Freitag, 25. Oktober 2013
Déjà Vu
Die Auseinandersetzugen rund um die Mädchenmannschaft, die Einzelblogs der Mitstreiterinnen dort, RS usw. haben für mich eine ganz eigene, ich will mal sagen, zwiespältige Faszination. Dies liegt zum Einen daran, dass sie sich an sich mit wirklich wichtigen gesellschaftlichen Konflikten und Widersprüchen wie Sexismus, Rassismus und Patriarchat beschäftigen, dies aber auf eine Weise tun, die ich nicht lösungsorientiert und auch nicht kritisch-materialistisch wahrnehme, sondern eher das Problem ins Aussichstslose weiterentwickeln und zum Anderen extrem moralisieren (moralisieren ist etwas, das ich grundsätzlich nicht abkann, vor allem, wenn es mit Humorlosigkeit verbunden ist, vor allem aber führt moralischer Rigorismus auf politisches angewandt zwangsläufig in die Irre).

Wichtiger ist nicht nur für mich, sondern auch für so einige, die hier kommentieren oder das mal taten aber noch ein ganz anderer Aspekt. Wir sind sozialisiert über das Göttinger Jugendzentrum Innenstadt, das JUZI, wo sehr viele Debatten geführt wurden, gute und schlechte, theoretische und aktionsorientierte, auch sehr anspruchsvolle Debatten rund um Antiimperialismus, Geschlechterwiderspruch/Patriarchat und Rassismus. Es gab aber auch die entgleisenden, ins Absurde abstürzenden Debatten, und die fanden immer dann statt, wenn über mehr oder weniger homogene, durch gegenseitiges Vertrauen geprägte Gruppen hinaus übergreifende Diskussionen stattfanden, bei denen es um Vergewaltigung, Sexismus allgemein, eine "korrekte Lebensweise" (z.b. Veganismus, allgemeine Bescheidenheit im Lebensstil usw.) und derlei Themen ging und die Ebene des Analytischen verlassen wurde, um auf einer rein moralischen zu landen. Fast immer kam da Hysterie bei heraus und bei Leuten, die eigentlich als bunte lasterhafte Bürgerschrecks unterwegs waren ein geradezu klösterlicher moralischer Fundamentalismus. Ein Teil der aktuellen Blogdebatten kommt mir - und nicht nur mir - vor wie ein Remix der schlechtesten JUZI-Plena der 1980er und 1990er, im Gegensatz zu den aus guten Gründen geschlossenen Runden im Original mit kommentarfunktion ins Netz gestellt.


Btw.: Beim Stöbern in meinem Comicregal stieß ich auf die alten Lauzier-Comics aus den 1980ern. Die schildern satirisch und mit beißender Häme den Lebenstil der postrukturalistischen Intelligenz im Paris der 70er und 80er Jahre. Da gibt es "Antipärchen", die nach potenziellen PartnerInnen suchen, die möglichst hässlich zu sein haben, um so gegen den ableistischen Körperkult zu protestieren bzw. gegen diesen zu leben, und Anhänger der "Neuen Sinnlichkeit" sind langweilige Labertaschen mit ungelebten Macho-Größenwahnfantasien, "Nouvelle Philosophes" hingegen besser im Bett. In einem Frauenhaus werden sofort große Kampagnen geplant, als ein Vergewaltigungsopfer um Hilfe bittet (ohne das Opfer zu fragen, ob es überhaupt an die Öffentlichkeit gehen will). Als sich nach und nach herausstellt, dass die Vergewaltigung nicht vollzogen wurde, weil ein Mann dazwischengegangen ist (Skandal! Eine Frau hat sich bei einer Vergewaltigung nicht von einem Mann helfen zu lassen, außerdem nährt das machistische Beschützerfantasien), dieser Mann ein Jude, der Vergewaltiger hingegen ein Moslem und das Opfer auch keine biologische Frau im XX-Sinne, sondern eine Transe ist wird das Opfer aus dem Frauenhaus fast rausgeschmissen, weil dies gegen alle linken Feindbilder bzw. Normen der politischen Korrektheit verstößt. Na ja und solche Geschichten, über die unsereins, als diese Debatten in Gruppenräumen in geschlossenen Runden geführt wurden herrlich gelacht hatten. Die aber etwas sehr Ernstes auf die Schippe nahmen.

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Ein "Problem ins Aussichstslose weiterentwickeln":

Ganz riesige Formulierung!

@ Moral

Ich habe nichts gegen Moral in der Politik. Noch nicht einmal gegen Moralisieren - obwohl das bereits i.d.R. eine gewisse Falschheit enthält. Aber ich habe etwas gegen eine lebensferne, akademische "Moral", zu deren Hauptzwecken es gehört, die eigene Denkrichtung als das moralische Nonplusultra hinzustellen - während der Rest, beispielsweise völlig harmlose, liebevolle Hetenfamilien - wie eine Art terroristischer Anschlag auf die eigene Freiheit umgedeutet werden. Oder das aktive Unterbuttern von allen Lesben, welche sich dem gerade aktuellen Dresscode nicht beugen. Kenne ich über lebische Freundinnen. Oder das gleichermaßen perfide wie verlogene pauschale Einfordern, im Alltagsverhalten auf so gedeutete "Privilegien" zu verzichten. Was ja angeblich keine moralische Forderung wäre, sondern als Vorgang einer Art Selbstkritik schlicht voraus gesetzt wird - als Klaks, ganz egal, was da jeweils als Anforderung subsummiert wurde (z.B. quälend lange und oft im Ton der Selbstbezichtigung gehaltende Selbstpositionierungsvorträge in Gruppen an Stelle gehaltvoller inhaltlicher Diskussion). Oder die pseudosironische Selbstbetitelung repressiver Radikalfeministinnen als "Erklärbärinnen", inklusive aller Widerwilligkeit die eigenen Positionen und Haltungen jemals sorgfältig zu begründen oder diese einer offenen Diskussion zu stellen. Ein moralisierender Verlautbarungston, der sich jeglicher Zugänglichkeit aktiv verweigert, der die eigene Bezugsgruppe/Blase den "Wissenden" zurechnet, und alle Übrigen den belanglosen Tölpel/innen. Oh: gilt dann auch noch als Nonplusultra (!) im Umgang mit anderen. Etc. pp.

Das ist nicht Moral, nicht einmal krumme Kopfgeburtsmoral, sondern repressives Bullshitting. Interessanter Weise oft von Leuten, die ihre innere Zwanghaftigkeit zum Maßstab aller übrigen machen möchten.

(wobei das im Detail noch mal deutlich komplizierter ist - und als Pauschalvorwurf an die Mae-Mannschaft weder weitgehend zutrifft, noch sonstwie eine faire Darstellung ist - und auch eine gewisse Pluralität innerhalb der Mae-Mannschaft ignoriert)

Wobei ich auch anmerken muss, dass ich Mae-Mannschaft nicht mehr verfolge. Für mich hat sich diese Gruppierung weitgehend in Richtung Belanglosigkeit erledigt.

(die feiern sich und ihre ach-so-tolle queerradikalfeministische Richtung noch ein oder zwei Jahre ab - und dann ist der Laden tot: wäre meine Prognose, jedenfalls, falls ihnen keine Öffnung der eigenen Blase gelingt)

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