Sonntag, 22. Februar 2009
Fremde Welten
Wenn ich mir das hier so durchlese


http://metalust.wordpress.com/2009/02/22/der-echo-2009-das-waren-die-90er/


bin ich ja froh, diese Echo-Verleihung nicht gesehen zu haben, sondern stattdessen die Germanien-Serie auf Arte. Gleichzeitig merke ich, dass ich von der Popkultur der 90er, von der hier die Rede ist, kaum noch etwas mitbekommen habe. Harald Schmitt könnte ich nicht von Stefan Raab, Pastor Fliege oder Hans Meiser auseinanderhalten (wissen tue ich über Letzteren eigentlich auch nur was aufgrund eines Konkret-Artikels, den ich 1994 auf Madeira über deutsche Fernsehunterhaltung gelesen habe und damals sehr richtig fand), und dass ich mal deutsche Showmaster guckte, das war in der Zeit von Rudi Carrell und Wim Thoelke, als ich die als Kind im Gesamtfamilien-Fernsehprogramm zwangsläufig mitbekam. Hinsichtlich TonSteineScherben und Einstürzende Neubauten, aber auch Udo Lindenberg stimme ich Momorulez ja voll und ganz zu, ansonsten, wieder einmal, bleibt festzustellen: Ich bin popkulturell ein Kind der 70er und 80er Jahre. Das, was da aus den 90ern zitiert worden sein soll habe ich bereits nicht mehr verfolgt. 90er, das waren für mich multikulturelle Straßenfeste mit von kurdischen Genossen bereiteten Falafel, Umsonst&Draußen Konzerte mit einer eigenartigen Mischung aus Salsa, Rap und Metal, die Breminale, das Göttinger Altstadtfest mit Bands wie Guano Apes, EA 82, Nancy and I, Attila the Stockbroker und Razzamtazz sowie bekiffte Parties im Park und Grillabende auf der Dachterrasse mit Blick auf den Kiez. Ein einziges Mal hatte ich eine Echo-Bamby- oder Sonstwas-Verlehung gesehen und daher erfahren, dass es eine Band namens Mr.President gab (gibt´s die noch?) und mich hinterher darüber beömmelt, dass ein SPIEGEL-Redakteur, dessen Popkulturkenntnis noch viel vorgestriger war als meine, glaubte, aus der Achselrasiertheit und Hochstiefelträgerei der Frauen dieser Band und von Bell, Book&Candle ableiten zu können, diese seien Projekte des Rotlichtmilieus.

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In den 90ern
(v.a. in der zweiten Hälfte) hatte ich phasenweise sehr viel Fernsehen geguckt, zum Teil auch drüber geschrieben wie zum Beispiel mein 24-Stunden-Dauerfernsehexperiment oder meine Nachbetrachtung zur Diana-Trauerwoche für eine Werbeplaner-Fachblatt. Aber als 2002 mein Fernseher (mal wieder) abrauchte, habe ich den Selbstversuch gestartet, mit der Neuanschaffung so lange zu warten, bis ich das Geflimmer richtig vermisse. Die ersten zwei Jahre waren kein Problem, und als ich 2002 mit meiner Frau zusammenzog, hatte ich zwar wieder einen Fernseher zur Verfügung, aber immer noch relativ wenig Lust, mich damit noch zu zerstreuen. Und so ist das bis heute, Jahreskonsum weniger als 10 Stunden. Man kriegt aus Blogs, den Medien und persönlichem Geplapper immer noch genug mit, um nicht völlig weltfremd zu werden. Ich interviewe im Rahmen meiner Arbeit auch ab und zu Fernseh-Verantwortliche, aber auch dazu muss ich nicht alles geguckt haben, was deren Sender so raushauen.

Ich stimme im übrigen der pauschalen Klage nicht zu, es werde alles immer schlimmer im Programm. Ich denke, es gibt für den, der sucht, immer noch genug sehenswertes, nur muss man heute dafür halt länger zappen und weiter rumschalten als noch vor 10 oder 15 Jahren.

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Mark schrieb:
Ich stimme im übrigen der pauschalen Klage nicht zu, es werde alles immer schlimmer im Programm ...

Das ist ja bei zehn Stunden Jahreskonsum auch nicht überraschend ;-)

Ich habe weniger als zwanzig Stunden Jahreskonsum, weil ich manchmal auf Dienstreise im Hotel einen Tatort oder eine Talkshow ansehe. Und maximal eine halbe Stunde Wochenkonsum via YouTube. Aber einen eigenen Fernseher habe ich nicht und vermisse ich nicht.

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Stefanolix,
das Programmheftchen und meine sonstige (z.T. berufliche) Beschäftigung mit dem Themenkomplex halten mich schon so weit auf dem laufenden, dass ich das etwas solider beurteilen kann als nur auf Grundlage meines eher überschaubaren eigenen Konsums. ;-)

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So, das waren die Neunziger!
Wer diese Zeit nicht in Göttingen, Bremen oder irgendeinem Szenekiez verbracht hat, käme sicher nicht auf die Idee, die neunziger Jahre mit Multi-Kulti-Straßenfesten, kostenlosen Openairs und Stadtfesten mit Punk- und Indiebands zu identifizieren. Das war anderswo ganz deutlich Achtziger, gefühlt (nicht wirklich real geschehen) sogar Siebziger.

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Nun es gibt da so Tendenzen
Jeder scheint dazu zu neigen, Dinge für den Trend einer bestimmten Zeit zu halten, mit denen er besonders verbunden ist oder die einem besonders fern stehen. Liberale, Konservative oder ganz unpolitisch Zeitgeist-Moderne, die die Alternativszene und deren zeitweise Dominanz in der Außenwahrnehmung kultureller Lebensstile nicht mögen, neigen scheinbar dazu, diese möglichst weit in die Vergangenheit zu verbannen oder aber ihre Dominanz bis heute fortzuschreiben. Natürlich spielte sich der Kampf um die kulturelle Hegemonie in den Medien hauptsächlich in den 1970ern ab. Natürlich war die Zeit, in der die links-alternative Szene zahlenmäßig am stärksten war die Zeit zwischen 1969
und 1983. Aber so etwas wie eine Jam-Session im Park, wo man ein paar Bongos oder eine Gitarre mitbrachte und mit wildfremden Leuten drauflosimprovisierte (und plötzlich hatte man Publikum), das mag ja für den Englischen Garten im München des Jahres 1966 ein Initialereignis gewesen sein, in meiner norddeutschen Provinz war das erst in den Achtzigern angesagt. Ich glaube, Swinging Cities, wie wir die Häuserkampfwelle von 1979 bis 83 genannt haben hat sehr viel dazu beigetragen. "Jetzt kriegen wir französische Verhältnisse," meinte ein Freund angetan, als im Juni 1982 die ersten Wirte - natürlich zunächst nur Studentenkneipen - ihre Stühle auf den Bürgersteig stellten. Vorher gab es das nicht. Was in Berlin, Hamburg, München 1967-70 passierte, brauchte oft ein Jahrzehnt, bis es in Städten der Provinz (wobei Provinz auch Bielefeld, Würzburg oder Kassel heißt und keineswegs Kleinstädte) ankam. Modeste schilderte mal, was sie als Hippness in den Neunzigern empfand, mit so einem impliziten Ausschließlichkeitsanspruch. Abgesehen davon, dass ich mit ein paar Begrifflichkeiten nichts anfangen konnte, würde ich das von ihr Geschilderte als "typisch für das Yuppietum" bezeichnen, aber nicht als Hippness einer bestimmten Dekade. Und eine Diskussion wird heute ja schon damit getötet, indem man sagt: "Das ist sooo Achtziger!".

Das hatten wir in den Neunzigern aber auch, vor allem, wenn es um Political Corrrectness geht. Für politisch Korrekte war Shere Hite schon damit erledigt, dass sie eine "Siebziger-Jahre-Tante" war.

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Politisch unkorrekter Hite-Report
Wieso jetzt Shere Hite?

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Weil politisch korrekt ja für bestimmte Teile der linken Szene vor allem eine hanebüchene Moralisierung von Sexualität bedeutete. Hite, obwohl Feministin, wurde da zur "bösen" Seite hin sortiert, weil ihr empirischer Ansatz an sexuellen Fantasien dem Moralinmodell a la Dworkin zuwiderlief. Der Szenemainstream lief gerade in die Richtung "eine Feministin hat gefälligst lesbisch zu sein", und "es gibt keinen vaginalen, sondern nur einen klitoralen Orgasmus, und der G-Punkt ist ein Mythos der 70er Jahre". Hetero/ra und glücklich damit werden war in bestimmten Programmen/Diskursen nicht vorgesehen. Zum Glück habe ich den ganzen Komplex zwar aus der Nähe, aber doch ohne involviert zu sein mitbekommen, wäre sonst unerträglich gewesen.

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Die Band heißt EA 80, soviel Zeit muß sein ;-)

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