Donnerstag, 12. Januar 2006
Du bist Neoconnerd
Du hast zu Hypezeiten BWL, Marketing oder Wirtschaftsinformatik studiert und geglaubt, dass sich damit das große Geld machen ließe. Nach dem Studium wartete nur die Stütze auf Dich. Du nennst Dich liberal und vertrittst Ansichten der US-amerikanischen Rechten, die den Begriff "liberal" als Schimpfwort gebraucht. Du bist genauso ein Modernisierungsverlierer wie die Stiefelnazis, hast aber nicht den Mumm, das offen zu zeigen.
Du pflegst einen Philosemitismus, der nur ein umgedrehter Antisemitismus ist, der sich gegen den Islam richtet, und wunderst Dich, dass kaum ein Jude etwas mit Dir zu tun haben will.
Du bist ein Stück armes Deutschland.

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Unter Modernisierungsverlierer habe ich mir eigentlich immer andere vorgestellt. Aber man kann schon recht jung ziemlich alt aussehen.

Aber als Vater finde ich immer noch, dass die mal erwachsen werden müssten und einmal Verantwortung übernehmen sollten. Da ist wohl bei der Erziehung was schiefgelaufen.

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Modernisierungsverlierer
In der politikwissenschaftlichen Literatur ist der Begriff an sich eindeutig definiert. Guckstu hier:
http://www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html?guid=PA9IIE

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„Genosse“ Che falls Du Dich in diesem Beitrag beschreibst, so klingt es nach Frust. Verständlich! Es gibt keine Verlierer der Modernisierung, der Begriff an sich ist Neutral und versprach in den Siebzigern und Achtzigern ein Wohlleben für alle. Der ursprüngliche Gedanke der Modernisierung hatte auch Attribute wie Sozial, Human und Wir. Diese sind der Gier Einzelner und der machtgeilen Wirtschaft und Politik gewichen. Manchmal muss man sich gezwungenermaßen fragen ob man nicht das Spiel mitspielt. In dem Link den Du angegeben hast, stellt sich die Frage nach „Demokratiefeindlichkeit“. Wir leben mittendrin, dulden jede Bevormundung und spielen das Spiel der Ausgrenzung täglich mit. Dazu gehören nicht nur Juden und Muslime, Afrikaner und Freidenker, auch jeder der an diesem System seine Zweifel hat.

Die alten und neuen Nazis, die Neoliberalen und Sozialfeindlichen sind nicht Verlierer der „Modernisierung“ als heutiger Begriff, vielmehr Gewinner. Sie ziehen die Geistlosen und Verbitterten in Ihren Bann mit Versprechungen die schon zu anderen Zeiten haltlos waren und nur das Morden an ausgesuchten Schuldigen als härenes Ziel hatten. Dazu gehören auch die, die sich die Welt einfach machen und mit der Vielfalt nichts anfangen können.

Modernisierung ist und war nie ein Mittel um alle Ungerechtigkeiten abzuschaffen, nur die Möglichkeit, einiges ein wenig zu verbessern.

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Lieber Nicodemus, nein, ich beschreibe mich in diesem Beitrag nicht. Ich habe den Begriff der Modernisierungsverlierer aufgegriffen, wie er z.B. von Benz verwendet wird. Es stellt sich die Frage, ob er semantisch und etymologisch richtig ist, wenn nicht, müsste man einen besseren finden. Vieleicht ist er einfach zu formal und hat zu sehr die Auswirkungen technokratisch-industrieller Modernisierung im Blickfeld. Ich verwendete ihn als Arbeitsbegriff. Inhaltlich gebe ich Dir recht.

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die gleichung neocon = feiger stiefelnazi geht so nicht auf.

weil, der zusammenhang zwischen als prekär empfundenener ökonomischer lage ("modernisierungsverlierer") und rechtsradikaler orientierung ("stiefelnazi") besteht so unmittelbar nicht, dass man vom einen auf das andere schliessen könnte.

das führe ich auf wunsch gern noch etwas aus, dazu ein kurzer hinweis: prekäre ökonomische lage kann zu schuldzuweisungen an andere gruppen führen (ist sogar naheliegend, weil keiner sagt, das ist, weil ich so blöd und faul bin, weg mit mir selber), die als konkurrenten (türken, polen, russen, umsiedler) empfunden werden, vulgo ausländerfeindlichkeit oder xenophobie auf vornehm. hier liegt eine schnittmenge zum nationalsozialismus, der sich über eine als völkisch verortete gruppenzugehörigkeit definiert und darüberhinaus die oben genanten gruppen als ihm feindlich (dazu besteht aus anthropologischer sicht kein grund, btw). die andere schnittmenge liegt in einem als antikapitalismus vorgetragenen antisemitismus, gern auch als antiamerikanismus camoufliert.

übrigens kann ich auch einen zusammenhang zwischen modernisierungsverlierer und sich als "links" verortende gruppierungen herstellen. ein gewisser lafontaine, mdb, bietet einige belege für diese these.

zu einer kritik der neocons scheint mir die aufassung der amerikanischen alten rechten eher brauchbar, die lehnen das als verirrung eines als jämmerlich empfundenen zeitgeists und bloßer postenjägerei schärfer ab, als die ihnen entgegengesetzten politische aufassung (democrats, liberals).

also, das sind keine feigen stiefelnazis, noch nicht einmal stieselnazis, das ist die verirrung eines eben aktuellen zeitgeistes als antrieb, postenjägerei als ziel, cliquenbildung als mittel. das dürften die wesentlichen antriebe der nockherberger sein. wobei als nächstes zu prüfen wäre, ob diesen leute weniger prügel als vielmehr mitleid angemessen wäre, verkleidet in die form satirischer zurechtweisung. ob es gefährlich ist, was da ein paar journalisten von der achsel des bösen zum broterwerb schreiben, unterstützt von einigen, stalin nannte das nützliche idioten, ich weiss nicht. scheint mir eher etwas zum intellektuellen klima der neuesten zeit zu sagen.

andererseits, es ist wie im wissenschaftsbetrieb. wer da karriere machen will, braucht sowohl gute freunde die ihn fördern und gute gegner, an denen er sein format beweisen kann.

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Lieber auch-einer, diese Gleichung habe ich sooo gar nicht gezogen. Vielleicht bin ich als gelernter Politologe und Sozialwissenschaftler auch etwas zu sehr im eigenen Saft kochend, insofern ich die ganze Diskussion zum Thema Modernisierungsverlierer - Risikogesellschaft als Matrix (nicht Ursache) für mögliche rechtsextreme Handlungsorientierungen implizit als bekannt vorausgesetzt habe.Vielleicht muss man anders an die Sache herangehen. Es kommt noch ein Beitrag dazu. Ansonsten stimme ich Dir durchaus zu, aber es geht mir nicht nur um ein paar SDBs (sonderbar durchgeknallte Blogger), sondern um komplexere gesellschaftliche Prozesse und deren ideengeschichtliches Substrat, die dahinter stehen.

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"Du bist genauso ein Modernisierungsverlierer wie die Stiefelnazis, hast aber nicht den Mumm, das offen zu zeigen."

das habe ich so aufgefasst, als dass die neocons nicht den mumm haben, zu zeigen, dass sie stiefelnazis sind.

kann man natürlich auch so auffassen, als dass die neocons nicht den mumm haben sich offen als modernisierungsverlierer zu outen, wie das die neonazis tun (tun sie es denn?).

wie ist es denn gemeint?

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Ach so. Stiefelnazis verbergen in der Regel nicht, wenn sie arbeitslos sind, sie sind des Öfteren
auch der Meinung, dass es ihnen dreckig geht. Sie tragen unangepasste Kleidung, an denen sie im Allgemeinen auf den ersten Blick erkennbar sind, tragen ihre Gesinnung öffentlich zur Schau.

Neoconnerds tun so, als seien sie einflussreich und beruflich erfolgreich, auch wenn das pas du tout der Fall ist, sie sind bemüht, im Sinne des Mainstrwams hip zu sein, und abgesehen von den Merkel-T-Shirts tragen sie eher angesagte Trendklamotten. Sie vertreten ein Gedankengut, das sich zwischen der Bush-Administration und US-Rechtsradikalen bewegt (Artikel dazu ist is coming soon), tarnen sich aber als scheinbare Liberale oder auch Konservative.

Im Unterschied zu den Fascho-Glatzen, die zumindest dazu stehen, was sie sind, sind die Neoconnerds ununterbrochen damit beschäftigt, sich zu tarnen.

Stiefelnazitum ist öffentlich inszenierter Neofaschismus, Neoconnerdtum ist rechtsradikale Mimikry.

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"Stiefelnazitum ist öffentlich inszenierter Neofaschismus,"

der punkt öffentliche inszenierung scheint mir einer umfangreicheren betrachtung wert zu sein.

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Ein Nockherberger-Aufmarsch wäre schlicht undenkbar. Vielleicht verhält sich das Ganze wie die Konservative Revolution zur SA?

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Neoconnard, neoconnerd oder postliberal?

Dr. Dean hat ja das in der Bloggosphäre mittlerweile geflügelte Wort "Neoconnard" geprägt, während ich mich dagegen wehre, das Gedankengut der angeblich so libertären Bloggerszene einzig auf die amerikanischen NeoCons abzuwälzen, da die Nockherberger Waisenkinder eher einem weltweit beobachtbaren Trend der - einen Wertepluralismus ablehnenden - Entliberalisierung zuzuorden sind, weshalb ich dieses Gedankengut lieber als postliberal bezeichne. Che2001 redet nun von Neoconnerds...

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Modernisierungsverlierer. Sind nicht all die jungen Sozial- und Geisteswissenschftler, die sich zwischen Praktika, Promotion, Arbeitslosigkeit, Mutterrolle und anderen Ersatzhandlungen bewegen, auch Modernisierungsverlierer? In einem modernen, schlanken Staat gibt es keine Jobs mehr im öffentlichen Dienst oder als Förderung irgendwelcher Projekte.

Was haben eigentlich diese Postliberalen studiert?

Den Gedanken, dass hier jemand Mainstream sein will, aber es nicht geschafft hat, in den Karrierezug aufzuspringen, ist für mich grundsätzlich nachvollziehbar. Nonkonformismus wird einem nicht in die Wiege gelegt, es ist das Ergebnis aus dem Bemühen, das beste aus einer Situation zu machen. Dazu braucht es viel Kraft und Flexibilität - hat nicht jeder.

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vielleicht lässt sich durch ein aussschlussverfahren eine aussage machen, wer denn die modernisierungsverlierer sind:

wer sind denn die modernisierungsgewinner?

da fallen mir, ausser einigen firmenvorständen in der ersten reihe sehr wenige ein, die sich in den letzten zwanzig jahren wirklich verbessert haben.

diejenigen, die sich in der ddr eine rentenanspruch erworben haben, halte ich für die gewinner der vereinigung (andere solche gewinner, beispielsweise, sind teile der alten kader, genauer, die blöckflöten, die herr dr. kohl damals für seine partei brauchte), für modernisierungsgewinner halte ich die nicht.

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Mir fallen schon welche ein. Bsp. Die von den offenen Grenzen profitieren.

- Studenten, die Auslandspraktika und -semester absolvieren oder gar komplett dort studieren (war zu unserer Zeit eine absolute Ausnahme)
- Wissenschaftler, die grössere Chancen auf einen Beschäftigung im Ausland haben (habe ich gerade 3x im aktuellen Magazin der MPG gelesen ("erhielt einen Ruf aus USA)
- Junge Ärzte, die 30% Lohnsteigerung mit der Drohung verbinden können "sonst gehen wir nach England"
- Junge grossstädtiusche Bevölkerung, bei denen das Wochende mit dem Billigflieger zum Lebensgefühl gehört - oder gleich das wöchentlich zwischen 2 europäischen Grossstädten pendeln - wie manche deutsche Ärzte, am Wochende in England soviel verdienen wie hier in der 60 Std. Schicht in der Klinik.

Also eher die, die mobil sind, gut ausgebildet und die Chancen und Möglichlkeiten im Ausland nutzen können.

Aber auch die prekären Existenzen, die sich mit Texten, Designen, Blog-.Beratung usw. übers Wasser halten gehören dazu. Internet und Billigflieger ermöglichen denen sich selbst die Fiktion des modernen, relevanten, informierten Individuums aufrecht zu erhalten. Daher wird die Revolution wohl kaum von diesem modernen Lumpenproletariat ausgehen.

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@word2go & others: postliberal würde bedeuten, dass das Zeitalter des Liberalismus vorbei ist, stattdessen erleben wir zur Zeit die Ubiquität wirtschaftsliberaler Lösungen quer durch die Parteien. Postliberal könnte allenfalls bedeuten, dass angesichts dieser Entwicklung die Existenznotwendigkeit eigener liberaler Parteien nicht mehr besteht. Ein Connard ist ja ein Dummkopf, um nicht zu sagen ein Vollidiot. Ich möchte den Leuten, zumindest der Gruppe in toto, aber nicht Intelligenz absprechen, sondern denke eher, dass die sich ideologisch total verrannt haben, wie ein Techi, der nur in Tech-Begriffen denkt und das reale Leben nicht mehr mitbekommt. Daher Neoconnerds.

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Off-Topic aber Running-Gag :-)
@ Che

und hier, so spekuliere ich mal in meiner Rolle als semi-paranoider Verschwörungsfan, der Grund der Rauchbombe "Fax aus Kairo":

http://www.jungewelt.de/2006/01-13/001.php

La Moralité, c'est Toi. Du bist Gerd S. Du bist Deutschland.

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Weil es passt:

http://www.taz.de/pt/2006/01/17/a0146.1/text

Ein Kommentar zu objektiver und subjektiver Angst in der akademischen Mittelschicht.

Vielleicht ein Erklärungsansatz zum Thema Modernisierungsverlierer.

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Danke, das ist sehr interessant! Wenn ich so mein eigenes Umfeld anschaue, ist da von jedem etwas: Eine starke Minderheit von etwa einem Drittel meines früheren Freundeskreises, die als Ärzte, Lehrer, Dozenten, Richter oder Redakteure eine gut bezahlte Lebenszeitstellung bekommen haben, dann der Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, der nach Abzug der Personalkosten eine eher bescheidene Existenz führt, Leute, die nach Promotion und befristetem Post-Doc-Job mit Mitte Dreißig ein Zweitstudium von vorne anfangen, Leute, die ständig zwischen Stütze, Maßnahme und befristetem Job pendeln, graduierte Akademiker, die in der Kneipe Theke machen und schwarz putzen gehen und OpenBC vernetzte Von-der-Hand-in-den-Mund-Jobber. Gerade bei Letzteren, die eigentlich solide soziale Sicherungssysteme brauchen würden, ist das radikalliberale oder neokonservative Denken besonders ausgeprägt. Die Kneipe machenden und schwarz putzenden Akademiker denken viel öfter in Kategorien sozialer Solidarität.

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