Freitag, 18. Mai 2012
Trauer für Donna Summer
Erst Whitney Houston, dann Donna Summer -scheint gerade mal wieder Generationenablösung bei den großen Diven zu sein. Schon sehr sehr traurig.

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Donna Summer? Groß? Diva?

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Das frage ich mich auch. Was ist an der Stöhntante so bemerkenswert? Ihre Musik ist langweiligster Mainstream, aufgepeppt durch ein bischen Sex (solange sie jung genug dazu war). Aber so ist das eben in der kapitalistischen Kulturindustrie, da reicht es auch, gut auszusehen und eine einigermaßen passable Stimme zu haben, um ein großer Star zu werden.

Übrigens hielt sie Aids für Gottes Strafe gegen die unmoralischen Homosexuellen, s. hier:
http://books.google.de/books?id=rrsDAAAAMBAJ&pg=PA38&lpg=PA38&dq=donna+summer+aids&hl=de#v=onepage&q=donna%20summer%20aids&f=false

Klassischer Fall von Homophobie. Darüber hinaus war sie ein „Born again Christian“, gehörte also zu evangelikalen Richtung des amerikanischen Christentums.

Das diese Frau immer bereit war, die sexy Bimba für weiße Männer zu geben sieht man sehr schön in diesem Filmchen: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=qfzuqTebfZQ

Joachim Fuchsberger ist sichtlich angetan von ihr.

Momorulez liegt wie üblich mit seiner Einschätzung völlig daneben: „weder die BeeGees noch Donna Summer waren Kapitalismuskritiker, so gar nicht, aber in deren Sound lag eben doch was, was über die Affirmation des Bestehenden hinaus wies.“

Ich lach mich scheckig!

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die Bee Gees haben immerhin einen kritischen Song in ihrer Frühphase aufgenommen: http://www.youtube.com/watch?v=KCRqAzCevsY ... in diesem ging es auch um das Aberfan-Unglück, wo 1966 eine schlecht gesicherte Abraumhalde insgesamt 144 Menschen, darunter eine Schule mitsamt 116 Kindern unter sich begrub

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ob Donna Summer eine Div war, liegt wahrscheinlich im Auge des Betrachters. Und Diven sind nun mal immer "groß".

Donna Summer wurde halt mit dem ersten Hit aus dem Gewohnten herauskatapultiert. das war einfach genial, und dann musste es einfach weitergehen.

willy56 (ich meinte NICHT MARK793), du verwechselt die Leute mit dem Phänomen, das sie darstellten. Im Pop handelt es sich immer um Phänomene. du borgst dir etwas, was du wohl für linke Kritik hältst, um dann das kritische, meinetwegen revolutionäre Potential der Künstler als Menschen infrage zu stellen, und wenn sie dessen Fehlen nicht erkannt hätten, gehst du, hier auf: momorulez los. dazu hängst du dich an den Ausdruck "große Diva" - wie billig!

und dazu ist dir nichts zu schade. Pop, also populärer Pop, was zum Hit wird, im Radio gespielt wird, ist immer die Feier des Bestehenden, die Hymne aufs Jetzt, und wer keine Ohren hat, der hört eben auch nicht, wenn etwas deshalb heraussticht, weil es einfach gut ist.

Donna Summer war - live - gänzlich unprätenztiös, wie übrigens Whitney Houten auch, eben eine Musikerin, sogar etwas linkisch. tja, und einmal "herauskatapultiert" bot sie sich an für Experimente (I feel for Love).

Die BeeGees, ich sah da immer nur gestutzte Bärte (und Frisuren) und blendend weiße Zähne. und wer nichts anderes erwartet als das Gewohnte, die Bestätigung des Bestehenden, der erkennt eben auch nicht das Hervorstechende des Neuen. trotzdem dudelt es ohn Unterlaß übers Radio.

Und so haben die, obwohl sie keiner wirklich haben wollte, eben Pop-Musikgeschichte geschrieben. Es gehört schon ein bisschen Mut dazu, gut zu sein. Warum nicht eingestehen, das erst später kapiert zu haben? aber ums Kapieren geht es dir ja gar nicht. schon gar nicht, das was momo geschrieben hat. nur immer dümmlich feste druff. man! das langweilt!

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Ziggev, lass mir Mark in Ruhe!
Der hat nämlich hier noch gar nichts geschrieben, Du meinst Willy.

Btw. Donna Summer war eine der erfolgreichsten, produktivsten und stilprägendsten Sängerinnen der Popgeschichte, ein Superstar. Dass sie das war ist Fakt jenseits der Fragestellung, ob man die gut findet oder nicht. Was Momorulez drüben über sie schreibt hat ein Gehalt von Wahrheit in sich, das mit der Bedeutung zu tun hat, die Disco (nicht nur als Musikrichtung, sondern als subkulturelle Strömung) für Schwule und Lesben insgesamt hatte, darüber hinaus mit dem spielerischen Umgang dieser Musikrichtung mit vorhandenem Material, den "Meistern am Mischpult", zu denen manche Komponisten der 70er wurden, später dann DJs (auch der HipHop basiert darauf). Disco ist wirklich nicht meine Musikrichtung, aber die Bedeutung Donna Summers wie auch der BeeGees für die Entwicklung der Popmusik ist so epochal wie die von Elvis, den Beatles, den Stones oder den Doors. Dass Momorulez, der von dieser Materie wirklich sehr viel versteht zugleich seine persönliche emotionale Bindung an diese Musik, die ihn sehr geprägt hat einbringt und um Donna Summer wirklich trauert finde ich höchst verständlich.

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oh, sorry - ist etwas heiß und ich gleich beim Badesee
und - I agree.

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Ja, wenn ich hier schon gerufen werde,
dann muss ich die Gelegenheit nutzen, für die Stöhntante und den, öööhm, Eunuchen-Kleinchor eine Lanze zu brechen. Persönlicher Musikgeschmack ist eins, und die Analyse des popgeschichtlichen Wertes was anderes, und wer das nicht auseinanderhalten kann, ist eine arme Wurst, die nur in der eigenen Brühe kocht.

Mir persönlich ging beispielsweise Kurt Cobain mit seinem bipolaren Gekreische eher am Allerwertesten vorbei, trotzdem bleibt festzuhalten, dass er mit seiner Combo einer Menge Leute sehr viel gegeben hat. Meins war die Disco-Welt auch nicht unbedingt, aber die Single "I feel Love" von Donna Summer müsste ich sogar noch irgendwo haben, die war nämlich ziemlich richtungsweisend. Und der "Saturday Night Fever"-Soundtrack von den Bee Gees ist ja wohl über alle kleinliche Kritik erhaben. Ansonsten: Was che sagt. Das ist die Art Beiträge, für die ich Momos Blog sehr schätze, trotz des für mich nur sehr sehr schwer nachvollziehbaren Films vor einem halben Jahr.

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Wobei der Film ja nun gerade weiterläuft: Inzwischen wird mir wohl dort ein "Rechtsruck" unterstellt, weil ich die ironisierende bis veralbernde Art, wie man in meinem multitethnischen Umfeld mit Alltagsrassismen umgeht thematisiert hatte. Das wird dann völlig verdreht so gewertet, dass ich behaupten würde, rassistische Beleidigungen gäbe es gar nicht. Wenn man mir eines vorwerfen kann, dann ist es, mich in den 9 Jahren, in denen ich mein Blog betreibe politisch in keine Richtung geändert zu haben. Ich stehe immer noch genau da, wo ich 1992 gestanden habe. Gut, die Antiimp-Phase war was Anderes, da kann man tatsächlich von Rechtsruck sprechen. Wie rechts ist man, wenn man rechts von linksradikalen Guerrillagruppen steht?

Habe den Eindruck, da sucht jemand ständig Belege für meinen Verrat an gemeinsamen Wertvorstellungen, um sich nicht einzugestehen, dass er mit seinem Freundschaftsbruch in die Wüste gelaufen ist.

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Na ja, ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn sich Leute für Discomusik begeistern. Ich höre selber gerne mexikanische Rancheras oder Lieder von Luis Miguel, die schrecklich kitschig sind. Aber ich bastele mir daraus keine Weltanschaung oder blase meine persönlichen Vorlieben zu allgemeingültigen ästhetischen Urteilen auf. Warum reicht es nicht, wenn Momo Disco mag und ich Luis Miguel? Und ich unterstelle vor allem anderen, die meine Vorlieben nicht teilen, keine üblen Absichten. Zu sagen, dass „Eben jene reaktionären Wixer, die bei “Disco Sucks!”-Veranstaltungen Platten verbrannten, was sie jedoch lieber gleich und am liebsten auch mit Queer- und People of Colour gemacht hätten.“ Leuten, die Disco nicht mögen zu unterstellen, sie planten bzw. wünschten die Ermordung von deren Fans ist jedenfalls ein durch nichts zu entschuldigender Fauxpas (die wie selbstverständlich erfolgende Vereinnahmung von Schwulen und Farbigen für seinen Verfolgungswahn ist natürlich eine Unverschämtheit für sich). Discomusik ist als Musik betrachtet objektiv drittklassig, konventionell und völlig kommerziell. In sofern typisches Phänomen dessen, was Adorno und Horkheimer als „Kulturindustrie“ bezeichnen. Ich halte ja von diesen beiden Autoren generell nichts, aber Leuten, die sich ständig auf sie berufen, müsste es eigentlich auffallen, dass die Popmusik genau das darstellt, was sie da beschreiben; eine ständige Folge von sich ablösenden Moden, die sich weitgehend gleichen und nur kommerziellen Zwecken dienen. „Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit“ heißt es bei Adorno/Horkheimer, und das trifft auf 90% aller Popmusik perfekt zu; immer der gleiche Rhythmus im 4/4-Takt, immer die gleichen paar Harmonien, immer die gleichen E-Gitarren oder synthetischen Klänge. Es gibt kaum öderes; wer an einem Ort arbeitet, an dem den ganzen Tag das Radio läuft, weiß wovon ich rede.

„du verwechselt die Leute mit dem Phänomen, das sie darstellten.“

Mag ja sein, aber dann bitte die gleichen Maßstäbe für alle anwenden. Wenn Donna Summer Homophobes von sich gibt und das irrelevant für ihren Rang als Künstlerin (oder gar als angebliche Schwulen-Ikone) ist, verstehe ich eigentlich nicht, wie man Dieter Hallervorden Rassismus vorwerfen kann, weil er in seinem Theater einen schwarz geschminkten Schauspieler auftreten lässt, oder weil man es unterließ, eine Mohrenfigur aus eine Raum zu entfernen, in dem eine (selbsternannte) Farbigen-Repräsentantin auftreten sollte? Wenn Donna Summer ein „Born again Christian“ sein kann (übrigens genau wie Ungandas Präsident Museveni, ein übler Schwulenverfolger) ohne dass es ihren Rang mindert, warum muss man dann praktisch jeden Katholiken für die Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen zur Verantwortung ziehen, wie es Momo tut?

Es geht bei dieser ganzen Gruppe von Leuten, zu denen Momo und Frau Lantzsch gehören in erster Linie darum, dass dem eigenen kostbaren Ego endlich die Aufmerksamkeit zukommt, die es zu verdienen meint. Und die Welt weigert sich strikt, diesem Wunsch nachzukommen; da kann man dann schon mal hysterisch werden.

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aus dem Musik- und Kunstgeschmack eine Ideologie zu machen ist leider sehr verbreitet, in den Vorstadt-Antifagruppen welche ich kannte war wohl die Mehrzahl der Aktiven der Meinung, dass wer beide Richtungen (Punk & Hardcore) hört eigentlich damit auch politisch schon auf der richtigen Seite steht, dass Reggae (war bevor die ganzen reaktionären Dancehall-Figuren in der BRD bekannt wurden), Ska (exklusive Songs wie "Wet Dreams" und "Big Bamboo") und Metal sowie seit den LA-Riots auch Rap ok war, alles andere und v.a. (aus unerfindlichen Gründen) Nirvana und Doors (wussten wohl nicht, dass das die Lieblingsband von Christian Klar ist) aber zumindest verdächtig war, ausser bei GenossInnen die als "inhaltliche" Politcracks galten und daher auch Stravinsky, Stranglers oder Steppenwolf hören durften und lange Haare, Bärte, lange Röcke etc haben durften ... ein wenig wurde dass von dann von Gothic-Fans aufgebrochen ... und irgendwann kam dann zum vorschein, dass einige eingefleischte Polit-Punks auch Udo Jürgens-, Abba-, Kim Wilde- und Bee Gees-Platten besassen, die aber vorher nur heimlich gehört wurden

apropos Adorno & Musik: http://entdinglichung.wordpress.com/2008/08/14/theodor-w-adorno-das-altern-der-neuen-musik-1955/ & http://entdinglichung.wordpress.com/2010/08/18/adorno-live-on-stage/

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im Zimmer neben an läuft bei meinem Kollegen gerade Donna Summer; tja, und es gefällt mir. So wichtig, als dass ich mir Platten gekauft hätte, habe ich Pop nie empfunden (abgesehen von Chuck Berry). Als ich mir Schallplatten leisten konnte, kaufte ich mir Monk oder Coltrane oder Coleman. Ja, und damlas war mir Disco noch viel weniger wichtig. Ich kanne nur das Cover von Donna Summer; das war irgendwie uncool; Glitzer-Kitsch, sexualisierter Kram. Nur dann stellte sich heraus, dass ich quasi alles von der kenne, wie auch von den BeeGees. Vom Radiohören. Saturday Nightfever, den Film, kenne ich nur von der MAD-Verarsche.
Und es stellt sich herraus, dass sehr viel Musik, die ich gern im Radio hörte, die unmittelbar "bestrickend" war, wenn ich mich so ausdrücken darf, aus dem Bereich Disco, von Donna Summer stammt. Ich dachte, ohne an Kategorisierungen zu denken, aha, das ist also Pop, oder meinestwegen Disco. Die BeeGees konnte ich lange Zeit gar nicht zuordenen; bis der Tag kam, ah-so, diese hohen Stimmen; das ist der Augenblick: Moment mal, das ist ja gut, und die Qualität lässt nicht nach, den Namen darf man sich also schon merken.
Mal eben so aus der Lameng nen neuen Stil kreieren - und dann gleich wie die Faust aufs Auge - für einen Teil einer ganzen Generation eines bestimmten Alters der Soundeiner Epoche - , was ich ins Ohr bohrt und hängen bleibt, was ist Pop, wenn nicht das?
Und was nebenan eben lief, das war gut arrangiert, das war Big Band Sound, wie sich´s gehört, und mit Streichern, was in jazzverandten Stilen von Motown eingeführt worden ist. Keineswegs drittklassig.
Übrigens, wenn jemand einen Stil nicht mag, wer verbrennt der dann Schallplatten?
Dein Verdikt: "drittklassig" musst du, wenn schon, auf die gesamte Popmusik ausdehnen, aber darüber haben wir doch gar nicht geredet, oder?
Ich definiere: ein Klassiker ist das, was, als es neu war, bereits vollendet, und was in der Folge nicht mehr übertroffen wurde. Und hier haben wir es mit Kalssikern zu tun, da beißt die Maus kein´´ Faden ab. Horkdorno: „Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit“ - und wenn nun jemand dann "noch ähnlicher" ist, und trotzdem originell: das ist die Kunst im Pop.
Du hörst, wenn ich´s richtig verstanden habe, Volksmusik. Ist es denn so schwer zu verstehen, dass jazzverwandte Stile aus der unmittelbaren musikalischen Praxis entstanden sind. Heute entstehen immer noch neue Stile, im Hip Hop und so weiter. Ich finde es natürlich, einer Zeit nachzutrauern, als sich im Pop noch etwas bewegte.
An Homophobei- und Rassismusdiskursen beteileige ich mich nicht. Erst recht nicht, wenn mit Pauschalzuweisungen gearbeitet wird. Was du momo vorwirsft, machst du ebenfalls; deine Vergleiche hinken. Ein Kabarretist hat durchaus eine andere Verantwortung als ein Popmusiker oder eine Popmusikerin. Letztere sind dafür verantwortlich, wenn nach der Schule, aus dem Fenster blickend, "ein Grauschleier über der Stadt [hängt], den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat", der Moment passiert, als würde die Zeit stehenbleiben, als könnten sich noch gar nicht geweckte Sehnsüchte erfüllen, sie ist dafür verantwortlich, wenn einem danach ist, aus der Haut fahren zu wollen, zu tanzen zu hüpfen, zu schreien, zu weinen ...
Und die, die das bewirken, gehören nunmal in den Olymp des Pop. Es sind diese Momente, die es mal gab, dass etwas tatsächlich herausstach. that´s all.

Leuten persönliche, psychologische Motive zu unterstellen ist müßig und wäre allenfalls theoretisch interessant - in der Auseinandersetzung mit den Betreffenden, wahren Interesse auf beiden Seiten vorausgesetzt; es ist mir rätselhaft, was das soll. So etwas nehme ich von vorneherein nicht ernst; hat das nicht vielleicht etwas mit den Egos der Beteiligten zu tun, wie sieht´s mit Deinem Ego aus, ach, es ist alles so witzlos!

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Mit anderen Worten: Du magst eben Popmusik und es gefällt dir nicht, wenn andere sie nicht mögen. Sei dir unbenommen.

Aber vielleicht kannst du mir erklären, welchen halbwegs vernünftigen Grund es gibt für die Unterstellung, wer Discomusik nicht möge, möge auch keine Farbigen und Homosexuellen?

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weder kann mensch vom Musikgeschmack auf eine weltanschauliche Einstellung, noch kann mensch von der weltanschaulichen Einstellung auf den Musikgeschmack schliessen, mir oder FreundInnen ist da schon allerlei Bizarres über den Weg gelaufen: Naziskins die regelmässig auf Skakonzerte gehen, ein "antideutsch" angehauchter Mensch, welcher mehrere Dutzend Richard Wagner-CDs im Schrank stehen hat, ein Christ zu dessen Lieblingsbands Ministry, Fields of the Nephilim und Depeche Mode gehören ...

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@ entdinglischung: widerspricht das nicht dem, was du zuletzt postetest? BTW, danke für den Link; werde mir ggf. mal den Adorno an dieser Stelle im Original reinziehen.

@ willy56 "Was ist an der Stöhntante so bemerkenswert? Ihre Musik ist langweiligster Mainstream, aufgepeppt durch ein bischen Sex (solange sie jung genug dazu war). Aber so ist das eben in der kapitalistischen Kulturindustrie, ..."

Lies dir mal durch, was entdinglichung vor seinem letzten Kommeantar schrieb. Ich war, jedenfalls was dieses unausdenkliche Distingstionsgewinnlertum betrifft, zum Glück! nicht dabei! Die Gnade der späten Geburt!

Bei entdinglichung klingt ja auch, was ich jetzt ein wenig frech hineinlese, bis zu einem gewissen Maß - eben was dieses Distingstionsgewinnlertum angeht - Beschämung durch, im weitesten Sinne zu Kreisen dazugehört zu haben, wo sich sowas abspielte. Hier jetzt das Perfekt, weil diese Zeit ja, so, wie er sie schildert, der Vergangenheit zugehört. Oder doch hoffentlich zugehören sollte. Explizit zu politischen Positionen mich zu äußern, bin ich nicht der Kerl. Wie gesagt, das interpretiere ich vielleicht bloß wo hinein, ich jedenfalls schäme mich bis heute dafür, solche Tendenzen auch nur in Ansätzen, bis zu meinem 15 Lebensjahr, entwickelt zu haben.

Geht es noch peinlicher? Wie gesagt, deine Verdikte treffen die gesamte populäre Musik. Aber wie können mehr oder weniger Erwachsene Menschen soetwas ernst nehmen? Bärte, lange Röcke, oder Lederjacken ... all das sind symbolische Welten, die den Zweck haben, sich abzugrenzen. Natürlich bringt es weniger Spaß, gewandet in Normalo-Spießer-Klamotten beim Punk-Konzert Pogo zu tanzen, das spricht aber weder für noch gegen die Musik.

Und ist noch nie jemandem die Idee gekommen, dass dieses Distingtionsgewinnlertum ganz genauso zum Verblendungszusammenhang gehört wie die Produkte der Kulturindustrie selbst? (Das frage ich mich im Ernst.) Wenn ich mir vorstelle, dass Leute, die ihr politisches Engagement durchaus ernstnahmen/nehmen, und welches ich auch nicht kleinreden will, keineswegs, edit: sich in solche Diskussionen verstrickten und ich da hineingeraten hätte können, erfasst mich das kalte Grauen. Es wird nicht nur die schönste, es wird auch die zweitschönste Nebensache der Welt in Geiselhaft genommen.

Die Folge von solchem kleingeistig-spießigen Neinsagen ist geistig-musikalisches Verarmen. Dafür habe ich schon einmal Prügel bezogen, als so eine Diskussion stattfand und ich verlautete, "ihr habt von Musik keine Ahnung". Wem´s nicht in die Wiege gelegt ist, wer also nicht mit dem musikalischen goldenen Löffel im Arsch geboren worden ist, wird dann notwendig nie bei Schönberg oder Webern landen; und infolgedessen Adorno auch nicht in Gänze begreifen.

Es geht nicht darum, ob jemand etwas nicht mag oder mag. Es geht mir um das lieblose, unmusikalische ahnungslose Neinsagen, um, ich weiß nicht bei wem, Punkte zu machen. Ich selbst bin zwar nur ein mittelmäßig begtabter Hobbymusiker. Aber mein Kollege, ein Gitarrist, der gestern nebenan Donna Summer hörte, seit Jahren in Sachen Jeff Healey, Jimmy Page, Ritchie Blackmore, Steve Vai, Joe Satriani, Yngwie J. Malmsteen, unterwegs, AC/DC spielt der sowieso im Schlaf, der war echt getroffen als der von Gibb´s Tod erfuhr; auch schlug er gleich vor, ein Stück von Donna Summer nachzuspielen.

Die symbolischen Welten sprach ich ja bereits an. Es ist dieses ostentative distinktionsgewinnlerische Neinsagen, das mir auf die Eier geht. Und Plattenverbrennen, ich wiederhole mich, ist eben nicht "nicht mögen", es ist solches ostentatives Neinsagen. Da lese ich lieber eine Liebeserklärung an eine Popsängerin (die diesmal ohne jeglichen "Soziolekt" auskommt, und bei deren Verfassen der Autor sich ofensichtlich Mühe gegeben hat, Satzbau, Stil etc.) als irgendwelche Besserwisserei und drittklassigen Adorno-Mainstream. Der geäußerte Verdacht ist lediglich einen Schritt weitergedacht.

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Pop-as-Pop-can
@ willy56
Ob ausgewiesene Kleistexperten oder Kenner der Popmusikszene: immer springt der gute Onkel Bersarin ein, um mit Tat und Rat zu helfen, um profundes Wissen weiterzureichen, da wo es dumpf dunkelt und damit die Welt sich bessere. Und wenn Schwesterchen mal den Neffen abgibt, dann singt der Onkel ihm „Dem Morgenrot entgegen“ vor. Irgend etwas bleibt immer haften, denke ich mir onkelhaft – und sei es durch beständige Wiederholung. Jedoch: bei manchen freilich hege(l) ich so meine Zweifel. Aber wie dem auch sei: an dieser Stelle bin ich bereit, ein wenig gegendialektisch aufzuklären. Auch deshalb weil Du, willy56, an einen Streit andockst, der nicht der Deine ist und ein wenig, so dünkt es mich, Dein Süppchen darauf kochen und billigen Triumph gegen Momorulez einfahren möchtest.

Zur Popmusik: Hören kann jede und jeder, was er mag – darum geht es in dieser Sache überhaupt nicht. Wenn Du die Volksparade der Schlagermusik hörst, finnischen Punk oder Musik aus Mexiko: bitte sehr. Von der Qualität dürfte der Schlager in etwa auf der Stufe zahlreicher Punk-Stücke liegen. Ja: Adornos Analyse im Kapitel zur Kulturindustrie (in der DA) und sein wesentlicher Aufsatz von 1938 „Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens“ brachten es auf den Punkt, was die Bewertung der ästhetischen Qualität dieser Produkte sowie die Einschätzung des Rezeptionsverhaltens betraf, und mich freut Deine Einsicht, Willy.

Das eine ist also die ästhetische Qualität eines Musikstücks, für die sich Kriterien angeben lassen, das andere aber seine Möglichkeiten des Ausdrucks sowie der damit verbundenen Kontexte und Subtexte. Und hier setzt etwas ein, was es zu Adornos Zeit nicht gab: Jugendkultur und bestimmte Szenen und Subszenen, denen es darum ging, Ausdrucksformen zu finden und zu entwicklen, um sich selber in Position zu bringen. Insbesondere marginalisierte Gruppen fanden hier in der Musik Möglichkeiten, sich auf einer breiten Basis eine Sprache zu verschaffen, die nicht die Sprache der restriktiven und diskriminierenden Gesellschaft ist. Dabei spielt die Qualität eines Musikstücks lediglich eine untergeordnete Rolle. Damit in Zusammenhang steht das Phänomen der Mode, des Kleidungsstils. (Ich selber sehe diese subversiven Potentiale eher kritisch, aber darum geht es in diesem Zusammenhang nicht und das wäre dann ein Thema für sich.)

Ich schreibe mal trotzdem von mir her: Rolling Stones, Supertramp, Genesis, Foreigner, Toto, BAP, Westernhagen waren für mich in den frühen 80ern nicht deshalb schlecht, weil die Stücke von der Qualität als ungenügend sich erwiesen, sondern weil sie von uninspirierten Spacken gehört wurden. Und weil Punk uns als Mittel der Differenzerzeugung nicht ausreichte, so nahmen wir noch Diamanda Galas, Schönberg, Stockhausen und The Bangles in unseren Kanon auf. Ähnlich, wenngleich inhaltlich in anderer Weise verhält es sich mit den Bee Gees und Donna Summer – unabhängig von Summers (getätigten oder nicht getätigten) Äußerungen über Schwule. Es gibt, wie Madonna oder Kylie Minogue (Your Disco Needs You), Künstler, die setzen sich für Schwule ein, andere tun‘s nicht. Wieweit auch dieses Engagement mit einem bestimmten Image zu tun hat, das man sich als Pop verschafft, um zu verkaufen, steht auf einem anderen Blatt. Angelic Upstarts sangen in „Teenage Warning“: „Is my image right for your fashion parade. If it don't look right your days are numbered“

Was Pierre Bourdieu in „Die feinen Unterschiede“ beschreibt, das gilt, als ein Stück gesellschaftlich notwendigen Bewußtseins, mit dem nötigen Abwandlungen nicht nur für die Kunst, sondern ebenfalls für den Pop: den Sinn für Distinktion und Ausdrucksformen zu entwickeln und zugleich aber (das wäre mein Zusatz) darüber zu reflektieren.

Und da liegt dann auch der Unterschied zwischen Hallervorden und Summer: Hallervordens Inszenierung dieses Theaterstück vermittels der Schminkaktion kann man nicht in einen anderen Funktionsrahmen bringen, es ist dieses Verhalten per se rassistisch. Die Musik von Donna Summer ist jedoch nicht – bereits aus sich heraus – homophob, sondern bietet Möglichkeiten, einen Rahmen für eine bestimmte Form von Leben zu finden. (Nochmals: ich stehe diesem Sich-selbst-finden eher kritisch gegenüber, da ich den Begriff des Selbst bereits für problematisch erachte.)

Wenn Rednecks und sogenannte harmlose, gute Menschen, die sich selber als durchschnittlich und normal begreifen, in den USA in Stadien öffentlich Dicoplatten verbrennen und wenn mit der Disco-Musik u.a. eine schwule Szene sich verbindet, dann muß man schon von ziemlich geringem Verstand sein, um da keinen Zusammenhang zu sehen. Momorulez beschrieb in seinem Blog diese „Disco sucks“-Veranstaltungen treffend, so daß kein Zweifel bleibt. Nein, auch ich mag Disco-Musik nicht, ich mag die Bee Gees nicht, ich kann Donna Summer nicht leiden, ich kann überhaupt Pop nicht ausstehen, aber ich sehe zumindest den Subtext und die an Pop andockenden Diskurse. Keiner auf der Welt hört einfach nur so Musik, weil sie ihm gefällt, sondern sie und er bringen damit zugleich – auch contre cœur – eine Einstellung und Gefühlswelten, sogar Politik auf den Punkt und in die Öffentlichkeit. Musik ist eine Weise von Welterschließung, und Subjekte positionieren sich vermittels einer bestimmten Musik in der Welt. Auch der, welcher behauptet, er höre einfach so, hört nicht einfach so. (An diesem Punkt werden mir Momorulez und andere widersprechen und das Moment der Lust am Ausdruck betonen.)

Wenn wir in der Schule „Belsen was a Gas“ (Sex Pistols) gesungen haben, so brachten der Freund und ich dadurch nicht zum Ausdruck, daß wir es schön finden, Menschen umzubringen, sondern im Gegenteil: Wir knüpften an den Diskurs von Dada an, freuten uns an der Provokation der linken Cordhosen-Umhängetaschenlehrer und der Friedensbewegten. Die Lilalatzhosenträgerin und ich schauten uns aber deshalb trotzdem sehr verliebt in die Augen und wenn sie sich mit ihrem augeleierten, ausgeblichenen T-Shirt so weit und so ungeheuer vorbeugte, dann ging für mich eine Sonne auf. Und sie wußte das auch ganz genau und lächelte und ließ mich zappeln.

Diese Subtexte und Bezüge, die eben auch bei Donna Summer und den Bee Gees mitlaufen, siehst Du nicht, Willy56 – kannst oder willst sie nicht sehen. Und natürlich stimmt Momorulez Satz: „weder die BeeGees noch Donna Summer waren Kapitalismuskritiker, so gar nicht, aber in deren Sound lag eben doch was, was über die Affirmation des Bestehenden hinaus wies.“ Diese Frage stellt sich nämlich immer innerhalb der subversiven Diskurse einer Jugendkultur: wie pole ich um?

Am liebsten machte ich aus diesem ganzen Komplex einen eigenen Blogbeitrag, ums verständlich zu machen. Demnächst vielleicht auf „Aisthesis“.

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Bei Robert Crumb
gibt es in einem seiner Comics eine Szene, in der ein durch die Ünterdrückungsverhältnisse sichtbar depravierter Schwarzer zur Gitarre singt: Ol' man river doesn't plant cotton.

Ich glaube, dass Crumb so den Sound sich vorstellte, von dem der dargestellte Musiker sich vorstellt, dass er über die Affirmation des Bestehenden hinausweist.

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"Und hier setzt etwas ein, was es zu Adornos Zeit nicht gab: Jugendkultur und bestimmte Szenen und Subszenen, denen es darum ging, Ausdrucksformen zu finden und zu entwicklen, um sich selber in Position zu bringen."
Vielleicht sollte man sagen, "was es zu Adornos Zeit so nicht gab", nämlich nicht in dieser Intensivierung, wie sie dann erfolgte. Die Abgrenzung der noch nicht pubertierenden, der pubertierenden und der nicht mehr pubertierenden jungen Menschen von den Alten erfolgte jedoch schon früher durch Musik, Sprache, Verhaltensweisen, Anschauungen und Kleidung. Die legendären Rock 'n' Roll-Krawalle der 50er Jahre führten zur Komplettzerlegung ganzer Hallenbestuhlungen und Schlägereien mit der Polizei.

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Der Hausherr meldet sich zurück
@entdinglichung: "aus dem Musik- und Kunstgeschmack eine Ideologie zu machen ist leider sehr verbreitet, in den Vorstadt-Antifagruppen welche ich kannte war wohl die Mehrzahl der Aktiven der Meinung, dass wer beide Richtungen (Punk & Hardcore) hört eigentlich damit auch politisch schon auf der richtigen Seite steht"


----- So ähnlich kannte ich das auch, allerdings nicht so dogmatisch festgelegt, eher: Punk, Hardcore, begrenzt Heavy Metal (hier schied sich die PC- von der Non-PC-Fraktion), Doors, spezifische Szene-Mucke wie Scherben, Slime, Cochise und Swinging Mescalero, später brachte die Autonome Antifa (M) Techno ins Spiel, noch später kamen spezielle, düstere Darkwave-Richtungen wie Doom. In Bremen spielte Metal eine viel größere Rolle (nicht zuletzt heißt im Ostertor-Viertel eine Disse "Eisen"), und in Göttingen waren immer Brit-Pop -Britta poppen ist dann noch ein anderes Thema ;-) - und auch Ska wichtig, heute ist Ska da dominant. Vernünftig und rational vermittelbar ist da gar nix, komme auf diesen Themenkomplex nochmal im nächsten Auszug aus meinem Szene-Roman zurück.

@Bersarin: "Wenn Rednecks und sogenannte harmlose, gute Menschen, die sich selber als durchschnittlich und normal begreifen, in den USA in Stadien öffentlich Dicoplatten verbrennen und wenn mit der Disco-Musik u.a. eine schwule Szene sich verbindet, dann muß man schon von ziemlich geringem Verstand sein, um da keinen Zusammenhang zu sehen. Momorulez beschrieb in seinem Blog diese „Disco sucks“-Veranstaltungen treffend, so daß kein Zweifel bleibt" ---- Eben, es ging darum um öffentlich inszenierte Homophobie und latenten Faschismus, das hat mit Musik selber nichts zu tun. Habe in der Hinsicht von Momorulez und Loellie auch viel gelernt. Daraus aber im Umkehrschluss abzuleiten, wer Disco nicht mag sei homophob und rassistisch ist schwachsinnig.


Wie pole ich um? ist die wichtigste Frage in dem ganzen Kontext. Da warte ich gespannt auf den nächsten tollen Aisthesis-Beitrag.

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den halbstakten,
der während eines Bill Haley (!)-Filmes die Bestuhlung des Kinos zerlegt, hätte Adorno wohl dem Genusshörer zugeordnet, dem das Hören dem Biertrinken und Zigarettenrauchen gleichkam;
bezeichnenderweise wählt Adorno für einen Typus des Ressentiment-Hörers den Ausdruck Jazz-Fan; denke ich an "Jazz-Fans" aus der Zeit, die sich auch tatsächlich als Ressentiment-Hörer i.S. Adornos sahen, jedenfalls verhielten, dann muss ich unwillkürlich an die Tanzversuche eines Udo Jürgens, die in einigen s/w Fernsehproduktionen aus den 60ern zu bewundern ist, denken; etwa genausowenig hat das Jazzfantum mit Jazz zu tun, Adorno konnte es in den 50ern und frühen 60ern ja nicht besser wissen; welche Blüten das Ressentiment-Hören in den folgenden Jahren noch treiben sollte - das hätte der gute Wiesengrund sich wohl kaum auszumahlen vermocht.

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ansonsten noch was für die ganz Harten zum Thema Musik: "Stockhausen serves Imperialism" von Cornelius Cardew - http://www.ubu.com/historical/cardew/cardew_stockhausen.pdf (1.93 mb) ... das Teil ist KEINE Satire sondern komplett ernst gemeint

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@ Nörgler
Stimmt, das war mißlich formuliert. Gemeint hatte ich die Zeit der 30er und 40er Jahre, als Adorno diese Texte schrieb. Obwohl es bereits in diesen Jahren und auch davor Jugendkulturen gab – seien das die naturbewegten Wandervögel im Umkreis der Lebensphilosophie oder die Swingjugend im faschistischen Deutschland. Bloß war hier der Grad der Ausbreitung ein anderer, da es diese Möglichkeiten zur medialen Vervielfältigung nicht gab: Schallplatte, Radio, Fernsehen. In der BRD kam diese Jugendkultur im Grunde aus den USA über Radiosender wie AFN an, vor dem Muttern damals immer saß, sich von Johnny Cash oder all den Rock’n’Roll-Sängern begeistern ließ, während die schwerstkatholische Oma das als Werk des Teufels, zumindest jedoch für ein Mädchen als nicht angemessen betrachtete.

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@bersarin:

Klar, wenn Adorno nicht 1969 gestorben wäre, hätte man ihn einige Jahre später sich mit Irokesenschnitt auf Punkkonzerten treffen können. Das unglaubliche metaphysisch-destruktive Potential dieser Musik hätte ihn sicher überzeugt, hehehe...

Nun ja, einer der Gründe warum ich Disco nicht mag ist natürlich auch dass diese Musik „von uninspirierten Spacken gehört wurde“. Ich habe das ja noch selber erlebt, und die Leute, die sich für Disco begeistertern, waren wirklich das spießigste, miefigste was man sich vorstellen kann, und vor allem waren sie 100% heterosexuell; in die Disco ging man bekanntlich, um Frauen aufzureißen bzw. sich aufreißen zu lassen; vom Bestreben „der ökonomischen Rollenzuweisung auf der Tanzfläche zu entfliehen“ war da nichts zu entdecken. Wenn die Frauen dann das erste Kind hatten, war es vorbei mit der Disco.

Mag sein, dass das in den USA anders gewesen ist, aber so war es Mitte der 70er Jahre in Deutschland.

Hinzu kommt. Disco ist objektiv schlechte Musik, ich hab das ja schon angeführt, und wenn ich recht sehe, widersprichst du dem ja auch nicht. Und wenn du sagst:

"Das eine ist also die ästhetische Qualität eines Musikstücks, für die sich Kriterien angeben lassen, das andere aber seine Möglichkeiten des Ausdrucks sowie der damit verbundenen Kontexte und Subtexte“, dann ist das so natürlich extrem vereinfacht. Der Ausdruck erfolgt ja über die verwendeten musikalischen Mittel, und da besteht natürlich schon eine Beziehung zwischen differenzierten Mitteln und differenziertem Ausdruck. Bei der Popmusik wird halt die Musik in den Hintergrund gedrängt vom „Phänomen der Mode, des Kleidungsstils“ usw.

„Wenn Rednecks und sogenannte harmlose, gute Menschen, die sich selber als durchschnittlich und normal begreifen, in den USA in Stadien öffentlich Dicoplatten verbrennen und wenn mit der Disco-Musik u.a. eine schwule Szene sich verbindet, dann muß man schon von ziemlich geringem Verstand sein, um da keinen Zusammenhang zu sehen.“

Na ja, halte ich schon für ziemlich weit hergeholt. Disco war ein gewaltiges kommerzielles Unternehmen, mit dem eine Menge Geld gemacht wurde, mit der Schwulenszene alleine wär das wohl kaum möglich gewesen.

Weißt du, ich finde Disco absolut ätzend; diese unschönen Klamotten, Frisuren, die billigen kleinen Melodien und Harmonien, mit Hall und eingespieltem Streichorchester zu bombastischem Sound aufgeblasen, das ist eine Zumutung. Wer das mag soll es hören, aber ich lasse mir deshalb nicht von irgendeinem aufgeblasenen narzistischen Fatzke keine homophoben oder rassistischen Tendenzen unterstellen zu lassen.

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"nicht" und "keinem" ist ein Widerspruch in sich, Du lässt sie Dir also unterstellen, und nur deshalb lösche ich den "Fatzke" nicht.

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@Willy56
Wie immer verstehst Du rein gar nichts.

„Disco war ein gewaltiges kommerzielles Unternehmen, ...“ Zum einen: die gesamte Pop- und auch die E-Musik (Karajan, Lang Lang et al.) ist ein gigantisches kommerzielles Unternehmen – wie sollte es auch anders sein. Es gibt kein Jenseits des Kapitalismus, sondern nur dessen bestimmte Negation.

Zur Disco-Sucks-Angelegenheit: das kannst Du bei Momorulez nachlesen. Nicht jede und jeder, die Disco nicht mögen sind Homophobe. Aber hör Dir mal eine bestimmte Form von Kritik an den Bee Gees an, die insbesondere von Männer kommt, dann weißt Du, was Momorulez meint: hohe Stimme, nicht-männliche Kleidung usw. (Ich will diese Stereotypen nicht alle wiederholen): Es steckt dahinter eben der Normierungsgedanke, wie Sex und Habitus zu sein haben.

Weiterhin zu Disco: Nein, auch ich mag Disco nicht. Überhaupt mag ich eigentlich sehr wenig außer blonde Frauen mit langen Beinen, Riesling und Weine aus der Bordeaux-Region. Aber das eine widerspricht nicht dem anderen: Daß es bei Disco unglaublich viel Mist gab, bedeutet nicht, man könne von dort heraus keinerlei Potential für eine Subkultur entwickeln. Ich bin kein Experte für Disco, ich denke aber, daß Momorulez u.a. eine Menge zu dieser Bewegung schreiben könnten: inwiefern es sich nämlich über Ausdrucksformen daran andocken ließ. Und mit Disco-Musik in Diskos ist nun gerade nicht die Spackenbude in Idar-Oberstein oder ein mittelmäßiges Etablissement in Berlin gemeint, wo man tanzen geht. Ich kopier mal, extra für Dich aus Wikipedia heraus:

„Als 1969 nach den Stonewall-Riots der Schwulen und Lesben in New York das Tanzverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben wurde und sich auch in der schwul-lesbischen Szene ein neues Selbstbewusstsein entwickelte, schossen in der Stadt schwule Clubs und Bars aus dem Boden, in denen die Anfänge der Discokultur der 70er Jahre lagen. Hier wurden ausgiebige Partys mit viel, mehr oder weniger öffentlichem, Sex gefeiert. Als Musik kristallisierte sich eine Mischung aus tanzbarem aktuellem Hardrock, Funk im Stil von James Brown, dem weicher, opulent arrangierten Soul-Unterstil namens Phillysound und lateinamerikanischer Musik heraus. Aus diesen Anfängen wurde um 1974 ein eigener Musikstil, der als "Disco" bezeichnet wurde.

Stilbildend dabei war DJ und Veranstalter David Mancuso, der in seiner Privatwohnung die legendären Loft-Partys veranstaltete. Hier wurden nicht nur zum ersten Mal nonstop Platten hintereinander gespielt, sondern Mancuso gestaltete den Raum mit Ballons und anderen Elementen und achtete auf die Qualität des Sounds und die Besonderheit der Atmosphäre. Das Publikum des Lofts war nicht nur vorrangig homosexuell, sondern auch eine Mischung aus Weißen und allen ethnischen Minderheiten der Stadt. Diese Eckpunkte wurden im weiteren Verlauf der Entwicklung der Disco-Kultur zunächst nur im New Yorker Untergrund ausgebaut. Um 1974/75 wurde Disco auch außerhalb des subkulturellen Untergrunds und New Yorks (oder speziell Manhattans) populär.“

Also: öfters mal nach New York und nicht nach Idar-Oberstein. Man, man, man, frau, frau, frau: Daß ich mal die Disco-Musik verteidigen werde, hätte ich mir nie träumen lassen.

Wie auch die Philosophie gestaltet sich das Phänomen „Pop“ übrigens komplex. Es geht in seinen Tiefen und auf seinen Reflexionshöhen nicht bloß darum, irgend eine Musik zu hören, so wie Du das beschreibst, Willy, denn sonst gäbe es Magazine wie Spex und insbesondere Diedrich Diederichsen nicht, die sich auf einem hinreichend komplexen Niveau mit diesen Dingen befassen. Und da reicht dieses Phänomen dann – zumindest in seinen intelligenteren Varianten – bis in die Literatur hinein, wenn ich etwa Rainald Goetz, Thomas Meinecke von der großartigen, wunderbaren, coolen und absolut hippen Band F.S.K nehme oder auch Dietmar Dath.

Das Interessante an der Pop-Musik: es gibt diese Übergänge. Da steht doch nicht nur Disko-Popper gegen Rocker, Teds gegen Mods. Skins gegen Punks. Palais Schaumburg bspw. machten Musik, die auch von Punk inspiriert ist und die sehen dennoch wie eigenwillige Popper oder Modefiguren aus: ganz bewußt greifen die verschiedene Elemente heraus. Und wie gesagt: Niemand hört bloß so Musik.

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@ che
Zum Umpolen und zum Pop schreibe ich noch etwas bei mir, und vielleicht auch noch hier bei Dir zu diesem dämlichen Frauenkram von Willy.

Ja Slime und Ton Steine Scherben waren bei uns auch dabei. Wobei in der Fraktion der reinen Distinktions-Punks es dagegen auch Aversion gab, weil das zu sehr in die Hippie-Richtung ging. Bei Slime teilte ich diesen Vorbehalt. War auf den Demos und als Heißmacher ganz witzig, aber mehr auch nicht. Die Scherben waren da schon anders.

Ach, in Göttingen hielte ich mich wegen des Brit-Pops sicherlich gerne auf. Denn wie schrieb es schon der große Kritiker des Diskurspop Immanuel Kant: „Es ist einzig der britische Weg noch offen.“ Legendär „Pulp“ mit „Common People“. Und dazu, noch besser als von Pulp, die Version von William Shatner (mit Joe Jackson zusammen):

http://www.youtube.com/watch?v=zc4Avp-6YBk&feature=related

Man wie cool und wie großartig ist denn das?????!!!!!!!!

Ich höre das immer wieder gerne und das gibt es bei mir irgendwann auch als Tonspur zum Sonntag noch einmal geboten, vielleicht gekoppelt mit einer kleinen Geschichte zu einer sehr blonden und erotischen Frau, die Joe Jackson hört.

(Schon der Text von Common People ist für einen Pop-Text ausgesprochen gut gemacht.)

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Und von da ist es gar nicht weit zu The Clash. Das sich gegenseitig Ausschließen von Pop und Punk halte ich ja auch für ein ganz doofes Gerücht. Am Interessantesten finde ich ohnehin die Crossover-Richtungen. Der spezielle Hardcore-Sound von Henry Rollings beispielsweise entstand aus dem Bedürfnis und Anspruch, "den Jazz zurück auf die Straße zu holen."


Wo ich das hier stilistisch genau einordnen sollte weiß ich gar nicht; aber ist das wichtig?


http://www.youtube.com/watch?v=QEN3yBWqYOU



http://www.youtube.com/watch?v=ZfiAWWz6XTM&feature=related

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der Andy Warhol der Popmusik
"... die billigen kleinen Melodien und Harmonien, mit Hall und eingespieltem Streichorchester zu bombastischem Sound aufgeblasen, das ist ..."

... das ist heiliger Trash.

nun gut, wer dem nichts abgewinnen kann, der darf meinetwegen "anspruchsvolle" Popmusik hören; seinem Ego den Bauch pinseln.

sweet little sixteen - she´s got the grown up blues
tight dresses and lipsticks
she´s sporting high heel shoes
but oh tomorrow morning
she´ll have to change her trend
´nd be sweet sixteen
and back in class again

Es sind Hymnen auf das Gewöhnliche, den Alltag, Produkte der Kulturindustrie; Chuck Berry ist der Andy Warhol der Popmusik

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Oder, wie eine NDW-Band das in ihrem Namen toll auf den Punkt brachte "Mythen in Tüten".

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genau

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Disko und Punk
Geil:
http://www.myvideo.de/watch/7054696/Jan_Delay_Disko

Und dann:
http://www.youtube.com/watch?v=D3h-UHwdYhM

Da würde Adornos Brille aber beschlagen!

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Danke Tuc für diese schönen Fidschos, wie Matti gesagt hätte. Zu den Hintergründen der aktuellen Auseinandersetzungen kriegst Du noch Mail, Stichwort: Reise nach Absurdistan.

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Ja, Adornos Brille beschlüge in der Tat. Wobei er im Sinne seiner (Musik-)Ästhetik allerdings grosso modo immer noch richtig liegt. Das Phänomen des Pop: Die meisten Musikstücke dürften unter ästhetischen Gesichtspunkten eher mager ausfallen.

Aber darum geht es beim Pop auch gar nicht so sehr, sondern vielmehr ist es eine Möglichkeit des Ausdrucks. Populäre Music handelt von Lebensstilen und Haltungen. Pop verschiebt Grenzen und aus diesem Grunde gibt es dort auch kein Entweder-Oder. Es funktioniert Disco und Punk. (Allerdings gab es auf der ersten Slime-Platte – der verbotenen – ein Stück mit dem Titel „Disko“, das gegenüber diesem Phänomen wenig schmeichelhaft in Text und Musik ausfiel. Disco = Popper.)

Kann man die Bassistin kennenlernen? ;-)

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@Bersarin:
(Allerdings gab es auf der ersten Slime-Platte – der verbotenen – ein Stück mit dem Titel „Disko“, das gegenüber diesem Phänomen wenig schmeichelhaft in Text und Musik ausfiel. Disco = Popper.)

Kann man die Bassistin kennenlernen? ;-)

In meinen jungen Jahren wars auch so, dass man als erkennbarer Linker vor manchen Diskos gewaltig aufpassen musste, nix an die Ohren zu bekommen. Es waren natürlich nicht nur Faschos da, sondern auch ihre Schulkumpel, die Popper. Und die Ekelpopper von damals mit ihrem Wohlstandschauvinismus sind ja heute an der Macht. Den Discowichser-Song von Slime find ich deshalb auch super – finde aber eben auch Jan Delays Song klasse, mag vieles von Madonna, Robbie Williams oder Lady Gaga. Das mag sich widersprüchlich anhören, ist es aber eben gar nicht.

Die Bassisten ist glaube ich mit dem Gitarristen zusammen. Geh also lieber in die Disco, um eine Bekanntschaft zu machen … ;)

@Che: bin gespannt!

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Zunächst zum wichtigsten Punkt:

"Die Bassisten ist glaube ich mit dem Gitarristen zusammen." Dachte ich mir. Allerdings: ich war zweimal in Diskos, das hat mir gereicht. Ich lerne da auch niemanden kennen wegen der zu lauten Musik. Und wenn ich Hegel sage, verstehen die Frauen häkeln.

Diese Poppertypen (also, nicht in der Philosophie, da gab es die auch, sondern in der Musik) in den 80ern schwirrten auch bei uns herum, die kamen allesamt vom äußerst rechten Rand der Jungen Union. Grauenhafte Sippe. Was Du zu den Diskos schreibst stimmt.

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die grosse Mehrheit der (zahlreichen) PopperInnen im Hamburger Norden vor 25-30 Jahren waren komplett unpolitisch, die politischen PopperInnen mehrheitlich bei der JU (und standen auf Reagan, Thatcher und Strauss), einige bei den JuLis und sehr sehr wenige Linke ... ansonsten haben die Popper als Jugendsubkultur nie eine eigene Musik produziert sondern sich anderweitig bedient: Depeche Mode, Style Council, Madness, Münchener Freiheit (die Lieblingsband der Norderstedter JU) ... auf JU-Abenden wurden dann aber auch zuweilen Lieder gesungen, welche einen Straftatbestand nach StGB § 86, 86a und 130 erfüllten

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Und sie hatten sogar ihren eigenen Liedermacher, Gerd Knesel.

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stimmt ... der trat auch auf Barschels 35. auf: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14327854.html

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Unglücklicherweise führte sein Name dazu, dass er öfter mal mit Fredo Fesl verwechselt wurde. Verwechslungen mit Herrn Rennecke wären passender gewesen;-)

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erinnert mich an einen DKPler, der mal in der U-Bahn Stress mit einigen Jungautonomen hatte, welche die "Volkszeitung/die Tat" nicht kannten

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das erinnert mich wiederum an einen Volontär beim SPIEGEL, der die Junge Welt und die Junge Freiheit nicht auseinanderhalten konnte

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die "Junge Freizeit" ;-)

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Freiheitsmagazin, Freizeitfabrik, Eigentümlich neu und Freizeit, die ich meine!

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Zurück zu Musik:
"Freizeit, Frei-zeiheihei-heit, ist die einzige, die zählt,
Freiizeit, Frei-zeiheihei-heit, ist die einzige, die zählt,
Freiizeit …"

Westernhagens Freizeitdrang war schon fast so groß wie der Joachim Gaucks …

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m.W. war der in den 1970ern zeitweise MLer

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