen massiven Angriff auf die
Menschenrechte und die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit dar, wie sie
in jüngster Zeit nur aus dem Hause des G.W.Bush bekannt wurden.

Bisher galt als rechtsstaatlicher Grundsatz, der Staat darf die Freiheit
eines Menschen nur einschränken nach einem ordentlichen
Gerichtsverfahren zu einem konkreten Gesetzesverstoß oder vorübergehend
zur Abwendung einer nachweislich unmittelbaren Gefahr durch einen
Tatverdächtigen, per Haftrichterbeschluss.

Im krassen Gegensatz dazu will Innenminister Schünemann die Freiheit
von Menschen beschränken, denen kein Gesetzesverstoß vorgeworfen werden
kann,
sondern von denen Regierungsbehörden behaupten, sie könnten Straftaten
begehen.
Solches "Recht" der Regierung gab es in Deutschland unter dem
Nazi-Regime, wo
"Regimegegner" in "Schutzhaft" genommen wurden.
Tatsächlich ist Innenminister Schünemann auch schon im Bundesrat mit
solch
einer Gesetzesinitiative zur "Schutzhaft" gescheitert!

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Sonntag, 1. Januar 2006
Merkels Neujahrsansprache
Bei Bundesangies Neujahrsansprache stach mir ins Ohr, dass sie die Verantwortung, die der Staat für in Not geratene Bürger übernimmt, am Fall Chrobog exemplifizierte. Osthoff wurde nicht genannt. Geht die Ausgrenzung und Verächtlichmachung von Susanne Osthoff schon so weit, dass die Bundeskanzlerin da mitmacht? Sehr bedenklich, wenn die öffentlich in Erwägung gezogene Aufhebung der Freizügigkeit (immerhin ein Bürgerrecht) für Susanne Osthoff daneben gesehen wird. Können demnächst politisch unliebsame Bürger an der Ausreise in bestimmte Länder gehindert werden?

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Samstag, 31. Dezember 2005
Wie hip ist eigentlich Al Kaida?
Die Frage, die sich zugegeben anhört wie aus der "Titanic", ist durchaus ernst gemeint. Beim Girl hatten wir vor geraumer Zeit eine sehr anspruchsvolle und facettenreiche Diskussion zum Thema "Hipness und politische Gesinnung", die über das, was etwa bei Wikipedia zu solchen Themen zu lesen ist oder was ein Diedrich Diederichsen darüber zu sagen hat weit hinausgeht, andererseits an einigen Stellen mehr über die Diskutanten als über den Diskussionsgegenstand aussagte. http://girl.twoday.net/stories/1246705/#comments

Während sich die Frage nach dem Soundtrack oder der Mode der Neocons nicht eindeutig beantworten lässt (was durchaus interessant ist, sind doch, wenn sie nicht als Solitäre agieren, sondern zur einschlägigen Szene gehören, Linksradikale, Ökopazifisten, Feministinnen, engagierte Schwule oder Stiefelnazis sehr eindeutig an den Klamotten erkennbar und haben in der Regel auch bestimmte szenespezifische Vorlieben und Abneigungen im Musikgeschmack), so fällt etwas Anderes ins Auge: Bin Laden und Konsorten beherrschen den Gebrauch der Popkultur perfekt. Die Anschlagsvideos waren professionell inszeniert und haben mit der MTV-Clipkultur mehr zu tun als etwa mit den Bekennerschreiben der RAF, deren Credo die Unverständlichkeit für Nicht-Antiimperialisten war.
Das ist insofern bemerkenswert, als dass Bin Laden & Co einer Richtung des Islam anhänge, in der eigentlich das totale Bilderverbot gilt. Die Taliban hatten alle Kinos in Afghanistan geschlossen, und legt man das Bilderverbot streng aus, dürften nicht einmal Pflanzen gezeichnet werden. Mit suggestiven, perfekt inszenierten Bildern für eine Gesellschaft des totalen Bilderverbots?

Osamas Mannen verstehen sich nicht nur auf Inszenierung mit Mitteln der Popkultur, sie zeichneten sich zumindest in der Vergangenheit, wenn sie sich im Westen bewegten, auch durch besondere Modebewusstheit aus, was ihnen den Spitznamen Gucci-Guerrilla einbrachte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich Modebanause habe von der Eistenz der Marke Gucci erst durch die Berichterstattung über Al Kaida erfahren. Neben der Weltläufigkeit und Medienkompetenz der Terroristen sticht aber noch etwas ganz anderes ins Auge:In manchen islamischen Ländern ist es für männliche Jugendliche der dernier crie, in Usama- oder Djihad-T-Shirts rumzulaufen, und das hängt keineswegs unbedingt mit Bekenntnis zum Islamismus zusammen, sondern ist häufig ein frapper les bourgeois, ähnlich, wie hierzulande ein T-Shirt mit DDR Wappen und Schriftzug "Ministerium für Staatssicherheit" nicht unbedingt ein politisches Bekenntnis beinhaltet, sondern häufig nur den Wunsch, der Coolste in der Disco zu sein, political incorrect halt. Dies spielt sich allerdings ab vor einer sehr komplexen Matrix der Symbole zwischen Orient und Okzident.

http://www.g26.ch/marokko_news_0407.html

Zusammengefasst: Bedeutet Al Kaida nicht nur eine neue, erschreckende und menschenverachtende Qualität des Terrors, sondern auch "Islamismus meets Popkultur"? Es will so scheinen.

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Mittwoch, 28. Dezember 2005
Der Ursprung der New Economy
Ein Main Topic auf Rebellen ohne Markt ist ja Dons These, dass die Popkultur der Popper und Yuppies einerseits eine Rebellion gegen die kulturelle Dominanz der 68er, andererseits ästhetische Matrix für die PR-Schlachten der New Economy war. Ein sehr lesenswertes Buch legt nahe, dass bereits die 68er die New Economy erfunden haben, nämlich in Form der Popindustrie. Das sehr lesenswerte Buch "Das Geschäftsjahr 1968/69" von Bernd Cailloux schildert eine der uns bekannten NE extrem parallele Entwicklung, bei der die Erfinder des Disco-Stroboskops im Mittelpunkt stehen. Eigentlich müsste man nur ein paar Details austauschen, um die Geschichte eines Startups aus dem Jahr 2000 zu erzählen. Natürlich klappt das auch Retro: Man ersetze Koks, Exstasy und Speed durch Opium, Haschisch und Captagon, den TT durch einen Citroen Pallas, Aids durch Hepatitis und Internetmilliardäre durch Immobilienhaie. Ansonsten - alles dasselbe!

http://www.netzeitung.de/buecher/belletristik/370956.html

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Zum Gipfel nochmal
Da traf sich also die politische Elite dieser Welt in Hongkong, um neue Terms of Trade auszuhandeln. Für die Mehrheit der Weltbevölkerung ist ein WTO- oder IWF-Gipfel wie ein Ball in Draculas Turm. Kurz waren Fernsehbilder zu sehen, die zeigten, wie Demonstranten in maßloser Wut mit meterlangen Zaunlatten auf Hongkonger Polizeibeamte einprügelten, jedoch wurde über den Hintergrund nicht berichtet. Nicht etwa linksradikale Studenten waren das, sondern südkoreanische Bauern, denen mit der geplanten Öffnung des südkoreanischen Marktes für chinesische Agrarprodukte gerade die Existenzgrundlage wegverhandelt wurde. Anders als in Deutschland, wo außer den Zucker-Protesten deutscher Landwirte die Thematik keine größere Öffentlichkeit erreichte, war der Gipfel in Südkorea Thema vielfältiger und spektakulär vorgetragener Proteste, bis hin zu einem Bauern und Dorfbürgermeister (Chung Yong-Bum), der öffentlich seine eigenen Insektizide trank und damit aus Protest
gegen die Liberalisierung der Agrarmärkte seinem Leben ein Ende setzte.

Neben diesem Thema, das uns nach solchen Errungenschaften wie der Abfischung spanischer Küsten durch japanische Thunfabrikschiffe, die ihren Fang nach Japan transportieren, wo die spanischen Fischereikonzerne auf der Tokyoter Fischbörse dann Thunfisch für die spanische Gastronomie einkaufen können, während in uralten Thunfischerdörfern wie Zahara des los Athunes die arbeitslosen Fischer aufs Meer hinausstarren, künftig noch weit mehr Wahnsinn bescheren dürfte, den die EU zum Schutz der europäischen Bauern wahrscheinlich wieder durch ein neuerliches bizarres Subventionskarrussel konterkarieren wird, neben diesem handfesten Wahnsinn also, dem eine Regionalisierung der Märkte unter der Vorgabe der Nachhaltigkeit vorzuziehen wäre, erwartet uns eine von der westlichen Öffentlichkeit fast unbemerkte neoliberale Sauerei von katastrophaler Konsequenz für Dienstleister. Das Gats-Abkommen regelt die Aufgaben des internationalen Dienstleistungsverkehrs.
Hierzu gehört die Privatisierung
öffentlicher, zum Beispiel kommunaler Dienstleister weltweit. Künftig sollen öffentliche Verwaltungen verpflichtet werden, die Auftragsvergabe für Rechnungserstellung, Müllabfuhr oder Sozialhilfe, Schulbusbeförderung etc., wenn diese an private Dienstleister outgecourct werden soll, ausschließlich nach marktwirtschaftlichen Prinzipien auszurichten, im Klartext:Bevorzugung des billigsten Angebots ohne autonomes Entscheidungsrecht der öffentlichen Auftraggeber. In Verbindung mit der Liberalisierung des internationalen Dienstleistungsverkehrs bedeutet dies im Zweifelsfall, dass zum Beispiel us-amerikanische oder europäische Kommunen genötigt werden, IT-Dienstleistungen nach Bangalore oder Hyderabad auszulagern. Sowohl das Gats-Abkommen als auch alle anderen WTO-oder EU-Abkommen schließen eine Aufkündigung dieser Bestimmungen aus: eine Rücknahme der Bestimmungen verpflichtet vertraglich zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen über Ausgleichsmaßnahmen.

Ob das das letzte Wort ist, möchte ich dennoch bezweifeln. Es wird höchste Zeit, dass Regierungen es wagen, ein Primat der Politik wiederherzustellen. Angenommen, eine Bundesregierung, die allerdings aus ganz anderen Leuten bestehen müsste als unser jetziges politisches Personal, würde sich weigern, solchen Bestimmungen zu folgen, weigern, Verhandlungen über Ausgleichszahlungen und ein Gegenprogramm zum Neoliberalismus formulieren, was wollen WTO und US-Regierung dann eigentlich machen? Truppen gegen Berlin schicken? Na, vielleicht bekommen die stolzen Fregatten der Bundesmarine und die lautlosen neuen U-Boote ja dann mal einen Sinn :-)

Ehe ich jetzt ins nationalbolschewistische Horn stoße - eine Achse Berlin-Tripolis-La Havanna-Caracas ist meine Sache nun doch nicht, wenn auch eine lustige Idee - so hoffe ich doch, dass es ihnen gründlich misslingen wird. Es sind nicht die letzten Mollies, die in Hongkong geworfen wurden.

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Montag, 26. Dezember 2005
Wulff-Bashing II
Ich hatte ja schonmal meine Meinung zur Klientelpolitik des niedersächsischen Ministerpräsidenten zum Besten gegeben http://che2001.blogger.de/stories/353024/. Der Mann macht weiter wie befürchtet: Eigentlich stünde jetzt ein Ausbau der Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-Göttingen an, mit neuen Standorten in Braunschweig und Goslar. Dies ist auf Betreiben Wulfffs nun gecancelt worden, stattdessen wird die Fachhochschule in Hildesheim in genau dem Ausmaß aufgestockt, in dem in BS und GS nicht investiert wird. Hintergrund: Hildesheim ist katholisch und Sitz eines Weihbischoffs. Wulff betreibt Bildungs- und Standortpolitik gnadenlos im Sinne seiner Klientel, und das sind der katholische Klerus, die Lokalbourgeoisie von Osnabrück und die niedersächsischen Hühnermast- Legebatterien- und Güllepolderbarone. In diesem Klientelismus geht er so weit, sich mit ganzen Regionen anzulegen, und darüberhinaus mit VW, wo Porsche ihm schon einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Das ist etwa so, als ob ein rheinland-pfälzischer MP Politik gegen die Interessen der Städte Worms, Koblenz und Speyer machen und sich außerdem mit der BASF anlegen würde, oder ein bayerischer MP Niederbayern und Franken gezielt benachteiligt und sich nebenher handfesten Ärger mit den Vorständen von BMW und Audi leistet. Wenn Wulff meint, Niedersachsen bajuwarisieren zu können, so erreicht er im Gegentum eher, dass der nächste niedersächsische Landesvater Jüttner oder Gabriel heißt. Das wäre immerhin ein Erfolg, den ich anerkennen würde :-)

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Donnerstag, 22. Dezember 2005
Victoria! Salud, Evo Morales!
Mit dem Aymara-Indio, Cocabauern und Che-Guevara-Bewunderer Evo Morales hat ein Mann die Präsidentschaftswahlen gewonnen, der versprochen hat, die Situation der Ärmsten in Bolivien wesentlich zu verbessern. "Der am meisten verachtete, verhasste, erniedrigte Sektor hat jetzt die Fähigkeit, sich zu organisieren", so kündigte Morales selber die ausstehenden Veränderungen an. Zu den Forderungen der ihn tragenden Basis gehört insbesondere die Verstaatlichung der Gas- Öl- und Montanvorkommen des Landes als Basis der Finanzierung sozialer Leistungen. Spannend wird es auch hinsichtlich der Coca-Waffe werden: Morales hat keineswegs vor, die Coca-Embargo- und -Vernichtungspolitik der USA mitzumachen. Er ist zwar kein Freund der Drogenkartelle, wohl aber für legalen Cocaanbau und -Handel. In Bolivien wurde auch schon über einen staatlich kontrollierten Cocaexport für medizinische Zwecke nachgedacht. Für die Bush-Andminstration ist der Wahlsieg Morales´ein wahrgewordener Alptraum. Der Neoliberalismus hat in Südamerika eine schwere Niederlage davongetragen.

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