Dienstag, 3. April 2012
Globale Betrachtung dritter Teil
Es blieb nicht beim rigiden Antisexismusverständnis. Im Verlauf der 1990er Jahre setzte sich in weiten Teilen der radikalen Linken ganz allgemein eine rigide Lebensweise und zugleich eine sehr formelhafte Politische Korrektheit durch. Innerhalb der Szene gab es eine PC-Linke und eine Non-PC-Linke. Der Begriff PC wurde damals überwiegend positiv gebraucht. Im Wikipedia-Artikel zum Thema Political Correctness ist davon die Rede, dass der Begriff überwiegend von Rechten zur Diskriminierung linker Inhalte gebraucht würde und früher von undogmatischen Linken eher selbstironisch verwendet wurde. Das habe ich seinerzeit anders erlebt. PC verhielten sich Linke schon, bevor dieser Begriff geprägt wurde, die Vermeidung diskriminierender Ausdrücke oder die Linguistik mit Binnen I und klein mensch waren selbstverständlich. Mit dem Aufkommen der PC-Linken setzten sich aber noch andere Dinge durch. Vegane oder zumindest vegetarische Ernährung wurden zu positiven Normierungen, Parolen wie „Go vegan or bloody“ waren durchaus verbreitet, eine mir sehr liebe Genossin meinte damals "ich esse Fleisch, ich rauche und ich habe wechselnde Liebhaber, oh was bin ich subversiv!", und das "subversiv" wandte sich nicht gegen das System, sondern gegen die Moral der linken Szene. Der politisch korrekte Sprachgebrauch war in manchen Zusammenhängen so dominant, dass es quasi unmöglich wurde, Worte wie „ficken“ in den Mund zu nehmen. Ich kann mich daran erinnern, dass ein Genosse, als er Vater wurde, nicht etwa freudig verkündete, dass da ein Kind kommen würde, sondern sich dafür schämte - es bedeutete ja, dass er eine Frau penetrierend gevögelt hatte, was ihm politisch unkorrekt erschien. Der Begriff Politisch Korrekt wurde von mir und meinem engeren Umfeld damals nicht kritisiert, weil eigentlich positiv verstanden und im Sinne von Antidiskriminierung gebraucht, wir nannten diese neopuritanische Haltung „Moralspackentum.“ In Teilen der autonomen Linken verbreitete sich von London kommend die Straight-Edge-Bewegung, die Veganismus, Nichtdrogenkonsum und generellen materiellen Verzicht hochhielt, unsereins machte sich in erster Linie darüber lustig, z.B. indem ich in der eigentlich veganen Volxküche Steaks servierte, dafür bei Antiimps Begeisterung erntete und das alles durfte, weil ich in der imaginären Nicht-Hierarchie der Szene oben stand.


Dann kam in den späten Neunzigern Pop-Linke und Mc Antifa: Plötzlich war es wichtig, im Schwarzen Block gut auszusehen und Markenkleidung zu tragen, z.B. Carhartt-Klamotten und Ray-Ban-Sonnenbrillen, ursprünglich ein Notbehelf, weil Leute mit Helmen oder auch nur Hasskappen gleich verhaftet wurden. Diese Lifestyle-Autonomen bildeten die Übergangsform zu den Antideutschen im heutigen Sinne. Die ab 2000 einsetzenden Debatten zur Neuorientierung der Linken, z.B. Das Neue Historische Projekt


http://emanzipationhumanum.de/deutsch/vision3.html


setzten z.T. an einer Verbindung aus Wertkritik und Neuem Antiimperialismus, ganz sicher aber an einer Abkehr vom Traditionssozialismus an. Anachronistischer Weise verflachten solche Ansätze in den Folgejahren zur Feier etwa des Chavez-Venezuela als Form des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Parallel dazu kam es zur Konjunktur des Antideutschismus als Reaktion auf die Attentate vom 11. September und der Zuspitzung bisheriger antideutscher Positionen zur Israel-Idiolatrie.

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wobei die "PC" sich nicht gegen Begriffe wie "Proll" oder "Normalo" richtete

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Meine Antwort auf "Proll" war stets, wer Proleten verächtlich mache begäbe sich damit außerhalb von allem, was links ausmacht. Die Gesichter auf den Spruch waren meist selten dämlich. Hinsichtlich der "Normalos" war auffällig, dass Leute, die sonst als die moralischsten AntisexistInnen auftraten eine spezielle Form von Frauenverachtung pflegten. Die emanzipierte radikale Frau hatte gefälligst punkig oder zumindest kurzhaarig auszusehen, jede langhaarige Hochhackige-Schuhe-Trägerin galt als Tusse. Ich wohnte mal mit einer wirklich wunderschönen Frau zusammen, hätte dem Aussehen nach Model sein können, entsprach also dem Playboy-Schönheitsideal. Die gehörte nicht zur Szene und war Dolmetscherin. Als sie anlässlich eines Streiks an einem Teach-In teilnahm, weil sie sich für meine Aktivitäten interessierte sagte ein Genosse von mir verächtlich: "So, wie die aussieht kriegt die nichts auf die Reihe.".


Als eine Mitstreiterin sich mal über eine Frau mit Schmollmund und sehr üppigen Formen mokierte und sagte, solche Weibchen gingen ihr furchtbar auf die Nerven und ich ihr erklärte, dass das eine Haubesetzerin sei wollte sie mir das nicht glauben.

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wobei der schärfste "linke Klassismus" m.E. in den 1990ern in Teilen der antinationalen Szene verortet war, wo z.B. in der letzten Ausgabe der sonst von mir durchaus geschätzten "spezial" (muss irgendwann 1996 gewesen sein) zu einer HBV-Demo in Bonn der ekelhafte Kommentar kam, dass mensch diese Demo begrüsse, da die TeilnehmerInnen an diesem Tage keine Flüchtlingsheime anstecken würden ... ähnliche Peinlichkeiten gab es auch von Café Morgenland

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p.s.
kulturelle Abweichungen vom autonom-punkigen Mainstream wie lange Haare, Bärte, lange Röcke, Halbschuhe, anderer Musikgeschmack, etc. wurden meiner Erfahrung nach bei denjenigen GenossInnen, die in den Gruppen als etablierte Politcracks galten, allgemein toleriert, wohingegen Neueinsteigerinnen die kulturell abwichen von der punkigen Mehrheit zumindest ziemlich misstrauisch beäugt wurden

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Nach all den Theorien, wird unsere imperiale Vergangenheit abgeschliffen durch ein konfuzianisches China als Hauptmotor. Ich halte Chinesen für letztlich humorvolle und intelligente Menschen, aber gibt es eine Gesellschaft, die mehr Ähnlichkeiten mit der unserer Adenauer-Ära hat?
Der Erfinder der Dependencia Theorie zuckt mit den Achseln über die Rezeption seines in deutlich jüngeren Jahren erstellten Modells und schafft in einer Art Agenda 2010 Politik die Basis für einen brasilianischen Aufschwung, der dann unter einem äußerst realpolitischen Arbeiterführer tatsächlich ins Rollen kommt. Die besten Aufstände finden auf einer schwer zugänglichen süd-pazifisch/andinischen Insel statt. Rätselhaftes Bergvolk in einem breiten bergfreien Tal. Türkei erlebt die Mütter aller Wirtschafts-Aufschwünge unter einer "gemäßigt"-klerikalen Regierung mit gut funktionierenden Bimbes-Köpfchen, die Dinge wie Rechtsstaatlichkeit verhöhnt.
Einige Verwirrte jubeln dann noch mit Chávez einer Art Mussolini-Schmierenkommödiant des 21. Jahrhunderts zu.

Hätte die "Neue Linke" Humor und ein realistisches Verhältnis zu dem Wert des in den letzten 50 Jahren angesammelten Theorie-Plunders, würde sie die uruguayanische Flagge hissen. Sehr sympathisches Land, btw. Ich will da nächsten Süd-Sommer unbedingt hin.

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"Ich halte Chinesen für letztlich humorvolle und intelligente Menschen, aber gibt es eine Gesellschaft, die mehr Ähnlichkeiten mit der unserer Adenauer-Ära hat?"

eben. noch ein grund, warum sich das linke projekt neuerdings uncool anfühlt: diejenigen, die es noch betreiben, wirken hierzulande nicht eben wie vorbilder.

disclaimer: adenauer stellte zwar die bundeswehr auf, sorgte aber auch dafür, dass er nicht mit panzern auf demonstranten schiessen lassen musste. die ddr scheiterte letztlich daran, dass sich im entscheidenden moment niemand fand, der den entscheidenden befehl gegeben hätte.

putin (nach dem rückzug des amerikanischen imperimums, dem ich noch fünf jahre gebe, braucht europa, braucht diese republik einen neuen grossen bruder. in frage kommen zwei nicht eben attraktive bewerber: china ist weiter weg, russland hat öl) ist da schlauer, gelernt ist eben gelernt. nachdem er nur wenige bereichern kann, ist für den rest schluss mit hegelei und murxistischen exegesen, für die ist kruder nationalismus angesagt.

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@ "aber gibt es eine Gesellschaft, die mehr Ähnlichkeiten mit der unserer Adenauer-Ära hat? ---- Ja, zum Beispiel die von Singapur, eine Mischung aus China und Adenauer-Deutschland. Ansonsten kannst Du mit dem historischen Vergleich ja mal zum Max-Planck-Institut für Geschichte gehen und Deine Belege für die Ähnlichkeit präsentieren. Wenn Du Herrn Rürup überzeugen kannst, dass es unter Adenauer Arbeitslager gegeben hat und die Todesstrafe, deren Vollstreckung vom Wert der Organe des Delinquenten für den Transplantationsmarkt abhängig gemacht wurde, dann, ja dann ist Dir eine eigene Forschungsgruppe sicher.


Mit Erfinder der Dependenztheorie meinst Du wahrscheinlich Cardoso. Es gibt da aber nicht "den" Erfinder, und europäische Autonome bezogen sich da mehr auf Senghaas, Wallerstein, Frantz Fanon, Samir Amin und durchaus auch noch Ali Schariati, obwohl der nur sehr sehr bedingt als Dependenztheoretiker zu verstehen ist.


Btw. Mit Marx und Hegel hatte schon die Sowjetmacht wenig am Hut, etwa soviel wie Napoleon mit Rousseau und Montesqieu. Und Putins Zenith halte ich für längst überschritten. Dabei ist es noch nicht ausgemacht, ob sich ein neues Weltzentrum um die Trias Russland China Indien plus die öligen Emire bildet und welche Rolle darin der Iran und die Türkei, aber auch Malaysia, Vietnam und Indonesien spielen werden.

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Starker Kommentar!


@europäische Autonome bezogen sich da mehr auf Senghaas, Wallerstein, Frantz Fanon, Samir Amin und durchaus auch noch Ali Schariati, da glaubst du aber nicht im Ernst, dass jemand mit den Namen heute noch was anfangen kann, oder?

Was ja durchaus sehr bedauerlich ist.

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"Mit Marx und Hegel hatte schon die Sowjetmacht wenig am Hut, etwa soviel wie Napoleon mit Rousseau und Montesqieu."

der ganze marxismus-leninismus der rumreichen sowjetunion und ihrer freunde war also nicht mehr als gedöns, wie ein gewisser, über hannover hinaus bekanntgewordener staatsmann laut vorgetragene bedeutungslosigkeiten zu nennen pflegte.
zumindest in der ddr hatte die vermittlung dieser ideologie methode und umfang, sie eignete sich auch dazu, unwillige und damit für den aufstieg unwürdige auszusondern.

täusche ich mich da, oder falle ich auf die napoleonische propaganda herein, aber napoleon selber sah sich mindestens ebenso als gesetzgeber und staatenlenker, wie als feldherr.
nicht ganz zu unrecht, der code napoleon ist heute noch weit über frankreich hinaus in anwendung und war seinerzeit allem überlegen, nach dem sich das deutsche reich damals richtete. oh, rede ich da eben einer kommoden diktatur das wort? börne und heine wussten schon, was sie am korsen, der mit frevler hand an deutsche throne rührte, hatten.
aber das nur nebenbei so wie auch die nicht zum thema gehörende, rein rhetorische frage: und wenn er jetzt doch bei waterloo gesiegt hätte?

"Und Putins Zenith halte ich für längst überschritten."

das wäre dann ja die gute nachricht, wenn man nur wüsste, wer und was danach kommt. hoffenlich liest der von mir schon angesprochene elder statesman mit und zieht die konsequenzen.

"Dabei ist es noch nicht ausgemacht, ob sich ein neues Weltzentrum um die Trias Russland China Indien plus die öligen Emire bildet und welche Rolle darin der Iran und die Türkei, aber auch Malaysia, Vietnam und Indonesien spielen werden."

donnerwetter, das nenne ich einen kühnen entwurf. dagegen kackt die pax americana aber sowas von krass ab. andererseits, nicht abwegig.

wenn es der vr china gelänge, indien zum bündnispartner zu machen - das würde bejing zwar personal und material kosten, aber einer muss ja die pakistanis und taliban in afghanistan bändigen, und nachdem die us of a dort ebenso am siegen sind, wie seinerzeit in vietnam*), bleiben nicht mehr viele mächte übrig - wäre das eine gewaltige leistung. deren lohn so gross wäre, dass china das grosse spiel wohl spielen würde.

in dem fall bleibe russland dann nichts mehr anderes übrig, als gute miene zum chinesischen spiel zu machen und kann dann höchstens noch hoffen, bei der eu mitmachen zu dürfen. da bis dahin auch die eu von chinesichen wohlwollen und vom chinesischen geld abhängig ist - zu einer weltmacht gehört auch eine weltwährung, wie ich höre, anebeitet bejing an beidem - wäre das im wohlverstandenen interesse chinas, sollen sich doch die klugen langnasigen teufel aneinander abarbeiten.
die öligen emire werden ebenfalls dankbar sein, wenn sich jemand findet, der die iranis in schach hält. ja, die pax sinensis baut sich auf, wenn auch nur in gedanken. noch dazu haben sie etwas, was china braucht und auch, anders als diie us of a, die sich dann bereits in ihr eigenes land zurückgezogen haben werden, auch bezahlen können. den türken wird dann auch nichts anderes übrig bleiben, als sich als regionale ordnungsmacht von chinas gnaden zu positionieren, ebenfalls mit der unterstützung bejings bei der eu-mitgliedschaft.
vietnam ist jetzt schon die verlängerte werkbank der vr china, die löhne dort seien eben günstiger, höre ich. das wird dann auch so bleiben, nehme ich einfach einmal an, es wird dann wohl zu eienm asiatischen gemeinsamen markt kommen, in dem auch japan seinen platz und sein auskommen findet und, solange bejing keinen aussenpolitischen triumph braucht, taiwan. alternativ kommt die von der vr china angestrebte wiedervereinigung zur durchführung, ich nehme an, die neuen strassentafeln und verdienstorden liegen längst schon bereit (wie das angeblich auch die ddr schon geplant und bevorratet hatte).
bleiben noch malaysia und indonesien. sie haben das, was china dringend braucht und weiter brauchen wird, rohstoffe. auch für sie wird eine zusammenarbeit mit der künftigen weltmacht das naheliegende sein.

also fazit, die nächsten jahrzehnte werden chinesische jahrzehnte sein, die alten maoisten werdens mit genugtuung zur kenntnis nehmen.

ach so, das da bleibt noch im raum:

"...Arbeitslager...und die Todesstrafe, deren Vollstreckung vom Wert der Organe des Delinquenten für den Transplantationsmarkt abhängig gemacht wurde..."

eben, von der vr china lernen heisst dann, siegen lernen. aber vielleicht kann europa, dann das touristengebiet für die aufstrebenden mittelklasse des reichs der mitte, noch einige traditionen wahren. wie dort im innern die menschenrechte ausgestaltet sind, dürfte den grossen bruder wenig interessieren, solange die aus früheren zeiten so sattsam bekannten belehrungen unterbleiben.

aber wie das mit dem lauf der welt so ist, es kann alles auch ganz anders kommen.

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*) wenn ich mich richtig erinnere, fühlte nixon, der merkte, dass mit den alten lasten seiner vorgänger kein blumentopf mehr zu gewinnen war, zunächst in china vor. vermutlich gelang es henry kissinger und seienr ping-pong-diplomatie, die cjinesen davon zu überzeugen, dass man sich zurückziehen, dabei aber sdein gesicht wahren wolle.

etwas später, frühe siebziger, hiess es dann, die verbündeten südvietnamesen seien aufgrund der erfolgten ausbildung und des gelieferten materials nunmehr imstande, den krieg selbst zu gewinnen. damit seien alle amerikanischen ziele erreicht und ein weiteres engagement nicht mehr erforderlich.

wie es dann weiter ging, ist bekannt, gewisse parallelen zu afghanistan drängen sich nicht auf.

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Nein, so kann man das nicht sagen
@"der ganze marxismus-leninismus der rumreichen sowjetunion und ihrer freunde war also nicht mehr als gedöns" ---- Marxismus-Leninismus an sich ist schon eine Contradictio in Adjecto, weil Marx niemals mit Lenins Vorstellung eines zentral geplanten Sozialismusaufbau konform gegangen wäre. Bei Marx stehen Werttheorie und ein historisch-materialistisches Geschichtsbild im Vordergrund, seine Vorstellung von Diktatur des Proletariats ist nicht die einer Diktatur mit tatsächlichem Diktator (Marx und Engels sahen die Pariser Kommune als Diktatur des Proletariats an, mit ihnen ließe sich eine Räterepublik begründen, aber kein bürokratischer Kasernenhofkommunismus). Nach Marx wäre Russland nicht reif für die proletarische Revolution gewesen, im Übrigen verwehrte sich Marx dagegen, Marxist zu sein.


Lenin seinerseits warnte noch auf dem Totenbett vor Stalin, der dann in der Tat die persönliche Diktatur eines allmächtigen Diktators begründete und ein totalitäres Staatswesen errichtete, das auch mit Lenin nichts mehr zu tun hatte. Insofern war die Sowjetunion spätestens ab 1932 nichts mehr, was mit dem linken Projekt unmittelbar zu tun gehabt hätte, höchstens in dem Sinne, dass sie klassenkämpferischen Perspektiven jenseits des Stalinismus und späteren Realsozialismus dadurch immerhin Spielräume eröffnete, indem antikapitalistische und antiimperialistische Bewegungen weltweit unterstützt und finanziert wurden (keinesfalls immer, vgl. die Niedermetzelung der Anarchisten und der POUM in Katalonien) und im Ost-West-Gegensatz einfach mehr Freiraum für Widerständigkeit und Dritte Wege war.

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Marxismus-Leninismus: von K. Marx u. F. Engels begr. u. von W. I. Lenin weiterentwickelte wiss. Weltanschauung der Arbeiterklasse, die von der internat. kommunist. Bewegung auf der Grundlage der Erfahrungen des sozialist. u. kommunist. Aufbaus u. der Praxis des revolut. Befreiungskampfes ständig bereichert wird. usw usw.

marxistisch-leninistisches Grundlagenstudium: Bestandteil der wiss. Grundlagenausbildung aller Studierenden an den Univ., Hoch- u. Fachscchulen der DDR. Die Vermittlung aller Bestandteile des Marxismus-Leninismus sowie weltanschaul. Grundlagen der kommunist. Erziehung erfolgt in den Lehrgebieten marxist-leninist. Philosophie, polit. Ökonomie des Kapitalismus u. des Sozialismus, wiss. Kommunismus u. Geschichte der Arbeiterbewegung.

Meyers Universal-Lexikon, Band 3, Lite - Schik, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1981

das was sowas wie die weltliche religion des rgw, das wurde an schulen und hochschulen gelehrt, die note in dieser disziplin entschied über das weiterkommen. es gab lehrer, dozenten, lehrstühle für diesen widerspruch in sich, es wurden bücher und broschüren verfasst, gedruckt und verkauft, zumindest in den bibliotheken abgelegt.
ziemlich viel aufwand, der vielleicht anderswo besser zum einsatz gekommen wäre. all diese bibliotheken wurden mit der implosion des sowjetimperiums makulatur. diejenigen, die den inhalt dieses faches, gelehrt haben, leben noch, wenn sie nicht gestorben sind.

was die unterstützung antikapitalistischer und antiimperiaistischer bewegungen angeht, die erfolgte, solange uns soweit das im interesse der su war. letztlich auch nichts anderes als das, was die us of a unter anderem vorzeichen betrieben haben (er ist ein schurke, aber er ist unser schurke). und auch die eu war sich für dergleichen nicht zu fein, wenn man an all die seit gut einem jahr geschassten despoten des maghreb denkt.

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Gruppen der westlichen Linken, ob Bäh RD, Fronkreich, Italia oder Türkiye, die sich nach 1970 und bis heute als marxistisch-leninistisch bezeichnen nennen die UDSSR und die Ideologie des Realsozialismus "sozialfaschistisch". ML heißt im westlichen Kontext so etwas wie Adaptionen an Maoismus, Guevarismus oder den Antiimperialismus im Umfeld von RAf und BR, auch noch so etwas wie die neostalinistischen Gruppen RIM und MLPD, aber nicht den Ostblock.

Die Endung ML bei kommunistischen Organisationen oder Gruppen hieß eigentlich immer so viel wie: kommunistisch und gegen das Sowjetlager gerichtet.

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Natürlich war mein China / Deutschland unter Adenauer Vergleich auf einen bestimmten Aspekt bezogen, nämlich der einer sehr apolitischen sowie karriere- und konsumorientierten Gesellschaft. Selbst da bin ich mir nicht wirklich sicher, aber zumindest das hätte ich kenntlich machen sollen.

Bleibt allerdings der Befund, dass die Wucht des chinesischen Aufschwungs die bei weitem wichtigste Ursache für eine dramatische Veränderung auf diesem Planeten darstellt. Nämlich von etwas, was wir früher mal Nord-Süd Verhältnis nannten. Heute reden wir von Schwellenländern:
- Sehr weit fortgeschrittene Pläne der BRICS, ein eigenes Finanzsystem zu schaffen
- seit etwa 2000 ist das Pro-Kopf Wachstum Afrikas, Südamerikas und Asiens deutlich höher als das der traditionellen ökonomischen Führungsmächte
- eine geradezu explodierende Süd-Süd Verpflechtung in Investitionen und Handel
- eine immer schwächere Stellung der USA. Selbst OAS Veranstaltungen erhalten durch Anspruch und Wirklichkeit der Rolle der USA in der Westlichen Hemisphäre eine Note der unfreiwilligen Komik.

Sicher kann man die von euch genannten Autoren mit persönlichen Gewinn lesen. Aber wirtschaftspolitisch wird die vermutlich sehr schwungvolle Schreibe den heutigen Realitäten einfach nicht mehr gerecht. Für die Periode zwischen 1950 und 1970 schien eine Auseinanderdriften von "Entwickelter" und "Unterentwickelter" Welt auf der Hand zu liegen. Danach begann der Aufschwung in nicht-japanischen ostasiatischen Ländern. Und als alte Materialisten können wir den Aufschwung weiterer Regionen wie Lateinamerika, Indien, die Türkei, Teile Afrikas und unsere Krisen seit etwa 2002 einfach nicht mehr übersehen.
Mir ist in Chile eins sauklar geworden: EINE SCHLAGKRÄFTIGE LINKE STELLT FÜR EINE TRANSITION EINER GESELLSCHAFT VON EINER ARMEN ZU EINER WOHLSTÄNDIGEN EINE NOTWENDIGE BEDINGUNG DAR. Die deutsche Linke, zu deren radikaleren und dabei sehr einflusslosen Teil auch mein Opa gehörte, hat viel zu dem Aufbau der deutschen Gesellschaft beigetragen. Dass ich den Chavismo grundsätzlich und die deutsche LINKE im aktuellen Zustand für den größten Unsinn seit dem Yps-Gimmick: "Die geheimnisvollen Urzeitkrebse" halte, bedeutet nicht, dass ich linke Strömungen grundsätzlich ablehne. Im Gegenteil unterstütze ich etwa Proyecto Combi der Holding Precario (try google) explizitst und ein wenig finanziell solange meine Geschäfte gut laufen und bedaure sehr, dass ich das nie von der Steuer absetzen kann. Ich stimme nicht mit allem überein, aber deren Analyse sowie grundsätzliche Haltung halte ich einfach für weltklasse und notwendig. Das letzte, um mal klar zu sagen, auf welcher Seite ich stehe, ohne mich hier irgendwie anbiedern zu wollen.

Die Neue Linke besitzt aus meiner Sicht deutliche Schwächen, zwischendurch mal das Arbeitszimmer aufzuräumen, wozu auch das Wegschmeissen alter "Gewissheiten" gehört.

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Um mal klar zu machen, wovon wir hier sprechen
Der Anteil, den die Dependenztheorie am Neuen Antimperialismus hat ist sehr begrenzt, es geht hier auch weniger um den Gegenstand als die Methode. Unsereins behauptet ja gar nicht, dass sich die lateinamerikanischen Länder in den gleichen Abhängigkeitsverhältnissen befinden würden wie in den 1970ern. Sondern es wird die Frage gestellt, inwieweit vergleichbare Dependenzstrukturen zwischen Staaten wie Ägypten und den USa/der Eu bestehen und wie dies mit subsaharischen Staaten aussieht. Oder ob angesichts von Pornoindustrie, Propagierung bestimmter Schönheitsideale bis in den Intimbereich hinein (modische Genitalenthaarung z.B.) und dem Revival von Machoidealen und dem Sich-Anpassen von heterosexuellen Frauen an die medial propagierten Erwartungshaltungen der Männer (nachdem das eine Zeitlang mal stückweise etwas anders aussah) von Dependenzstrukturen im Bereich des Sexuellen geredet werden kann und ob der Kampf um sexuelle Selbstbestimmung eine Dekolonisierung darstellt und was das für die Praxis bedeutet. SOOO abstrakt ist die Rezeption der Dependenztheorie im Diskurs des Neuen Antiimperialismus, das hat nichts mit Befreiungskämpfen aus alten FSLN-Hochzeiten zu tun.

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