Montag, 5. Mai 2014
Volkmar Sigusch sagt, wie es ist
und gebraucht dabei zwar einen psychoanalytischen Jargon, der Gendertheorie-Feministinnen aufbringen würde, liegt aber inhaltlich mit denen auf einer Linie und geht sogar noch weiter. Die empirische Sexualforschung bestätigt die Kernaussagen von Foucault und Butler. "Sexualität" insgesamt ist ein historisches Konzept, das gerade mal 200 Jahre alt ist.


http://www.zeit.de/wissen/2014-04/sexualforschung-volkmar-sigusch-podcast

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"Liquid Gender", "polysexuell", wir können in einem Augenblick Mann sein und im nächsten Frau.....

Klingt eigentlich alles wie das übliche relativistische Gerede was Sex betrifft. Zumal er das auch einfach mal so behauptet, ohne es zu begründen oder gar wissenschaftlich zu belegen.

Gut, vielleicht muss man erst den vollständigen text abwarten, den die Zeit wohl erst noch veröffentlichen wird.

Aber davon, dass hier Kernaussagen von Foucault und Butler empirisch belegt würden, kann wohl keine Rede sein.

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Der behauptet nicht einfach so, der bezieht sich auf seine jahrzehntelangen Erfahrungen aus sexualtherapeuthischer Praxis und sexualwissenschaftlicher Forschung.

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Da kommt in dem Interview aber nichts von rüber.

OK mal sehen was morgen in der Zeit steht.

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Alos in der letzten Zeit stand nichts von dem Sigusch. Dafür aber ein Artikel über einen Homosexuellen, dem man versucht hat, seine Neigung durch irgendwelche Therapien auszutreiben. Darin heißt es:

"Heute gilt als sicher, dass die sexuelle Orientierung ebenso wie die sexuelle identität eines menschen biologisch festgelegt ist. Homosexualität ist ebenso wenig heilbar, wie Heterosexualität." (S.58, "Wie mich zwei Ärzte von meinem Schwulsein heilen wollten")

Ist ja auch mal eine Ansage.

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Zeit Wissen ist eine eigenständige Zeitschrift und nicht mit der Zeit identisch. Die andere Sache, das aberwitzige Schwule "heilen" zu wollen, macht gerade Furore. Völlig abgedreht. In der Hinsicht verstehe ich auch die Ängste von Momo und Loellie.

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derselbe Kinderglaube
Gibt es ein "nicht-soziales" Geschlecht ? Dass es ein "soziales Geschlecht" im weitesten Sinne "gibt", ist ja klar: von der (kulturell geprägten) Zuordnung 'ist weiblich', 'ist männlich' sind wir ja ausgegangen, um womöglich zu einer präziseren Definition von biologischen Geschlechtern zu gelangen (da wir immerhin über eine ganze Reihe recht präziser Begriffe in der Biologie verfügen, schien dies aussichtsreich).

Wobei "kulturell geprägt" so gut wie nichts besagt. Eine Zuordnung ist immer eine kulturelle Angelegenheit. Dies ist freilich eine Abstraktion meinerseits. (Ich persönlich befreie mich für Erkenntniszwecke von allen begrifflichen Schemata und erkenne die Dinge direkt, ohne Umwege.)

Zu dieser Einsicht ist es aber nur ein Schritt weg vom naiv-platonischen Kinderglauben, dass es, nur weil wir ein Wort dafür haben, dieses Ding wirklich gibt, dass es existiert.

Nominalismusstreit: Irgendwann im Mittelalter (in Europa) gab es dann auch nominalistische Positionen. Somit war der Weg geebnet für das, was wir heute Wissenschaft nennen.

Was es mit dem "kulturell geprägt" auf sich hat, können wir uns veranschaulichen, wenn wir uns eine "lexikalische Definition" zusammenbasteln: Wir schlagen den betreffenden Begriff und alle relevanten (die wir im nachgeschlagenen Lexikoneintrag finden) in allen erreichbaren Lexika und in allen sonst noch denkbaren Zusammenhängen nach. Dann erstellen wir eine Liste aller so aufgefundenen Begriffe. Es dürfte uns eine relativ große kulturelle Vielfalt entgegentreten. Nachteil: Wir haben so unser ("nichtsoziales") Wissen über den betreffenden Gegenstand kein Stück erweitert.

Wissen wir also, was das Geschlecht ist, das nicht das soziale Geschlecht ist ? Antwort: NEIN !

Es müsste eine andere Methode geben:

Nehmen wir z.B. die Experimente, die angeblich bewiesen hätten, dass es keinen "freien Willen" gebe: Wir haben dann eine partielle, operationale Definition dessen, was (letztlich aber doch einer unausgesprochenen Festlegung folgend) nicht "freier Wille" ist. Immerhin, ein Wissensfortschritt ist erkennbar. Was diese Experimentatoren, die großartig verkünden, dass der Wille nicht "frei" sei, immer vergessen: Sie verfügen über gar keinen Begriff des "freien Willens", aus kindlichem Omnipotenzwahn heraus mögen sie sich nicht recht eingestehen, dass sie mitnichten wissen, was der "freie Wille" ist! Sie haben etwas herausgefunden; nicht jedoch, wonach sie vermeinten zu fragen.

Wir wissen einfach nicht, was der "freie Wille" ist, wie ich es immer gerne sage. - Und wie es Markus Gabriel, jüngster Philosophieprofessor Deutschlands, neulich herrlich fast identisch in "planet-wissen" formulierte. Link

Die "wissenschaftliche" Methode, per Experiment zu überprüfen, ob es den "freien Willen" gebe, hatte natürlich ihren Reiz: anhand des Aufbaues des Experiments hätte ablesbar sein müssen, welche Definition implizit benutzt worden war. Das enttäuschende Ergebnis kennen wir: "Freier Wille" ist nicht das, was wir testen, wenn wir mittels dieses oder jenes Experimentaufbaues dieses oder jenes Experiment durchführen. Das Ergebnis stand vorher fest, wir haben uns eh´schon zu lange damit beschäftigt, lassen wir es also von nun an (gähn) ...

Mit dem ominösen Geschlecht, das nicht das "soziale Geschlecht" ist, verhält es sich nun exakt so, wie mit dem sog. "freien Willen": Auf die Frage danach, was es ist, müssen wir antworten: WIR WISSEN ES EINFACH NICHT !

Was nun zwar wie ein Fortschritt im Bemühen um eine Definition auf Seiten der Gender Theoretiker*innen im Gegensatz zu den Neurowissenschaftlern als Fortschritt scheinen könnte, die Einführung der begrifflichen Unterscheidung Sex / Gender, macht jedoch nur explizit, worin der Irrtum der Neurowissenschaftler besteht: der Irrglaube letzterer, nur weil sie über ein Wort verfügten, müsse dem auch etwas existierendes entsprechen.

Wie sonst hatte es zu der Definition: 'das Geschlecht, das nicht das soziale Geschlecht ist' kommen können? Offenbar wurde wissenschaftsgläubig angenommen, dies sei bekannt - und "soziales Geschlecht" eine zusätzliche Kategorie und begrifflich eine Neuerung.

Dass uns aber von Beginn an nichts anderes geblieben ist, als, um zu einer Definition dessen, was nicht das "soziale Geschlecht" sein soll, zu gelangen, von unserem Alltagsverständnis auszugehen, also von einem sozial strukturierten Raum, in welchem das "soziale Geschlecht" auffindbar sein müsste, ist den Gendertheoretiker*innen vor lauter Wissenschftsgläubigkeit, die sie auch noch, so mein Eindruck, zu kritisieren suchen, nicht aufgegangen.

Nehmen wir den Experimentaufbau der Neurowissenschaftler als Definiens, so ist in ihm (ich vermute als Folge der o.g. nichteingestandenen Unwissenheit) verdeckt der Begriff des "freien Willens" (als Definendum - das zu Definierende) enthalten, wenn der Probant hört: "heben Sie 'nach freien Stücken', 'aus ihrer persönlichen freien Entscheidung heraus', 'willkürlich' ... die linke Hand!" Also: tun Sie das, was der "freie Wille" ihnen befiehlt! (Als handele es sich um eine Meditationstechnik, mit der der "freie Wille" aufgefunden werden soll - mit demselben Ergebnis; Gabriel: Neurowissenschaftler stellen sich offenbar den freien Willen wie ein kleines Männchen im Kopf vor.)

Denselben Fehler finden wir auch bei Sex/Gender: "Liquid Gender", "polysexuell", "das soziale Geschlecht im Gegensatz zum biologischen", ... - das Definendum ist im Definiens enthalten. Es wird (uneingestandenes) Unwissen immer nur weiter breitgetrampelt.

Von Foucault stammt das schöne Bild von dem in den Sand gezeichneten Gesicht, das vom Wasser weggespült wird. Der Sand ist hier gut gewählt: Das Gesicht löst sich in einem Medium auf, dessen Mengenbegriff keine abzählbaren Elemente kennt ("Sande" sind etwas anderes u. "Sandkorn" hat extra eine eigene Bezeichnung). Ab wann ist ein Sandhäufchen kein Häufchen mehr, sondern ein Haufen? - Unentscheidbar. Ab wann sind n(+1) Sandkörner ein Häufchen, ein Sandhaufen? - Unentscheidbar.

Wer also weniger auf religiöse Dogmatik steht, es nicht so mit Platon hat, auch nicht vermag (durch mystisch-gnostische Praktiken), die Dinge direkt ohne Umweg zu erkennen, oder dies zu versuchen sich nicht traut, der und die sollte sich einfach damit abfinden, dass exakte Begriffe jenseits "sozialer Konstruktionen" (Liebe, Gott, ...) nicht zur Verfügung stehen.

Ich finde, wir sollten bei den Tatsachen bleiben. Dann stellt sich aber heraus, dass Gendertheoretiker*innen und deren Kritiker*innen ("relativistische[s] Gerede[,] was Sex betrifft" (willy)) demselben Kinderglauben zu unterliegen scheinen.

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Nein, das sehe ich nicht so. Hier ist Geschlecht mehr eine gesellschaftspolitisch operationalisierbare Kategorie und keine Zustandsbeschreibung eines Seins. Ansonsten sind wir da wunderbar tief in der Schrödingers-Katze-Problematik.

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Ziggev, es sind nicht die Neurologen, die definieren, was „Freier Wille„ ist, und dann behaupten, so was gäbe es nicht, es sind vielmehr die (meisten) Philosophen die ihn definieren und behaupten, er würde existieren. Und die Wissenschaftler erlauben sich dann, darauf hinzuweisen, dass ihre Forschungsergebnisse im Widerspruch dazu stehen.

Beim Geschlecht ist es umgekehrt, da bieten die Biologen eine (empirisch gut belegte) Erklärung dafür, warum Menschen in 99,95% aller Fälle über eindeutige physische und in den meisten Fällen auch psychische Geschlechtsmerkmale verfügen, und dann kommen Figuren wie Judith Butler und behaupten, dass sei alles Unsinn und beruhe auf einer heteronormativen Verschwörung. Allerdings ohne es irgendwie nachvollziehbar zu begründen, geschweige denn wissenschaftlich belegen zu können.

Das ein linksliberales, profeministisches Blatt wie die Zeit so was schreibt („Heute gilt als sicher, dass die sexuelle Orientierung ebenso wie die sexuelle identität eines menschen biologisch festgelegt ist.„), ist eine ermutigendes Signal dafür, dass sich die Realität letzten Endes doch irgendwann durchsetzt.

Es ist auch aus meiner Sicht die einzig akzeptable Auffassung, nach der die Versuche, christlicher oder muslimischer Spinner, Schwule mit kalten Duschen oder irgendwelchen Therapien zu traktieren, genauso idiotisch sind, wie die Versuche bestimmter Queer-Feministinnen , Heteros bereits in der Grundschule nah zu bringen, dass sie ihre sexuelle Orientierung frei wählen können.

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Heteros in der Grundschule
Selbst wenn du postulierst, dass die sexuelle Orientierung genetisch festgelegt ist und somit in der Grundschule (obwohl vielleicht latent, da präbubertär) schon vorhanden ist (was ich sogar vorsichtig anzweifeln würde), selbst wenn du hiervon ausgehst, geht es mitnichten darum, die armen, armen Heteros in ihrer Norm zu verunsichern. Es geht vielmehr darum aufzuzeigen, dass es abseits der Norm andere Varianten sexuellen Begehrens gibt und, DASS DAS OK IST!
Wenn Kinder in der Pubertät dann feststellen, dass sie homosexuell begehren, sind sie nicht ganz so alleingelassen. Was glaubst du wieviele sich schlicht nicht trauen dies auszuleben, da "schwul" ja ganz klar pejorativ konnotiert ist.

Was die "freie Wählbarkeit" angeht, so glaube ich, dass das in gewissen Grenzen gegeben ist. Es wird schwer bis unmöglich sein, zu trennen, was Biologie und was Kultur ist.
In gewissem Maße ändert sich das Begehren doch ohnehin. Wer mit 30 noch die gleichen Menschen begehrt wie mit 13 würde normalerweise als pädophil klassifiziert werden. Das gibt es zwar auch, aber in verschwindend geringem Anteil.
Ich habe mit Ende 30 nun eine ziemliche Vorliebe für dicke Frauen entwickelt. Unter anderem, wohlgemerkt! Diesem Umstand kann eins nun mit einer ganzen Bandbreite von wissenschaftlichen Richtungen zu "Leibe rücken". Z.B. Behaviourismus: Der Grund ist, dass ich schöne Erfahrungen mit meiner (mittlerweile Ex-)Freundin gemacht habe, die stark zugenommen hatte..... Kann ja sein.
Psychoanalyse: Hier könnte die "Perversion" eine Rolle spielen, nämlich dass aus dem Umstand, dass Dicke normativ eher als unattraktiv gelten, eine gewisse "Selbstverachtung" rührt, die die Lust aber eher stärkt. Spielt bestimmt auch mit rein.
Oder es könnte sein, dass ich einfach mittlerweile mir selbst diese Form von Begehren zugestehen kann, was ich vorher eher verdrängt habe, da sozial weniger akzeptiert.

Wie das bei Homosexualität ist, ist bestimmt noch komplizierter. Bisexuelle gibt es ja auch noch.

Eine gewisse Grundtendenz wird biologisch determiniert sein, in einem gewissen Ausmass wird das aber später noch formbar sein.

Weitergedacht komm ich von dem Thema „dicke Frauen“ u.a. „Fetischen“, übrigens auch wieder zum Thema Heteronormativität. Es wird ja häufig von „kurvigen Frauen“ gesprochen. Mag ich sehr, ausladende Hintern und Brüste und so. Es gibt aber ja auch solche, die sich eher durch die Abwesenheit einer Taille auszeichnen. Die haben ja mit extrem dünnen Frauen (auch keine Taille) gemeinsam, dass sie normativ „unweibliche“, mithin quasi „männliche“ Formen aufweisen. Das finde ich durchaus auch alles sehr sexy. Ich kann Körperbehaarung bei Frauen etwas abgewinnen. Wir sehen wohin das führt.

Wenn jetzt noch Fantasien bezüglich passiver Penetration hinzukommen (vulgo: in den Arsch gefickt werden), sind wir schon fast beim homosexuellen Begehren. Fast, wohlgemerkt, weil es immer noch „Frauen“ sind die ich solcherart begehre. Was immer der Begriff dann noch aussagt.

Was passiert hier? Hab ich Behaarung und Kurvenarmut behaviouristisch mit positiven Erlebnissen verknüpft? Oder labe ich mich an meinem perversen, da durch Selbstverachtung verstärktem Begehren? Nehme ich deshalb gesellschaftlich eher als unattraktiv geltende Kennzeichen als Fetisch auf? Keine Ahnung!
Was ich jedoch sagen kann ist, dass ich nach dieser Entwicklung keineswegs mehr ausschließe irgendwann sexuelle Erlebnisse mit einem Mann zu haben. Und das einfach einer gewissen Entwicklung geschuldet. Kann natürlich sein, dass das alles außerhalb der Fantasie überhaupt nicht funktioniert. Tja. Kann ich jetzt als relativ frischer Single alles mal ausprobieren. Zumindest theoretisch. ;-)

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